TE Bvwg Beschluss 2020/12/17 W134 2236673-3

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Veröffentlicht am 17.12.2020
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Entscheidungsdatum

17.12.2020

Norm

BVergG 2018 §311
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §340
BVergG 2018 §341
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W134 2236673-1/2E

W134 2236673-2/15E

W134 2236673-3/2E

BESCHLUSS



Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber betreffend das Vergabeverfahren „Handdesinfektionsmittel 100ml + Nachfüllung (VAH bzw.ÖGHMP gelistet)“, der Auftraggeberinnen Österreichische Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaft, ÖBB Business Competence Center GmbH, ÖBB Infrastruktur AG, ÖBB Personenverkehr AG, ÖBB Holding AG, Rail Cargo Austria AG, ÖBB Immobilien-management GmbH, ÖBB-Technisches Service- GmbH, ÖBB Produktion GmbH, Österreichische Postbus GmbH, Rail Equipment GmbH, Rail Tours Touristik GmbH, ÖBB Werbung GmbH und Mungos Sicher & Sauber GmbH & Co KG, alle vertreten durch ÖBB Mungos Sicher & Sauber GmbH & Co KG, vergebende Stelle ÖBB-Business Competence Center GmbH, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten durch LTRA Rechtsanwälte, Lindengasse 38/3, 1070 Wien, vom 06.11.2020 folgenden Beschluss:

A)

I. Der Antrag „das BVwG möge unverzüglich zu dem in Abschnitt I näher bezeichneten Vergabeverfahren für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens eine einstweilige Verfügung erlassen, in welcher den Auftraggebern bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren „Lieferung von Handdesinfektionsmittel 100ml + Nachfüllung (VAH bzw. ÖGMHP gelistet)“, Aktenzeichen des Auftraggebers: 55719, die Öffnung der Teilnahmeanträge sowie die Fortführung dieses Vergabeverfahrens untersagt wird sowie der Lauf der Frist zur Abgabe von Teilnahmeanträgen und Angeboten ausgesetzt wird“ wird gemäß § 334 Abs. 2 Z 1 BVergG 2018 zurückgewiesen.

II. Aufgrund der Zurückziehung des Antrags das Bundesverwaltungsgericht möge „die Ausschreibung samt all ihren Unterlagen für das Vergabeverfahren „Lieferung von Handdesinfektionsmittel 100ml + Nachfüllung (VAH bzw. ÖGMHP gelistet)“, Aktenzeichen des Auftraggebers: 55719, für nichtig erklären; in eventu die für die Antragstellerin diskriminierenden Anforderungen bzw. technisch unmöglichen Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen streichen“ wird das Nachprüfungsverfahren gemäß § 13 Abs. 7 AVG iVm § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

III. Dem Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren wird gemäß § 341 BVergG 2018 stattgegeben.

Die Auftraggeberinnen sind verpflichtet, der Antragstellerin die für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichtete Pauschalgebühr in der Höhe von EUR 135,-- sowie die für den Nachprüfungsantrag entrichtete Pauschalgebühr in der Höhe von EUR 203,--, insgesamt somit EUR 338,--, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses zu Handen ihres Rechtsvertreters zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 06.11.2020, beim BVwG eingebracht am gleichen Tag, begehrte die Antragstellerin die am 28.10.2020 bekanntgemachte Ausschreibung samt all ihren Unterlagen für das Vergabeverfahren „Lieferung von Handdesinfektionsmittel 100ml + Nachfüllung (VAH bzw. ÖGMHP gelistet)", Aktenzeichen des Auftraggebers: 55719, für nichtig zu erklären, in eventu die für die Antragstellerin diskriminierenden Anforderungen bzw. technisch unmöglichen Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen zu streichen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht, die Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Verfügung und den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberinnen.

2. Die Antragstellerin entrichtete an Pauschalgebühren insgesamt EUR 405,--

3. Mit Schriftsatz vom 18.11.2020 teilten die Auftraggeberinnen den Bietern die Widerrufsentscheidung gemäß § 311 Abs 1 und 2 BVergG 2018 mit.

4. Die Auftraggeberinnen erklärten gegenüber den Bietern den Widerruf betreffend das Vergabeverfahren „Lieferung von Handdesinfektionsmittel 100ml + Nachfüllung (VAH bzw. ÖGMHP gelistet)" („Widerrufserklärung“).

5. Mit Schriftsatz vom 09.12.2020 gab die Antragstellerin bekannt, dass sie die Anträge „ das Bundesverwaltungsgericht möge 1. eine mündliche Verhandlung anberaumen; 2. nach Durchführung derselben die Ausschreibung samt all ihren Unterlagen für das Vergabeverfahren „Lieferung von Handdesinfektionsmittel 100ml + Nachfüllung (VAH bzw. ÖGMHP gelistet)“, Aktenzeichen des Auftraggebers: 55719, für nichtig erklären; in eventu die für die Antragstellerin diskriminierenden Anforderungen bzw. technisch unmöglichen Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen streichen“ zurückziehe.

Der Antrag auf Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Verfügung wurde nicht zurückgezogen.

Das Kostenersatzbegehren blieb ausdrücklich aufrecht.

6. Es fand vor Antragsrückziehung keine mündliche Verhandlung statt.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A I.) Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

Gemäß § 334 Abs. 2 BVergG 2018 ist das Bundesverwaltungsgericht bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht 1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie 2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zuständig.

Da die Auftraggeberinnen die gegenständliche Ausschreibung widerrufen haben, kommt dem Bundesverwaltungsgericht für den im Spruch ersichtlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Zuständigkeit mehr zu.

Der Antrag war daher zurückzuweisen.

Zu A II.) Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung:

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 29.04.2015 (Fr 2014/20/0047-11) die §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG dahingehend ausgelegt, dass eine Einstellung von Verfahren nach Rückziehung einer Beschwerde (hier: Nachprüfungsantrag) nicht formlos durch Aktenvermerk erfolgen kann, sondern durch gesonderten, verfahrensbeendenden Beschluss zu erledigen ist.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 09.12.2020, vor Durchführung der mündlichen Verhandlung den verfahrensgegenständlichen Nachprüfungsantrag zurückgezogen.

Das Verfahren ist somit beendet.

Zu Spruchpunkt A III.) - Gebührenersatz:

Gemäß § 340 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018 hat der Antragsteller für Anträge gemäß den §§ 342 Abs. 1, 350 Abs. 1 und 353 Abs. 1 und 2 BVergG 2018 jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten, welche gemäß den von der Bundesregierung durch Verordnung festzusetzenden Gebührensätzen bei Antragstellung zu entrichten ist (siehe BVwG-PauschGebV Vergabe).

Gemäß § 341 Abs. 1 BVergG 2018 hat der vor dem Bundesverwaltungsgericht wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 340 BVergG 2018 entrichteten Gebühren durch den Antragsgegner. Der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Gebührenersatz, wenn er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird. Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung besteht nur dann, wenn (1) dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird oder wenn der Antragsteller während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird und (2) dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben wurde bzw. im Falle der Klaglosstellung stattzugeben gewesen wäre oder der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde oder im Falle der Klaglosstellung abzuweisen gewesen wäre. Über den Gebührenersatz hat gemäß § 341 Abs. 3 BVergG 2018 das Bundesverwaltungsgericht spätestens drei Wochen ab jenem Zeitpunkt zu entscheiden, ab dem feststeht, dass ein Anspruch auf Gebührenersatz besteht.

Die Antragstellerin hat die Pauschalgebühren für den gegenständlichen Nachprüfungsantrag sowie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 340 Abs. 1 BVergG 2018 iVm § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 in der Gesamthöhe von € 405,00 (€ 1.080,00 für Lieferauftrag im Unterschwellenbereich, davon 25 % (Ausschreibungsanfechtung) entsprechen € 270,00 zuzüglich die Hälfte davon für den Antrag auf Erlassung der eV) entrichtet.

Die Auftraggeberinnen haben die bekämpfte gesondert anfechtbare Entscheidung (in concreto: Ausschreibung) widerrufen.

Die Materialien zum neuen § 341 BVergG (siehe EBRV 69 XXVI. GP 195 f) lauten auszugsweise:

„Die Regelung über den Gebührenersatz übernimmt grundsätzlich die Inhalte des § 319 BVergG 2006 und wird um eine Klarstellung ergänzt. § 341 überträgt wie bisher dem BVwG die Kompetenz, über den Ersatz der Gebühren zu entscheiden. Es wird ausdrücklich geregelt, dass ein Gebührenersatz auch dann zu erfolgen hat, wenn der Antragsteller während eines anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber die bekämpfte Entscheidung beseitigt.“

Die Auftraggeberinnen haben im gegenständlichen Vergabeverfahren die bekämpfte Entscheidung insofern „beseitigt“, als sie die Widerrufserklärung des gegenständlichen Vergabeverfahrens bekanntgegeben haben. Aufgrund des klaren Wortlauts steht daher der Antragstellerin der Ersatz der Pauschalgebühren zu.

Wird ein Antrag vor Durchführung der mündlichen Verhandlung oder, wenn keine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, vor Erlassung des Erkenntnisses oder Beschlusses zurückgezogen, so ist lediglich eine Gebühr in der Höhe von 75 % der für den jeweiligen Antrag festgesetzten oder gemäß § 340 Abs 1 Z 5 BVergG 2018 reduzierten Gebühr zu entrichten. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuerstatten.

Gemäß § 340 Abs 1 Z 1, 7 und 8 BVergG 2018 iVm § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 war demnach für den Nachprüfungsantrag eine Pauschalgebühr in der Höhe von EUR 203,-- (= 75 % von 270,--) zu entrichten.

Zu Spruchpunkt B) - Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

Schlagworte

einstweilige Verfügung Klaglosstellung materielles Obsiegen Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Obsiegen Pauschalgebührenersatz Provisorialverfahren Vergabeverfahren Widerruf des Vergabeverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W134.2236673.3.00

Im RIS seit

17.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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