TE Vwgh Beschluss 2021/1/27 Ra 2020/18/0428

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Veröffentlicht am 27.01.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §19 Abs3
AVG §42 Abs4
VStG §24
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §45 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des K A, vertreten durch Dr. Nora Aburumieh, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Domgasse 2, gegen das am 22. Juli 2020 mündlich verkündete und am 1. September 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, I408 2170165-1/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens aus Basra, stellte am 15. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, aufgrund seiner Religionszugehörigkeit von schiitischen Milizen verfolgt zu werden.

2        Mit Bescheid vom 23. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Irak fest und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, es sei dem Revisionswerber nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft darzutun, zumal der Revisionswerber keine konkret gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen vorgebracht habe und eine systematische Verfolgung von Sunniten in Basra nicht erkennbar sei. Zur Nichtgewährung subsidiären Schutzes erwog das BVwG, dem gesunden und arbeitsfähigen Revisionswerber, der über eine mehrjährige Schulbildung, Arbeitserfahrung und familiäre Anknüpfungspunkte in Basra verfüge, drohe im Falle einer Rückkehr nach Basra keine Art. 2 oder 3 EMRK widersprechende Behandlung. Betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kam das BVwG zu dem Ergebnis, dass eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK zu Lasten des Revisionswerbers ausfalle.

5        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegenden Länderinformationen würden der Vollständigkeit und Aktualität entbehren, weshalb das BVwG gegen die amtswegige Ermittlungspflicht verstoßen habe. Zudem sei das Parteiengehör nicht gewahrt worden, weil das BVwG die mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers durchgeführt habe, obwohl ein Erscheinen des Revisionswerbers mit Grippesymptomen und ohne einen negativen PCR-Test angesichts der derzeit vorherrschenden Covid-19-Pandemie grob fahrlässig gewesen wäre. Die Verletzung im Recht auf Parteiengehör habe letztlich dazu geführt, dass der Revisionswerber das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht vorbringen habe können.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Sofern die Revision die Nichtheranziehung aktueller Länderberichte zur Feststellung der Lage im Herkunftsstaat des Revisionswerbers ins Treffen führt, macht sie einen Verfahrensmangel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung auch deren Relevanz dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 16.7.2020, Ra 2020/18/0331, mwN).

11       Dem Vorbringen, das BVwG wäre bei Berücksichtigung der in der Revision näher bezeichneten Berichte zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Revisionswerber aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit außerhalb seines Herkunftsstaates befinde, ist entgegenzuhalten, dass die genannten Berichte keinen entscheidenden Bezug zum Revisionswerber oder seinem Herkunftsort aufweisen und daher nicht geeignet sind, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels darzulegen. Diesen Berichten ist nämlich nicht zu entnehmen, dass Sunniten in Basra allgemein einer systematischen Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt wären. Eine individuelle Bedrohung des Revisionswerbers wurde indes nicht vorgebracht.

12       Wenn die Revision schließlich vermeint, die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers verletze ihn in seinem Recht auf Parteiengehör, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Nichterscheinen einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung die Durchführung der Verhandlung nicht hindert (vgl. § 17 VwGVG iVm § 42 Abs. 4 AVG). Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Partei ist eine „ordnungsgemäße Ladung“. Davon kann dann nicht gesprochen werden, wenn einer der in § 19 Abs. 3 AVG genannten - das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigenden - Gründe vorliegt. Eine rechtswirksam geladene Partei hat die zwingenden Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun. Sie muss etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund. Die Triftigkeit des Nichterscheinens muss überprüfbar sein (vgl. VwGH 11.11.2019, Ra 2019/18/0448, mwN).

13       Ob der Verdacht einer Covid-19-Erkrankung grundsätzlich einen solchen Rechtfertigungsgrund darstellt, kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil der ordnungsgemäß geladene Revisionswerber einen solchen Verdacht vor der mündlichen Verhandlung gar nicht dargetan, sondern lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung ohne nähere Begründung vorgelegt hat, was nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls nicht ausreicht, um die Triftigkeit der Abwesenheit darzutun (vgl. etwa VwGH 26.5.2020, Ra 2020/21/0144; VwGH 15.12.2016, Ra 2016/02/0242, mwN). Das BVwG konnte die mündliche Verhandlung daher zu Recht in Abwesenheit des Revisionswerbers durchführen.

14       Da die Revision demnach keine Verletzung des Revisionswerbers in seinem Recht auf Parteiengehör im Zusammenhang mit der ohne seine Anwesenheit durchgeführten Verhandlung vor dem BVwG aufzeigt, geht auch das erstmals in der Revision erstattete Sachverhaltsvorbringen zu seinem aktuellen Familienleben ins Leere, weil es dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) unterliegt.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020180428.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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