TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/22 97/18/0150

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Veröffentlicht am 22.05.1997
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

61991CJ0237 Kazim Kus VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §7 Abs3;
FrG 1993 §17 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. November 1996, Zl. SD 1117/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. November 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei laut eigenen Angaben am 13. Mai 1992 an einem ihm unbekannten Ort mit dem Autobus aus der damaligen Tschechoslowakei kommend illegal ohne Reisedokument in das Bundesgebiet gelangt und habe an diesem Tag einen Sichtvermerksantrag gestellt. Ein am 25. Mai 1992 gestellter Asylantrag sei in beiden Instanzen und nach Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 21. August 1996, rechtswirksam erlassen am 26. August 1996, neuerlich abgewiesen worden. Der Sichtvermerksantrag sei im Instanzenzug vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 14. Dezember 1994 und später mit neuerlichem Bescheid derselben Behörde vom 20. September 1995 abgewiesen worden. Diesbezüglich sei eine Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde anhängig, wobei der Gerichtshof dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht stattgegeben habe (Beschluß vom 24. Juni 1996). Es liege auf der Hand, daß der Beschwerdeführer nicht zum Aufenthalt berechtigt sei. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe. In Österreich lebe "seither" auch die Ehegattin und die Tochter des Beschwerdeführers, weshalb ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben zu bejahen sei.

Aus der Behauptung des Beschwerdeführers, daß ihm während des Asylverfahrens eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen wäre, sei für ihn nichts Entscheidendes zu gewinnen, weil es sich dabei nur um ein vorläufiges Recht handle, das dem Asylwerber gestatten solle, den Ausgang des Asylverfahrens abzuwarten, und weil dies dem Beschwerdeführer ohnedies de facto gestattet worden sei, wogegen sich der Asylantrag als unbegründet erwiesen habe, und weil ferner die Übergangsregelung des § 13 Abs. 1 AufG auf Asylwerber keine Anwendung finde.

Bei Gegenüberstellung der persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers einerseits und des einen hohen Stellenwert einnehmenden öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens andererseits erweise sich die Ausweisung als dringend geboten. Zum einen komme den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Zum anderen seien die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich angesichts des illegalen Aufenthaltes nicht so stark ausgeprägt - und zwar auch nicht unter Bedachtnahme auf die familiäre Situation -, daß sie schwerer zu gewichten wären als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse. Da der Beschwerdeführer nicht bereit sei, freiwillig auszureisen und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Inland im Anschluß an ein abgeschlossenes Asylverfahren nicht in Betracht komme, sei die Ausweisung zu verfügen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 12. März 1997, B 5052/96).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt aus diesen Gründen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die maßgebliche Feststellung der belangten Behörde, daß der Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. August 1996 (erlassen am 26. August 1996) neuerlich, d.h. nach Aufhebung des ersten in dieser Sache ergangenen Bescheides dieser Behörde durch den Verwaltungsgerichtshof, abgewiesen worden sei, unbestritten. Der daraus von der belangten Behörde gezogene Schluß, daß sich der Beschwerdeführer jedenfalls seit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages (26. August 1996) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, begegnet keinen Bedenken.

1.2. Sämtliches Beschwerdevorbringen, das unter Außerachtlassung des besagten maßgeblichen Sachverhaltes darzutun versucht, daß und weshalb dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukomme, weshalb die Ausweisung des Beschwerdeführers unzulässig sei (§ 9 Abs. 1 leg. cit.), und die belangte Behörde insoweit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet habe, geht ins Leere. Ein näheres Eingehen darauf erübrigt sich daher. Unter Zugrundelegung des unter 1.1. Gesagten ist auch der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, "nachvollziehbar Tatsachen festzustellen, aus welchen sie die Illegalität meines Aufenthaltes ableitet", der Boden entzogen.

2. Soweit die Beschwerde gegen die Zulässigkeit der Ausweisung Art. 33 Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention ins Treffen führt, geht dieser Einwand deshalb fehl, weil Gegenstand des angefochtenen Bescheides nicht die Frage der Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Abschiebung oder Zurückweisung oder Zurückschiebung des Beschwerdeführers aus den im § 37 Abs. 2 FrG (Art. 33 Z. 1 der Konvention) genannten Gründen in einen bestimmten Staat, sondern allein die Ausweisung des Beschwerdeführers nach § 17 Abs. 1 FrG ist. Von daher gesehen fehlt es auch der bemängelten Unterlassung der Durchführung eines Beweisverfahrens "über die von mir dargelegte nicht gegebene Drittstaatsicherheit in den Durchreisestaaten" an der Relevanz.

3.1. Der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägung im Grunde des § 19 FrG mit dem Ergebnis, daß die Ausweisung des Beschwerdeführers nach dieser Bestimmung zulässig sei, vermag die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen.

3.2.1. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte familiäre Situation - Aufenthalt seiner Ehegattin und seiner Tochter in Österreich - wurde von der belangten Behörde insofern berücksichtigt, als sie aufgrund dessen einen nach § 19 FrG relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben annahm. Wenn sie gleichwohl - unter Bedachtnahme auf diesen Eingriff - zu dem Ergebnis gelangte, es sei die Ausweisung zulässig, weil im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten, so stößt diese Beurteilung auf keine Bedenken. Denn der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet getroffenen Regelungen durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0171, mwN); dieses maßgebliche öffentliche Interesse wurde vom Beschwerdeführer durch seinen mehrmonatigen unrechtmäßigen Aufenthalt in nicht geringem Maß beeinträchtigt, zumal auch eine dem Beschwerdeführer bis 26. August 1996 allenfalls zugekommene asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung auf einem Asylantrag basierte, der sich als unbegündet erwies. (Der in diesem Zusammenhang stehende Beschwerdevorwurf der Aktenwidrigkeit übersieht, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht - wie in der Beschwerde behauptet - davon spricht, daß sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers mittlerweile als unbegründet erwiesen habe, sondern davon, daß sich "der Asylantrag als unbegründet erwiesen hat".) Aus diesem Blickwinkel sind die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich keineswegs stark ausgeprägt; sie würden jedenfalls auch dann nicht schwerer wiegen als das besagte öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, wenn der Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde behauptet - über "sehr gute Deutschkenntnisse" verfügte, wäre doch dieses aus seinem etwa viereinhalbjährigen Aufenthalt resultierende Integrationsmerkmal in seinem Gewicht dadurch erheblich relativiert, daß dieser Aufenthalt auf einen ungerechtfertigten Asylantrag des Beschwerdeführers zurückzuführen ist. Aufgrund des zuletzt genannten Umstandes mangelt auch der behauptetermaßen aufgrund einer entsprechenden Bewilligung ausgeübten Beschäftigung des Beschwerdeführers seit Oktober 1992 das Gewicht, das ihr von der Beschwerde beigemessen wird.

3.2.2. An der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 19 FrG ändert schließlich auch die Beschwerdebehauptung nichts, daß beim Beschwerdeführer "die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Assoziationsrechtes EWG - Türkei verwirklicht sind". Dieses erkennbar auf Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der EWG und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates Bezug nehmende Vorbringen geht deshalb fehl, weil ein türkischer Arbeitnehmer die in dieser Bestimmung vorgesehene Voraussetzung, seit vier Jahren "ordnungsgemäß beschäftigt" zu sein, nicht erfüllt, wenn er diese Beschäftigung im Rahmen eines Aufenthaltsrechtes ausgeübt hat, das ihm nur aufgrund einer nationalen Regelung eingeräumt war, nach welcher der Aufenthalt während des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Aufnahmeland erlaubt ist (Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 16. Dezember 1992, C-237/91, Randnr. 18, in der Rechtssache Kus), und der Beschwerdeführer, unter der Annahme einer mindestens vierjährigen Beschäftigung, diese - wenn überhaupt im Rahmen eines Aufenthaltsrechtes - lediglich im Rahmen einer bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens bestehenden vorläufigen Aufenthaltsberechtigung ausgeübt hat. Da somit die genannte Regelung des Ratsbeschlusses Nr. 1/80 und ein damit verknüpftes Aufenthaltsrecht für den Beschwerdeführer nicht zum Tragen kommt, steht der Ausweisung des Beschwerdeführers auch das von ihm geltend gemachte Assoziationsrecht nicht entgegen.

4. Nach dem Gesagten liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor. Da dies bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Gerichtsentscheidung

EuGH 691J0237 Kazim Kus VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180150.X00

Im RIS seit

07.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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