TE Vfgh Beschluss 2020/11/24 E3382/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.2020
beobachten
merken

Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

ZPO §66, §84, §85,
VfGG §7 Abs2, §20 Abs2, §35, §82, §88a

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde nach Zurückweisung eines Verfahrenshilfeantrags wegen Nichterfüllung des Verbesserungsauftrags auf Grund Nichtvorlage der angefochtenen Entscheidung; Ablauf der Beschwerdefrist mangels meritorischer Erledigung des Verfahrenshilfeantrags

Spruch

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Die Beschwerdeführerin beantragte mit Eingabe vom 26. Juni 2020 die Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den oben genannten Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg.

Mit Verfügung vom 29. Juni 2020 wurde die Beschwerdeführerin gemäß §§66, 84, 85 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG unter Hinweis auf die Säumnisfolgen aufgefordert, innerhalb von vier Wochen ein eigenhändig unterschriebenes Vermögensbekenntnis abzugeben und bekannt zu geben, ob der Rechtsanwalt für die Einbringung der Beschwerde allein oder für das gesamte Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beigegeben werden soll (Punkt 1.), sowie die Entscheidung, deren Anfechtung beabsichtigt ist, in Form einer Ausfertigung, Abschrift oder Kopie anzuschließen und den Tag ihrer Zustellung anzugeben bzw der Erfüllung dieses Auftrages entgegenstehende Hindernisse mitzuteilen (Punkt 2.).

Da die Beschwerdeführerin innerhalb der gesetzten Frist der Aufforderung hinsichtlich Punkt 2. nicht nachgekommen war, wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. August 2020, E2185/2020-5, den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen Nichterfüllung des Verbesserungsauftrages gemäß §20 Abs2 VfGG zurück (VfSlg 12.907/1991, 16.063/2000).

2. Eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof kann nur innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes erhoben werden (§88a Abs1 iVm §82 Abs1 VfGG). Wird vor Ablauf dieser Frist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, beginnt die Beschwerdefrist gemäß §82 Abs3 VfGG mit der meritorischen Erledigung (Stattgebung oder Abweisung) des Verfahrenshilfeantrages neu zu laufen.

3. Die Beschwerdeführerin bringt zur Rechtzeitigkeit ihrer Beschwerde vor, dass der "Zurückweisungsbeschluss" des Verfassungsgerichtshofes vom 25. August 2020 "in einen Abweisungsbeschluss zu deuten" sei, wobei sich dies "aus der jüngeren, spätestens mit 3Ob130/05x beginnenden und mit 1Ob82/08b gefestigten Judikatur des OGH" ergebe. Diese Judikatur des Obersten Gerichtshofes besage im Kern, dass nicht erfüllte Verbesserungsaufträge bei Verfahrenshilfeanträgen meritorisch, also durch eine Abweisung und nicht eine Zurückweisung zu erledigen seien. Auch wenn diese Rechtsprechung großteils Sachverhalte betreffe, in denen kein Vermögensbekenntnis vorgelegt worden sei, müsse sie im Größenschluss umso mehr auf den vorliegenden Sachverhalt zutreffen, in dem es um die Nichtvorlage des angefochtenen Beschlusses gehe. Das Vermögensbekenntnis stelle nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trotz seiner rechtlichen Verankerung in §66 Abs1 ZPO keinen notwendigen Bestandteil des Verfahrenshilfeantrages dar. Umso weniger könne dies für die Beilage der angefochtenen Entscheidung gelten, die in §66 Abs1 ZPO gar nicht genannt werde.

Die Beschwerdeführerin verkennt damit, dass die angefochtene Entscheidung nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Beurteilung, ob die Rechtsverfolgung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint, zwingend mit dem Verfahrenshilfeantrag vorzulegen ist und damit einen notwendigen Bestandteil des Verfahrenshilfeantrages darstellt (vgl VfSlg 9675/1983, 10.174/1984), und übersieht auch, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Nichterfüllung eines Verbesserungsauftrages zur Behebung eines formellen Mangels zur Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrages gemäß §20 Abs2 VfGG führt (vgl VfSlg 12.907/1991, 16.063/2000, 18.958/2009; VfGH 11.12.2015, E2142/2015 ua; 11.6.2019, E644/2019). Nur ein nach entsprechender Aufforderung gemäß §66 Abs2 ZPO unvollständig oder mangelhaft gebliebenes Vermögensbekenntnis ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung gemäß §381 ZPO zu bewerten (vgl VfSlg 11.617/1999; VfGH 2.9.2003, B488/03 ua; 25.1.2016, E2387/2015). Dieser Fall liegt jedoch hier nicht vor.

4. Der Verfahrenshilfeantrag vom 26. Juni 2020 wurde daher entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht meritorisch erledigt, sondern wegen Nichtbehebung eines formellen Mangels – wie unter 1. ausgeführt – zurückgewiesen, sodass er auch keine Unterbrechung der Beschwerdefrist auslösen konnte (vgl VfSlg 12.363/1990, 16.085/2001; VfGH 18.9.2014, B329/2014).

Die sechswöchige Beschwerdefrist gegen den von der Beschwerdeführerin bekämpften Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 15. Mai 2020 war bereits zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrages abgelaufen. Die vorliegende, am 6. Oktober 2020 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachte Beschwerde ist daher ohne weitere Prüfung der Prozessvoraussetzungen als verspätet zurückzuweisen (vgl VfSlg 16.889/2003, 17.907/2006, 19.050/2010).

5. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, ist abzuweisen, weil nach Art144 Abs3 und 4 B-VG (§88a Abs1 iVm §87 Abs3 VfGG) eine solche Abtretung nur in den – hier nicht gegebenen – Fällen einer abweisenden Sachentscheidung oder einer Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Beschwerdefrist, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E3382.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten