TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/21 W178 2229694-1

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Veröffentlicht am 21.10.2020
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Entscheidungsdatum

21.10.2020

Norm

AuslBG §12a
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W178 2229694-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Maria PARZER als Vorsitzende und Frau Maga Nina Kesselgruber als fachkundige Laienrichterin und Herrn Mag. Thomas Metesch als fachkundigen Laienrichter über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid des AMS, Wien Esteplatz vom 12.12.2019, Zl. 004033584| in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 14.02.2020 betreffend Rot-Weiß-Rot-Karte nach § 12a AuslBG für Frau XXXX zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben, die Beschwerdevorentscheidung behoben und festgestellt, dass die belangte Behörde der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zuständigen Behörde gemäß § 20d Abs 1 Z 2 AuslBG schriftlich zu bestätigen hat, dass die Voraussetzungen für die Zulassung als Fachkraft im Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG erfüllt sind.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (Arbeitnehmerin, in der Folge kurz AN) hat am 14.11.2019 bei der MA 35 des Landes Wien einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte“ gemäß § 41 NAG iVm § 12a AuslBG für die Tätigkeit als Köchin beim Arbeitgeber, Restaurant XXXX , Inhaber XXXX , kurz AG, gestellt.

2. Das AMS hat mit Bescheid vom 12.12.2019 zu diesem Antrag mitgeteilt, dass sie Voraussetzungen nach § 12a AuslBG nicht vorlägen, weil Frau XXXX nicht die geforderte Punktezahl nach der Anlage B erreichen könne.

3. Dagegen hat der Arbeitgeber Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass die für die Berufserfahrung zustehenden Punkte nicht berücksichtigt worden seien.

4. Das AMS hat mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.02.2020 der Beschwerde keine Folge gegeben. Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass der akademische Abschluss der Frau XXXX nicht einer österreichischen Kochausbildung entspreche. Bei der absolvierten Ausbildung habe die Kochausbildung nur eine geringe Rolle gespielt. Es liege daher keine einschlägige Berufsausbildung vor.

5. Der Arbeitgeber hat einen Vorlageantrag eingebracht.

6. Das Gericht hat den Arbeitgeber zur Frage der Kollektivertragszugehörigkeit und Höhe des Entgelts wie der Überzahlung befragt. Der Arbeitgeber hat mit Schreiben vom 07.10.2020 darauf geantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Frau XXXX , kurz AN, geboren am XXXX , ist philippinische Staatbürgerin. Sie hat zwischen 2006 und 2012 in Philippinen das Collegio del sagrado corazinde Jesus besucht und mit dem Bachelor of Science abgeschlossen.

Sie hat Englischkenntnisse auf dem Niveau von B1 (Zertifikat des Cambridge Instituts vom 19.12.2019) und Deutschkenntnisse auf dem Level A2 (ÖSD-Zertifikat vom 30.10.2019).

Sie hat im Restaurant XXXX Grill vom 15.05.2015 bis mindestens April 2019 als Köchin, Kassierin und Kellnerin und vom 20.09.2013 bis 01.10.2014 als Köchin und im Service in der XXXX Tavern, jeweils auf den Philippinen, gearbeitet.

Für beide Tätigkeiten liegen Bestätigungen vor.

Der Lehrplan des Bachelorstudiums (in Übersetzung) wurde ebenfalls vorgelegt. Dieser enthält in den 9 Semestern (inklusive Praktikum) in Bezug auf die Gastronomie und damit zusammenhängende Fragen folgende Gegenstände:

?        Im 1 Jahr (1 Semester) kein einschlägiger Unterricht, Allgemeinwissen

?        im 2. Jahr Hygiene und Sicherheit bei Lebensmittel (3), Kunst und Wissenschaft der Kulinarik (Betriebsprozedere in der Warmküche (7),

?        Aufbewahrung von Lebensmittel bzw. kommerzielles Kochen 2 (5), Prozedere in Essen und Getränke (5)

?        Im 3. Jahr Service-Bankett, Funktion, Catering und Bar Service (7) und Backen und Gebäck mit Kuchendekoration (3),

?        im 4. Jahr Nahrungsmittel und Getränke Kontrollsystem (3) und asiatische und westliche Küche (5)

?        im 5. Jahr kein einschlägiger Unterricht, betriebswirtschaftliche Kenntnisse

Sie hatte im 2.Sembester 2009/2010 400 Stunden Praktikum und im 2.Semester 2010/2011 600 Stunden an Praktikum zu leisten.

Geplant ist eine Beschäftigung als Köchin im Betrieb XXXX , Thailändische Spezialitäten in Wien 6. Bezirk. Im Betrieb des Arbeitgebers ist der Kollektivertrag Gastronomie Wien anzuwenden, Lohnstufe 2. Der kollektivvertragliche Mindestlohn beträgt € 1.763,--, Frau XXXX soll € 1800 an Lohn erhalten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde, den ergänzenden Ermittlungen des Gerichts; im Besonderen wurde der in Übersetzung vorliegende Lehrplan der Bildungseinrichtung, des Collegios del Sagrado Corazon de Jesus und das Diplom (Bachelor of Science in Hospitality Management) vom 29.03.2012 zur Beurteilung der Gleichwertigkeit herangezogen. Dieses Dokument ist bereits der belangten Behörde vorgelegt worden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1 Gesetzliche Grundlagen

§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie

1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,

2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,

3.für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.

3.2 Voraussetzungen für eine Rot-Weiß-Rot-Karte einerseits eine einschlägige Ausbildung im Mangelberuf:

3.2.1. Der Beruf „Koch“ war in der Fachkräfteverordnung, BGBl. II Nr. 3/ 2019 als Mangelberuf angeführt.

3.2.2 Zur Frage der einschlägigen Ausbildung:

Ein notwendiges Tatbestandsmerkmal des § 12a AuslBG ist eine abgeschlossene einschlägige Ausbildung im Mangelberuf. Diese muss nach der ständigen Judikatur des VwGH einer österreichischen Ausbildung in diesem Beruf gleichwertig sein.

Nach dem Berufslexikon des AMS ist neben der Lehre nach dem Berufsausbildungsgesetz (BAG) als Grundlage für den Beruf „Koch/Köchin ,“ auch die Ausbildung die über eine Schule führt, möglich, vgl. https://www.berufslexikon.at/berufe/1874-Koch~Koechin:

„Koch/Köchin

Berufsbereiche: Hotel- und Gastgewerbe

Ausbildungsform: Schule

Einstiegsgehalt lt. KV: € 1.550,- bis € 1.580,- * Arbeitsmarkttrend: gleichbleibend

Tätigkeitsmerkmale

Köche und Köchinnen bereiten Speisen zu. Je nach Art und Größe des Betriebs erstellen sie auch die Speisekarte und kalkulieren die Preise. Köche und Köchinnen sind zudem für den Einkauf der Lebensmittel zuständig und überprüfen die gelieferten Waren auf ihre Qualität und Frische. Außerdem sorgen sie dafür, dass die Waren fachgerecht gelagert sind. Bei ihrer Arbeit halten sie die Hygienebestimmungen ein. Sie können auch für die Organisation des Küchenpersonals und die Ausbildung von Lehrlingen verantwortlich sein.

Typische Tätigkeiten sind z.B.:

Speisen vor- und zubereiten

Zutaten bestellen

Qualität der Lebensmittel prüfen

Lebensmittel fachgerecht lagern

Speisen abschmecken

Speisefolgen zusammenstellen

Neue Rezepte kreieren

Gäste beraten und betreuen“Zitatende

Im konkreten Fall:

Eine solche Schule hat die AN besucht. Der Lehrplan dieser Schule vermittelt die oben im Berufslexikon genannten Fähigkeiten.

Es ist zu beachten, dass die absolvierte Ausbildung in Philippinen 9 Semester gedauert hat und die österreichische Kochausbildung über eine Lehre 3 Jahre (6 Semester) dauert. Es ist daher für die Beurteilung der Gleichwertigkeit nicht von Nachteil, dass in zwei Semestern (erstes, letztes) keine einschlägige Ausbildung inkludiert war.

Die Tätigkeit einer Köchin erfordert auch Wissen über Lebensmittel und Hygienekenntnisse, ebenso Fähigkeiten in der Planung der Einkäufe und größerer Veranstaltungen. Es können nicht nur die reinen „Koch-Lehrstunden“ zur Beurteilung herangezogen werden.

Der Lehrplan der Berufsschulen in Österreich für den Beruf „Koch“ beinhaltet auch eine ähnliche Zusammenstellung der Lehrfächer, vgl. BGBl. II - ausgegeben am 3. August 2017 - Nr. 212:

Pflichtgegenstände/Stunden: Religion Interkulturelle Kompetenz und Professionalität 60, Politische Bildung 80, Deutsch und Kommunikation 80, Berufsbezogene Fremdsprache 100, Betriebswirtschaftlicher Unterricht Angewandte Wirtschaftslehre 180, Fachunterricht Fachkunde 320, Betriebsorganisation 60, Fachpraktikum 380, Gesamtstundenzahl (ohne Religionsunterricht) 1 260.

Der Unterschied ist, dass im österreichischen dualen System Praxis und Schulzeiten verwoben sind, während die AN die Praxis in 2 Blöcken, im 2.Semester 2009/2010 im Ausmaß von 400 Stunden und im 2.Semester 2010/2011 im Ausmaß von 600 Stunden absolviert hat.

Damit hat die AN auch betriebliche Praxis als wesentlichen Teil der Ausbildung absolviert.

Gesamtbetrachtet kann eine Gleichwertigkeit der Ausbildung der AN mit einer österreichischen Ausbildung in diesem Beruf angenommen werden. Das entspricht im Übrigen auch der Ersteinschätzung der belangten Behörde.

3.3.3. Zur Frage des Erreichens der Mindestpunktezahl:

Es muss weiters die Mindestpunkteanzahl von 55 nach der Anlage B erreicht werden:

Kriterien

Punkte

Qualifikation

maximal anrechenbare Punkte: 30

abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf

20

allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120

25

Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer

30

 

 

ausbildungsadäquate Berufserfahrung

maximal anrechenbare Punkte: 20

Berufserfahrung (pro Jahr)

Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)

2

4

 

 

Sprachkenntnisse Deutsch

maximal anrechenbare Punkte: 15

Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1)

Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)

Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5

10

15

 

 

Sprachkenntnisse Englisch

maximal anrechenbare Punkte: 10

Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)

Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5

10

 

 

Alter

maximal anrechenbare Punkte: 15

bis 30 Jahre

bis 40 Jahre

15

10

 

 

Summe der maximal anrechenbaren Punkte

90

erforderliche Mindestpunkteanzahl

55

Dasa bedeutet für die AN:

Sie wurde am XXXX geboren, sie ist damit über 30, aber unter 40 Jahre alt, daher sind 10 Punkte zu vergeben.

Die AN hat Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2, dafür sind 10 Punkte zu vergeben.

Sie hat Englischkenntnisse auf dem Niveau von B1, dafür sind 10 Punkte zu vergeben.

Sie hat ein Studium abgeschlossen, dafür sind 30 Punkte zu vergeben.

Damit sind die erforderlichen Punkte jedenfalls erreicht.

Es wären uU auch noch Punkte für die ausbildungsadäquate Berufserfahrung zu vergeben: Restaurant XXXX Grill vom 15.05.2015 bis mindestens April 2019 (mindestens 3 volle Jahre) als Köchin, Kassierin und Kellnerin und vom 20.09.2013 bis 01.10.2014 (1 volles Jahr) als Köchin und im Service in der XXXX Tavern, jeweils auf den Philippinen,

3.3.4 Mindestentgelt

Für die beabsichtigte Beschäftigung steht der AN nach der anzuwendenden kollektivvertraglichen Bestimmung (Kollektivvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe, Nomenklatur Gastronomie Wien (gültig ab 1.5.2019), Punkt 1. Lohnordnung, Lohngruppe 2: Monatslohn ab dem 6. Dienstjahr) ein monatliches Entgelt von EUR 1.763,- zu. Das zugesicherte Entgelt der AN liegt darüber, vgl. Schreiben des AG vom 07.10.2020, eine betriebliche Überzahlung ist im AG-Betrieb nicht üblich.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Berufsausbildung Fachkräfteverordnung Gleichwertigkeit Punktevergabe Rot-Weiß-Rot-Karte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2229694.1.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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