TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/23 94/13/0107

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Veröffentlicht am 23.05.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
EStG 1972 §2 Abs3 Z2;
EStG 1972 §2 Abs3 Z3;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
EStG 1972 §22 Abs1 Z2;
EStG 1972 §23;
EStG 1988 §2 Abs3 Z2;
EStG 1988 §2 Abs3 Z3;
EStG 1988 §22 Z1;
EStG 1988 §22 Z2;
EStG 1988 §23;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Senatspräsidenten Dr. Hnatek und Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner, als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der Frieda X in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom 4. Juni 1993, Zl. 6/3-3082/93-05, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften und Gewerbesteuer für die Jahre 1987 bis 1989 sowie Vorauszahlungen an Gewerbesteuer 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin (Geburtsjahrgang 1906) betrieb in den streitgegenständlichen Jahren ein Gebäudeverwaltungsunternehmen. Das Unternehmen war bis zum 31. Dezember 1992 unter dem bürgerlichen Namen der Beschwerdeführerin im Firmenbuch protokolliert. An dem Unternehmen waren ihre beiden Söhne Dr. Helfried X und Dr. Peter X beteiligt.

In den Jahren 1991 und 1992 wurde in dem Unternehmen eine abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich der Zeiträume 1987 bis 1989 vorgenommen. Im Prüfungsbericht wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin verwalte ca. 500 Häuser. Sie beschäftigte 27 Dienstnehmer, von denen vier die Hausverwalterprüfung abgelegt hätten. Zwei Angestellte seien mit Prokura ausgestattet. Der Umfang des Unternehmens sowie die Beschäftigung entsprechend qualifizierter Arbeitskräfte führe zu gewerblichen Einkünften.

Das Finanzamt folgte der Auffassung der Prüfungsorgane und erließ dementsprechende Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerbescheide, die an "Fa. Frieda X" adressiert waren. In den Gewinnfeststellungsbescheiden wurden die einzelnen Gesellschafter namentlich angeführt.

Vom steuerlichen Vertreter wurde gegen die genannten Bescheide "namens der protokollierten Fa. Frieda X" Berufung erhoben. In einer die Berufung ergänzenden Eingabe vom 12. November 1992 wurde auf ein ihr angeschlossenes Gutachten betreffend die Qualifikation der Einkünfte aus Hausverwaltungsunternehmen verwiesen und dabei die Auffassung vertreten, daß die Mithilfe von fachlich qualifizierten Arbeitskräften dann nicht zur Gewerbesteuerpflicht führe, wenn der Steuerpflichtige selbst auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werde. Das liege nach den in diesem Gutachten getroffenen Erkenntnissen dann vor, wenn der Steuerpflichtige überwiegend selbständig tätig werde und nicht organisatorische Maßnahmen zur Leitung des Unternehmens überhandnähmen. Eigenverantwortlichkeit liege jedenfalls solange vor, als die Tätigkeit den persönlichen Stempel des Steuerpflichtigen trage. Dies werde solange der Fall sein, als der Steuerpflichtige in entscheidenden Stadien und wichtigen Fragen die Arbeiten an sich ziehe.

In einer Stellungnahme der Prüferin vom 17. Dezember 1992 wurde ausgeführt, während der Prüfung seien trotz mehrmaliger Aufforderung keine Unterlagen darüber vorgelegt worden, daß sämtliche 27 Dienstnehmer nur zu unqualifizierten Tätigkeiten herangezogen würden. Die laufende Geschäftsführung werde nicht von den drei Gesellschaftern zu gleichen Teilen, sondern überwiegend von Dr. Peter X ausgeübt.

In einer die Berufung ergänzenden Eingabe vom 23. Februar 1993 wurde daraufhin ausgeführt, keiner der Mitarbeiter sei leitend und eigenverantwortlich tätig. Die Arbeitsverrichtung erfolge unter der fachlichen und organisatorischen Leitung der Beschwerdeführerin. Alle Gesellschafter hätten die Qualifikation zur Selbständigkeit erbracht. Es lasse sich nur die Beschwerdeführerin, die das Pensionsalter längst erreicht habe, durch die Mitgesellschafter entlasten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist dabei zunächst wörtlich ausgeführt:

"Auf das auch der Bw. bekannte Aktenmaterial sei hingewiesen:

1.

Die Erklärungen der Bw. samt Beilagen für die Streitjahre,

2.

der Bp-Bericht vom 16. Juli 1992,

3.

die Berufung (vom 12. Oktober bzw. 12. November 1992), samt dem Gutachten (vom November 1992),

4.

die Stellungnahme der BP zur Berufung, vom 17. Dezember 1992 und

5.

die Gegenäußerung hiezu, vom 23. Februar 1993."

Im Erwägungsteil wurde ausgeführt, vom Berufungssenat werde bezweifelt, daß die "81 bzw. 83-jährige Unternehmerin" noch leitend und eigenverantwortlich tätig geworden sei. Weiters wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Anzahl der zum Teil hochqualifizierten, zum Teil mit Prokura ausgestatteten Arbeitnehmer hingewiesen.

In der nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten auf "Nichtunterstellung" einer freiberuflichen Tätigkeit einer gewerblichen Tätigkeit (Nichtanwendung einer Vervielfältigungstheorie), entsprechender Feststellung der Einkünfte, Wahrung der Rechtskraft und richtige Bezeichnung des Bescheidadressaten (Berücksichtigung der Löschung der Firma X im Firmenbuch) und ordnungsgemäße Sachverhaltsfeststellung verletzt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen "Rechtswidrigkeit".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Von der Beschwerdeführerin wird zunächst die Wirksamkeit der erstinstanzlichen Bescheide deswegen in Frage gestellt, weil diese an "Fa. Frieda X" gerichtet waren. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die Identifizierung der Mitunternehmerschaft bestehend aus Frieda X und ihren beiden Söhnen als atypische stille Gesellschafter durch die Bezeichnung der Firma der Unternehmerin Frieda X erfolgte, unter welcher das Unternehmen, an dem die Mitunternehmerschaft besteht, betrieben wurde. Daß letzteres nicht der Fall gewesen sei, wurde nie vorgetragen. Die Abgabenbehörden durften daher von dieser Bezeichnung der Mitunternehmerschaft ausgehen, deren Existenz sie durch das Anführen aller Gesellschafter in den Feststellungsbescheiden zum Ausdruck brachte. Es ist daher davon auszugehen, daß die Bescheide erster Instanz an die Personenvereinigung ergangen sind.

Zustellungsmängel werden in der Beschwerde nicht behauptet und sind der Aktenlage auch sonst nicht zu entnehmen.

Der weitere Einwand, die Firma "Frieda X" sei mit Wirkung vom 1. Jänner 1993 gelöscht worden, sodaß § 191 Abs. 2 BAO zu beachten gewesen wäre, geht ins Leere: Die erstinstanzlichen Bescheide sind vor dem 1. Jänner 1993 erlassen worden. Die Berufungsentscheidung ist gemäß § 288 Abs. 1 lit. a BAO an die Parteien des Berufungsverfahrens zu richten. Die Berufung wurde von der Beschwerdeführerin erhoben, sodaß die Berufungsentscheidung zutreffend an diese gerichtet wurde. Der von der belangten Behörde gebrauchte Zusatz "Gebäudeverwaltung" macht dies nicht zweifelhaft, weil es sich dabei (auch) um eine Berufsbezeichnung handelt.

In sachlicher Hinsicht erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die Qualifizierung ihrer Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb beschwert.

Nach § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 zählen die in den lit. a bis c angeführten Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit. Nach den letzten drei Sätzen der Z. 1 leg. cit. ist ein Angehöriger eines freien Berufes auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist dabei, daß er selbst auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eine Vertretung im Falle einer vorübergehenden Verhinderung steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht entgegen. Nach der letzten Alternative des gleichfalls die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit aufzählenden § 22 Z. 1 EStG 1988 liegt eine freiberufliche Tätigkeit auch dann vor, wenn ein Angehöriger eines freien Berufes in seinem Beruf sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Abgesehen vom Fall einer vorübergehenden Verhinderung muß er selbst auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden.

Nach der Z. 2 des § 22 Abs. 1 EStG 1972 zählt zu den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit z.B. die Vergütung für Vermögensverwaltung. Nach § 22 Z. 2 EStG 1988 fallen unter die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit unter anderem Einkünfte aus einer vermögensverwaltenden Tätigkeit.

Voraussetzung für die Einbeziehung von Einkünften aus Mitunternehmerschaften in die Einkünfte aus selbständiger Arbeit ist sowohl nach dem EStG 1972 als auch nach dem EStG 1988, daß (grundsätzlich) jeder einzelne Gesellschafter im Rahmen der Gesellschaft selbständig tätig wird.

Nach der Lehre und Rechtsprechung wird eine an sich freiberufliche Tätigkeit oder eine als sonstige selbständige Arbeit anzusehende Tätigkeit zur gewerblichen, wenn sich der Steuerpflichtige zu Arbeiten, deren Vornahme regelmäßig zur Ausübung seines Berufes gehört, der Hilfe anderer Arbeitskräfte bedient, die seine selbständige Tätigkeit vervielfachen (sog. Vervielfältigungstheorie; vgl. Hofstätter/Reichel, Kommentar, § 22 EStG, Tz 10; Quantschnigg/Schuch, ESt-Handbuch, Rz 6 zu § 22, und die dort angeführte Judikatur). Dabei ist jedoch die Beschäftigung von untergeordneten Hilfskräften nicht als Vervielfältigung der Arbeitskraft des Steuerpflichtigen anzusehen. Unter einer bloß untergeordneten Hilfskraft ist eine Person zu verstehen, der im Organismus des Unternehmens eine nur untergeordnete Stellung zukommt und deren Funktion beim Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens keine entscheidende Bedeutung hat.

Hiezu wird hinsichtlich der freiberuflichen Tätigkeit (jeweils Z. 1 des § 22 Abs. 1 EStG 1972 bzw. § 22 EStG 1988) im Gesetz ausdrücklich bestimmt, daß es für die Qualifikation einer Tätigkeit als freier Beruf nicht schädlich ist, wenn sich der Steuerpflichtige der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, sofern er nur selbst leitend und eigenverantwortlich tätig ist. Derartige Bestimmungen fehlen jedoch im Bereich der Z. 2 des § 22 Abs. 1 EStG 1972 bzw. § 22 EStG 1988. Daraus folgt, daß bei den in der letztgenannten Gesetzesstelle angeführten Tätigkeiten die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte eine Einstufung der Tätigkeit als sonstige selbständige Arbeit ausschließt. Eine solche unterschiedliche Behandlung der in Rede stehenden Tätigkeiten erscheint dabei auch sachlich gerechtfertigt, weil es sich bei der im Beschwerdefall ausgeübten Tätigkeit der Hausverwaltung ihrem Wesen nach um eine stark zur gewerblichen Tätigkeit hinneigende Tätigkeit handelt (vgl. Hofstätter/Reichel, a.a.O., Tz. 49 bzw. zu EStG 1988 Tz. 57).

Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage ist damit der in der Beschwerde behauptete Umstand, daß die Beschwerdeführerin (trotz ihres hohen Alters - also eines Faktums, auf das sich die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung stützen zu können glaubte) auf Grund ihrer Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig gewesen sei, nicht entscheidend. Vielmehr hat die belangte Behörde auf Grund der von ihr durchgeführten Erhebungen (im Ergebnis unbedenklich) die Sachverhaltsfeststellung getroffen, wonach die (27) Angestellten "zum Teil hochqualifiziert, zum Teil sogar mit einer Prokura" ausgestattet gewesen seien. Jedenfalls ist aus dem Erhebungsergebnis ersichtlich, daß in dem von der Beschwerdeführerin und ihren beiden Söhnen gemeinschaftlich betriebenen Unternehmen keineswegs allein untergeordnete Hilfskräfte im Sinne der oben gegebenen Begriffsbestimmung beschäftigt worden sind. Dieser Umstand ist aber für die Einstufung der in Rede stehenden Tätigkeit allein entscheidend. Im Ergebnis entspricht damit der angefochtene Bescheid dem Gesetz.

Hinsichtlich ihrer Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführerin zwar zuzugestehen, daß die von der belangten Behörde gewählte Art ihrer Begründung nicht dem Gesetz entspricht. Der gerügte Mangel verhinderte im Beschwerdefall jedoch nicht die Bescheidprüfung und war deshalb nicht relevant.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994130107.X00

Im RIS seit

17.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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