TE Vfgh Beschluss 2020/11/24 E1097/2020

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Index

83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

UVP-G 2000 §19 Abs1 Z7, §19 Abs10
Tir NaturschutzG 2005 §14 Abs4
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde einer anerkannten Umweltorganisation gegen die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Genehmigung für die Erweiterung eines Kraftwerks nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 mangels Legitimation

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt und Beschwerdevorbringen

1. Die Beschwerdeführerin ist laut Anerkennungsbescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 14. April 2008 eine gemäß §19 Abs7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (im Folgenden: UVP-G 2000) anerkannte Umweltorganisation.

2. Mit Eingaben vom 19. Juni 2012, 31. Oktober 2012, 28. Jänner 2013, 13. September 2013, 20. Juli 2014, 3. November 2014, 3. September 2015 und 22. Jänner 2019 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Tiroler Landesregierung die Erteilung der naturschutzrechtlichen Genehmigung für die Erweiterung des Kraftwerkes nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (im Folgenden: TNSchG 2005).

3. Anhand der Grobprüfung des Vorhabens wurde festgestellt, dass ein Verträglichkeitsprüfungsverfahren gemäß §14 Abs4 TNSchG 2005 durchzuführen ist, und es wurde mit Bescheid vom 15. Mai 2019 die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung unter Setzung von Auflagen erteilt.

4. Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde wurde nach Einholung von Stellungnahmen der Verfahrensparteien und eines Gutachtens sowie nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21. Jänner 2020 mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 21. Februar 2020 als unbegründet abgewiesen.

5. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG, des Legalitätsprinzips gemäß Art18 B-VG und des Rechts auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist und auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK behauptet sowie eine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Norm, nämlich des TNSchG 2005, idF LGBl 163/2019, das mangels Umsetzung der Flora-Fauna-Habitats-Richtlinie (FFH-Richtlinie; Richtlinie 92/43/EWG) verfassungswidrig sei, vorgebracht wird. Weiters wurde die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sowie die Erteilung der aufschiebenden Wirkung beantragt und die Vorlage konkreter Fragen an den EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art267 AEUV angeregt.

Die Beschwerdeführerin bringt zudem vor, dass sie Partei des Verfahrens sei und sich ihre Beschwerdelegitimation durch die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm sowie wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ergebe.

II. Rechtslage

1. Die maßgebliche Bestimmung des TNschG 2005, LGBl 26/2005, idF LGBl 163/2019 lautet auszugsweise:

"§14

Sonderbestimmungen für Natura 2000-Gebiete

[…]

(4) Pläne oder Projekte (Vorhaben), die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Natura 2000-Gebietes in Verbindung stehen oder hiefür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen können, bedürfen einer naturschutzrechtlichen Bewilligung (Verträglichkeitsprüfung), soweit im Abs13 erster Satz nichts anderes bestimmt ist. Die Behörde hat auf schriftlichen Antrag des Projektwerbers oder Planungsträgers binnen sechs Wochen mit Bescheid festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Diese Feststellung kann jedoch auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber oder Planungsträger hat der Behörde die zur Identifikation des Vorhabens und zur Beurteilung, ob dieses Auswirkungen im Sinn des ersten Satzes auf das Natura 2000-Gebiet haben kann, erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

[…]"

2. Die maßgebliche Bestimmung des UVP-G 2000, BGBl 697/1993, idF BGBl I 80/2018 lautet auszugsweise:

"§19

Partei- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis

(1) Parteistellung haben

1. Nachbarn/Nachbarinnen: Als Nachbarn/Nachbarinnen gelten Personen, die durch die Errichtung, den Betrieb oder den Bestand des Vorhabens gefährdet oder belästigt oder deren dingliche Rechte im In- oder Ausland gefährdet werden könnten, sowie die Inhaber/Inhaberinnen von Einrichtungen, in denen sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen; als Nachbarn/Nachbarinnen gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe des Vorhabens aufhalten und nicht dinglich berechtigt sind;

hinsichtlich Nachbarn/Nachbarinnen im Ausland gilt für Staaten, die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, der Grundsatz der Gegenseitigkeit;

2. die nach den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Parteien, soweit ihnen nicht bereits nach Z1 Parteistellung zukommt;

3. der Umweltanwalt gemäß Abs3;

4. das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zur Wahrnehmung der wasserwirtschaftlichen Interessen gemäß §§55, 55g und 104a WRG 1959;

5. Gemeinden gemäß Abs3;

6. Bürgerinitiativen gemäß Abs4, ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs2);

7. Umweltorganisationen, die gemäß Abs7 anerkannt wurden und

8. der Standortanwalt gemäß Abs12.

 

(2) – (5) …

(6) Umweltorganisation ist ein Verein oder eine Stiftung,

1. der/die als vorrangigen Zweck gemäß Vereinsstatuten oder Stiftungserklärung den Schutz der Umwelt hat,

2. der/die gemeinnützige Ziele im Sinn der §§35 und 36 BAO, BGBl Nr 194/1961, verfolgt und

3. der/die vor Antragstellung gemäß Abs7 mindestens drei Jahre mit dem unter Z1 angeführten Zweck bestanden hat.

Der Verein muss aus mindestens hundert Mitgliedern bestehen. Ein Verband muss mindestens fünf Mitgliedsvereine umfassen, die die Kriterien des Abs6 Z1 bis 3 erfüllen und die gemeinsam die für fünf anerkannte Umweltorganisationen erforderliche Mitgliederzahl erreichen. Die entsprechende Anzahl ist der Behörde glaubhaft zu machen.

(7) (Verfassungsbestimmung) Der Bundesminister/die Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag mit Bescheid zu entscheiden, ob eine Umweltorganisation die Kriterien des Abs6 erfüllt und in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist.

(8) Dem Antrag gemäß Abs7 sind geeignete Unterlagen anzuschließen, aus denen hervorgeht, dass die Kriterien des Abs6 erfüllt werden und auf welches Bundesland/welche Bundesländer sich der Tätigkeitsbereich der Umweltorganisation erstreckt. Eine Ausübung der Parteienrechte ist in Verfahren betreffend Vorhaben möglich, die in diesem Bundesland/in diesen Bundesländern oder daran unmittelbar angrenzenden Bundesland/Bundesländern verwirklicht werden sollen. Der Bundesminister/die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus veröffentlicht auf der Homepage des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus eine Liste jener Umweltorganisationen, die mit Bescheid gemäß Abs7 anerkannt wurden. In der Liste ist anzuführen, in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist.

(9) …

 

(10) Eine gemäß Abs7 anerkannte Umweltorganisation hat Parteistellung und ist berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen, soweit sie während der Auflagefrist gemäß §9 Abs1 schriftlich Einwendungen erhoben hat. Sie ist auch berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

(11) – (12) …"

III. Erwägungen

 Prozessvoraussetzungen

 Die Beschwerde ist unzulässig:

 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Beschwerdelegitimation nach Art144 Abs1 B-VG nur dann gegeben, wenn durch die behördliche Entscheidung ein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann (vgl VfSlg 11.764/1988, 15.398/1999, 15.733/2000, 17.840/2006, 17.920/2006, 18.442/2008, 19.151/2010, 19.289/2011; VfGH 20.2.2014, B182/2014).

 Gemäß §14 Abs4 TNSchG 2005 bedürfen Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Natura 2000-Gebietes in Verbindung stehen oder hiefür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen können, einer naturschutzrechtlichen Bewilligung (Verträglichkeitsprüfung). Die zuständige Behörde, im vorliegenden Fall die Tiroler Landesregierung gemäß §42 Abs2 lita TNSchG 2005, hat auf schriftlichen Antrag des Projektwerbers oder Planungsträgers oder von Amts wegen festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Parteistellung haben gemäß §19 Abs1 Z7 UVP-G 2000 Umweltorganisationen, die gemäß §19 Abs7 UVP-G 2000 anerkannt wurden. Gemäß §19 Abs10 UVP-G 2000 ist eine anerkannte Umweltorganisation berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen, soweit sie während der Auflagefrist gemäß §9 Abs1 UVP-G 2000 schriftliche Einwendungen erhoben hat. Sie ist auch berechtigt, Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

 Die Beschwerdeführerin ist eine gemäß §19 Abs7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation. Sie ist daher gemäß §19 Abs10 UVP-G 2000 berechtigt, Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Eine Beschwerdelegitimation gemäß Art144 B-VG kommt ihr hingegen nicht zu (vgl VfSlg 19.477/2011).

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Umweltverträglichkeitsprüfung, Parteistellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E1097.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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