TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/27 94/05/0087

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Veröffentlicht am 27.05.1997
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

ABGB §309;
AWG 1990 §17 Abs1;
AWG 1990 §17 Abs3;
AWG 1990 §32 Abs1;
SAG §3 Abs1;
SAG;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/05/0107

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerden der 1. W-Ges.m.b.H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, und 2. der H-Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien, Zl. MA 22-817/94, und zwar vom 22. Februar 1994, gerichtet an die Erstbeschwerdeführerin, und vom 3. März 1994, gerichtet an die Zweitbeschwerdeführerin, betreffend einen Behandlungsauftrag nach dem AWG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Hingegen wird der von der Zweitbeschwerdeführerin angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft Wien 23, O-Straße nn1. Über ihren Antrag erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, mit Bescheid vom 12. März 1993 die Bewilligung zum Abbruch von Werkshallen (Halle 3 und 4). Die Punkte 12 und 13 der im Bewilligungsbescheid enthaltenen Auflagen lauteten:

"12) Nach den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes BGBl. Nr. 325/1990 besteht die Verpflichtung, beim Abbruch von Baulichkeiten verwertbare Materialien, soweit dies nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist oder technisch nicht möglich ist, einer Verwertung zuzuführen und nicht verwertbare Abfälle in einer für die Umwelt und die Gesundheit von Menschen ungefährlichen Weise zu entsorgen.

Ist beim Abbruch der Baulichkeiten das Auftreten von gefährlichen Abfällen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, sind geeignete Maßnahmen zur Abwehr der Gefahren zu treffen, die beim Umgang (Abfallaufnahme, Transport, Lagerung usw.) mit solchen Gefahrstoffen entstehen können.

13) Vor Beginn der Abbrucharbeiten ist von einem befugten Fachmann der Nachweis über etwaige vorhandene Asbestbauteile in den abzutragenden Gebäude zu erbringen. Asbesthaltige Bauteile sind von einem befugten Fachunternehmen zu demontieren und zu entsorgen."

Während in diesem Bewilligungsbescheid noch die Firma H. Ges.m.b.H. als Bauführerin genannt worden war, teilte die Erstbeschwerdeführerin mit Schreiben vom 19. April 1993 der Baubehörde mit, daß die Zweitbeschwerdeführerin Bauführerin für den bewilligten Abbruch sein werde.

Zufolge Verständigung durch die Magistratsdirektion, Büro für Sofortmaßnahmen, führte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk (im folgenden: MBA 23), am 23. April 1993 einen Ortsaugenschein durch. Dabei wurde festgestellt, daß im Umkreis auf der freien Fläche in großer Menge Asbestabfälle (schwach gebunden) herumlagen. Unmittelbar vor der Halle seien geschlichtet, zum Teil in Plastik eingehüllt, zum Teil freiliegend, Welleternitdachteile, auf welchen eine dicke Asbestschicht zu sehen gewesen sei, gelegen. Auch sei sichtlich das Stahlgerüst der Halle mit Asbest kontaminiert gewesen.

Der Vertreter des Magistrats der Stadt Wien, Magistratabteilung 22 - Umweltschutz (im folgenden: MA 22), gab an, daß die mit den Abbrucharbeiten beauftragte Zweitbeschwerdeführerin keine Genehmigung nach § 15 AWG besitze. Er sah nachstehende Maßnahmen als notwendig an:

"Die Asbestbelastung in der Umgebung des Abbruchobjektes ist mit Industriestaubsaugern aufzusaugen. Die Asbestkontaminationen am Stahlgerüst des Abbruchobjektes sind in einer Einhausung, welche unter Unterdruck zu setzen ist (20 Pascal), zu entsorgen. Der gesammelte Spritzasbest (aus den Industriestaubsaugern) ist anschließend einer Verfestigung mit Bindemitteln zuzuführen. Die angeführten Maßnahmen dürfen nur von einem Abfallbehandler durchgeführt werden."

Der in der Folge vom MBA 23 beigezogene Sachverständige Dipl.-Ing. H. K. führte in seinem Gutachten vom 28. April 1993 aus, daß gewisse, von ihm aufgelistete Sofortmaßnahmen und in der Folge weitere Sanierungsmaßnahmen erforderlich seien.

Am 14. Mai 1993 übermittelte das MBA 23 die von der MA 22 geforderten Auflagen für die Asbestsanierung der gegenständlichen Liegenschaft per Fax an die Beschwerdeführerinnen. Während die Erstbeschwerdeführerin nicht reagierte, gab die Zweitbeschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. Mai 1993 an, daß nicht sie, sondern die H. Ges.m.b.H. Bauführerin und sie nur Subunternehmer sei. Auch dies hielt das MBA 23 der Erstbeschwerdeführerin vor.

Mit Bescheid vom 18. Mai 1993 (in einem hier nicht wesentlichen Punkt berichtigt durch den Bescheid vom 17. Juni 1993) erteilte das MBA 23 gemäß § 32 Abs. 1 AWG iVm § 28 Arbeitnehmerschutzgesetz den Auftrag, die Asbestverunreinigungen der Bau- und Liegenschaftsteile auf der Liegenschaft Wien 23, O-Straße nn1, unverzüglich und direkt anschließend an die dort verfügten Sicherungsmaßnahmen in der in zehn Bescheidpunkten detailliert beschriebenen Weise zu sanieren. In Punkt 1 wurde aufgetragen, daß die Sanierung durch ein befugtes Unternehmen durchzuführen sei; in Punkt 2 wurde angeordnet, daß bei den Sanierungsmaßnahmen darauf Bedacht zu nehmen sei, daß keine weiteren Fasern emittiert werden. Die Punkte 3 bis 10 des Bescheidspruches entsprachen den von der MA 22 geforderten, den Parteien am 14. Mai 1993 bekanntgegebenen "Auflagen".

Der Behandlungsauftrag erging an die Erstbeschwerdeführerin "als Eigentümerin" zu Handen ihres Rechtsvertreters, an die Erstbeschwerdeführerin zu Handen ihres Geschäftsführers und an die Zweitbeschwerdeführerin "als Bauführer".

Die Erstbeschwerdeführerin machte in ihrer dagegen erstatteten Berufung geltend, daß sie gemäß § 32 Abs. 2 AWG nur subsidiär hafte; vielmehr sei ausschließlich der Bauführer "Verpflichteter" gemäß § 32 Abs. 1 AWG. Außerdem wurde ausgeführt, daß die Behörde nicht begründet habe, warum sie von "gefährlichem" Abfall ausgehe, zumal nur gefestigter Asbest vorhanden sei. Auch sei eine relevante Überschreitung der Meßtoleranz nicht erwiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin machte geltend, daß sie nicht Bauführerin gewesen sei, weshalb sie nicht verpflichtet werden könne. Die vorgefundenen Abfälle seien wegen der Verfestigung nicht gefährlich. Bereits vor Inangriffnahme der Abbrucharbeiten seien Asbestabfälle auf dem Gelände vorhanden gewesen. Die Abbruchtätigkeit sei nicht kausal für die Luftbelastung gewesen. Die Meßwerte laut ÖNORM M 9406 würden nicht überschritten werden.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde beiden Berufungen keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß der Auftrag "der W-Ges.m.b.H., O-Straße nn1, 1230 Wien und der H-Ges.m.b.H., G-Gasse nn2, 1110 Wien, als den gemäß § 17 AWG zu ungeteilten Handen Verpflichteten" erteilt wurde.

Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin wurde in der Begründung ausgeführt, daß "Verpflichteter" im Sinne des § 32 Abs. 1 AWG der Abfälle zurücklassende Abfallbesitzer sei. Es werde auf den Begriff des Abfallbesitzes nach § 17 Abs. 3 AWG zurückgegriffen, der sich an § 309 ABGB orientiere. Daher sei die Erstbeschwerdeführerin als Grundeigentümerin Abfallbesitzerin und habe den Abfall nicht an einen zur Sammlung befugten Unternehmer übergeben.

Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin wurde ausgeführt, "Verpflichteter" sei jeder Durchführende einer Abbrucharbeit. Da sich die Sorgfaltspflicht des § 17 AWG an jeden richte, der mit der Behandlung zu tun habe, sei ein Besitzwille nicht erforderlich. Da die Zweitbeschwerdeführerin an der Baustelle tätig sei, sei sie auch Verpflichtete gemäß § 32 Abs. 1 AWG.

Die Gefährlichkeit des Abfalles gemäß § 2 Abs. 5 AWG ergebe sich daraus, daß Blauasbest als Asbest unter Schlüsselnummer 31437 der ÖNORM S 2101 falle, welche mit der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991, für verbindlich erklärt worden sei. "Verfestigt" seien nicht faustgroße Asbeststücke, sondern es könne nur Asbestbeton mit einer Druckfestigkeit von B 80 als verfestigt angesehen werden. Noch weniger könnten die festgestellten ungebundenen Asbestteile diese Druckfestigkeit erfüllen.

Zur Erlassung eines Behandlungsauftrages sei keine Feststellung darüber erforderlich gewesen, wann dieser Abfall gefährlich geworden sei. § 17 Abs. 3 AWG sei dadurch verletzt worden, daß kein gemäß § 15 AWG befugtes Fachunternehmen an der Baustelle tätig gewesen sei. Die Verletzung der Behandlungsvorschriften, die einem befugten Abfallsammler stets aufgetragen werden (Einhausung, Unter-Unterdrucksetzung, Arbeitnehmerschleusen, Druckfestigung), bewirke die Verletzung der Grundsätze des § 1 Abs. 3 AWG, insbesondere eine Gesundheitsgefahr. Es seien somit gefährliche Abfälle nicht im Sinne des § 17 Abs. 1 AWG behandelt und entsorgt worden, sodaß der Behandlungsauftrag zu erteilen gewesen sei. Daß die aufgetragenen Maßnahmen als ordnungsgemäße Entsorgung geeignet seien, sei nicht bestritten worden.

Die Erstbeschwerdeführerin erachtet sich in ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erkennbar in ihrem Recht darauf verletzt, nicht als Verpflichtete gemäß § 32 Abs. 1 AWG herangezogen zu werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Durchführung eines dem Gesetz entsprechenden Verfahrens und ihrem Recht verletzt, nur zur Sanierung solcher Mißstände verpflichtet zu werden, die sie zu verantworten habe. Beide Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, die Zweitbeschwerdeführerin auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Erstbeschwerdeführerin legte ergänzend einen Berufungsbescheid des UVS Wien vom 10. März 1995 vor, mit welchem einer Berufung des Geschäftsführers der Erstbeschwerdeführerin gegen ein Straferkenntnis des MBA 23 Folge gegeben worden war, weil nach Auffassung des UVS Wien nicht die Erstbeschwerdeführerin Erzeuger und Besitzer der gefährlichen Abfälle, sondern die Zweitbeschwerdeführerin Erzeugerin gefährlicher Abfälle war. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete zu jeder Beschwerde eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges verbunden und erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß für die vorliegenden Beschwerdefälle das Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990 in der Fassung der seit 6. März 1994 in Kraft befindlichen Novelle BGBl. Nr. 155/1994 anwendbar ist, weil die Zustellung der Berufungsbescheide am 10. März 1994 erfolgte.

Der vorliegende Behandlungsauftrag beruht auf § 32 Abs. 1 AWG. Nach dieser Bestimmung hat die Bezirksverwaltungsbehörde dem Verpflichteten entsprechende Maßnahmen aufzutragen, wenn von diesem Bundesgesetz erfaßte "andere" Abfälle (also insbesondere gefährliche Abfälle) nicht gemäß den §§ 16 bis 18 AWG entsorgt werden.

    § 17 AWG lautet wie folgt:

            "Verwertungs- und Behandlungsgrundsätze

§ 17. (1) Gefährliche Abfälle und Altöle sind unbeschadet

weitergehender Verpflichtungen jedenfalls so zu lagern und zu behandeln (verwerten, ablagern oder sonst zu behandeln), daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 vermieden werden. Das Ablagern von gefährlichen Abfällen oder Altölen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen ist unzulässig.

(2) Beim Abbruch von Baulichkeiten sind,

1.

verwertbare Materialien - soweit dies nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden oder technisch nicht möglich ist - einer Verwertung zuzuführen,

2.

nicht verwertbare Abfälle einer Behandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 3 zuzuführen.

(3) Ist der Besitzer der gefährlichen Abfälle und Altöle zu einer entsprechenden Behandlung nicht befugt oder imstande, hat er diese, soweit nicht anderes angeordnet ist, einem zu einer entsprechenden Sammlung oder Behandlung Befugten zu übergeben. Altöle sind in diesem Fall regelmäßig, mindestens einmal innerhalb von 24 Monaten, einem nach den §§ 15 oder 24 Befugten zu übergeben oder bei einer öffentlichen Sammelstelle (§ 30) abzugeben.

(4) Gefährliche Abfälle, die nicht verwertet werden, sind auf eine solche Weise zu behandeln, daß sie dem jeweiligen Stand der Technik entsprechend weitgehend reaktionsarm und möglichst konditioniert und geordnet auf einer Deponie abgelagert werden können, und sind nach einer derartigen Behandlung auf einer für diese Abfälle behördlich bewilligten Deponie abzulagern.

(5) Die Behandlung oder die Übergabe von gefährlichen Abfällen oder Altölen hat so rechtzeitig zu erfolgen, daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 vermieden werden."

In der Gegenschrift zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin machte die belangte Behörde dieser Partei zum Vorwurf, daß sie den Auftrag zur Entsorgung nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 17 Abs. 3 AWG an ein Fachunternehmen übergeben habe und daß die Erstbeschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt als einzige für die Geschicke der Liegenschaft verantwortlich, damit also Abfallbesitzerin und Verpflichtete gemäß § 32 Abs. 1 AWG gewesen sei. Der Zweitbeschwerdeführerin wird in der Gegenschrift zum Vorwurf gemacht, daß sie die Verhaltensnorm des § 17 Abs. 1 AWG nicht beachtet habe. Eine Abschätzung, welcher Verstoß schwerer wiege, sei nicht möglich, sodaß analog § 1302 ABGB, weil beide Parteien die aufgetragene Leistung schulden, deren Verpflichtung zur ungeteilten Hand ausgesprochen worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mehrfach mit der Frage auseinandergesetzt, wer "Verpflichteter" und damit Adressat eines Behandlungsauftrages nach § 32 Abs. 1 AWG ist. Im Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 93/05/0137, wurde unter Hinweis auf ein Vorerkenntnis ausgeführt, daß der Verursacher jedenfalls Verpflichteter im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sei. Im Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 95/05/0005, in welchem es darum ging, ob auch ein Frächter des gefährlichen Gutes Verpflichteter sein kann, wurde unter Hinweis auf den Besitzbegriff des § 309 ABGB auf den Besitzwillen Bedacht genommen, der beim Frächter jedenfalls auszuschließen sei. In jenem Erkenntnis wurde auch darauf hingewiesen, daß das AWG im Gegensatz zum Sonderabfallgesetz keine Definition des "Abfallbesitzers" enthalte.

Mayer befaßt sich mit dieser Frage in seinem Aufsatz "Zur Gesetzmäßigkeit der "Baurestmassenverordnung"", ecolex 1994,

182. Gemäß § 3 Abs. 1 Sonderabfallgesetz, BGBl. Nr. 186/1983, sei der Sonderabfallbesitzer jene Person gewesen, die als Sonderabfallerzeuger, Sonderabfallsammler oder Sonderabfallbeseitiger tätig gewesen sei. Die daran von Mayer geknüpfte Schlußfolgerung, auch der Begriff des "Abfallbesitzers" im Sinne des § 17 Abs. 3 AWG erschöpfe sich in den drei Tätigkeitsbildern "Erzeuger, Sammler, Behandler" wurde vom Verwaltungsgerichtshof im zuletzt genannten Erkenntnis nicht geteilt, sondern ausgeführt, daß eine Einschränkung dieses Begriffes, wie er positiv-rechtlich im SonderabfallG vorgenommen worden sei, aus dem AWG nicht abgeleitet werden könne. Abgesehen davon, daß eine Begriffskongruenz schon deshalb nicht vorliegt, weil das Sonderabfallgesetz den "Beseitiger" nannte, das AWG aber den "Behandler" nennt, läßt sich wegen der viel weitergehenden Zielsetzung des AWG eine Übernahme einer alten Definition zur Deutung von Begriffen des AWG nicht rechtfertigen. § 17 Abs. 3 AWG spricht vom "Besitzer" gefährlicher Abfälle. Es besteht kein Grund, den Besitzer anders zu definieren, als so, wie der Besitzerbegriff traditionell, nämlich im Sinne des ABGB, verstanden wird.

Gemäß § 309 zweiter Satz ABGB ist der Inhaber einer Sache ihr Besitzer, wenn er den Willen hat, sie als die seinige zu behalten. "Behalten" ist nicht wörtlich zu nehmen. Gemeint ist, daß der Inhaber mit der Sache so verfährt, als wäre sie seine eigene (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts II10, 30). Der Besitzwille ist kein abstraktes Wollen im subjektiven psychologischen Sinne (Schey, Klang in Klang-Kommentar, 2. Band, 309). Der Besitzwille wird dahin objektiviert, daß nach dem äußeren Anschein die Sache dem Inhaber gehören muß (Gschnitzer, Sachenrecht, 6). Ausschlaggebend ist das äußere Bild der Beziehung; in der Regel ist der Besitzwille aus dem Kausalverhältnis, also jenem Verhältnis zu erschließen, das die Innehabung herbeiführt, sodaß sich etwa der Käufer als Besitzer der Sache erweist (Spielbüchler in Rummel, ABGB I2, Randzahl 3 zu § 309 ABGB).

Die Erstbeschwerdeführerin ist Grundeigentümerin, ihr gehören die Hallen, die von dem von ihr beauftragten Unternehmen abgebrochen werden sollten. Der Umstand, daß sie sich dieser Substanz entledigen will, hat aber auf den Besitz der Sache noch keinen Einfluß, weil die Erstbeschwerdeführerin gerade durch die Erteilung des Abbruchauftrages im Sinne des oben wiedergegebenen Literaturzitates mit der Sache so verfahren ist, als wäre sie ihre eigene. Hinweise dafür, daß aufgrund der werkvertraglichen Beziehungen unverzüglich, also auch noch, solange sich das Abbruchmaterial auf dem Grundstück befunden hat, ein Besitzübergang stattfinden sollte, liegen nicht vor.

Kein Widerspruch besteht auch zu dem oben zitierten Rechtssatz, Verpflichteter sei jedenfalls der "Verursacher". Verursacher ist der, der den Abbruch veranlaßt, unabhängig davon, ob er sich dafür eines Gehilfen bedient oder nicht.

Die zuletzt angestellte Erwägung schließt es auch aus, daß die Verletzung der Verhaltensnorm des § 17 Abs. 1 AWG, unabhängig davon, von wem diese Verletzung begangen wurde, einen Behandlungsauftrag an den Übertreter dieser Norm rechtfertige. § 17 Abs. 1 AWG richtet sich wohl an denjenigen, der gefährliche Abfälle lagert und behandelt; auch ohne Beantwortung der Frage, ob die Zweitbeschwerdeführerin eine dieser Tätigkeiten entfaltet hat, läßt sich eine Ausweitung des Adressatenkreises der Befehlsempfänger des § 32 Abs. 1 AWG auf alle Gehilfen des jedenfalls gemäß § 17 Abs. 3 AWG Verpflichteten nicht rechtfertigen.

Die Erstbeschwerdeführerin hat die sie gemäß § 17 Abs. 3 AWG treffende Verpflichtung, sich eines zur Sammlung und Behandlung Befugten zu bedienen, nicht erfüllt, sodaß gefährliche Abfälle nicht bestimmungsgemäß behandelt wurden. An sie war daher der Auftrag gemäß § 32 Abs. 1 AWG zu richten; ihre somit unberechtigte Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Daß dieser Bescheid auch eine Verpflichtung der Zweitbeschwerdeführerin "zur ungeteilten Hand" beinhaltete, entfaltete gegenüber Letzterem keine normative Wirkung, weil dieser Bescheid nicht an sie gerichtet war und ihr nicht zugestellt wurde.

Den (untauglichen) Gehilfen der Erstbeschwerdeführerin traf keine unmittelbare Verpflichtung, weshalb die Zweitbeschwerdeführerin als Adressat des Behandlungsauftrages ausscheidet. Da die belangte Behörde dies verkannte und auch die Zweitbeschwerdeführerin verpflichtete, belastete sie ihren diese Partei betreffenden Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, welcher daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §3 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994050087.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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