TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/28 96/12/0301

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Veröffentlicht am 28.05.1997
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Index

L22002 Landesbedienstete Kärnten;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/06 Dienstrechtsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
BDG 1979 §14 Abs1 idF 1995/820;
BDG 1979 §14 Abs1 Z1;
BDG 1979 §14 Abs3;
DienstrechtsG Krnt 1994 §14 Abs1 idF 1996/058;
DVG 1984 §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 21. August 1996, Zl. Pers-12727/6/96, betreffend Abweisung eines Antrages auf Versetzung in den Ruhestand, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1942 geborene Beschwerdeführer steht als Bautechniker im gehobenen technischen Dienst in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Kärnten; seine Dienststelle ist das Straßenbauamt XY.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes Kärnten vom 27. September 1995 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer ab 21. Juli 1995 mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. dem Kreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz angehört.

Mit dem im Dienstweg vorgelegten Schreiben vom 14. November 1995 teilte der Beschwerdeführer mit, daß er sich aufgrund seines sehr schlechten Gesundheitszustandes (Herzrythmusstörungen) nicht mehr in der Lage sehe, seinen Dienst ordnungsgemäß zu verrichten. Er ersuche um baldige Vorladung zum Amtsarzt.

Seitens der Dienstbehörde wurde die ärztliche Begutachtung beim Gesundheitsamt der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau veranlaßt, die am 5. Dezember 1995 stattfand. Darüber wurde - offenbar vom Amtsarzt - nach Darstellung des ihm erteilten Auftrages, der Annamnese und des Befundes folgende Diagnose und Beurteilung abgegeben:

"Diagnose:

paroxysmale Tachykardien mit extrem erleichterter Auslösbarkeit von Vorhofflimmern bei erhöhter Vorhofvulnerabilität

Beurteilung:

Herr H leidet an cardialen Rhythmusstörungen, welche bei intracardialer Dauerbelastung in Vorhofflimmern übergehen. Als Ursache dafür in Frage kommen elektrophysiolog. Phänomäne oder auch externe Einflüsse, wie z.B. Noxen oder Streßfaktoren. Bisher konnte durch therapeutische Maßnahmen kein zufriedenstellender Erfolg erzielt werden, es fühlt sich der Patient durch die auftretenden Herz-Rhythmustörungen in seinem AZ deutlich beeinträchtigt.

Als weitere Möglichkeit der Therapie käme unter Umständen eine chirurg. Intervention bzw. die Implantation eines Schrittmachers als letzte Konsequenz in Frage.

Aus medizinischer Sicht wird geraten, dem Patienten einen Krankenstand bis Ende März 1996 zuzugestehen. Während dieser Zeit wird es sich zeigen, ob durch entsprechende Situation am Arbeitsplatz eine Herz-Rhythmusstörung ausgelöst wird bzw. ob sie auch während der Ruhephasen auftreten.

Sollten nach drei Monaten weiterhin Herz-Rhythmusstörungen im bisherigen Ausmaß weiterbestehen, wird zu klären sein, ob man den Patienten an einen weitestgehenden stressfreien Arbeitsplatz verweist, oder ob der Patient zu einer chirurg. Intervention bereit ist oder ob eine Versetzung in den Ruhestand erforderlich erscheint.

Es wird empfohlen, den Patienten Ende März wieder vorzustellen."

Der Empfehlung des Amtsarztes Rechnung tragend, wurde seitens der belangten Behörde mit 2. April 1996 eine neuerliche amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers verfügt. Zu dieser Untersuchung am 29. April 1996 legte der Beschwerdeführer Befunde über kurze, anfallsbedingte Spitalsaufenthalte in der letzten Zeit vor. Nach dem Schreiben des Amtsarztes vom 29. April 1996 über diese Begutachtung habe der Beschwerdeführer für die Spitalsaufenthalte als auslösenden Faktor psychische Stresszustände wegen der Erkrankung seiner Gattin angegeben. Ansonst sei es dem Beschwerdeführer seit Dezember 1995 relativ gut ergangen. Er habe keine vermehrten Rhythmusstörungen feststellen können, im Jänner und Februar 1996 sei er überhaupt anfallsfrei gewesen. Der Beschwerdeführer leide bekannterweise unter paroxysmalen Tachykardien mit extrem erleichterter Auslösbarkeit von Vorhofflimmern bei erhöhter Vorhofvulnerabilität. Der Zustand des Beschwerdeführers werde sich unter ausschließlich medikamentöser Therapie wohl kaum beseitigen lassen, verursache aber andererseits beim Patienten nicht jenen Leidensdruck, daß er sich einer erfolgversprechenden elektrophysiologischen Maßnahme am AKH (Ablation und Schrittmacherinplantation) unterziehen möchte. Aus medizinischer Sicht würde dies sicher eine Verbesserung seines Zustandes bewirken, wenngleich auch noch nicht Dringlichkeit für eine derartige Maßnahme gegeben scheine. Aus medizinischer Sicht sei der Beschwerdeführer im Juni wieder uneingeschränkt dienstfähig.

Aufgrund dieser Beurteilung teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. Mai 1996 mit, daß die amtsärztliche Beurteilung des Gesundheitszustandes dahingehend laute, daß er seinen Dienst als Bautechniker noch versehen könne und die vom ihm angestrebte Ruhestandsversetzung nicht in Betracht komme.

Der Beschwerdeführer begehrte daraufhin die Übersendung des für ihn "doch sehr bedeutsamen Gutachtens", damit er dazu Stellung nehmen könne.

Zu dem dem Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten amtsärztlichen Gutachten vom 29. April 1996 teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5. Juli 1996 mit:

"Bereits im Winter 1994/1995 war bei mir der Leidensdruck so groß, daß ich mich entschlossen habe, mich in Wien zu einer elektrophysiologischen Ablation anzumelden. Nach langer Wartezeit, war ich vom 8. bis 11. Mai 1995 stationär auf der Kardiologie des AKH und habe mich dort einem höchst unangenehmen Eingriff am Herzen unterzogen.

Leider konnte auf Grund der elektrophysiologischen Untersuchung "keine kausale Therapie im Sinne einer Ablation" durchgeführt werden. Wörtliches Zitat aus dem Arztbrief des Herrn Prof. Dr. G. M vom 21.6.1995, Seite 2, vorletzter Absatz, den ich Frau Dr. P bei meiner ersten Untersuchung am 5.12.1995 übergeben habe.

Für meine abschließende Stellungnahme ersuche ich Sie um eine Kopie des Gutachtens vom 6.12.1995, Ges-218/2/95.

Bitte teilen Sie mir bei dieser Gelegenheit auch mit, innerhalb welcher gesetzlich vorgeschriebenen Frist ich allfällige Einwendungen einzubringen hätte."

Diese Einwendungen wurden dem Amtsarzt zur Stellungnahme übermittelt, der mit Schreiben vom 6. August 1996 folgende Auffassung vertrat:

"Wenn Herr H aus dem Arztbrief des Herrn Prof. Dr. M vom 21.06.95 Seite 2 zitiert "Es konnte keine kausale Therapie im Sinne einer Ablation durchgeführt werden" wird festgestellt, daß es sich hier offensichtlich um ein Komunikationsproblem handelt. Herr H leidet an Herzrhythmusstörungen, welche durch rasche Schlagfolge charakterisiert wird. In der elektrophysiologischen Untersuchung an der Universitätsklinik für Innere Medizin des AKH Wien ergab sich eine erhöhte Vorhofvulnerabilität mit extrem leichter Auslösbarkeit von Vorhofflimmern.

Eine Trigerarhythmie (auslösender Faktor) konnte allerdings nicht definiert werden und daher konnte anläßlich dieser elektrophysiologischen Untersuchung auch keine kausale Therapie im Sinne einer Ablation durchgeführt werden. Dies heißt jedoch nicht, daß eine derartige Ablation mit nachfolgender Schrittmacherimplantation in weiterer Folge nie mehr durchgeführt werden könnte.

Sicherlich wird man dem Patienten zu einem derartigen Eingriff nicht zwingen können und wird ein solcher Eingriff in der Regel als Ultima ratio ausgeführt.

Bei Herrn H besteht derzeit eine zweifelsohne für den Patienten unangenehme Symptomatik, welche jedoch nicht als unmittelbar lebensbedrohender Zustand anzusehen ist.

Der Patient vefügte zum Zeitpunkt der letzten amtsärztlichen Untersuchung über eine relativ gute Lebensqualität bei geringer Anfallsfrequenz. Nachweislich sind die Herzrhytmusstörungen auch im Ruhezustand aufgetreten, gelegentlich auch nachts. Das Grundproblem hat offensichtlich nichts damit zu tun, ob der Patient im Arbeitsprozess eingegliedert ist oder nicht und wird sich durch eine Versetzung in den Ruhestand mit größter Wahrscheinlichkeit daher auch nicht lösen lassen."

Bei diesem Verfahrensstand erging der angefochtene Bescheid mit folgendem Spruch: "Der Antrag des Landesbeamten H vom 14. November 1995 um Versetzung in den Ruhestand wird gemäß § 14 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes 1994 in der geltenden Fassung ABGEWIESEN."

Zur Begründung wird nach zusammengefaßter Wiedergabe des - vorher auch dem Inhalt nach dargestellten - Verfahrensablaufes das amtsärztliche Resümee vom 6. August 1996 angeführt, nach dem der Beschwerdeführer an Herzrhytmusstörungen leide, welche durch rasche Schlagfolge charakterisiert seien. Die elektrophysiologische Untersuchung am AKH habe eine erhöhte Vorhofvulnerabilität mit extrem leichter Auslösbarkeit von Vorhofflimmern ergeben, allerdings sei eine Trigerarhythmie als auslösender Faktor nicht definierbar. Aus diesem Grund hätte auch die vom Beschwerdeführer aus dem Arztbrief des Herrn Prof. Dr. M vom 21. Juni 1995 zitierte kausale Therapie im Sinne einer Ablation nicht durchgeführt werden können. Dies bedeute jedoch nicht, daß eine Ablation mit nachfolgender Schrittmacherimplantation für die Zukunft ausgeschlossen sei. Im Falle des Beschwerdeführers - so das amtsärztliche Resümee - bestehe trotz der subjektiv empfundenen unangenehmen Symptomatik noch eine relativ gute Lebensqualität bei geringer Anfallsfrequenz. Das medizinische Grundproblem habe ganz offensichtlich nichts damit zu tun, ob der Beschwerdeführer in den Arbeitsprozeß eingegliedert sei oder nicht; dies ließe sich aus amtsärztlicher Sicht auch durch eine Ruhestandsversetzung nicht lösen.

Nach Wiedergabe der Rechtslage wird dann in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe zweifelsfrei ergeben, daß der Beschwerdeführer durchaus noch in der Lage sei, Aufgaben des gehobenen technischen Dienstes zu verrichten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Ruhestandsversetzung nach § 14 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes 1994 durch unrichtige Anwendung dieser Norm, insbesondere ihres Abs. 3, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Im Beschwerdefall ist das Kärntner Dienstrechtsgesetz 1994, LGBl. Nr. 71, § 14 Abs. 1 in der Fassung LGBl. Nr. 58/1996, anzuwenden. Gemäß § 14 Abs. 1 des genannten Gesetzes ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

Der Beamte ist nach Abs. 3 der genannten Bestimmung dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Der Beschwerdeführer bringt als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, ihm sei ein einziges Beweismittel, nämlich das Schreiben des Amtsarztes vom 29. April 1996 zur Kenntnis gebracht worden. Es habe sich dabei nicht um ein Gutachten gehandelt, sondern es sei auf das ihm nicht zur Kenntnis gebrachte Gutachten vom 6. Dezember 1995 Bezug genommen worden. Das ihm zur Kenntnis gebrachte Schreiben weise weder in der Form noch im Inhalt die für einen Befund und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen (Gutachten im engeren Sinn) erforderlichen Elemente auf. Anstelle einer eigenständigen Diagnose heiße es darin lediglich, daß der Beschwerdeführer "bekannterweiser unter paroxysmalen Tachykardien mit extrem erleichterter Auslösbarkeit von Vorhofflimmern bei erhöhter Vorhofvulnerabilität" leide. Es folgten darauf Behauptungen, die sinngemäß besagten, nur weil der Leidensdruck nicht entsprechend groß sei, hätte der Beschwerdeführer sich einer erfolgversprechenden Behandlung im Sinne elektrophysiologischer Maßnahmen nicht unterzogen; es sei aber ab Juni wieder mit seiner uneingeschränkten Dienstfähigkeit zu rechnen. Nachdem ihm dieses Schreiben vom 29. April 1996 zur Kenntnis gebracht worden sei, habe er mit Schreiben vom 5. Juli 1996 darauf hingewiesen, daß entsprechend der elektrophysiologischen Untersuchungen eine kausale Therapie nicht durchgeführt worden sei. Die Nichttherapierung habe ihren Grund daher nicht etwa in einer mangelnden Bereitschaft des Beschwerdeführers. Weiters habe er um eine Kopie des Gutachtens vom 6. Dezember 1995 ersucht. Dem sei jedoch bis dato nicht entsprochen worden. Es sei daher für den Beschwerdeführer völlig unklar, auf welcher Beurteilung des Zusammenhanges zwischen seinem Dienst und seiner Gesundheitsstörung die Annahme seiner Dienstfähigkeit beruhe. Es könne als notorisch vorausgesetzt werden, daß ein Herzleiden der gegenständlichen Art die Belastbarkeit reduziere und daß dies vor allem auch für die Belastbarkeit in Form einer Erwerbstätigkeit gelte. In concreto sei auch noch auf den Bescheid des Bundessozialamtes Kärnten vom 27. September 1995 hinzuweisen, den der Beschwerdeführer im Zuge des gegenständlichen Dienstrechtsverfahrens sowohl der belangten Behörde wie auch der Amtsärztin vorgelegt habe. Darauf sei aber weder in der Bescheidbegründung noch im Schreiben vom 29. April 1996 eingegangen worden. Zwar sei es denkbar, daß trotz einer auf solche Weise bekundeten Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v.H. die Dienstfähigkeit für eine bestimmte Tätigkeit gegeben sei. Es handle sich aber dabei gewiß um keine Selbstverständlichkeit, die keinerlei Erörterung bedürfte. Sowohl aufgrund des notorischen Zusammenhanges zwischen einer Gesundheitsstörung der vorliegenden Art, wie aufgrund des Bescheides vom 27. September 1995 hätte in einer nachvollziehbaren Weise dargelegt werden müssen, welche Einschränkungen der Belastbarkeit aus der Gesundheitsstörung resultierten und in welcher Relation dies zur konkreten dienstlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers stehe. Dies hätte dazu näher umschrieben werden müssen, insbesondere auch im Hinblick auf die krankheitsrelevanten Belastungen.

Entsprechende Darlegungen hätte zunächst in faktisch - gesundheitlicher Hinsicht das ärztliche Gutachten enthalten müssen; davon ausgehend wäre mit entsprechender rechtlicher Beurteilung diese Frage in der Bescheidbegründung zu behandeln gewesen. All dies sei unterblieben. Vorsichtshalber füge der Beschwerdeführer hinzu, daß er unter der Voraussetzung, daß das Gutachten vom 6. Dezember 1995 entsprechende Ausführungen enthalten habe, er den Gegenbeweis angetreten hätte; allenfalls auch durch Vorlage entsprechender fachspezifischer Privatgutachten.

Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Beschwerdeführer vor, in der in der Begründung wiedergegebenen Passage des "medizinischen Gutachtens" werde behauptet, daß das "medizinische Grundproblem" nichts mit der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers zu tun habe. Diese Aussage sei falsch und gehe an der entscheidenden Rechtsfrage vorbei. Maßgebend sei nicht, ob durch die angestrebte Pensionierung das gesundheitliche Grundproblem beseitigt werden könne. Die entscheidende rechtliche Frage laute vielmehr, ob es ihm zumutbar sei, den Dienst zu verrichten, selbst wenn er aktuell dazu imstande sei, jedoch zu befürchten und als geradezu typische Folge der Dienstverrichtung anzunehmen sei, daß sich sein Gesundheitszustand dadurch nachhaltig und lebensbedrohlich verschlechtere.

Diesem Vorbringen kommt insbesondere aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 14 BDG 1979, der dem § 14 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes - soweit dies für den Beschwerdefall von Bedeutung ist - vollinhaltlich entspricht, und auch zu vergleichbaren Rechtsgrundlagen ist unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, alles zu verstehen, was die Eignung des Beamten, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Dazu können nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern auch habituelle Charaktereigenschaften und leichtere geistige Störungen gehören, welche eine ordnungsgemäße Führung der ihm übertragenen Geschäfte ausschließen. Dabei ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen, sondern es sind vielmehr auch die Auswirkungen einer Gesundheitsstörung auf seine Fähigkeit, die ihm gesetzlich obliegenden Pflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf den Amtsbetrieb entscheidend (vgl. beispielweise Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Februar 1995, Zl. 92/12/0286, vom 22. März 1995, Zl. 94/12/0245, und vom 19. April 1995, Zl. 94/12/0317).

Mit Erkenntnis vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0242, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang weiter dargelegt, daß bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit aufgrund eines nicht besserungsfähigen gesundheitlichen Gebrechens im Rahmen der Dienstfähigkeitsprüfung auch zu untersuchen ist, ob durch die weitere konkrete Dienstleistung für den Beamten real die Gefahr einer Verschlimmerung seines (Gesundheits)Zustandes oder durch die Dienstleistung eine ihm objektiv unzumutbare Unbill (z.B. dauernde wesentliche Schmerzen) gegeben wäre.

Die Frage der Dienstunfähigkeit ist unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben des Beamten an seinem Arbeitsplatz bzw. die Möglichkeit der Zuweisung eines mindestens gleichwertigen Arbeitsplatzes zu lösen.

Eine der Dienstbehörde bekannte Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beamten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz bewirkt zwar nicht ohne weiteres die Dienstunfähigkeit bzw. eine diesbezügliche Bindung der Behörde an diese Feststellung des Sozialamtes im Ruhestandversetzungsverfahren. Die Dienstbehörde ist aber in einem solchen Fall nach § 8 Abs. 1 DVG verpflichtet, sich mit diesem Umstand erhebungs- und begründungsmäßig auseinanderzusetzen (vgl. diesbezüglich Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0243).

Diesen Anforderungen werden der angefochtene Bescheid und das von der Dienstbehörde durchgeführte Verfahren nicht gerecht. Da es sich beim Begriff der Dienstunfähigkeit um einen Rechtsbegriff handelt, folgt daraus, daß es nicht Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen, sondern der Dienstbehörde ist, die Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit des Beamten festzustellen. Die Dienstbehörde hat ihrer rechtlichen Beurteilung einen ausreichend ermittelten Sachverhalt unter Beiziehung ärztlicher Sachverständiger sowie unter Einräumung des Parteiengehörs zugrundezulegen. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, medizinische Aussagen über den Gesundheitszustand des Beamten und über die Restarbeitsfähigkeit zu treffen. Weder dem angefochtenen Bescheid noch dem amtsärztlichen Gutachten ist eine konkrete Bezugnahme auf die dienstlichen Anforderungen an den Beschwerdeführer auf seinem Arbeitsplatz zu entnehmen. Zutreffend weist der Beschwerdeführer daraufhin, daß das dem Verfahren zugrundeliegende amtsärztliche Gutachten vom 6. Dezember 1995 ihm gar nicht zur Kenntnis gebracht worden ist. Dem "amtsärztlichen Gutachten" mangelt es auch an einer medizinischen Auseinandersetzung mit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verschlimmerungsgefahr. Dienstunfähigkeit kann nämlich auch dann schon gegeben sein, wenn die Gesundheitsstörung zwar noch nicht als "unmittelbar lebensbedrohender Zustand" anzusehen ist, aber doch die Gefahr einer Verschlimmerung oder eine objektiv unzumutbare Unbill gegeben ist. Eine Auseinandersetzung mit der anerkannten Behinderung des Beschwerdeführers nach dem Behinderteneinstellungsgesetz ist ebenfalls unterblieben.

Die Würdigung der belangten Behörde beschränkt sich lediglich auf die Aussage, das Ermittlungsverfahren habe "zweifelsfrei ergeben", daß der Beschwerdeführer noch in der Lage sei, Aufgaben des "gehobenen technischen Dienstes" zu verrichten. Daraus folgt, daß der angefochtene Bescheid nicht nur mit der vorher aufgezeigten mehrfachen Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet ist, sondern die belangte Behörde von einem unrichtigen Begriff der Dienstfähigkeit ausgegangen ist. Maßgebend ist nämlich nicht, ob der Beschwerdeführer noch irgendwelche Aufgaben des "gehobenen technischen Dienstes" verrichten kann, sondern, ob er den Anforderungen auf seinem Arbeitsplatz ohne reale Gefahr einer Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes gerecht werden kann oder ihm ein mindestens gleichwertiger Ersatzarbeitsplatz zugewiesen werden kann, bei dem dies der Fall ist.

Da die belangte Behörde von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist, mußte der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, daß das Ruhestandsversetzungsverfahren des Beschwerdeführers zweifelsfrei vor dem Inkrafttreten der Novelle

LGBl. Nr. 58/1996 mit 1. August 1996 eingeleitet worden ist. Im Falle eines für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnisses wäre auf seinen Fall die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 5 leg. cit. anzuwenden.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996120301.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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