TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/21 96/19/3508

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Veröffentlicht am 21.05.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §32;
AVG §56;
AVG §71 Abs1 Z1;
ZustG §17 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Oktober 1996, Zl. 116.361/2-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit des Aufenthaltsrechtes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Jänner 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 2 Fremdengesetz (FrG) mangels eines alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung beim Postamt 1050 Wien mit Wirkung vom 27. Jänner 1995 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 22. März 1995 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit einer Berufung gegen den obgenannten Bescheid. Aus dem Wiedereinsetzungsantrag geht hervor, daß der Antragsteller vom erstinstanzlichen Bescheid vom 16. Jänner 1995 erst am 14. März 1995 anläßlich eines Telefonates Kenntnis erlangt habe. Nachdem der Rechtsvertreter des Antragstellers die Aushebung des Aktes beantragt habe, habe sich dieser anläßlich der Akteneinsicht am 21. März 1995 auch inhaltlich Kenntnis vom abweisenden Bescheid verschaffen können. Der Zustellnachweis sei ohne Verschulden des Antragstellers verschwunden, was ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis darstelle.

Verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung war die Berufung gegen den obgenannten Bescheid, wozu der Beschwerdeführer folgendes ausführte:

"II. B e r u f u n g

Zur Berufungsfrist vorweg folgendes:

Auch ohne Eingehen auf den Wiedereinsetzungsantrag kann die Behörde von der rechtzeitigen Erhebung der Berufung ausgehen.

Auf Grund des unter Punkt I. geschilderten Sachverhaltes ergibt sich, daß eine nichtige Zustellung vorliegt und die Bescheidzustellung sohin nicht wirksam wurde. Die Berufungsfrist beginnt sohin mit Kenntnisnahme des Rechtsvertreters des Antragstellers vom Inhalt des Bescheides per 21. März 1995, sodaß die Berufungsfrist jedenfalls gewahrt ist.

Entgegen der Feststellung der Behörde erfüllt der Antragsteller alle Voraussetzungen für die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung.

...."

Mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 24. April 1995, Zl. MA 62-9/2077824/3, wurde der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Oktober 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 16. Jänner 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Die belangte Behörde führte nach Darstellung der Rechtslage zu § 17 Zustellgesetz aus, daß eine Zustellung durch Hinterlegung auch dann gültig sei, wenn die an der Abgabestelle hinterlassene Verständigung beschädigt oder entfernt worden sei. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß bei der Zustellung keine Unregelmäßigkeiten aufgetreten seien. Die Zustellung sei rechtswirksam am 27. Jänner 1995 erfolgt, weshalb die am 24. März 1995 erhobene Berufung verspätet eingebracht worden sei, was zu ihrer Zurückweisung habe führen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der beantragt wird, der Verwaltungsgerichtshof möge den Bescheid "seinem ganzen Inhalt nach" aufheben. Die Beschwerde wurde damit begründet, daß es nicht im Sinne des Gesetzgebers sein könne, daß für den Beschwerdeführer, der schuldlos keine Kenntnis von der Zustellung eines Bescheides habe, die gleichen Folgen eintreten, wie wenn er trotz Kenntnis nichts dagegen unternommen hätte. Es sei nicht einzusehen, weshalb eine Zustellung bei Ortsabwesenheit des Empfängers nicht ordnungsgemäß durchgeführt werde, während im gegebenen Fall, wo er zwar anwesend gewesen sei, aber keine Kenntnis von der Zustellung erlangt habe, die Zustellung dennoch erfolgt sein solle. Seines Erachtens seien beide Fälle gleich gelagert. Es sei ihm unmöglich gewesen, von der Zustellung Kenntnis zu erlangen, weshalb sie rechtswidrig sei. Die Frist zur Erhebung der Berufung könne somit erst mit 21. März 1995 beginnen, die Berufung sei somit rechtzeitig erhoben worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei schriftlich oder telegraphisch binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

Der Beschwerdeführer irrt, wenn er in der Berufung und implizit in der Beschwerde meint, die Berufungsfrist habe (erst) mit Kenntnisnahme seines Rechtsvertreters vom Inhalt des Bescheides am 21. März 1995 begonnen. Der Beschwerdeführer trat während des erstinstanzlichen Verfahrens ohne Vertreter auf; erst in der Berufung wurde ein Vollmachtsverhältnis (zu einem Rechtsanwalt) bekanntgegeben. Damit konnte der erstinstanzliche Bescheid rechtens nur an den Beschwerdeführer zugestellt werden. Im übrigen behauptet der Beschwerdeführer weder in der Berufung noch in der Beschwerde das Bestehen eines aufrechten Vollmachtsverhältnisses im Zeitpunkt der Bescheiderlassung.

Das bedeutet aber, daß das Datum 21. März 1995, an dem der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers durch Akteneinsicht bei der Behörde Kenntnis vom Bescheidinhalt erlangte, für die Berechnung der Berufungsfrist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - schon aus diesem Grund ohne jegliche Bedeutung ist. Im übrigen könnte in der im Wege der Akteneinsicht erfolgten Kenntnisnahme vom Bescheid ebenfalls keine Bescheiderlassung (gegenüber dieser Partei) erblickt werden. Die Berufungsfrist begann somit mit der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer selbst zu laufen.

Aus den übermittelten Verwaltungsakten geht hervor, daß der Bescheid an den Beschwerdeführer durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz am 27. Jänner 1995 zugestellt wurde.

Gemäß § 17 Abs. 4 Zustellgesetz (ZustG) ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde. Daß die Verständigung gemäß § 17 Abs. 2 ZustG an der Abgabestelle hinterlassen wurde, wurde weder im Verwaltungsverfahren, noch in der vorliegenden Beschwerde in Zweifel gezogen. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers läßt sich lediglich erkennen, daß die Verständigung im Postfach der Hausbriefanlage nicht aufzufinden war, nicht aber, daß sie nicht eingelegt worden wäre. Der Entfernung der Verständigung durch Dritte kommt aber für die Gültigkeit der Hinterlegung mit Rücksicht auf § 17 Abs. 4 ZustG keine Bedeutung zu.

In der Beschwerde kommt weiters zum Ausdruck, daß es nicht im Sinn des Gesetzes liegen könne, wenn das ZustG sowohl für den Fall der schuldlosen Nichtkenntnis von der Zustellung als auch für den Fall der Kenntnis vom Zustellvorgang die gleichen Rechtsfolgen vorsehe. Dem ist zu entgegnen, daß der Regelung des § 17 Abs. 4 leg. cit. vor allem die Bedeutung zukommt, daß die Zustellung auch bei Verlust der Hinterlegungsanzeige als erfolgt, der Bescheid als erlassen und der Fristenlauf als ausgelöst gilt.

Die angesprochene Frage des Verschuldens am "Verschwinden" einer Hinterlegungsanzeige sowie die Glaubhaftmachung der Entfernung oder Vernichtung der Verständigung durch Dritte kann allenfalls im Verfahren betreffend einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine Rolle spielen (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/09/0157). Erst in diesem Verfahren ist Platz für eine unterschiedliche Bewertung und Behandlung der beiden vom Beschwerdeführer genannten Fallkonstellationen. Dieses Verfahren ist aber durch den vorhin genannten Bescheid des Landeshauptmannes von Wien rechtskräftig abgeschlossen worden. Eine Berücksichtigung derartiger Umstände kann im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgen.

Die belangte Behörde konnte daher davon ausgehen, daß die allfällige Beschädigung oder die Entfernung der Verständigung der Zustellung auf die Gültigkeit der Hinterlegung keinen Einfluß hatte (vgl. hg. Erkenntnis vom 5. November 1984, Zl. 84/10/0176). Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte am 27. Jänner 1995, die am 24. März 1995 zur Post gegebene und am 27. März 1995 bei der Behörde erster Instanz eingelangte, verspätete Berufung wurde daher zu Recht von der belangten Behörde zurückgewiesen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996193508.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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