TE Lvwg Erkenntnis 2021/1/29 VGW-152/065/9229/2020

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Veröffentlicht am 29.01.2021
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Entscheidungsdatum

29.01.2021

Index

41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

StbG §10 Abs1
StbG §10 Abs5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Eidlitz über die Beschwerde des Herrn A. B., geb. 1957, Staatsangehörigkeit: Philippinen, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35 (belangte Behörde), vom 19.05.2020, Zl. …, mit welchem der Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.01.2021,

zu Recht erkannt und verkündet:

I. Herrn A. B., geb. 1957, in C. (D.)/Philippinen, wird mit Wirkung vom 21.01.2021 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrenseinleitender Antrag:

Der Beschwerdeführer, ein Seelsorger, beantragte am 30.05.2017 bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Angefochtener Bescheid:

Die belangte Behörde prüfte den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach dem Verleihungstatbestand des § 10 Abs. 1 StbG. Sie wies den Antrag des Beschwerdeführers (ausschließlich) mit der Begründung ab, dass selbst wenn man im Hinblick der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vom 27.02.2020 zur Zahl E 2273/2019 davon ausgehe, dass der Unterhaltsanspruch des Beschwerdeführers aus seinem Professverhältnis einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch gleichzuhalten wäre, so hätten die aus dem Professverhältnis stammenden Unterhaltszahlungen dennoch der Höhe nach den maßgeblichen ASVG-Richtsätzen zu entsprechen. Lediglich ab 01.09.2016 (und somit nur acht Monate im gesamten Berechnungszeitraum) lägen die eigenen Einkünfte des Beschwerdeführers mit 900,- Euro knapp über dem maßgeblichen Richtsatz für Einzelpersonen, im Zeitraum davor lägen sie mit 500,- Euro deutlich darunter, womit der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht gesichert sei.

Beschwerdevorbringen:

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende form- und fristgerecht erhobene Beschwerde, in der der Beschwerdeführer begehrt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem Antrag stattzugeben. Begründend führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 27.02.2020 zur Zahl E 2273/2019 ohne jede Einschränkung auf den vorliegenden Fall übertragbar sei: dem Beschwerdeführer stehe kraft seiner Profess und im Zusammenhalt mit den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere § 314 ASVG, ein einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch vergleichbarer Anspruch auf Unterhalt durch die Ordensgemeinschaft zu. Die Ordensgemeinschaft des Beschwerdeführers sorge für den gesamten Unterhalt des Beschwerdeführers (Wohnung, Essen, Kleidung, kulturelle Bedürfnisse, Krankenversicherung, Pflege) und sei auch unter diesem Aspekt umfangreicher als die Sicherung des Lebensunterhaltes durch ein Arbeitseinkommen in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes. Die belangte Behörde gehe von der irrigen Ansicht aus, dass die Gewährung eines Peculium (neben dem Anspruch auf vollen Unterhalt) seiner Höhe nach isoliert von diesem Anspruch auf Lebensunterhalt zu sehen wäre. Darüber hinaus verkenne die belangte Behörde, dass das Pekulium eine zusätzliche Absicherung bedeute, nicht aber eine Substitution eines sonst zu geringen Einkommens.

Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt den Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo sie am 29.07.2020 einlangte.

Das Verwaltungsgericht Wien führte am 21.01.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer und ein Vertreter der belangten Behörde erschienen.

Im Anschluss an die Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet, der Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Der Vertreter der belangten Behörde stellte sogleich einen Antrag auf Vollausfertigung des verkündeten Erkenntnisses.

Festgestellter Sachverhalt:

Der ledige, unbescholtene Beschwerdeführer, ein philippinischer Staatsbürger (sein philippinisches Reisedokument ist bis 26.10.2021 gültig), hält sich seit 1997 ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet auf, ist seit 08.08.2002 ununterbrochen rechtmäßig niedergelassen und gegenwärtig im Besitz einer bis 07.04.2024 ausgestellten Aufenthaltstitelkarte „Daueraufenthalt-EU“ und begehrt (nach einem aus dem gleichen Grund wie gegenständlich abgewiesenen Antrag aus dem Jahr 2014) seit 30.05.2017 (erneut) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Der Beschwerdeführer kam am 01.08.1997 als geweihter Priester nach Österreich und ist seit 1997 durchgehend Mitglied der – mit der katholischen Kirche unierten – E. (…, in Folge: Ordensgemeinschaft) und lebt und arbeitet als von der Erzdiözese Wien bestelltem Seelsorger … in der Pfarre F. in Wien. Der Beschwerdeführer hat die Profess abgelegt, womit er sich gegenüber seinem Orden zu Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam verpflichtet hat.

Es besteht ein Gestellungsvertrag mit der Erzdiözese Wien. Die Erzdiözese Wien/Priesterbesoldung leistete für die unten angeführten Zeiträume im Rahmen des Gestellungsvertrages an die Ordensgemeinschaft für die erbrachten seelsorgerischen Tätigkeiten durch den Beschwerdeführer monatlich folgende Beträge (14 mal jährlich)

im Jahr 2014 Euro 1.469,48

im Jahr 2015 Euro 1.485,65

im Jahr 2016 Euro 1.507,94

im Jahr 2017 Euro 1.524,52

im hier maßgeblichen Zeitraum von Mai 2014 bis April 2017 gesamt:

62.739,84 Euro.

Der Beschwerdeführer bezog zu keiner Zeit eine Sozialhilfe.

Die monatlichen Aufwendungen für die Mietzahlung für den Beschwerdeführer bereitgestellte Wohnung in Wien, G.-gasse betrugen im Zeitraum von Mai 2014 bis April 2016 480,-- Euro, seit Mai 2016 wurde dem Beschwerdeführer eine Dienstwohnung in Wien, F. direkt in der Pfarre, in der er tätig ist, zur Verfügung gestellt.

Der Beschwerdeführer ist laufend bei der Österreichischen Gesundheitskasse nach § 16 Abs. 1 ASVG selbstversichert. Die monatlichen Ausgaben für seine Krankenversicherung betrug im Berechnungszeitraum durchschnittlich rund 97,-- Euro.

Der Richtsatz für eine Einzelperson betrug gemäß § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) in den drei Jahren vor Antragstellung, von Mai 2014 bis April 2017 gesamt: 31.482,28 Euro.

Die Summe der von der eigenen Arbeitsleistung rührenden (62.739,84 Euro) an die Ordensgemeinschaft im Rahmen der Priesterbesoldung der Erzdiözese Wien geleisteten nachgewiesenen Zahlungen unter Abzug der Aufwendungen nach Berücksichtigung der freien Station (7182,64 Euro) übersteigt die Summe der maßgeblichen Richtsätze (31.482,28 Euro) mit 24.074,92 Euro.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über (sehr gute) B1-Deutschkenntnisse, die sog. Staatsbürgerschaftsprüfung legte er ebenso erfolgreich vor der belangten Behörde ab.

Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Administrativakt der belangten Behörde, Würdigung des Beschwerdevorbringens und der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Dokumente und Unterlagen, Wiederholung von Behördenabfragen sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Der Sachverhalt zu den persönlichen nicht finanziellen Verhältnissen, zum rechtmäßigen und ununterbrochenem Aufenthalt in Österreich, zur Unbescholtenheit, zu den Deutschkenntnissen und zur Ablegung der Staatsbürgerschaftsprüfung war aus der Aktenlage und dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers unzweifelhaft feststellbar und nicht weiter strittig.

Die Ordensgemeinschaft hat sich verpflichtet – wie mit Schreiben vom 12.03.2015 bestätigt – unter Hinweis auf die im Codex des Canonischen Rechtes (CIC) festgelegten Sorgepflichten, für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers lebenslang zu sorgen, auch über die „Pension“ hinaus, solange er der Gemeinschaft angehört.

Zum Nachweis seines gesicherten Lebensunterhaltes legte der Beschwerdeführer (der belangten Behörde bereits aus dem Verfahren 2014 bekannten) Bestätigungen der Ordensgemeinschaft u.a. vom 16.10.2015 und 09.03.2016 vor, wonach er ein monatliches „Taschengeld“ von 500,- Euro beziehe und darüber hinaus die Ordensgemeinschaft die Miete für seine Wohnung und die Versicherung bezahle. In einem weiteren Schreiben der Ordensgemeinschaft vom 30.08.2016 sicherte ihm diese Gemeinschaft ab 01.09.2016 zusätzlich zur freien Wohnung ein monatliches Peculium („Taschengeld“) in Höhe von 900,- Euro zu. Mit Schreiben der Ordensgemeinschaft vom 16.05.2017 wurde bestätigt, dass der Beschwerdeführer (aktuell) eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt worden sei und darüber hinaus (nach wie vor) die Ordensgemeinschaft alle darüber hinaus anfallenden Kosten (seines Lebensunterhaltes) trägt. An dieser Sachlage hat sich bis dato nichts geändert.

Die Feststellungen zum Priesterbesoldung ergeben sich aus der mit 17.05.2017 datierten Bestätigung der Erzdiözese Wien/Referat für Personalangelegenheiten.

Die Feststellungen zu den regelmäßigen Aufwendungen beruhen auf die Bestätigung der Ordensgemeinschaft vom 16.10.2015 und vom 16.05.2017.

Die Erfüllung der sonstigen Verleihungsvoraussetzungen waren alle bereits im behördlichen Verfahren (unstrittig) nachgewiesen und sind nach wie vor erfüllt. Das erkennende Gericht hat die behördlichen Abfragen wiederholt, (neue) Verleihungshindernisse sind keine hervorgekommen.

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 64a Abs. 25 StbG sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 anhängige Verfahren nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 zu Ende zu führen.

§ 10 lautete (auszugsweise) wie folgt:

"Verleihung

§10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

1. […]

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann und

8. […]

(5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des §293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in §292 Abs3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß §291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes – KBGG, BGBl I Nr 103/2001, bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert.

(6) […]"

Aus dem Erkenntnis des VfGH vom 27.02.2020 zur Zahl: E2273/2019:

„[…] Die staatliche Gesetzgebung und Vollziehung sind nicht gehindert, bei der Regelung der äußeren Angelegenheiten an innerkirchliche Regelungen, also etwa auch solche über die innere Organisation und das Verhältnis zu Angehörigen, anzuknüpfen und diese für die Zwecke der staatlichen Regelungen zu beurteilen und in das jeweilige staatliche Regelungssystem einzuordnen. Dabei kommt es nicht auf die Beurteilung der Rechtsnatur zB etwaiger Unterhaltsansprüche aus dem Professverhältnis nach den innerkirchlichen Rechtsvorschriften, sondern darauf an, wie diese Unterhaltsansprüche im Hinblick auf die zu vollziehenden staatlichen Rechtsvorschriften zu beurteilen sind.

Für die Beurteilung des dem Beschwerdeführer unstrittig aus dem Professverhältnis zustehenden Unterhaltes kommt es maßgeblich auf die inhaltliche Ausgestaltung und die Rahmenbedingungen dieses Unterhaltsanspruches aus dem Blickwinkel des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG an.

Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall darauf abzustellen, ob dem Beschwerdeführer aus seinem Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation aus seinem Professverhältnis Unterhaltsleistungen zustehen, die den Anforderungen des §10 Abs5 StbG entsprechen. Im Lichte der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben ist dafür nicht entscheidend, ob das innere Ordensverhältnis, die Profess, im Hinblick auf bestimmte andere Rechtsverhältnisse gesetzliche oder vertragliche Auswirkungen hat, sondern es kommt darauf an, ob diese innerkirchlichen Rechtsbeziehungen einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch iSd §10 Abs5 StbG funktional äquivalent gleichgehalten werden können. Denn schließt man mit der Rechtsprechung des OGH und des VwGH aus, Leistungen von Ordensangehörigen, die eine Profess abgelegt haben, als entgeltliche Arbeitsleistungen zu qualifizieren, würde die Auffassung, Unterhaltsansprüche aus der Profess seien per se als vertraglich zu qualifizieren, Ordensangehörige im Hinblick auf die Voraussetzung des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG von der Verleihung der Staatsbürgerschaft auch dann ausschließen, wenn ihre Unterhaltssituation derjenigen von Verleihungswerbern mit einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch iSd §10 Abs5 StbG funktional vollständig äquivalent wäre. Für eine derartige Ungleichbehandlung ist schon mit Blick auf Art9 EMRK kein sachlicher Grund gegeben.

Das VGW wird im fortgesetzten Verfahren also zu prüfen haben, ob für den Beschwerdeführer aus seinem Professverhältnis ein Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation vorliegt, der insbesondere im Hinblick auf die Auflösbarkeit des Unterhaltsbandes einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch iSd §10 Abs5 StbG vergleichbar ist. Dabei kommt möglicherweise dem Umstand Bedeutung zu, dass der Sozialversicherungsgesetzgeber in §5 Abs1 Z7 ASVG Angehörige eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche von der Vollversicherung nach §4 ASVG ausnimmt und in §314 ASVG für den Fall des Ausscheidens eines Angehörigen eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche aus dem Orden bzw der Kongregation vorsieht, dass der Orden bzw die Kongregation unter näher bestimmten Voraussetzungen dem zuständigen Pensionsversicherungsträger einen Überweisungsbetrag zu leisten hat. Damit geht das Sozialversicherungsrecht davon aus, dass ein gesetzlicher Versicherungsschutz der Angehörigen der Orden und Kongregationen nicht erforderlich ist, weil diese ähnlich wie die Bediensteten öffentlich rechtlicher Körperschaften durch ein besonderes Versorgungssystem geschützt sind. […]"

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG hat der Lebensunterhalt des Antragstellers hinreichend gesichert zu sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 StbG erfüllt sind.

Gemäß § 10 Abs. 5 StbG ist der Lebensunterhalt dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre vor der Antragstellung entsprechen (vgl. VwGH 20.6.2017, Ra 2017/01/0127).

Mit der umfassenden Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers durch die Ordensgemeinschaft liegt eine einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch gleichzusetzende Situation im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG vor.

Die Frage, ob für den Beschwerdeführer aus seinem Professverhältnis ein Unterhaltsanspruch gegenüber der Ordensgemeinschaft vorliegt, der insbesondere im Hinblick auf die Auflösbarkeit des Unterhaltsbandes einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch iSd § 10 Abs. 5 StbG vergleichbar ist, kann auch bejaht werden, zumal für den Fall des Ausscheidens des Beschwerdeführers aus der Ordensgemeinschaft diese dem zuständigen Pensionsversicherungsträger einen Überweisungsbetrag zu leisten hat, was von der Ordensgemeinschaft im Verfahren auch schriftlich bekräftigt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 5 zweiter Satz StbG die Voraussetzungen der Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen einerseits und die den Ausgleichszulagenrichtsätzen entsprechende durchschnittliche Höhe der Einkünfte andererseits kumulativ vorliegen müssen (vgl. VwGH 4.4.2019, Ra 2019/01/0085; VwGH 12.12.2019, Ro 2019/01/0010).

Mag sein, dass eine herkömmliche Berechnung des Lebensunterhaltes, wie in den gewöhnlichen Staatsbürgerschaftsverfahren üblich, durch ziffernmäßige Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben, gegenständlich auf den ersten Blick nicht durchführbar erscheint. Bei genauer Betrachtung ist sie jedoch möglich, zumal die Überweisungen durch die Erzdiözese Wien an die Ordensgemeinschaft aufgrund der erbrachten Arbeitsleistung im Rahmen der Priesterbesoldung unstrittig nachgewiesen wurden. Ohne die erbrachten seelsorgerischen Aufgaben des Beschwerdeführers gäbe es weder eine Priesterbesoldung noch den Gestellungsvertrag bzw. den Geldfluss an die Ordensgemeinschaft. Der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers wird de facto auch von diesem Arbeitseinkommen gesichert und bestritten.

Mit Sicherheit hätte die belangte Behörde gegenständlich kein Verleihungshindernis gesehen und angenommen, wenn der Gehalt des Beschwerdeführers ihm direkt auf ein Gehaltskonto überwiesen worden wäre. Im gegebenen Zusammenhang, wie auch von der belangten Behörde angewendet, ist ein alleiniges (ziffernmäßiges) Abstellen auf das gewährte Peculium („Taschengeld“) nicht zu folgen. Die belangte Behörde geht von der irrigen Ansicht aus, dass die Gewährung eines Peculium (neben dem Anspruch auf vollen Unterhalt) seiner Höhe nach isoliert von diesem Anspruch auf Lebensunterhalt zu sehen wäre. Darüber hinaus verkennt die belangte Behörde, dass das Peculium allenfalls eine zusätzliche Absicherung bedeutet, nicht aber eine Substitution eines sonst zu geringen Einkommens.

Es darf daher die im Innenverhältnis bestehende Regelung, den Priestergehalt anstelle an den Beschwerdeführer (wohl aus dem Grund seiner ewigen Ordensgelübde zu Armut), direkt an die Ordensgemeinschaft zu überweisen, nicht zum Ergebnis führen, die Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers anzuzweifeln.

Im Berechnungszeitraum ermöglichten die Einkünfte aus der eigenen Arbeitsleistung des Beschwerdeführers im Zusammenschau der innerkirchlichen Regelungen und Sorgepflichten ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften und entsprachen der Höhe nach bei Weitem dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 ASVG der letzten drei Jahre vor der Antragstellung.

Eine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft war seit 1997 und ist auch künftig nicht zu befürchten. Der Lebensunterhalt des heute 63jährigen Beschwerdeführers ist lebenslang sowohl als Mitglied seiner Ordensgemeinschaft als auch im Falle seines (allfälligen) Ausscheidens aus der Ordensgemeinschaft gesichert. Die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG ist gegeben.

Die Verleihungsvoraussetzungen des Verleihungstatbestandes nach § 10 Abs. 1 StbG sind alles samt erfüllt, Verleihungshindernisse liegen keine vor.

Der Beschwerdeführer hat das Gelöbnis nach § 21 Abs. 2 StbG vor dem erkennenden Gericht abgelegt.

Gemäß Art. IV Sec. 3 Verfassung 1987 iVm Commonwealth Act. Nr. 63 verliert ein philippinischer Staatsangehöriger seine Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung in einem fremden Land. Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft konnte daher aufgrund des im philippinischen Staatsagehörigkeitsrecht normierten ex-lege Verlusts „direkt“ (ohne vorherige Zusicherung) vorgenommen werden.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der gegenständliche Fall unter Berücksichtigung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 27.02.2020 zur Zahl E 2273/2019 keine weiteren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen hat und das Verwaltungsgericht Wien bei der (ziffernmäßigen) Berechnung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers von der (ständigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht abwich.

Es war daher der Beschwerde stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Staatsbürgerschaft; Verleihung; Lebensunterhalt; Verleihungshindernis

Anmerkung

VwGH v. 1.7.2021, Ra 2021/01/0130; Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.152.065.9229.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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