TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/2 W120 2233601-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.11.2020

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §141 Abs1 Z2
BVergG 2018 §141 Abs1 Z7
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334 Abs3
BVergG 2018 §342
BVergG 2018 §353
BVergG 2018 §354 Abs1
BVergG 2018 §355
BVergG 2018 §356
BVergG 2018 §357
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §78 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W120 2233601-1/39E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian Eisner als Vorsitzenden, Dr. Ilse Pohl als fachkundige Laienrichterin auf der Auftraggeberseite und Mag. Matthias Wohlgemuth als fachkundigen Laienrichter auf der Auftragnehmerseite über die von der XXXX , vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, im fortgesetzten Verfahren gemäß § 353 Abs 4 BVergG 2018 gestellten Feststellungsanträge betreffend das Vergabeverfahren „ XXXX “ der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Anträge,

„gemäß § 353 Abs 1 Z 1 BVergG festzustellen, dass der Zuschlag hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde bzw dass die Rahmenvereinbarung hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung mit dem Unternehmer, der das technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot abgegeben hat, abgeschlossen wurde“,

werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Schriftsatz vom 05.09.2019, dieser Schriftsatz wurde in einer geschwärzten und einer ungeschwärzten Variante vorgelegt, beantragte die Antragstellerin ua die sechs inhaltsgleichen Ausscheidensentscheidungen vom 26.08.2019 hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX und die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll (von der Auftraggeberin als „Zuschlagsentscheidung“ bezeichnet), vom 26.08.2019 hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX für nichtig zu erklären.

Die Antragstellerin sei ein auf dem Gebiet der Errichtung und Montage von Fahrzeugrückhaltesystemen tätiges internationales Unternehmen und verfüge über langjährige Erfahrung in diesem Bereich. Das Leistungsangebot umfasse dabei insbesondere auch die ausschreibungsgegenständlichen Leistungen der Lieferung und Versetzung von Fahrzeugrückhaltesystemen.

Begründend führt die Antragstellerin aus, dass die technische Leistungsfähigkeit der Antragstellerin gegeben sei. Die angefochtenen Ausscheidensentscheidungen seien für nichtig zu erklären. Dies bewirke auch die Rechtswidrigkeit der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX , da die Antragstellerin in diesen Losen jeweils das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot gelegt habe. Da die Angebote der Antragstellerin nicht auszuscheiden seien, sei die Rahmenvereinbarung mit ihr (und nicht mit der mitbeteiligten Partei) zu schließen. Aus diesem Grund sei daher auch die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX für nichtig zu erklären.

Im ersten Punkt machte die Antragstellerin geltend, dass die Prüfung der CE-Kennzeichnung der von ihr angebotenen Produkte durch die Auftraggeberin unzulässig sei.

Die von der Auftraggeberin konstruierten Vorwürfe seien auch inhaltlich nicht richtig.

In der Folge wurde von der Antragstellerin argumentiert, warum die einzelnen Ausscheidensgründe auch unabhängig von den bereits erfolgten Ausführungen, unzutreffend seien.

Letztlich festzuhalten sei noch, dass die Angebote der mitbeteiligten Partei selbst bei Ausscheiden der Antragstellerin aufgrund der überhöhten Preise für den Zuschlag/den Abschluss der Rahmenvereinbarung nicht in Betracht kommen würden (die Preise lägen teils deutlich über der Auftragswertschätzung der Auftraggeberin).

Ganz allgemein sei aus Sicht der Antragstellerin – angesichts der tendenziösen Prüfung in Hinblick auf die Antragstellerin – äußerst zweifelhaft, ob hinsichtlich der mitbeteiligten Partei eine ordnungsgemäße Angebotsprüfung durchgeführt worden sei.

2.       Am 17.09.2019 nahm die Auftraggeberin zum Nachprüfungsantrag Stellung.

3.       Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.10.2019 im Beisein der Antragstellerin, der Auftraggeberin und der mitbeteiligten Partei eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

4.       Am 13.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein der Antragstellerin, der Auftraggeberin und der mitbeteiligten Partei eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei wurde auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verwiesen (vgl. VfGH 10.10.2019, E 1025/2018-21e) und diese Entscheidung besprochen.

5.       Am 13.01.2020 erfolgte nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtsfragen die Beschlussfassung im Senat.

6.       Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2020, W120 2223146-2/37E, sprach das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Anträge auf Nichtigerklärung der sechs Ausscheidensentscheidungen und der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, jeweils vom 26.08.2019 hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX Folgendes aus:

„A)

I. zu Recht erkannt:

Der Antrag ‚die Ausscheidensentscheidungen vom 26.08.2019 hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX für nichtig zu erklären‘ wird abgewiesen.

II. beschlossen:

Der Antrag ‚die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll (von der Auftraggeberin fälschlich als ‚Zuschlagsentscheidung‘ bezeichnet), vom 26.8.2019 hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX für nichtig zu erklären‘ wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. und II. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.“

7.       Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde von der Antragstellerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

8.       Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23.06.2020, E 706-707/2020-11, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes aufgehoben.

9.       Mit dem nunmehr verfahrensgegenständlichen Schriftsatz vom 31.07.2020 beantragte die Antragstellerin Folgendes:

„Anträge,

7.1 das Nachprüfungsverfahren zu GZ W120 2223146-2 gemäß § 353 Abs 4 Z 1 BVergG als Feststellungsverfahren weiterzuführen;

7.2 gemäß § 353 Abs 1 Z 1 BVergG festzustellen, dass der Zuschlag hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde bzw dass die Rahmenvereinbarung hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung mit dem Unternehmer, der das technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot abgegeben hat, abgeschlossen wurde;

7.3 die Angebote der Antragstellerin und alle Teile des Vergabeaktes, die sich auf die Angebote der Antragstellerin beziehen von der Akteneinsicht durch die Rahmenvereinbarungspartnerin auszunehmen, da diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin beinhalten;

7.4 die Beilagen ./1, ./6, ./7, ./8 und ./9 sowie die vertrauliche Fassung des Feststellungsantrages wegen des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von der Akteneinsicht auszunehmen und der Auftraggeberin aufzutragen, der Antragstellerin die entrichteten Pauschalgebühren für diesen Feststellungsantrag binnen 14 Tagen zu Händen ihres Rechtsvertreters bei sonstiger Exekution zu bezahlen.“

Begründend führte die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes aus:

9.1.    Wie bereits im Nachprüfungsantrag legte die Antragstellerin in ihrem Antrag vom 31.07.2020 in der geschwärzten Fassung dar, aus welchen Gründen diese davon ausgehe, dass die von der Auftraggeberin geltend gemachten Ausscheidensgründe allesamt nicht vorliegen würden. Schon aus formaler Sicht sei das Vorgehen der Auftraggeberin rechtswidrig und habe daher zur Feststellung zu führen, dass der Zuschlag hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei bzw. dass die Rahmenvereinbarung nicht mit dem Unternehmer, der das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben habe, abgeschlossen worden sei, zu führen. Die Angebote der Antragstellerin würden aber selbstverständlich auch inhaltlich den Ausschreibungsbedingungen entsprechen; insbesondere würden die von der Antragstellerin angebotenen Produkte den nationalen Anwendungsbestimmungen sowie den Normen der Reihe ÖNORM EN 1317 entsprechen.

Die technische Leistungsfähigkeit der Antragstellerin sei daher gegeben. Dies bewirke die Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidungen sowie der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX , da die Antragstellerin in diesen Losen jeweils das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot gelegt habe. Da die Angebote der Antragstellerin nicht auszuscheiden seien, wäre die Rahmenvereinbarung selbstverständlich mit ihr abzuschließen gewesen.

Zunächst führte die Antragstellerin begründend aus, aus welchem Grund die Prüfung der CE-Kennzeichnung der von der Antragstellerin angebotenen Produkte durch die Auftraggeberin unzulässig sei, die Festlegungen der Auftraggeberin dem Unionsrecht widersprechen würden und die Prüfung von Gutachten notifizierter Prüfstellen durch die Auftraggeberin unzulässig sei.

9.2.    Ferner legte die Antragstellerin hinsichtlich der sechs Ausscheidensgründe, und zwar,

1)       Prüfbericht Anfahrversuch TB51 – fehlerhafte Aufstelllänge,

2)       Prüfbericht Anfahrversuch TB51 – fehlerhafte Fahrzeugbreite,

3)       Anfahrversuch TB51 – Lage des Anprallpunktes,

4)       Anfahrversuch TB51 – Fahrzeugeindringung VIm, Wirkungsbereich Wm und Dynamische Durchbiegung Dm,

5)       Modifikation ohne normgerechten Nachweis sowie

6)       Unterfahrschutz bei Verziehung der Leitschiene,

dar, warum diese Ausscheidensgründe aus ihrer Sicht nicht vorliegen würden.

9.3.    Betreffend den Unterfahrschutz führte die Antragstellerin Folgendes aus:

Die Auftraggeberin werfe der Antragstellerin in diesem Punkt vor, dass „in den vom Bieter nachgereichten Unterlagen [...] keine Angaben […] vorhanden“ gewesen seien. Korrespondierend dazu behaupte die Auftraggeberin, dass die Antragstellerin am 21.05.2019 aufgefordert worden sei, „sämtliche Dokumente vorzulegen, die der Bestätigung der notifizierten Prüfstelle für die Bewertung der Fahrzeugrückhaltesysteme zugrunde gelegen sind“. Dieses Vorbringen sei unrichtig:

Tatsächlich habe die Auftraggeberin unter Punkt 1. ihrer „Aufforderung zur 5. Aufklärung“ vom 21.05.2019 bestimmte Unterlagen nachgefordert, die sie in einer taxativen „bullet point-Liste“ aufgezählt habe. Alle dort angeführten Unterlagen habe die Antragstellerin auch fristgerecht mit ihrem Antwortschreiben vom 24.05.2019 übermittelt.

Hätte die Auftraggeberin speziell zu den drei Aufzahlungspositionen (Positionen 430119D, 430119E und 430119F) bestimmte Unterlagen haben wollen, so hätte sie dies klar und verständlich fordern müssen. In diesem Fall hätte die Antragstellerin auch die entsprechenden Unterlagen vorgelegt bzw. vorlegen können. Der behauptete Ausscheidensgrund liege daher ebenfalls nicht vor.

Die Auftraggeberin werfe der Antragstellerin in den Ausscheidensentscheidungen abschließend vor, dass „Ihre Aufklärung keine nachvollziehbare Begründung enthielt“ und die Antragstellerin daher gemäß § 141 Abs 2 BVergG 2018 auszuscheiden gewesen sei. Das sei unrichtig:

Die Antragstellerin habe sämtliche Fragen – soweit verständlich bzw. so wie sie ein redlicher Erklärungsempfänger verstehen müsse – vollumfänglich beantwortet. Im Übrigen könne dieser Ausscheidensgrund auch nicht nach freier Wahl eines Auftraggebers ausgeübt werden, sondern unterliege einem „gebundenen Ermessen“. Auch dieses spreche im gegenständlichen Fall klar gegen diesen Ausscheidensgrund.

Letztlich festzuhalten sei, dass die Angebote der mitbeteiligten Partei selbst bei Ausscheiden der Antragstellerin aufgrund der überhöhten Preise für den Zuschlag/den Abschluss der Rahmenvereinbarung nicht in Betracht gekommen wären (die Preise würden teils deutlich über der Auftragswertschätzung der Auftraggeberin liegen). Daher hätte die Auftraggeberin – bei Ausscheiden der Antragstellerin – gemäß ihren eigenen Festlegungen das Verfahren widerrufen müssen und hätte nicht bei den Angeboten der mitbeteiligten Partei „zuschlagen“ dürfen.

Ganz allgemein sei aus Sicht der Antragstellerin äußerst zweifelhaft, ob hinsichtlich der mitbeteiligten Partei eine ordnungsgemäße Angebotsprüfung durchgeführt worden sei.

Die von der Auftraggeberin herangezogenen Ausscheidensgründe hinsichtlich der Angebote der Antragstellerin würden nicht vorliegen. Dies habe zur Folge, dass die von der Auftraggeberin getroffenen Ausscheidensentscheidungen hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX rechtswidrig seien. Da die Antragstellerin zu den Losen XXXX bis XXXX jeweils das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot gelegt habe, wäre somit die Rahmenvereinbarung in diesen Losen mit der Antragstellerin und nicht mit der mitbeteiligten Partei abzuschließen gewesen. Damit stehe aber fest, dass der Zuschlag hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens sowie unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei bzw. die Rahmenvereinbarung hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX nicht mit dem Unternehmer, der das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot gelegt habe, abgeschlossen worden sei.

10.      Mit Schreiben vom 14.08.2020 gab die Auftraggeberin eine Stellungnahme ab und führte darin wie folgt aus:

10.1.   Die Antragstellerin bringe im Wesentlichen vor, dass sie durch den vermeintlich rechtswidrigen Abschluss der Rahmenvereinbarung zwischen Auftraggeberin und der mitbeteiligten Partei wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens bzw. der hierzu ergangenen Verordnungen und unmittelbar anwendbares Unionsrecht in ihren Rechten verletzt worden sei.

Dies sei allerdings unzutreffend, da die von der Antragstellerin in ihrem Feststellungantrag angeführten Beschwerdepunkte alle nicht vorliegen würden. Die Auftraggeberin sei aus mehreren Gründen verpflichtet, die Angebote der Antragstellerin in den Losen XXXX bis XXXX auszuscheiden und in der Folge mit dem nächstgereihten Unternehmen die Rahmenvereinbarung abzuschließen.

Die Auftraggeberin erstattete zu jedem Ausscheidungsgrund ein entsprechendes Vorbringen, welches zum Großteil dem Bundesverwaltungsgericht in geschwärzter Form übermittelt wurde.

10.2.   Zum Angebot der mitbeteiligten Partei führte die Auftraggeberin zusammengefasst Folgendes aus:

Die Auftraggeberin habe selbstverständlich auch die Angebote der mitbeteiligten Partei einer Angebotsprüfung unterzogen. Im Rahmen der Preisprüfung seien keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die Angebote der mitbeteiligten Partei überhöht bzw. betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbar seien.

Im Übrigen normiere die diesem Feststellungsverfahren zugrundeliegende Ausschreibung in den Ausschreibungsbestimmungen (Teil L.1) im Punkt 1.2.9 lediglich eine Berechtigung der Auftraggeberin, das Vergabeverfahren aus jedem sachlichen Grund – insbesondere bei Änderung des Bedarfs, Wegfall der budgetären Bedeckung oder im Fall überhöhter Angebotspreise – zu widerrufen. Abgesehen davon, dass gegenständlich keiner dieser genannten Fälle vorgelegen sei, wäre die Auftraggeberin selbst bei Vorliegen eines dieser Gründe nicht per se zum Widerruf des Verfahrens verpflichtet gewesen. Auch die in § 149 Abs 1 BVergG 2018 genannten Gründe für einen verpflichtenden Widerruf würden im zugrundeliegenden Vergabeverfahren nicht vorliegen.

Es bestehe daher keine Veranlassung bzw. auch kein Recht der Auftraggeberin, das dem Feststellungsantrag zugrundeliegende Vergabeverfahren zu widerrufen. Somit hätte aber nicht einmal die theoretische Möglichkeit für die zu Recht ausgeschiedene Antragstellerin bestanden, sich erneut um die dem Feststellungsverfahren zugrundeliegenden Aufträge zu bewerben.

10.3.   Aus diesem Grund stelle die Auftraggeberin daher die Anträge,

„das Bundesverwaltungsgericht möge

1. jene Teile der vorgelegten Unterlagen, welche nicht die Antragstellerin betreffen, von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin ausnehmen, da die Dokumente vertraulichen Charakter haben und deren Preisgabe eine Verletzung der Geheimhaltungsverpflichtung des Auftraggebers bzw der übrigen Bieter iSd § 27 Abs 1 BVergG 2018 darstellen würde (§ 337 BVergG 2018),

2. eine mündliche Verhandlung durchführen,

3. den Antrag der Antragstellerin auf Feststellung, dass der Zuschlag hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde bzw. dass die Rahmenvereinbarung hinsichtlich der Lose XXXX bis XXXX wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung mit dem Unternehmer, der das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat, abgeschlossen wurde, zurück- in eventu abweisen,

4. gemäß § 353 Abs 1 BVergG 2018 feststellen, dass die Antragstellerin auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf den Abschluss der Rahmenvereinbarung in den Losen XXXX bis XXXX gehabt hätte

5. die Beilage ./1 sowie die vertrauliche Fassung der Stellungnahme wegen des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von der Akteneinsicht ausnehmen

sowie

6. den Antrag auf Verpflichtung der Auftraggeberin zur Erstattung der von der Antragstellerin entrichteten Pauschalgebühr zurück- in eventu abweisen.“

11.      Mit Schreiben vom selben Tag übermittelte die mitbeteiligte Partei dem Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme, in welcher zusammengefasst Folgendes ausgeführt wurde:

11.1.   Die Antragstellerin bemängle zusammengefasst, dass die Auftraggeberin zu Unrecht eine umfassende Angebotsprüfung durchgeführt habe, weil – nach den Behauptungen der Antragstellerin – die Antragstellerin ohnehin den Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit mittels Testberichten einer notifizierten Prüfstelle geführt habe.

Nach Ansicht der Antragstellerin habe die Auftraggeberin ihr „Prüfpouvoir" überschritten und das Ausscheiden sei daher rechtswidrig erfolgt.

Im Ergebnis habe die Antragstellerin sohin Testberichte vorgelegt, die eindeutig nicht den geforderten Nachweiswert hätten, sodass das Ausscheiden der Angebote der Antragstellerin

„gemäß § 141 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 mangels Eignung, konkret

- mangels technischer Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Entsprechung des/der angebotenen Systems/Systeme mit den Ausschreibungsbedingungen und den nationalen Anwendungsbestimmungen, und

- mangels beruflicher Zuverlässigkeit wegen Nicht-Vorlage bzw Nicht-Vervollständigung bzw Nicht-Erläuterung der Eignungsnachweis bzw von Auskünften betreffend die Eignung gemäß § 78 Abs 1 Z 10 2. und 3. Fall BVergG 2018, und

gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 wegen Legung eines den Ausschreibungsbedingungen widersprechenden bzw fehlerhaften bzw unvollständigen Angebotes, sowie

gemäß § 141 Abs 2 BVergG 2018 mangels fristgerechter Erstattung von nachvollziehbaren Aufklärungen“

zu Recht erfolgt sei.

Auch aus den nachfolgenden – von der Auftraggeberin offenbar (noch) nicht ins Treffen geführten Gründen – sei das Ausscheiden der Antragstellerin vergaberechtskonform erfolgt.

11.2.   Zum fehlenden Unterfahrschutz am Testfahrzeug führte die mitbeteiligte Partei insbesondere Folgendes aus:

In der ÖNORM EN 1317-1 (Ausgabe: 2010-10-01) würden die allgemeinen Kriterien für Prüfverfahren betreffend Fahrzeugrückhaltesysteme definiert werden. In Punkt 5.2.1 dieser Norm würden ua folgende Vorgaben an die bei der Überprüfung herangezogenen Prüffahrzeuge festgelegt werden:

„Die für die Prüfungen zu verwendenden Fahrzeuge müssen Modelle aus der Produktion und — bei Fahrzeugen bis einschließlich 1 500 kg – für den aktuellen Verkehr in Europa gängige Modelle sein. Die Eigenschaften und Maße aller für die Anprallprüfungen nach diesem Teil der Europäischen Norm eingesetzten Fahrzeuge müssen den in Tabelle 1 angegebenen Festlegungen für Fahrzeuge entsprechen.

Die Reifen sind auf den jeweils vom Hersteller empfohlenen Druck aufzupumpen. Der Zustand des Fahrzeugs muss bezüglich Reifen, Aufhängung, Radstand und Aufbau die Anforderungen an die Verkehrszulassung erfüllen. Es dürfen keine Reparaturen oder Veränderungen, einschließlich Verstärkungen, vorgenommen werden, die die allgemeinen Eigenschaften des Fahrzeugs ändern oder dessen Zulassung aufheben würden. […]“

Bei LKWs würden ua der Unterfahrschutz zu einem zulassungsrelevanten Bauteil, wie sich ua aus § 1f Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967 eindeutig ergebe, zählen:

㤠1f. Vorrichtungen zur Verhinderung des Unterfahrens des Fahrzeuges durch andere Kraftfahrzeuge

(1) Die unteren Kanten von Aufbau- oder Rahmenteilen oder von Stoßstangen dürfen bei im § 4 Abs. 2a KFG 1967 angeführten Fahrzeugen - außer Fahrzeugen, bei denen ein Unterfahrschutz mit dem Verwendungszweck des Fahrzeuges unvereinbar ist, wie bei Feuerwehrfahrzeugen (§ 2 Z 28 KFG 1967) -, bei unbeladenem oder unbesetztem Fahrzeug nicht mehr als 55 cm über der Fahrbahn und nicht mehr als 45 cm innerhalb der Fahrzeuglänge vom hintersten Punkt des Fahrzeuges entfernt sein. Diese Aufbau- oder Rahmenteile oder Stoßstangen dürfen, senkrecht zur Längsmittelebene des Fahrzeuges gemessen, die größte Breite der breitesten Fahrzeughinterachse nicht überragen und nicht mehr als 10 cm vom äußersten Rand dieser Achse entfernt sein; bei Fahrzeugen mit seitlich kippbarer Ladefläche darf jedoch der Abstand dieser Aufbau- oder Rahmenteile oder Stoßstangen von der größten Breite der breitesten Fahrzeughinterachse des Fahrzeuges in dem durch das Kippen der Ladefläche erforderlichen Ausmaß 10 cm übersteigen. Stoßstangen, Aufbau- oder Rahmenteile, ihre Befestigung am Fahrzeug und die Teile des Fahrzeuges, an denen sie befestigt sind, müssen eine ausreichende Festigkeit gegen in der Fahrzeuglängsrichtung wirkende Kräfte haben.

(1a) Der hintere Unterfahrschutz von Fahrzeugen der Klasse M, N und O muss den Anforderungen des Anhanges II der Richtlinie 70/221/EWG, ABI. Nr. L 076 vom 6. April 1970, in der Fassung der Richtlinie 2006/20/EG, ABI. Nr. L 48 vom 18. Feber 2006, S 16, entsprechen.

(1b) Fahrzeuge der Klassen N2 und N3 ausgenommen geländegängige Fahrzeuge und Fahrzeuge deren Verwendungszweck mit den Bestimmungen für den vorderen Unterfahrschutz nicht vereinbar ist, müssen mit einem vorderen Unterfahrschutz ausgerüstet sein. Der vordere Unterfahrschutz kann entweder durch eine besondere Einrichtung oder durch Karosserieteile, Fahrgestellteile oder andere Bauteile, bei denen auf Grund ihrer Form und ihrer Eigenschaften davon ausgegangen werden kann, dass sie die Funktion der Einrichtung für den vorderen Unterfahrschutz erfüllen, gebildet werden und muss der Richtlinie 2000/40/EG, ABI. Nr. L 203 vom 10. August 2000, S 9 oder der ECE-Regelung Nr. 93, entsprechen.

(2) Kraftwagen und Anhänger, einschließlich Sattelanhänger, mit einem Höchstgewicht von mehr als 3 500 kg müssen mit einem seitlichen Unterfahrschutz (Seitenschutz) ausgerüstet sein. Der Seitenschutz muss dem Anhang zur Richtlinie 89/297/EWG entsprechen.

[…]“

11.3.   Aus den vorliegenden Feststellungsanträgen gehe hervor, dass sich die Antragstellerin zum Nachweis der Entsprechung des/der angebotenen Systems/Systeme mit den nationalen Anwendungsbestimmungen ausschließlich auf entsprechende Überprüfungen der XXXX berufe.

Tatsache sei aber, dass XXXX bei der Überprüfung von Fahrzeugrückhaltesystemen Fahrzeuge ohne Unterfahrschutz heranziehe.

Dies sei eindeutig aus diversem Werbematerial und auch auf den im Internet verfügbaren Videos der von XXXX durchgeführten Anprallversuche ersichtlich (siehe XXXX ).

Dies habe massiven Einfluss auf die erzielten Leistungsparameter bei den jeweiligen Anprallprüfungen (TB42, TB61, TB81), da sich normalerweise der relativ massive Unterfahrschutz im Leitschienensystem verhake und dadurch das Fahrzeugverhalten stark beeinflusse. Zudem sei ohne Unterfahrschutz am Fahrzeug ein deutlich geringerer Wirkungsbereich zu erwarten als mit Unterfahrschutz, da der Unterfahrschutz beim Heckanschlag des Fahrzeuges das Fahrzeugrückhaltesystem weiter nach hinten drücke. Auch die Gefahr des Lösens von Bauteilen des Fahrzeugrückhaltesystems sei bei Vorhandensein des vorgeschriebenen Unterfahrschutzes deutlich größer.

Aufgrund der Marktkenntnis der mitbeteiligten Partei in Zusammenschau mit den Ausschreibungsbedingungen stehe fest, dass die Antragstellerin jedenfalls ein System aus ihrem Produktportfolio angeboten habe, das nicht den genannten Vorgaben der Ausschreibung entspreche:

In Position 430120B der Leistungsverzeichnisse werde das Liefern und Versetzen eines Fahrzeugrückhaltesystems mit Leitschienen aus Stahl, beidseitig wirkend, Aufhaltestufe H3, Anprallheftigkeitsstufe A, Klasse des Wirkungsbereiches W5 verlangt.

Nach Marktkenntnis der mitbeteiligten Partei käme aus dem Produktportfolio der Antragstellerin für die vorgenannten Parameter – wenn überhaupt – nur das System „ XXXX " in Frage. Die mitbeteiligte Partei gehe daher davon aus, dass die Antragstellerin in der Position 430120B das System „ XXXX “ ihrem Angebot zu Grunde gelegt habe.

Das im Internet abrufbare Zertifikat der Leistungsbeständigkeit zu diesem System (abrufbar unter XXXX ), welches die Grundlage für die CE-Kennzeichnung dieses Systems „ XXXX “ bilde, weise als Testnummer „ XXXX “ auf. Damit werde auf den konkreten Test, welcher dem Zertifikat der Leistungsbeständigkeit zugrunde liege, referenziert.

Wie im genannten Video ersichtlich sei, trage das Prüffahrzeug im Video genau diese Testnummer. Der im Video ersichtliche Test entspreche nicht den Vorgaben gemäß ÖNORM EN 1317-1 (Ausgabe: 2010-10-01), weil das Prüffahrzeug keinen Unterfahrschutz aufweise.

Damit sei erwiesen, dass die Antragstellerin ein System („ XXXX “) angeboten habe, dass nicht den Ausschreibungsbedingungen insbesondere nicht den nationalen Anwendungsbestimmungen und den sich daraus ergebenden Vorgaben für Prüfverfahren betreffend Fahrzeugrückhaltesysteme nach der ÖNORM EN 1317-1 (Ausgabe: 2010-10-01), entspreche.

Die Antragstellerin habe somit keinesfalls den Nachweis der Entsprechung des/der angebotenen Systems/Systeme mit den nationalen Anwendungsbestimmungen erbringen können.

Etwaige zu Überprüfungen des/der von der Antragstellerin angebotenen Systems/Systeme vorgelegten Prüfberichte, Unterlagen etc. von XXXX seien daher auch aus diesen Gründen von Vornherein zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit gemäß den genannten Vorgaben untauglich, weil diese Prüfberichte, Unterlagen etc. von XXXX auf nicht normgerechten Prüfverfahren beruhen würden, insbesondere weil nicht normkonforme Prüffahrzeuge ohne Unterfahrschutz von XXXX eingesetzt werden würden.

Auch aus diesen Gründen sei das Ausscheiden der Antragstellerin zu Recht erfolgt.

11.4.   Die mitbeteiligte Partei stelle daher folgende Anträge:

„Die Rahmenvereinbarungspartnerin beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

1. der Rahmenvereinbarungspartnerin sämtliche Schriftsätze der Antragstellerin und der Auftraggeberin sowie allfälliger weiterer Parteien des Nachprüfungsverfahrens übermitteln;

2. von einer von der Antragstellerin allenfalls begehrten Akteneinsicht den Teilnahmeantrag der Rahmenvereinbarungspartnerin, das Angebot der Rahmenvereinbarungspartnerin, sämtliche sich auf das Angebot der Rahmenvereinbarungspartnerin sowie auf die mit der Rahmenvereinbarungspartnerin abgeschlossene Rahmenvereinbarung beziehenden Aktenbestandteile der Auftraggeberin gemäß § 337 BVergG 2018 bzw § 17 Abs 3 AVG ausnehmen; und

4. die Feststellungsanträge der Antragstellerin zurück-, bzw abweisen.“

12.      In ihrer Stellungnahme vom 01.09.2020 führte die Antragstellerin in der geschwärzten Variante in Bezug auf den Ausscheidensgrund in Zusammenhang mit dem Unterfahrschutz bei Verziehung der Leitschiene im Bereich der Entwässerungsgraben im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Behauptung der Auftraggeberin, dass für die Positionen 430119D, 430119E und 430119F die Anbringung eines Unterfahrschutzes bei Verziehung der Leitschiene im Bereich von Entwässerungsgräben vom Leistungsbild umfasst gewesen sei, finde in den Ausschreibungsunterlagen keine Deckung. Im Leistungsverzeichnis finde sich das Wort „Unterfahrschutz“ nicht. Der Text der Position 430119D laute (in den relevanten Teilen identisch auch die Texte der Positionen 430119E und 430119F) wie folgt:

„Az FRS LSStahl, eins., H1, B, W5, gerammt Verzug Graben

Aufzahlung auf Positionen Fahrzeugrückhaltesystem H1, B, W5 mit Leitschienen aus Stahl, einseitig wirkend, für die Herstellung einer Anfangs- bzw. Endkonstruktionen bei Entwässerungsgräben.

Die genauen Angaben zur Ausführung sind dem Planungshandbuch der Asfinag (siehe Typenblatt für Verziehungen Leitschiene Plannr. l012_TB_1a_04) zu entnehmen.

Verrechnet wird ein Stück je Anfangs- oder Endkonstruktion.“

Auszupreisen gewesen sei daher die Ausführung einer Verziehung bzw. eines Verzugs der Leitschienen mit anschließender Anfangs- und Endkonstruktion. Welche Verziehung bzw. Anfangs- und/oder Endkonstruktion konkret die Auftraggeberin hier verlange (es gebe unterschiedliche Lösungen bzw. Produkte), werde im Leistungsverzeichnis nicht festgelegt.

In den genannten Positionen werde hinsichtlich der „Angaben zur Ausführung" lediglich auf das Planungshandbuch der Auftraggeberin und das Typenblatt „Verziehungen Leitschiene 1:8 über Entwässerungsgräben gem. ASFINAG Vorgabe Plannr. I012_TB_1a_04“ („Typenblatt“) verwiesen. Weder das Planungshandbuch noch das Typenblatt seien den Ausschreibungsunterlagen beigefügt gewesen.

Unterschiedliche Planungshandbücher seien zwar grundsätzlich auf der Webseite der Auftraggeberin abrufbar, jedoch würden sich hier mehrere Kategorien (Straße, Brücke, Tunnel etc.) mit den jeweils dazugehörigen Planungshandbüchern finden. Unklar sei daher bereits, welches dieser Planungshandbücher die Auftraggeberin bei den genannten Positionen mit „dem Planungshandbuch" konkret gemeint habe.

Der von der Auftraggeberin erwähnte Verweis auf die Planungshandbücher in Punkt 3.2.1.1 der Leistungsbeschreibung führe im Übrigen keineswegs dazu, dass diesen eine rechtliche Relevanz zukomme. In diesem Punkt werde lediglich die Rangordnung der technischen Vertragsbestimmungen festgelegt. Die rechtliche Relevanz der technischen Vertragsbestimmungen sei jedoch nicht geregelt worden. In Punkt 3.2 der Leistungsbeschreibung finde sich ausschließlich die Festlegung, dass Fachnormen, Vorschreibungen und Richtlinien, Anleitungen, Merkblätter und dergleichen als technische Vertragsbestimmungen gelten würden. Welche rechtliche Relevanz diese Bestimmungen für das Vergabeverfahren und die Angebotserstellung entfalten sollten, bleibe offen. Im Übrigen werde auch in Punkt 3.2.1.1 der Leistungsbeschreibung nur allgemein auf die Planungshandbücher verwiesen und nicht auf ein konkretes, für die Ausschreibung einschlägiges Planungshandbuch.

In dem aktuell auf der Webseite der Auftraggeberin abrufbaren Planungshandbuch „Straße“ vom 15.08.2020 finde sich das Typenblatt hingegen nicht mehr. Auch das Wort „Unterfahrschutz“ finde sich in den Planungshandbüchern nicht.

Im Planungshandbuch „Straße“ finde sich lediglich der Hinweis, dass bei Verziehungen von Stahlleitschienen darauf zu achten sei, dass „keine Unterfahrungsmöglichkeit im Bereich des Entwässerungsgrabens gegeben ist, z.B. durch Anschüttungen von grobem Schotter oder Ausführungen eines überschütteten, ausreichend dimensionierten Rohrs, dessen Beginn der Oberkannte des Entwässerungsgrabens angepasst ist."

Die Auftraggeberin habe in den Ausschreibungsunterlagen im Übrigen weder auf ein bestimmtes Planungshandbuch noch auf eine bestimmte Fassung bzw. eine bestimmte Version verwiesen. Dies bedeute aber, dass ein dynamischer Verweis vorliege und für die Leistungsausführung die aktuelle Fassung gelte, welche jedenfalls keinen Unterfahrschutz vorsehe. Es sei daher davon auszugehen, dass die Auftraggeberin die Aufzahlungsposition gar nicht mehr abrufen werde bzw. zumindest keinen Unterfahrschutz mehr abrufen werde (bzw. von einer entsprechenden Vorgabe absehen werde).

Das von der Auftraggeberin vorgelegte Typenblatt enthalte in Ergänzung zu einer einfachen Zeichnung ua folgende Ausführungen:

„Verziehung 1:8 über Entwässerungsgraben mit Unterfahrschutz gem. ASFINAG Vorgabe Länge laut Studie VSI und örtlicher Aufnahme.

Anmerkung: Steher in der Entwässerungsmulde entfallen – Aufteilung so, dass nur ein Steher entfällt. Ansonsten wird eine Betonleitwand oder eine Anfangs- bzw. Endkonstruktion versetzt."

Lediglich an dieser versteckten Stelle finde sich das Wort Unterfahrschutz. Aus den zitierten Ausführungen im Typenblatt würden sich überdies eine Reihe von Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten ergeben.

Eine entsprechende „ASFINAG Vorgabe" ob und wenn ja, wie ein Unterfahrschutz auszuführen sei, könne den Ausschreibungsunterlagen nicht entnommen werden. Es bleibe daher unklar, worin diese Vorgabe bestehe. Die Antragstellerin sei insbesondere keinerlei Information zur Ausführung des Unterfahrschutzes schuldig geblieben. Die Auftraggeberin habe dazu schlicht keine Informationen oder Ausarbeitungen abgefragt.

Unklar sei weiters die Länge der Verziehung. Diese solle sich offenbar aus der Studie VSI und „örtlicher Aufnahme" ergeben. Die Studie VSI sei jedoch nicht öffentlich zugänglich und diese sei den Ausschreibungsunterlagen auch nicht beigelegt worden. Im Sinne des § 89 BVergG 2018 bilde diese Studie somit keinen Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen und könne daher keine Grundlage für die Angebotserstellung bilden. Zudem könne die Länge der Verziehung und damit auch die Anzahl der Steher erst nach Kenntnis der Örtlichkeit bestimmt werden.

Widersprüchlich seien die Angaben zur Anzahl der Steher. So sei in der Skizze selbst sowie auch in der Anmerkung angeführt, dass Steher im Graben bzw. in der Entwässerungsmulde entfallen würden. Da diese Ausführungen im Plural gehalten seien, sei zunächst anzunehmen, dass sämtliche Steher in diesen Bereichen entfallen sollen. Der angefügte Halbsatz „Aufteilung so, dass nur ein Steher entfällt“ stehe dazu hingegen in klarem Widerspruch. Der Regelungsinhalt sei daher wiederum unklar.

Unklar sei in diesem Zusammenhang überdies, was die Auftraggeberin mit „Ansonsten wird eine Betonleitwand oder eine Anfangs- bzw. Endkonstruktion versetzt“ meine. Es sei anzunehmen, dass den Bietern hier ein Wahlrecht zukomme. Entweder es würden alle Steher im Graben bzw. der Entwässerungsmulde entfallen oder es entfalle nur ein Steher oder es werde eine Betonleitwand versetzt oder eine Anfangs- bzw. Endkonstruktion werde versetzt.

Unklar sei ferner, für welchen konkreten Bereich ein Unterfahrschutz zur Ausführung gelangen müsse, da dieser am linken Rand des Typenblattes nur noch strichliert eingezeichnet sei.

Diese für eine Kalkulation vollkommen unzureichenden (weil unklaren und widersprüchlichen) Festlegungen könnten nach der Rechtsprechung aber nicht zum Nachteil der Antragstellerin gereichen, sondern würden jedenfalls zu Lasten der Auftraggeberin gehen. Darüber hinaus sei nach herrschender Rechtsprechung davon auszugehen, dass sich die Auftraggeberin aufgrund der Verwendung undeutlicher Formulierungen auch mit einer weiten Auslegung ihrer undeutlichen Festlegungen einverstanden erkläre.

Die Auftraggeberin habe sich in Bezug auf einen Unterfahrschutz somit (über mehrere nicht eindeutige Verweise) schlicht vorbehalten, gegebenenfalls eine Ausführung mit Unterfahrschutz vorzugeben bzw. zu verlangen (oder aber eben vorzugeben, dass trotz Grabens kein Unterfahrschutz auszuführen sei). Welches System die Bieter in den genannten Positionen anbieten würden (eines mit Unterfahrschutz oder eines ohne Unterfahrschutz), sei daher grundsätzlich diesen überlassen. Dieses Vorgehen der Auftraggeberin sei mit den Grundsätzen des Vergabeverfahrens jedoch nicht in Einklang zu bringen und verstoße insbesondere gegen das Transparenzgebot.

Unabhängig von den unklaren und widersprüchlichen Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen habe die Antragstellerin die betreffenden Positionen aber so kalkuliert und angeboten, dass auch die Ausführung eines Unterfahrschutzes gedeckt sei.

In diesem Sinn habe die Antragstellerin auch ihre Aufklärung vom 16.05.2019 erstattet. Dem Vorwurf der Auftraggeberin, dass keine Angaben zur Ausführungsweise der Aufrüstung eines Unterfahrschutzes gemacht worden seien, sei zu entgegnen, dass dies schlicht nicht gefordert gewesen sei. Der vollkommen unklaren und unspezifischen Fragestellung der Auftraggeberin sei keine derartige Pflicht zu entnehmen. Hätte die Auftraggeberin hier spezifische Angaben oder Unterlagen zu einzelnen Leistungspositionen bzw. den gegenständlichen Ausführungsvarianten von bloßen Aufzahlungspositionen gewünscht, so hätte sie dies entsprechend klar und präzise anfordern müssen. Es sei somit nicht die Aufklärung der Antragstellerin rudimentär und unvollständig, sondern vielmehr die Angebotsprüfung der Auftraggeberin.

Im Übrigen sei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die von der Auftraggeberin erwähnte unzulässige Prüfung der Systeme ausschließlich durch eine notifizierte Prüfstelle erfolgen hätte dürfen. Keinesfalls hätte die Auftraggeberin eine solche Prüfung selbst vornehmen dürfen.

Richtig sei lediglich, dass die von der Antragstellerin angebotenen Systeme standardmäßig über keinen Unterfahrschutz verfügen würden. Diese seien laut den Ausschreibungsunterlagen nicht im Angebot darzustellen gewesen (es finde sich keine Festlegung, die Ausführungen dazu im Angebot verlangen würden).

Die Kalkulation der Antragstellerin sei entgegen den Behauptungen der Auftraggeberin daher sehr wohl nachvollziehbar und plausibel. Vielmehr seien die Ausführungen und Berechnungen der Auftraggeberin unplausibel und von den Ausschreibungsunterlagen nicht gedeckt. Ein Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin sei bereits aufgrund der unklaren Kalkulationsgrundlagen nicht gerechtfertigt und die Ausscheidensentscheidungen seien damit jedenfalls rechtswidrig.

Gefordert werden könne die Anbringung eines Unterfahrschutzes entsprechend den Festlegungen in den Leistungspositionen 430119D, 430119E und 430119F – wenn überhaupt – jedenfalls nur für den Bereich der Entwässerungsgräben (und nicht darüber hinaus). Dementsprechend beziehe sich auch die Aufklärung der Antragstellerin nur auf diesen Bereich. Es würden somit die Systempfosten im Bereich der Entwässerungsgräben entfallen und könne – wenn überhaupt – nur für diesen Bereich ein Unterfahrschutz anzubringen sein.

Die Behauptung der Auftraggeberin, wonach die Materialkosten nicht ausgewiesen worden seien, sei daher vollkommen haltlos. Auch mit dem Verweis auf die ÖNORM B2110 und B2061 sei für die Auftraggeberin nichts gewonnen. Wie bereits dargelegt, seien von der Antragstellerin sämtliche anfallenden Kosten kalkuliert und ausgewiesen worden. Es könne daher bereits aus diesem Grund kein Verstoß gegen die ÖNORMEN vorliegen (insbesondere seien die Kosten auch deshalb rechts- bzw. normkonform ausgewiesen, weil es sich bei den fraglichen Positionen um Aufzahlungspositionen zu den bezughabenden „Grundpositionen" handle). Darüber hinaus verweise die Auftraggeberin auf die ÖNORM B2061, die gemäß ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich Verfahren für die Preisermittlung von Bauleistungen festlege. Im gegenständlichen Vergabeverfahren sei jedoch eine Lieferleistung ausgeschrieben worden. Der Verweis auf diese nicht einschlägige und damit unanwendbare ÖNORM gehe somit ins Leere.

Das von der Auftraggeberin angestellte Rechenbeispiel sei fehlerhaft und nicht nachvollziehbar. Die Auftraggeberin treffe hier Annahmen, die von den Ausschreibungsunterlagen nicht gedeckt seien.

So werde an keiner Stelle gefordert, dass ein Unterfahrschutz aus einem zweiten Leitschienenband bestehen müsse. Dies sei auch von der Antragstellerin nicht behauptet worden. Darüber hinaus sei den Ausschreibungsunterlagen auch keine Mindestaufstelllänge für die gegenständlichen Positionen zu entnehmen. Das Rechenbeispiel widerspreche in diesem Punkt auch klar den Ausführungen der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2019, wonach keine Längenangaben vorgegeben worden seien. Die Aufstelllänge für den Unterfahrschutz bei Entwässerungsgräben sei wesentlich kürzer als die von der Auftraggeberin herangezogenen XXXX .

Im Übrigen betrage der Wert der streitgegenständlichen Aufzahlungspositionen weniger als XXXX % des Auftragswertes und eine allfällige Differenz wäre – wenn man unzutreffenderweise von einem Kalkulationsirrtum ausgehen würde – jedenfalls mit dem kalkulierten Wagnis und Gewinn abgedeckt.

Auch die Behauptung der Auftraggeberin, wonach es sich bei der Anbringung eines Unterfahrschutzes um eine maßgebliche Modifikation eines Systems der Kategorie C nach EN1317-5 handle, womit neue Anfahrprüfungen durchgeführt werden müssten, sei nicht haltbar.

Eine solche maßgebliche Modifikation der Kategorie C liege etwa vor, wenn eine Anfangs-/Endkonstruktion Änderungen an den absorbierenden Elementen unterzogen werde oder eine Anfangs-/Endkonstruktion Änderungen an den Seitenschutzpaneelen unterzogen werde oder eine Anfangs-/Endkonstruktion hinsichtlich der nachgebenden Verankerungen geändert werde. All dies liege gegenständlich bei einer Ausrüstung mit einem Unterfahrschutz nicht vor.

Die Anbringung eines Unterfahrschutzes sei daher jedenfalls zulässig und erfordere sohin weder eine (nochmalige) Prüfung des angebotenen Systems noch – mangels entsprechender Norm – eine Zertifizierung (wie insbesondere eine CE-Kennzeichnung).

Doch selbst bei einer Prüfung des Systems könnte wiederum keine Prüfung der Sondereinbausituation laut Typenblatt (Kombination aus den Vorgaben zum Einbau bzw. teilweisen Entfall der Pfosten, der Winkel sowie der 1:8 Verziehung in Kombination mit Entwässerungsgräben) vorgenommen werden. Dies aus den folgenden Gründen:

Unterfahrschutze würden unter die ONR CEN/TS 17342 fallen; dabei handle es sich aber um eine derzeit noch nicht harmonisierte Norm, weshalb eine CE-Kennzeichnung von Unterfahrschutzen derzeit noch gar nicht möglich sei. Der Unterfahrschutz der Antragstellerin sei aber dennoch nicht ungeprüft; vielmehr sei er unter dieser nicht harmonisierten Norm bereits getestet worden (mangels harmonisierter Norm könne es aber eben keine CE-Kennzeichnung geben).

Zudem würden „Anfangs- bzw. Endkonstruktionen" unter die FNV 1317-4 fallen; auch dabei handle es sich aber um eine noch nicht harmonisierte Norm (sondern eine bloße Vornorm), weshalb eine CE-Kennzeichnung unter dieser Norm derzeit noch gar nicht möglich sei.

Bei den von der Auftraggeberin im Typenblatt angegebenen Spezifikationen handle es sich zudem um eine seltene (und veraltete) Sondereinbausituation. Die Kombination aus den Vorgaben zum Einbau bzw. teilweisen Entfall der Pfosten, der Winkel sowie der 1:8 Verziehung in Kombination mit Entwässerungsgräben sei derart ungewöhnlich bzw. topografisch spezifisch, dass es ausgeschlossen sei, für diese Einbausituation eine CE-Kennzeichnung oder eine Modifikation zu erlangen (ua aufgrund der kurzen Strecke der Ausführung; bei einem derart kurzen Aufbau könne schlicht kein Anfahrversuch gemäß EN 1317 durchgeführt werden). Im Übrigen würde eine CE-Kennzeichnung auch ins Leere gehen, da die genauen Örtlichkeiten der Verziehung ja noch unbekannt seien – die entsprechenden Orte seien im Leistungsverzeichnis auch noch gar nicht angeführt (da sie auch offenkundig noch nicht feststehen würden). Eine CE-Kennzeichnung des jeweils zukünftig tatsächlich erforderlichen bzw. tatsächlich auszuführenden Systems sei daher gar nicht möglich; dies ergebe sich auch daraus, dass nur Streckensysteme zertifiziert (also mit einer CE-Kennzeichnung versehen) werden könnten.

Sollte die Auftraggeberin in den relevierten Aufzählungspositionen mit der Bezeichnung „Anfangs- bzw. Endkonstruktionen" allenfalls Terminals gemeint haben, so sei dazu festzuhalten, dass auch für diese keine CE-Kennzeichnung möglich sei (weder eines ursprünglichen noch eines modifizierten Systems). Da die erforderliche Länge derzeit noch unbekannt sei und alle Böschungen (bzw. Gräben) unterschiedlich seien, sei zu diesem Zeitpunkt eine Prüfung (durch ein Prüfinstitut) noch gar nicht möglich. Im Übrigen würden für Terminals mangels harmonisierter Norm auch noch gar keine CE-Kennzeichnungen existieren.

Die Antragstellerin weise außerdem darauf hin, dass auch die mitbeteiligte Partei nach den Informationen der Antragstellerin über kein Produkt verfüge, das genau auf Basis der Anforderungen der Positionen 430119D, 430119E und 430119F getestet bzw. zertifiziert sei. Auf Basis der Argumentation der Auftraggeberin wäre daher auch das Angebot der mitbeteiligten Partei zwingend auszuscheiden gewesen.

Eine CE-Kennzeichnung des Unterfahrschutzes bzw. des mit einem Unterfahrschutz ausgerüsteten Fahrzeugrückhaltesystems sei nicht vorgesehen und aus rechtlichen (und auch technischen) Gründen nicht möglich. Die Ausscheidensentscheidung sei daher auch aus diesem Grund rechtswidrig.

13.      In ihrer Stellungnahme vom 04.09.2020 legte die Auftraggeberin in der geschwärzten Variante in Bezug auf den Unterfahrschutz Folgendes dar:

Nicht nachvollziehbar sei für die Auftraggeberin, inwieweit die Festlegungen in den Aufzählungspositionen betreffend den Unterfahrschutz (430119D, 430119E und 430119F) für die Antragstellerin „widersprüchlich“ gewesen seien, insbesondere in Anbetracht dessen, dass deren gleichlautender Inhalt sich in einer Vielzahl von Ausschreibungen der Auftraggeberin wiedergefunden habe. Für alle (fachkundigen) Bieter sei stets klar hervorgekommen, dass seitliche Verziehungen von Leitschienen zu errichten seien, um ein Auffahren auf den Absenker sowie ein „Hinterfahren“ des Systems durch die Verkehrsteilnehmer zu vermeiden und, dass im Bereich von Entwässerungsgräben bei Verziehungen ein sogenannter „Unterfahrschutz“ zum Einsatz kommen müsse, um ein Unterfahren zu verhindern.

Es habe zu diesen Festlegungen im Leistungsverzeichnis weder in der Vergangenheit noch in der zugrundeliegenden Ausschreibung allfällige Bieteranfragen gegeben und auch die anderen Mitbieter hätten im zugrundeliegenden Verfahren in diesen Positionen ein System mit Unterfahrschutz kalkuliert.

Worin die Unklarheit bezüglich der Vorgaben konkret liegen sollten, sei der Auftraggeberin bis jetzt nicht klar. In den entsprechenden Leistungspositionen finde sich hinsichtlich der Aus-führungsweise ein konkreter Hinweis auf das einschlägige Planungshandbuch der Auftraggeberin sowie das Typenblatt, aus welchem eindeutig hervorgehe, dass bei Verziehungen der Leitschiene über Entwässerungsgräben zwingend ein Unterfahrschutz gemäß „ASFINAG-Vorgabe“ anzubringen sei. Gemäß der VSI-Studie, deren für Verziehungen wesentliche Aussagen sich im Typenblatt für Verziehungen wiederfinden würden, sei ein Verzugsverhältnis von maximal 1:8 ermittelt worden. Aus der Skizze komme ebenfalls klar hervor, dass dieses Element jedenfalls aus einem Absenker (Anfangs- bzw. Endkonstruktion) sowie einem Freilandsystem mit einem Unterfahrschutz in Form eines zweiten Leitschienenbandes bestehen müsse. Die Länge sei abhängig von der Mindestaufstelllänge des eingesetzten Systems, ebenso sei die Höhe systemabhängig. Gemäß Typenblatt bzw. Planungshandbuch dürfen Steher, welche sich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten im Bereich der Entwässerungsmulde befinden würden, entfallen; dafür müssten aber im Gegenzug davor und danach Steherverdichtungen durchgeführt werden, sodass maximal ein Steher entfalle.

Sei dies nicht möglich, weil zB die Mulde breiter sei, werde eine Betonleitwand in diesem Bereich eingesetzt. Die in der Skizze strichliert eingezeichnete Linie im linken Bereich des zweiten Leitschienenbandes resultiere aus den unterschiedlichen Mindestaufstelllängen der jeweils zum Einsatz kommenden Systeme.

Auch wenn sich im jetzigen Zeitpunkt (Stand: 15.08.2020) dieses Typenblatt nicht mehr auf der Webseite der Auftraggeberin finde, da die hier nicht relevanten Festlegungen zu Übergangskonstruktionen aktualisiert werden würden, ändere dies nichts daran, dass auf dessen Inhalt über viele Jahre hinweg (so auch bei der zugrunde liegenden Ausschreibung) hinsichtlich der Ausführung des Unterfahrschutzes im Bereich von Entwässerungsgräben Bezug genommen worden sei, ohne dass dies je von Bewerbern oder Bietern beanstandet worden sei.

Bei dem Angebot der Antragstellerin liege eine Modifikation im Bereich von Hauptlängselementen vor, sodass gemäß den Vorgaben der EN 1317-5 eine Modifikation der Kategorie C vorliege und sehr wohl ein Anfahrversuch hätte durchgeführt werden müssen.

Die von der Antragstellerin in ihrer Stellungnahme ins Treffen geführte technische Spezifikation ONR CEN/TS 17342 regle Rückhaltesysteme für Motorräder, die die Anprallheftigkeit an Schutzplanken für Motorradfahrer reduzieren würden. Derartige Systeme seien in den in Rede stehenden Aufzahlungspositionen aber nicht ausgeschrieben. Diese technische Spezifikation sei daher nicht relevant. Darüber hinaus sei diese ONR erst am 15.09.2019 publiziert worden, also rund fünf Monate nach dem Tag der Angebotsöffnung.

Im Übrigen würden sich auf der Einsatzfreigabeliste des BMK sehr wohl Systeme einer Mitbieterin mit Unterfahrschutz finden, die über eine CE-Kennzeichnung verfügen würden. Das Vorbringen der Antragstellerin, wonach eine CE-Kennzeichnung von mit einem Unterfahrschutz ausgerüsteten Fahrzeugrückhaltesystemen nicht vorgesehen und aus rechtlichen und technischen Gründen nicht möglich sei, sei somit nachweislich unrichtig.

14.      In ihrer Stellungnahme vom 04.09.2020 führte die mitbeteiligte Partei bezüglich des Ausscheidensgrundes des Unterfahrschutzes Folgendes aus:

In ihrer Stellungnahme argumentiere die Antragstellerin weitwendig eine Unklarheit der Ausschreibungsbedingungen, die tatsächlich nicht vorliege. In der von der Antragstellerin selbst zitierten Position werde ausdrücklich auf das Planungshandbuch sowie das relevante und klar bezeichnete Typenblatt referenziert. Selbstverständlich sei Maßstab für die Auslegung von Ausschreibungsunterlagen ein verständiger (und kein „blinder“) Bieter. Für einen solchen verständigen Bieter sei es eindeutig, welches Planungshandbuch und welches Typenblatt gemeint gewesen sei, zumal in keinem anderen Planungshandbuch ein solches Typenblatt mit der entsprechenden Bezeichnung enthalten gewesen sei.

Gleichermaßen verhalte es sich mit den konkreten Anforderungen an den Unterfahrschutz. Die diesbezüglich behaupteten Unklarheiten würden tatsächlich nicht vorliegen und seien als bloße Schutzbehauptungen der Antragstellerin zu qualifizieren.

Auch nachträgliche Änderungen der Planungshandbücher seien freilich für die Beurteilung der Ausschreibungskonformität eines Angebotes und der Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung irrelevant.

Die von der Antragstellerin aufgestellte Behauptung, die mitbeteiligte Partei habe kein System mit einem Unterfahrschutz angeboten, entbehre jeglicher Grundlage. Selbstverständlich habe die Antragstellerin in den relevanten Positionen ein den Ausschreibungsbedingungen entsprechendes System mit Unterfahrschutz angeboten, wie es von der Auftraggeberin auch ausdrücklich gefordert gewesen sei.

Auch die abschließende Argumentation der Antragstellerin betreffend die – offenbar unterpreisig angebotenen – Aufzahlungspositionen seien rechtlich verfehlt. Die „Unwesentlichkeit“ im Vergleich zum Auftragswert von Positionen könne schon ganz grundsätzlich nicht als Argument für einen unplausibel niedrigen Preis herhalten, weil sich diese Unwesentlichkeit gerade aus dem niedrigen Preis selbst ergebe. Nach der Argumentation der Antragstellerin wäre beispielsweise ein Nullpreis immer irrelevant, weil der Wert der betreffenden Position 0 % des Auftragswertes ausmachen würde. Dass diese Argumentation für die Aufklärung von unplausiblen Preisen untauglich sei und damit ins Leere gehe, verstehe sich von selbst.

Auch die weiteren Behauptungen der Antragstellerin betreffend die Modifikation des Systems seien verfehlt.

Selbstverständlich handle es sich bei der Anbringung eines Unterfahrschutzes in aller Regel um eine wesentliche Modifikation des Systems, die ua neue Anfahrprüfungen erforderlich mache. Jede Modifikation müsse in Abhängigkeit von der speziellen Funktionalität und dem Design des betreffenden Fahrzeugrückhaltesystems einzeln beurteilt werden. Eine Vielzahl von Anprallprüfungen gemäß EN 1317-2 hätten in mehr als 20 Jahren (die EN 13172 wurde 1998 veröffentlicht) gezeigt, dass durch Anordnung eines Unterfahrschutzes die Wahrscheinlichkeit des „Aufkletterns“ der großen Reifen von LKW und Bus auf den Unterfahrschutz erhöht werde. Dies könne in weiterer Folge zu einem Überfahren des Fahrzeugrückhaltesystems führen. Die Funktionalität des Fahrzeugrückhaltesystems wäre dann schlicht nicht mehr gegeben. Aus diesem Grund bedinge die nachträgliche Anbringung eines Unterfahrschutzes in den weit überwiegenden Fällen eine Einstufung der Modifikation in die Kategorie C, da es sich um eine wesentliche Änderung handle.

Es möge zwar zutreffen, dass für den Unterfahrschutz selbst keine CE-Kennzeichnung möglich sei, jedoch verkenne die Antragstellerin dabei, dass dies im gegenständlichen Fall auch gar nicht von Relevanz sei. Nicht der Unterfahrschutz für sich allein, sondern das System in seiner Gesamtheit (inklusive Unterfahrschutz) müsse den einschlägigen Normen entsprechen. Die Antragstellerin müsste daher über ein geprüftes und zertifiziertes System mit Unterfahrschutz verfügen, was offenkundig nicht der Fall sei, sodass die Antragstellerin auch nicht ausschreibungskonform angeboten habe.

Entgegen den Behauptungen der Antragstellerin sei die von der Auftraggeberin im Typenblatt angegebene Spezifikation auch keineswegs eine seltene und veraltete Sondereinbausituation, sondern komme diese Situation auf Österreichs Straßen hundertfach vor. Es handle sich dabei um eine besonders gefährliche Situation.

Selbstverständlich verfüge die mitbeteiligte Partei über die in den Anforderungen in den Aufzahlungspositionen angeführten Systeme, die auch der Angebotslegung zugrunde gelegt werden würden.

15.      Mit Schreiben vom 14.09.2020 übermittelte die Auftraggeberin dem Bundesverwaltungsgericht eine geschwärzte Stellungnahme.

16.      Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.09.2020 im Beisein der Antragstellerin, der Auftraggeberin und der mitbeteiligten Partei sowie deren Rechtsvertretern bzw. Vertretern eine öffentlich mündliche Verhandlung durch.

Die geschwärzte Niederschrift lautet auszugsweise wie folgt:

„[…]

Die PräsRP verlassen nach Aufforderung um 09:07 Uhr den Verhandlungssaal.

In der Stellungnahme vom 17.08.2020 führt die Auftraggeberin aus, dass die im Aufklärungsschreiben vom 16.05.2019 getätigten Erläuterungen hinsichtlich der der Angebotskalkulation der Antragstellerin zu Grunde gelegten Ausführungsweise in eindeutigem Widerspruch zu den Vorgaben im Typenblatt für Verziehungen Leitschiene Plannr. IO12_TB_1a_04 stünden, auf welche in Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Durchführung dieser Leistungen ausdrücklich verwiesen worden sei. Gemäß den Vorgaben im genannten Typenblatt könnten zwar die Pfosten in der Entwässerungsmulde entfallen, allerdings sei die Aufteilung der Pfosten vor und nach dem Graben so zu verdichten, sodass insgesamt maximal ein Pfosten entfalle. Die Auftraggeberin folgert daraus, dass die Antragstellerin in Ansehung dieser Leistungspositionen ein den Ausschreibungsunterlagen widersprechendes Angebot gelegt habe und daher zwingend auszuscheiden sei.

Der Senat stellt in Aussicht - je nach den Ergebnissen der Verhandlung - diesen Ausscheidensgrund heranzuziehen. Wollen Sie dazu Ergänzungen zum bisherigen schriftlichen Vorbringen machen? Sie haben dazu während der gesamten Verhandlung die Möglichkeit.

ASt: Wir legen dazu eine neue Beilage vor. Das ist eine Rechnung, aus der ersichtlich ist, dass der Entfall der Steher sehr wohl die Mehrkosten des Unterfahrschutzes ausgleicht. Wie aus der Rechnung ersichtlich, ist dieser nur für den Bereich der Verziehung gefordert und kann mit einem […] bewerkstelligt werden. Wie aus der vorgelegten Musterrechnung ersichtl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten