TE Vfgh Beschluss 2020/11/24 WI10/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.2020
beobachten
merken

Index

L0350 Gemeindewahl, Bürgermeisterwahl

Norm

B-VG Art141 Abs1
Stmk GdWO 1960 §86
VfGG §7 Abs2, §68 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung der Anfechtung der Wahl des Gemeinderats der Marktgemeinde Ilz mangels Vorliegens eines selbständig anfechtbaren Bescheids bzw einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung; eine als Bescheid titulierte – einen Wahlakt aufhebende – Erledigung ist als bloßer "Teilakt" kein das Wahlverfahren beendender Bescheid

Spruch

Die Anfechtung wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Am 28. Juni 2020 fand die Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Ilz statt.

2. Die wahlwerbende Partei "Gemeindeliste Team Friedheim (GL)" erhob durch ihren Zustellungsbevollmächtigten Einspruch gegen das Wahlergebnis wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.

3. Mit der als Bescheid titulierten Erledigung vom 21. September 2020 hat die Landeswahlbehörde dem Einspruch stattgegeben und das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Ilz vom 28. Juni 2020 insoweit aufgehoben, als es der Veröffentlichung der Gemeindewahlvorschläge nachfolgt. Seine Entscheidung begründete die Landeswahlbehörde im Wesentlichen damit, dass es durch die unzulässige und rechtswidrige Ausstellung von Wahlkarten zu einer Verletzung von Vorschriften der Wahlordnung gekommen sei und dies einen Einfluss auf das Wahlergebnis gezeitigt habe.

4. Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende, auf Art141 B-VG iVm §68 Abs1 VfGG gestützte Wahlanfechtung. Begründend führt die Anfechtungswerberin in ihrem Schriftsatz vom 13. Oktober 2020 aus, dass die Gründe für die Stattgabe des Einspruches bzw der Aufhebung des Wahlverfahrens gerade keine Gründe darstellen würden, die einen Einfluss auf das Wahlverfahren gehabt hätten. Dem Einspruch sei wegen Gründen stattgegeben worden, die – anders als vom Gesetz verlangt – nicht im Einspruch moniert worden seien. Die Entscheidung der Landeswahlbehörde sei daher nicht in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zu bringen.

Die Anfechtungswerberin stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "[i]hrer Anfechtung stattgeben und aussprechen, dass der Einspruch wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens nicht begründet war/das Wahlverfahren in keiner Art und Weise zu wiederholen ist".

5. Die Wahlanfechtung ist unzulässig:

5.1. Im vorliegenden Fall erhebt die Anfechtungswerberin eine auf Art141 B-VG iVm §68 Abs1 VfGG gestützte Wahlanfechtung gegen eine als Bescheid titulierte Erledigung der Landeswahlbehörde, in der festgestellt wurde, dass das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates insoweit aufgehoben werde, als es der Veröffentlichung der Gemeindewahlvorschläge nachfolge.

5.2. Der Verfassungsgerichtshof hat – beginnend mit der Entscheidung VfSlg 6306/1970 – in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass sich eine Wahlanfechtung gemäß Art141 Abs1 B-VG iVm §68 Abs1 VfGG nur gegen ein bereits abgeschlossenes Wahlverfahren richten kann. Unter "Beendigung des Wahlverfahrens" iSd Bestimmung des §68 Abs1 VfGG ist jener Zeitpunkt zu verstehen, in dem der letzte in Betracht kommende Akt des Wahlverfahrens vollzogen ist (vgl VfSlg 9342/1982, 9963/1984, 15.033/1997). Daher kann nur eine das Wahlverfahren beendende Entscheidung mit einer Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 B-VG bekämpft werden. Eine letztinstanzliche verwaltungsbehördliche Entscheidung, die einen Wahlakt aufhebt, ist in diesem Sinn keine das Wahlverfahren endgültig beendende Entscheidung. Der Verfassungsgerichtshof qualifizierte idS einen das Wahlverfahren aufhebenden Bescheid als "verfahrensrechtlichen Zwischenbescheid", dem keine die Rechtmäßigkeit des endgültigen Wahlausgangs präjudizierende Rechtskraft zukommt (vgl VfSlg 6306/1970, 8953/1980, 14.400/1995). Eine solche Entscheidung bildet einen – nicht selbstständig anfechtbaren – Teilakt des Wahlverfahrens (vgl VfSlg 8973/1980, 12.532/1990, 16.164/2001; VfGH 24.2.2016, WI18/2015 ua).

5.3. An dieser Rechtslage hat auch die im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51/2012, neu geschaffene Bestimmung des Art141 Abs1 litg B-VG (nunmehr – in der zuletzt novellierten Fassung BGBl I 41/2016 – Art141 Abs1 litj B-VG) nichts geändert.

Gemäß Art141 Abs1 litj B-VG idF BGBl I 41/2016 erkennt der Verfassungsgerichtshof unter anderem über die Anfechtung von – in einer wahlrechtlichen Angelegenheit iSd Art141 Abs1 lita bis c und litg bis i B-VG erlassenen – selbständig anfechtbaren Bescheiden und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen.

Bloße "Teilakte" eines Wahlverfahrens sind aber nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – wie bereits dargelegt – gerade nicht selbständig bekämpfbar. Sie sind daher auch (weiterhin) nicht von Art141 Abs1 litj B-VG erfasst und bleiben auch künftig bloßer Teil des Wahlverfahrens (vgl AB 1771 BlgNR XXIV. GP, 5, zu Art141 Abs1 litg B-VG, der nunmehr Art141 Abs1 litj B-VG entspricht; Trauner, Gemeinderatswahlen, in: Pabel [Hrsg], Das österreichische Gemeinderecht, 4. Teil, 2. Heft, 2016 [Rz 333 ff]).

Auch die bereits vor der Novellierung des Art141 Abs1 litg idF BGBl I 51/2012 (nunmehr Art141 Abs1 litj B-VG idF BGBl I 41/2016) bestehende einfachgesetzliche Bestimmung des §86 Abs6 Stmk Gemeindewahlordnung 2009 - GWO, wonach gegen die Entscheidung der Landeswahlbehörde die Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof offen steht, vermag an der dargelegten Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes nichts zu ändern, zumal dieser in vergleichbaren Konstellationen die Auffassung vertrat, dass einer solchen Bestimmung kein über §68 Abs1 VfGG hinausgehender Inhalt beizumessen ist, sondern dass es sich vielmehr um eine narrative Wiederholung der sich aus §68 Abs1 VfGG ergebenden Anfechtungsbefugnis handelt (vgl VfSlg 8953/1980).

5.4. Da somit die als Bescheid titulierte Erledigung der Landeswahlbehörde kein das Wahlverfahren iSd §68 Abs1 VfGG beendender Bescheid ist und nach den gesetzlichen Zuständigkeitsvoraussetzungen für eine verfassungsgerichtliche Wahlprüfung nur ein derartiger Bescheid Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens sein kann, liegt der Anfechtung keine das Wahlverfahren iSd §68 Abs1 VfGG beendende Erledigung und damit auch kein tauglicher Anfechtungsgegenstand zugrunde.

6. Die von der Wählergruppe "Österreichische Volkspartei (ÖVP)" eingebrachte Anfechtung der Gemeinderatswahl 2020 der Marktgemeinde Ilz ist daher zurückzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wahlen, Gemeinderat, VfGH / Wahlanfechtung, VfGH / Prüfungsgegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:WI10.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten