TE Lvwg Erkenntnis 2021/1/10 VGW-122/043/8331/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.01.2021
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Entscheidungsdatum

10.01.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §75 Abs1
GewO 1994 §75 Abs2
GewO 1994 §79

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Kovar-Keri über die Beschwerde der Frau A. B., Wien, C.-straße, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 04.06.2020, Zahl ..., mit welchem gemäß § 79 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194/1994 idgF, die Aufforderung erging, ein Sanierungskonzept vorzulegen, in welchem darzulegen ist, wie sichergestellt wird, dass es durch den Betrieb zu keine unzumutbaren oder gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigungen durch Lärm durch Gäste und Manipulationstätigkeiten bei dem schallexponiertesten Anrainer kommt,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Ad I.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde Frau A. B. als Anlageninhaberin gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994 die Vorlage eines Sanierungskonzeptes, für welches eine Leistungsfrist von einem Monat ab Rechtskraft des angefochtenen Bescheides gesetzt wurde, aufgetragen. Es sollte in diesem Sanierungskonzept dargelegt werden, wie sichergestellt wird, dass es durch den Betrieb der Betriebsanlage in Wien, C.-straße, in welcher Frau A. B. das Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeehaus ausübt, zu keine unzumutbaren oder gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigungen durch Lärm durch Gäste und Manipulationstätigkeiten bei dem schallexponiertesten Anrainer kommt.

Begründet wurde der Auftrag zur Vorlage dieses Sanierungskonzeptes damit, dass die schallexponiertesten Nachbarn trotz Einhaltung des Konsenses durch die Betriebsanlage in die Gesundheit beeinträchtigender Weise belästigt worden seien und daher ein Sanierungskonzept zum Schutz der Nachbarn erforderlich sei. Durch Schallpegelmessung der Magistratsabteilung 36 (Schall) am 12. April 2018 sei für die örtlich akustische Situation bei geschlossenen Fenstern ein A-bewerteter, energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq von 25 dB und ein A-bewerteter Basispegel LA,95 von 18 dB ermittelt worden. Die Störgeräusche seien mit einem Schallpegel von LA,eq von 33 bis 38 dB gemessen worden, sodass diese den örtlichen Umgebungsgeräuschpegel um 8 bis 13 dB überteigen. Dadurch seien deutlich wahrnehmbare Störgeräusche zu erwarten, die durch subjektive Hörprobe der bei der Messung anwesenden medizinischen Amtssachverständigen bestätigt worden seien. Daher stellte die medizinische Sachverständige in ihrer gutächtlichen Stellungnahme zusammenfassend fest, dass in der Wohnung der Anrainerin Schallimmissionen auftreten, die zur Nachtzeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Wohnqualität und Störungen des Wohlbefindens, und somit eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung hervorrufen, und dass bei andauernder Einwirkung eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden könne.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingebrachte Beschwerde der Anlageninhaberin. Darin wird nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen vorgebracht, dass die belangte Behörde den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, welcher für den Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994 maßgebend sei, außer Acht gelassen habe. Die Beschwerdeführerin habe die Vorlage eines Sanierungskonzeptes unterlassen, zumal dieses in keiner Weise praktikabel sei und der damit verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehe. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Maßnahmen seien derart kostenintensiv und würden zu einer vollkommen unwirtschaftlichen finanziellen Belastung der Beschwerdeführerin führen. Die Unterbindung von Lärm durch Gäste und Manipulationstätigkeiten, die zur Natur einer gastgewerblichen Einrichtung bzw. eines Kaffeehauses gehören würden, käme der faktischen Schließung der Betriebsanlage gleich. Dabei sei zu bedenken, dass sich nur eine Anrainerin, welche mittlerweile ausgezogen sei, sich durch die Betriebsanlage belästigt fühlen würde. Im Sinne der Judikatur des VwGH (VwGH 2000/04/0193) sei der bekämpfte Bescheid bereits hierdurch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Überdies liege durch den beschriebenen unverhältnismäßigen Aufwand sowie die bewirkende faktische Schließung der Betriebsanlage ein Eingriff in die Erwerbsfreiheit im Sinne des Art. 6 StGG vor.

Weiters verstoße der Spruch des angefochtenen Bescheides gegen das Bestimmtheitsgebot, zumal nicht klar sei, was als unzumutbare oder gesundheitsgefährdende Beeinträchtigungen zu betrachten sei sowie wer als schallexponierteste Anrainer gelten soll. Der bekämpfte Bescheid sei sohin auch aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet.

Daher werde der Antrag auf ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides sowie Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens in eventu auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides sowie Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens in eventu Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde gestellt.

Die belangte Behörde legte die bezughabenden Akten vor.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

§ 79 Abs. 1 bis 3 GewO 1994 lautet folgendermaßen:

§ 79 (1) Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, daß bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (zB bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, daß ihm (zB wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

(2) Zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 geworden sind, sind Auflagen im Sinne des Abs. 1 nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind. Auflagen im Sinne des Abs. 1 zur Vermeidung einer über die unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden beträchtlichen Belastung durch Luftschadstoffe, Lärm oder gefährliche Abfälle sind, sofern sie nicht unter den ersten Satz fallen, zugunsten solcher Personen nur dann vorzuschreiben, wenn diese Auflagen im Sinne des Abs. 1 verhältnismäßig sind.

(3) Könnte der hinreichende Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen nach Abs. 1 oder 2 nur durch die Vorschreibung solcher anderer oder zusätzlicher Auflagen erreicht werden, durch die die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändert würde, so hat die Behörde dem Inhaber der Anlage mit Bescheid aufzutragen, zur Erreichung des hinreichenden Interessenschutzes und der Begrenzung der Emissionen von Luftschadstoffen nach dem Stand der Technik innerhalb einer dem hiefür erforderlichen Zeitaufwand angemessenen Frist ein Sanierungskonzept für die Anlage zur Genehmigung vorzulegen; für dieses Sanierungskonzept ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Abs. 1) maßgebend. Im Bescheid, mit dem die Sanierung genehmigt wird, hat die Behörde, erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen, eine dem Zeitaufwand für die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen entsprechende Frist zur Durchführung der Sanierung festzulegen. § 81 Abs. 1 ist auf diese Sanierung nicht anzuwenden.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens (Beschwerdevorbringen, Einsichtnahme in den behördlichen Akt) steht folgender Sachverhalt fest:

Die gegenständliche Betriebsanlage wurde erstmals mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 20. Dezember 1979, GZ: ..., gemäß § 74 GewO 1973 rechtskräftig genehmigt. Damals wurde das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Gasthaues betrieben.

Mit Bescheid vom 7. September 1993, GZ: ..., wurde eine Änderung der Betriebsanlage hinsichtlich der Lüftungsanlage und Beheizung gemäß § 81 GewO 1973 rechtskräftig genehmigt. Seither wird in dieser Betriebsanlage das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Kaffeehauses ausgeübt.

Neben der Vorschreibung von zwei zusätzlichen Auflagen (Bescheid vom 11. Jänner 2012, GZ: ..., und vom 8. Juni 2018, GZ: ...) wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk vom 26. November 2018, GZ: ..., die Aufstellung einer kleinen Musikanlage für Hintergrundmusikdarbietung (58 db(A) gemessen in Raummitte) und eines haushaltsüblichen Flachbildfernsehers (58 db(A), gemessen in Raummitte) im Gastraum gemäß § 345 Abs. 6 GewO 1994 iVm § 81 Abs. 3 und § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 sowie § 93 Abs. 3 ASchG bescheidmäßig zur Kenntnis genommen.

Anlässlich der Messung am 12. April 2018 konnten für die örtlich akustische Situation bei geschlossenen Fenstern ein A-bewerteter energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq = 0 25 dB und ein A-bewerteter Basispegel LA,95 = 18 dB ermittelt werden. Die Störgeräusche wurden mit Schallpegeln von LA,eq = 33-38 dB gemessen. Diese Schallpegel übersteigen den örtlichen Umgebungsgeräuschpegel um 8-13 dB wodurch deutlich wahrnehmbare Störgeräusche zu erwarten sind. In der Wohnung der exponiertesten Nachbarin treten ausgehend von der gegenständlichen Betriebsanlage Schallimmissionen auf, die zur Nachtzeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Wohnqualität und Störungen des Wohlbefindens und somit eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung hervorrufen. Bei andauernder Einwirkung ist eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen.

Die Anrainerin, in deren Wohnung die diesem Verfahren zu Grund liegenden Schallpegelwerte gemessen wurden, ist erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarin im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 GewO 1994 geworden.

Diese Feststellungen gründen auf den im Akt einliegenden Genehmigungsbescheiden, den seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen (Messbericht des Amtssachverständigen für Schalltechnik und medizinische Beurteilung der medizinischen Amtssachverständigen) im Zusammenhalt mit dem Vorbringen in der Beschwerde.

In rechtlicher Hinsicht folgt aus dem festgestellten Sachverhalt Folgendes:

§ 79 GewO 1994 erweist sich seinem normativen Gehalt nach als eine Regelung, durch die die Genehmigungsbehörde ermächtigt wird, rechtskräftige Bescheide betreffend die Genehmigung gewerblicher Betriebsanlagen aus anderen als den im § 68 Abs. 3 AVG genannten Gründen in den Konsens einzugreifen und den Genehmigungsbescheid abzuändern (vgl. iE VwGH Slg 9837 A (1979)).

Das Verfahren gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994 ist von Amts wegen einzuleiten. Die Behörde hat bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen dem Inhaber einer Betriebsanlage mit Bescheid die Vorlage eines Sanierungskonzeptes aufzutragen. Der Anlageninhaber ist nach dieser Gesetzesstelle verpflichtet, entsprechend dem diesbezüglichen bescheidmäßigen Auftrag der Gewerbebehörde „ein Sanierungskonzept für die Anlage zur Genehmigung vorzulegen“. Die „Vorlage des Sanierungskonzeptes für die Anlage zur Genehmigung“ ist keine Antragstellung, durch die ein neues Verwaltungsverfahren eingeleitet wird, sondern die in Erfüllung des diesbezüglichen bescheidmäßigen Auftrags erfolgende Mitwirkung des Genehmigungsinhabers am laufenden amtswegigen Sanierungsverfahren. Diese Mitwirkung ist unverzichtbar, weil sie eine Wesensänderung der Anlage betrifft und diese Änderung daher einen entsprechenden Willensakt des Anlageninhabers voraussetzt. Im gegebenen Zusammenhang darf darauf hingewiesen werden, dass ein Verfahren nach § 79 Abs. 3 GewO 1994 die Anwendung des § 360 Abs. 4 leg cit nicht ausschließt (Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 79 (Stand 1.3.2015, rdb.at) Rz 53)

Das Ziel der Sanierung liegt in der Behebung der festgestellten Mängel; dieses Ziel muss dem Betriebsinhaber als notwendige Grundlage für die Erstellung des Sanierungskonzeptes vorgegeben werden. Durch welche (tauglichen) Maßnahmen dieses Ziel in der Folge erreicht werden soll, liegt im alleinigen Entscheidungsbereich des Betriebsinhabers und kommt im Sanierungskonzept zum Ausdruck (Rz 54, aaO).

Durch die ausdrückliche Verweisung auf § 79 Abs. 1 und Abs. 2 in § 79 Abs. 3 GewO 1994 ist davon auszugehen, dass auch der Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 1 und Abs. 2 GewO geworden sind, nur dann zulässig ist, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig ist.

Wenn die Beschwerdeführerin von einem unverhältnismäßigen Eingriff spricht, so ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach wenn das Ziel einer Auflage gemäß § 79 Abs. 1 GewO dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient, der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen kann (vgl. VwGH vom 3. März 1999, Zl. 98/04/0164, vom 24. Jänner 2001, Zl. 99/04/229, vom 26. Juni 2002, Zl. 2000/04/0113).

Auch das Vorbringen hinsichtlich der Unbestimmtheit des Spruches des angefochtenen Bescheides vermag der Beschwerde zu keinem Erfolg zu verhelfen. Nach dem Zweck des § 79 ist der Auftrag gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes für jenen Fall vorgesehen, in dem der Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen Maßnahmen erfordert, die dem Betriebsinhaber als Auflagen gemäß § 79 Abs. 1 nicht vorgeschrieben werden dürfen, weil sie die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen veränderten. Gerade weil die erforderlichen Auflagen „wesensverändernd“ wären, hat sich die Behörde darauf zu beschränken, dem Betriebsinhaber die Vorlage eines Konzeptes zur Sanierung der festgestellten Mängel vorzuschreiben. Das Ziel der Sanierung liegt in der Behebung der festgestellten Mängel; dieses Ziel muss dem Betriebsinhaber als notwendige Grundlage für die Erstellung des Sanierungskonzeptes vorgegeben werden. Durch welche (tauglichen) Maßnahmen dieses Ziel in der Folge erreicht werden soll, liegt im alleinigen Entscheidungsbereich des Betriebsinhabers und kommt im Sanierungskonzept zum Ausdruck (vgl. zuletzt VwGH vom 21. Dezember 2004, Zl. 2003/04/0094, mwH). Der Zielsetzung der nachträglichen Vorschreibung von Auflagen bzw. der Durchführung einer Sanierung einer genehmigten Betriebsanlage unter Mitwirkung des Betriebsanlageninhabers zum Schutz der Nachbarn würde es entgegenlaufen, die Verpflichtung zur Vorlage des Sanierungskonzeptes mit dem Ablauf der hierfür gesetzten Frist enden zu lassen, zumal die Nichtbefolgung der im Rahmen des § 79 gesetzten Maßnahmen am Bestand der zu Grunde liegenden Betriebsanlagenbewilligung nichts ändert (VwGH vom 18. Oktober 2006, Zl. 2004/04/0206).

Ohne näher auf das Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen, war der angefochtene Bescheid aber aus folgenden Grund dennoch zu beheben:

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf die gutächtliche Stellungnahme der medizinischen Amtssachverständigen, wonach in der Wohnung der Anrainerin Schallimmissionen auftreten, die zur Nachtzeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Wohnqualität und Störungen des Wohlbefindens, und somit eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung hervorrufen, und dass bei andauernder Einwirkung eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden könne.

Es ist ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH Slg 7499 A (1969)), dass von einem das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missstand, der die Anwendung des § 68 Abs. 3 AVG rechtfertigen würde, dann noch nicht gesprochen werden kann, wenn eine solche Gefährdung nur nach den allgemeinen Erfahrungen nicht ausgeschlossen werden kann. Es muss vielmehr eine konkrete Gefährdung nachgewiesen werden. Der in dem zitierten Erkenntnis zu § 68 Abs. 3 AVG 1950 ergangene Rechtssatz hat grundsätzlich in jedem Verfahren, in welchem in einen bestehenden Konsens eingegriffen wird, Anwendung zu finden. Folglich muss auch ich einem Verfahren nach § 79 Abs. 3 GewO 1994 eine konkrete Gefährdung der Gesundheit nachgewiesen werden.

Da nach dem behördlichen Ermittlungsverfahren eine solche Gesundheitsgefährdung jedoch bloß „nicht ausgeschlossen werden“ kann, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig und war spruchgemäß zu beheben.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Ad II.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtmäßigkeit eines Bescheides nach § 79 GewO 1994 ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen darüber hinaus keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Genehmigung gewerblicher Betriebsanlagen; Bescheid; Rechtskraft; Sanierung; Sanierungskonzept; Auftrag; Nachbar; konkrete Gefährdung; Leben; Gesundheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.122.043.8331.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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