TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/29 W273 2237297-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.12.2020
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Entscheidungsdatum

29.12.2020

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §141 Abs1 Z7
BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §20 Abs1
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344
BVergG 2018 §346
BVergG 2018 §347
BVergG 2018 §347 Abs1 Z1
BVergG 2018 §347 Abs1 Z2
BVergG 2018 §4 Abs1
BVergG 2018 §79
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W273 2237297-2/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Vorsitzende sowie Mag. Johanna HAYDEN als fachkundige Laienrichterin auf Auftraggeberseite und Mag. Jasmin HASELMAYR als fachkundige Laienrichterin auf Auftragnehmerseite über den Antrag der XXXX , vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH, Vienna Twin Tower, 20. OG, Wienerbergstraße 11, 1100 Wien betreffend das Vergabeverfahren „Kinderimpfstoffe – Diphterie – Tetanus – Pertussis – Polio/Meningokokken ACWY Impfstoff/Hepatitis B BBG: GZ 3701.03415, Los 2 konjugierter Meningokokken ACWY Impfstoff“ der Auftraggeberinnen 1. Republik Österreich (Bund) 2. Bundesbeschaffung GmbH, 3. allen weiteren Auftraggebern gemäß der Kundenliste zur Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415, alle vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Dem Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge „im Vergabeverfahren "Kinderimpfstoffe – Diphterie-Tetanus-Pertussis-Polio/Meningokokken ACWY Impfstoff/Hepatitis B BBG: GZ 3701.03415" betreffend Los 2 Meningokokken ACWY Impfstoff die Entscheidung mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung für das Los 2 abgeschlossen werden soll vom 20.11.2020 für nichtig erklären“ wird stattgegeben.

Das Bundesverwaltungsgericht erklärt die Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung vom 20.11.2020 zu Los 2 gemäß § 347 Abs 1 BVergG 2018 für nichtig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 27.11.2020 stellte die XXXX (im Folgenden „die Antragstellerin“) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll vom 20.11.2020 (im Folgenden „Auswahlentscheidung vom 20.11.2020“) im Vergabeverfahren „Kinderimpfstoffe – Diphterie – Tetanus – Pertussis – Polio/Meningokokken ACWY Impfstoff/Hepatitis B BBG: GZ 3701.03415, Los 2 konjugierter Meningokokken ACWY Impfstoff“ (im Folgenden auch „das Vergabeverfahren“) der Republik Österreich (Bund), der Bundesbeschaffung GmbH sowie aller weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Kundenliste (im Folgenden auch „die Auftraggeberinnen“), alle vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH. Die Antragstellerin beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge ein Nachprüfungsverfahren einleiten, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen und die Antragsgegnerin dazu verpflichten, der Antragstellerin die für den Nachprüfungsantrag entrichtete Pauschalgebühr zu ersetzen. Die Antragstellerin verband ihren Antrag auf Nichtigerklärung mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

1.1. Die Antragstellerin brachte zusammengefasst vor, die Auswahlentscheidung der Auftraggeberinnen vom 20.11.2020 sei rechtswidrig, weil das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden sei. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin erfülle die Musskriterien der Ausschreibung nicht und es liege kein ausschreibungskonformes Angebot vor. Der Los 2 gegenständliche Meningokokkenimpfstoff der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei in Österreich nicht verfügbar und nicht lieferbar, die präsumtive Zuschlagsempfängerin könne den nach den Ausschreibungsbestimmungen geforderten Mindestlagerbestand nicht erfüllen. Die Antragstellerin werde durch die gegenständlich bekämpfte Entscheidung in ihrem Recht auf (i) Abschluss der Rahmenvereinbarung, (ii) Nichtabschluss der Rahmenvereinbarung mit XXXX , (iii) Nichtabschluss der Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer, der kein ausschreibungskonformes Angebot gelegt habe bzw. auszuscheiden sei, (iv) insgesamt in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens verletzt.

2. Mit Schreiben vom 27.11.2020 verständigte das Bundesverwaltungsgericht die vergebende Stelle von der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens und dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

3. Mit Schreiben vom 02.12.2020 erteilte die vergebende Stelle die Allgemeinen Auskünfte zum Vergabeverfahren und legte die Unterlagen des Vergabeverfahrens elektronisch vor. Die vergebende Stelle beantragte, sämtliche nicht die Antragstellerin selbst betreffende Unterlagen von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin auszunehmen und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück- und in eventu abzuweisen.

4. Mit Beschluss vom 3.12.2020 untersagte das Bundesverwaltungsgericht der Republik Österreich (Bund), der Bundesbeschaffung GmbH sowie allen weiteren Auftraggebern gemäß der Kundenliste zur Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415 für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im gegenständlichen Vergabeverfahren die Rahmenvereinbarung zu Los 2 abzuschließen.

5. Die Antragstellerin entrichtete EUR 19.440,00 an Pauschalgebühren.

6. Mit Stellungnahme vom 04.12.2020 nahm die vergebende Stelle zum gesamten Antragsvorbringen Stellung und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge sämtliche Anträge auf Nichtigerklärung sowie den Antrag auf Ersatz der Gebühren zurück-, in eventu abweisen.

7. Mit Schriftsatz vom 07.12.2020 nahm die XXXX (im Folgenden auch „präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin“) zum Antragsvorbringen Stellung und beantragte, sämtliche Anträge der Antragstellerin zurück-, in eventu abzuweisen.

8. Mit Schreiben vom 10.12.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die eingelangten Schriftsätze an die jeweils anderen Parteien.

9. Mit Replik vom 17.12.2020 erstattete die Antragstellerin weiteres rechtliches Vorbringen und wiederholte die gestellten Anträge.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.12.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

12. Am 22.12.2020 erfolgte nach Erörterung der Sach- und Rechtslage die Beschlussfassung im Senat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Republik Österreich (Bund), die Bundesbeschaffung GmbH und die Auftraggeber gemäß der Kundenliste zur Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415 (im Folgenden „die Auftraggeberinnen“) schrieben unter der Bezeichnung „Kinderimpfstoffe – Diphterie – Tetanus – Pertussis – Polio/Meningokokken ACWY Impfstoff/Hepatitis B BBG: GZ 3701.03415“ die Anschaffung von Kinderimpfstoffen aus. Die Ausschreibung wurde am 21.07.2020 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter der GZ 2020/S 139-341511 veröffentlicht. Die Vergabe erfolgt in drei Losen. Leistungsgegenstand von Los 2 ist die Lieferung eines konjugierten Meningokokken ACWY Impfstoffes. Die Auftraggeberinnen führen ein offenes Verfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung nach dem Billigstangebotsprinzip durch. Der geschätzte Auftragswert des Leistungsteiles Los 2 beträgt EUR XXXX Das Vergabeverfahren wird elektronisch geführt. Die Bundesbeschaffung GmbH ist vergebende Stelle und führte das Vergabeverfahren bislang (Vergabeakt, allgemeine Auskünfte der Auftraggeberinnen).

1.2. Die Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen (im Folgenden „AAB“) lauten auszugsweise (Zahlen links sind Randnummern aus den AAB) (Vergabeakt):

„5 Eignungskriterien

5.1 Allgemeines

66 Der Unternehmer muss für die Erbringung der ausschreibungsgegenständlichen Leistung geeignet sein. Geeignet sind Unternehmer, die befugt, technisch, finanziell und wirtschaftlich leistungsfähig sowie zuverlässig sind. Die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit muss spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen, widrigenfalls das Angebot ausgeschieden wird. Die Eignung ist durch Vorlage der in diesen Ausschreibungsbedingungen beschriebenen Urkunden (Nachweise, Bescheinigungen, etc.) nachzuweisen und zu belegen.

5.3 Technische Leistungsfähigkeit

5.3.1 Allgemeines

80 Der Unternehmer muss die für die Erbringung der Leistung erforderliche technische Leistungsfähigkeit aufweisen.

81 Das Mindestniveau der technischen Leistungsfähigkeit für die Erbringung der Leistungen ist gegeben, wenn zumindest folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

82 Der Bieter verfügt innerhalb des EWR über zumindest eine (1) gem. § 63 AMG idgF. bzw. vergleichbarer EU-Arzneimittelgesetzgebung bewilligte Betriebsstätte zum Inverkehrbringen der ausschreibungsgegenständlichen Arzneispezialität.

83 Der Bieter hat für jede Betriebsstätte, in der die ausschreibungsgegenständliche Arzneispezialität tatsächlich hergestellt, kontrolliert und in Verkehr gebracht wird, über ein EU-konformes gültiges Good Manufacturing Practice (GMP) bzw. Good Distribution Practice (GDP) – Zertifikat und eine aufrechte Betriebsbewilligung im Sinne der §§ 63 bzw. 65 AMG idgF. bzw. eine entsprechende Bewilligung im Sinne der Arzneimittelgesetzgebung der EU, die den pharmazeutischen Unternehmer zur Herstellung, zur Kontrolle und zum Inverkehrbringen der gegenständlichen Arzneispezialität berechtigt, zu verfügen.

84 Die angebotene Arzneispezialität verfügt über eine in Österreich gültige Arzneimittelzulassung oder eine Genehmigung für den Vertrieb im Parallelimport, alles gemäß AMG idgF oder eine Registrierung („PD Notice“) im Register of Parallel Distribution Notices der EMA mit Zielland Österreich.

85 Die angebotene Arzneispezialität wurde innerhalb der letzten 3 Jahre (Stichtag ist der Tag der Angebotsöffnung) pro Jahr pro angebotenem Los durchschnittlich in folgender Mindestanzahl an Dosen hergestellt und im EWR in Verkehr gebracht

Los 1: 180.000 Dosen

Los 2: 88.000 Dosen

Los 3: 90.500 Dosen

Sofern der Impfstoff erstmalig vor weniger als 3 Jahren in Verkehr gebracht wurde, gilt das Zwölffache des durchschnittlichen Monatsabsatzes seit erstmaliger Inverkehrbringung.

5.3.2 Nachweise

87 Zum Nachweis für die technische Leistungsfähigkeit des Unternehmers zur Erbringung der Leistungen hat dieser mit dem Angebot die folgenden Nachweise beizubringen:

88 Der Bieter hat

?        die gem. § 63 AMG idgF. bzw. vergleichbarer EU-Arzneimittelgesetzgebung bewilligte/n Betriebsstätte/n zum Inverkehrbringen der ausschreibungsgegenständlichen Arzneispezialität im Fragebogen an den Bieter anzugeben;

?        im Formblatt Technische und finanzielle Leistungsfähigkeit die Betriebsstätten, in denen die ausschreibungsgegenständliche Arzneispezialität tatsächlich hergestellt, kontrolliert und in Verkehr gebracht wird, zu deklarieren sowie

?         für zumindest jede dieser Betriebsstätten, in denen die ausschreibungsgegenständliche Arzneispezialität tatsächlich in Verkehr gebracht wird;

i. eine aufrechte Betriebsbewilligung gemäß AMG idgF. bzw. vergleichbarer EU-Arzneimittelgesetzgebung und (sofern die Betriebsbewilligung älter als 5 Jahre ist)

ii. ein gültiges EU-konformes GMP-Zertifikat oder

iii. ein gültiges EU-konformes GDP-Zertifikat;

?        einen Nachweis der Arzneimittelzulassung sowie die letztgültige Fachinformation gemäß Zulassung beizubringen;

?        Die Zulassungsnummer der gegenständlichen Arzneispezialität ist im Preisblatt anzugeben. Scheint die Zulassung im Arzneimittelspezialitätenregister des BASG auf, gilt dies als Nachweis der Zulassung. Im Falle des Vertriebs im Parallelimport ist eine Genehmigung des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) gemäß AMG oder bei Arzneimittelzulassung nach EU-VO 726/2004 eine Registrierung (“PD Notice“) im Register of Parallel Distribution Notices der EMA https://iris.ema.europa.eu/registerpd/) mit Zielland Osterreich vorzulegen sowie

?        eine Erklärung vom Impfstoffhersteller über ausgelieferte Mengen des angebotenen Impfstoffes im EWR beizubringen (siehe Formblatt Erklärung Hersteller).

6.4 Bemusterung

131 Die BBG wird Teile der ausgeschriebenen Produkte einer Bemusterung unterziehen. In diesem Fall sind die angebotenen Produkte auf Anforderung durch die BBG für diese kostenlos an folgender Adresse bereit zu stellen:

132 Durch die Bemusterung soll sichergestellt werden, dass der Bieter tatsächlich in der Lage ist, die angebotene Leistung zu erbringen. Die Musterstücke sind kein Bestandteil des Angebotes und ändern das Angebot nicht ab.

134 Im Falle einer Nichtvorlage zur Bemusterung trotz Aufforderung, wird das betreffende Angebot ausgeschieden. Auch im Falle der nicht zeitgerechten Vorlage auch nur einer der zu bemusternden Positionen, wird das betreffende Angebot ebenfalls ausgeschieden.

135 Im Falle einer Bemusterung sind folgende Produkte in den angegebenen Stückzahlen vorzulegen:

2 Stück (2 Dosen) des jeweiligen angebotenen Impfstoffes

136 Die Teilnahme der Bieter an der Bemusterung ist nicht vorgesehen.

137 Die BBG behält sich vor erforderlichenfalls externe Sachverständige mit der Prüfung der Muster zu befassen. Die Bemusterung kann erforderlichenfalls auch zerstörend wirken.

138 Wird im Zuge der Bemusterung festgestellt, dass die Musterstücke die geforderten und angebotenen Spezifikationen nicht aufweisen, so hat der Bieter innerhalb einer Nachfrist von max. 5 Werktagen (Montag bis Freitag) ein entsprechendes Musterstück nachzuliefern. Die Nichteinhaltung dieser Frist bzw. die Vorlage eines neuerlich fehlerhaften Musterstückes führt zwingend zum Ausscheiden des Angebotes.

139 Die Musterstücke werden bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens bzw. bis zum rechtskräftigen Ausscheiden des betroffenen Bieters von der BBG verwahrt. Danach werden die Musterstücke wieder freigegeben und sind innerhalb von 2 Wochen vom Bieter abzuholen. Andernfalls werden diese auf Gefahr und Kosten des Bieters zurückgestellt.

6.5 Bewertung der Angebote

6.5.1 Zuschlagskriterien

140 Die Bewertung erfolgt nach dem Billigstangebotsprinzip. Einziges Zuschlagskriterium ist der bewertungsrelevante Gesamtpreis, die Rahmenvereinbarung wird daher je Los mit jenem nicht auszuscheidenden Bieter geschlossen, dessen Angebot den niedrigsten bewertungsrelevanten Preis aufweist.

6.6 Angebotsbindefrist

147 Die Frist zur Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung geschlossen werden soll, endet 5 Monate nach Ende der Angebotsfrist. Die Bieter sind an ihr Angebot bis zum Ende dieser Frist gebunden. Der Auftraggeber beabsichtigt jedoch, die Entscheidung bis September 2020 zu treffen.“

1.3. Die Kommerziellen Ausschreibungsbedingungen (im Folgenden „RVB“) lauten auszugsweise (Zahlen links sind Randnummern aus den RVB) (Vergabeakt):

„3 Bestandteile der Rahmenvereinbarung

10 Die Rahmenvereinbarung besteht aus dieser Vertragsurkunde und den nachstehenden Beilagen, die einen integrierenden Vertragsbestandteil bilden

?        unterfertigter Angebotshauptteil samt Bietererklärungen

?        Ausgefülltes Leistungsverzeichnis gemäß Angebot des Auftragnehmers

?        Beilage „Erläuterung Lieferantenvorlage“

?        Sonstige Bestandteile des Angebotes des Auftragnehmers

?        Muster für Bericht an die BBG [xls-file, wird dem Auftragnehmer mit Zuschlagserteilung übermittelt]

?        Allgemeine Ausschreibungsbedingungen (AAB)

?        allfällige Fragenbeantwortungen und Berichtigungen

?        Kundenliste der BBG

11 Allfällige allgemeine Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers oder branchenübliche Geschäftsbedingungen werden nicht Vertragsinhalt.

4.2 Mengengerüst

21 Der Auftragnehmer ist zu einem Basis-Stockpile (Mindestlagerstand) eines 2-fachen Monatsbedarfs zu Beginn sowie laufend in der Laufzeit der Rahmenvereinbarung verpflichtet, um im Falle eines Ausbruchs auf Reserven zurückgreifen zu können.

8.3 Terminplan

121 Der Auftragnehmer muss ab dem in der Mitteilung, mit wem die Rahmenvereinbarung abgeschlossen wird, bekannt gegebenen Datum mindestens eine Monatsmenge - d.h. ein Zwölftel des geschätzten Jahresbedarfs gem. Punkt 4.2 - zugelassener und chargengeprüfter Impfstoffe lagernd haben und im Falle entsprechender Abrufe diese innerhalb der Lieferfristen gem. Punkt 8.2 ausliefern können.

13 Vertragsdauer und Vertragsbeendigung

13.1 Laufzeit der Rahmenvereinbarung

209 Die Rahmenvereinbarung kommt mit Abschlusserklärung ab dem in dieser Erklärung bekannt gegebenen Datum zustande und wird für eine Dauer von 3 Jahren abgeschlossen. Innerhalb dieses Zeitraumes ist der Zuschlag von Einzelaufträgen möglich. Die abgerufene Leistung muss jedoch nicht zwingend innerhalb der Laufzeit der Rahmenvereinbarung erbracht werden.“

1.4. Die zweite Fragebeantwortung der Auftraggeberin vom 30.07.2020 lautet auszugsweise (Vergabeakt):

„Sämtliche eingegangene Anfragen werden von der BBG gemeinsam und anonymisiert beantwortet. Hiermit wird diese Fragebeantwortung und Berichtigung im Sinne der Gleichbehandlung an alle Bieter übermittelt

Frage an die BBG:

Rz 21 der RVB gibt vor, dass der Auftragnehmer zu einem Basis-Stockpile (Mindestlagerbe-stand) eines 2-fachen Monatsbedarfs zu Beginn sowie laufend in der Laufzeit der Rahmen-vereinbarung verpflichtet ist.

Bitte um Bestätigung, dass mit 2-fachem Monatsbedarf jeweils ein Sechstel des unter Rz 15 genannten geschätzten Jahresbedarfs der 3 Lose gemeint ist.

Rz 121 der RVB sieht demgegenüber in Widerspruch zu Rz 21 vor, dass ab Mitteilung, mit wem die Rahmenvereinbarung abgeschlossen wird, nur mindestens eine Monatsmenge – d.h. ein Zwölftel des geschätzten Jahresbedarfs gem. Punkt 4.2 lagernd zu haben ist. Wir gehen davon aus, dass es sich um einen Fehler handelt und es zwei Monatsmengen und ein Sechstel heißen muss. Bitte um Berichtigung

Antwort der BBG:

RZ 121 der RVB betrifft die Zeit zwischen Bekanntwerden des Auftragnehmers bzw. Ab-schluss der Rahmenvereinbarung und dem bekannt gegebenen Beginn der Vertragslaufzeit; hier wird eine Monatsmenge als Mindestlagerstand gefordert.

RZ 21 der RVB betrifft die restliche Vertragszeit mit einer 2-fachen Monatsmenge als Min-destlagerstand.

Der Monatsbedarf errechnet sich vom geschätzten Jahresbedarf (Randziffer 15 der RVB).“

1.5. Zu Los 2 wurden die folgenden Angebote abgegeben (Vergabeakt, allgemeine Auskünfte der Auftraggeberinnen):

?         XXXX (Antragstellerin)

?         XXXX (präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin)

1.6. Das Angebot der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin bezog sich auf den Impfstoff mit dem Handelsnamen „ XXXX “. XXXX ist in der Europäischen Union zugelassen. Die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin brachte mit dem Angebot den Nachweis der Arzneimittelzulassung sowie der letztgültigen Fachinformation und erbrachte die in Bezug auf die Betriebsstätten geforderten Nachweise gemäß Punkt 5.3.2. AAB. Dem Angebot der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin lagen die Formblätter „technische Leistungsfähigkeit“ und „Erklärung des Herstellers“ ausgefüllt (letzteres zusätzlich in unterschriebener Form) bei (Vergabeakt). Das Formblatt „Erklärung des Herstellers“ der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin lautete auszugsweise (Vergabeakt):

„Die

(Name und Sitz der Organisation inkl. Firmenbuch- oder Vereinsregister- oder ähnliche Identifikationsnummer)

erklärt hiermit, dass sie die vom Auftraggeber in der Ausschreibung

Kinderimpfstoffe – Diphterie Tetanus Pertussis Polio, Meningokokken ACWY, Hepatitis B, GZ 3701.03415

verlangten ausgelieferten Mengen pro Jahr (AAB, Punkt 5.3 technische Leistungsfähigkeit)

beibringen kann.

Es wurden innerhalb der letzten 3 Jahre durchschnittlich pro Jahr folgende Mengen an

ausschreibungsgegenständlichen Impfstoffe im EWR ausgeliefert:

…“

1.7. Die vergebende Stelle forderte die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin mit Schreiben vom 19.10.2020 zur Bemusterung in Form der Vorlage von 2 Stück (2 Dosen) des angebotenen Impfstoffes auf (Vergabeakt).

1.8. Die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin legte die Bemusterungsstücke am 29.10.2020 der vergebenden Stelle vor. Das Begleitschreiben der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin zur Bemusterung lautete auszugsweise (Vergabeakt):

„Sehr geehrtes Ausschreibungs-Management Team,

wir haben zur Bemusterung 2 Packungen deutscher Ware vorgesehen, nachdem die österreichische Packung erst nach dem Zuschlag produziert wird.

….“

1.9. Die Auftraggeberin prüfte die vorgelegten Muster und hielt im Prüfprotokoll dazu auszugsweise fest (Vergabeakt):

„Es wurden zur Bemusterung 2 Packungen deutscher Ware vorgelegt nachdem die österreichische Packung erst nach dem Zuschlag produziert wird. Dies entspricht der Anforderung zur Bemusterung und stellt keinen Widerspruch dar.

Die Muster entsprechen vollumfänglich den Forderungen zur Bemusterung. Es bestehen keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit. Insbesondere deshalb, da der Impfstoff im EWR-Raum verfügbar ist. Der Status im BASG sagt lediglich aus, dass er derzeit in Österreich nicht in Verkehr gebracht wird, jedoch nicht, dass er nicht lieferbar/zugelassen ist.“

1.10. Die Herstellung der Verpackung des Impfstoffes XXXX entsprechend den österreichischen Standards dauert wenigstens einige Tage und erfolgt – den branchenüblichen Standards entsprechend – erst spät im Prozess der Bereitstellung eines Impfstoffes zur Auslieferung. Die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin ging davon aus, dass die Laufzeit der Rahmenvereinbarung am 01.02.2021 beginnen würde. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht waren die Verpackungen für XXXX entsprechend den österreichischen Standards bereits produziert.

1.11. Die Auswahlentscheidung, mit welchem Partner die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, wurde am 20.11.2020 an die Bieter über die Vergabeplattform übermittelt. Der in Aussicht genommene Partner der Rahmenvereinbarung im verfahrensgegenständlichen Los 2 ist XXXX Vergabeakt). Die Auswahlentscheidung vom 20.11.2020 enthielt keine Angaben zum Beginn der Laufzeit der Rahmenvereinbarung.

1.12. Am 23.11.2020 und am 23.12.2020 schien der Impfstoff XXXX in der Liste der Meldungen zu Vertriebseinschränkungen von Arzneispezialitäten gemäß Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung, BGBl. II Nr. 30/2020 idgF als „nicht verfügbar“ auf (Liste Vertriebseinschränkungen von Arzneispezialitäten gesamt (basg.gv.at).

1.13. Die Auftraggeberinnen haben das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt (Vergabeakt, Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberinnen).

1.14. Die Antragstellerin entrichtete EUR 19.440,00 an Pauschalgebühren.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammer genannten Quellen, insbesondere aus dem von der vergebenden Stelle auf einem USB Stick vorgelegten Vergabeakt. Diese sind die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberinnen vertreten durch die vergebende Stelle erteilen können.

2.2. Die Echtheit und Richtigkeit von herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Diese Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche in den Unterlagen traten nicht auf.

2.3. Die vergebende Stelle beantragte mit Schriftsatz vom 02.12.2020 sämtliche nicht die Antragstellerin selbst betreffenden Unterlagen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin auszunehmen.

2.4. Das Recht auf Akteneinsicht ist in Bezug auf jene Angaben und Unterlagen eingeschränkt, die als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzusehen sind. Dabei handelt es sich um Tatsachen und Erkenntnisse kommerzieller oder technischer Art, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt sind, nicht über diesen Kreis hinausdringen sollen und an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht (OGH 20. 5. 2014, 4 Ob 55/14p). Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist ein allgemeiner Grundsatz (EuGH 14. 2. 2008, C-450/06, Varec, Rn 49). § 337 BVergG 2018 räumt den Parteien des Nachprüfungsverfahrens die Möglichkeit ein, bei der Vorlage von Unterlagen zu verlangen, diese vertraulich zu behandeln. Der Schutz der Vertraulichkeit im Nachprüfungsverfahren richtet sich nach § 17 Abs. 3 AVG iVm § 337 BVergG 2018 (VwGH 22. 5. 2012, 2009/04/0187; 9. 4. 2013, 2011/04/0207). Die abschließende Beurteilung, welche Unterlagen vertraulich zu behandeln sind, obliegt dem Bundesverwaltungsgericht (zu § 21 Abs 2 VwGVG siehe VfGH 2. 7. 2015, G 240/2014). Die vertrauliche Behandlung von Unterlagen und Informationen bedingt auch, dass sie entsprechend dem Grundsatz des fairen Verfahrens in Art 6 EMRK und Art 47 GRC nicht in die Feststellungen des Erkenntnisses aufgenommen werden können.

Welche Informationen dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unterliegen, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen. § 17 Abs. 3 AVG schützt Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Hanslik, Parteiengehör und Geheimnisschutz im Verwaltungsverfahren [2013], 106) und ist dabei im gegebenen unionsrechtlichen Zusammenhang im Licht von - nun - Art 47 und Art 51 GRC, die Art 6 und Art 8 EMRK entsprechen, auszulegen (VwGH 9. 4. 2013, 2011/04/0207). Dabei sind diese beiden Grundrechte gegeneinander abzuwägen, um einerseits ein faires Verfahren zu gewährleisten und andererseits schützenswerte Informationen nicht offenzulegen (EuGH 14. 2. 2008, C-450/06, Varec, Rn 51; VwGH 22. 5. 2012, 2009/04/0187; 9. 4. 2013, 2011/04/0207). Nach dem Modell des Europäischen Gerichtshofs kann das Gericht in alle Informationen einsehen und dann entscheiden, welche Tatsachen es geschwärzt oder ungeschwärzt in seinen Akt nimmt und damit den Parteien des Nachprüfungsverfahrens zugänglich macht (SA GA Eleanor Sharpston 25. 10. 2007, C-450/06, Varec, Rn 51).

2.5. Vor diesem Hintergrund ist auf die Feststellungen betreffend die Bemusterung und Auszüge aus dem Prüfprotokoll betreffend die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin wie folgt einzugehen:

Dass die Auftraggeberinnen die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin zur Bemusterung des angebotenen Impfstoffes aufforderten, legte die vergebende Stelle selbst in der Stellungnahme vom 04.12.2020 offen.

Die auszugsweise Wiedergabe des Begleitschreibens der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin zur Bemusterung vom 29.10.2020 und die darin enthaltenen Bekanntgabe, dass „die österreichische Packung erst nach dem Zuschlag produziert wird“ sind schon deshalb keine vertraulichen Informationen, weil dies von der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin in der mündlichen Verhandlung der Antragstellerin offengelegt wurde (OZ 21, S. 11: „PRV gibt bekannt, dass eine geschwärzte Version des Protokolls nicht erforderlich ist, da keine zwingend vertraulich zu behandelnden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse erörtert wurden.“) und von einem Vertreter der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin als branchenüblich bestätigt wurden (OZ 21, S. 11).

Die Auszüge aus dem Prüfprotokoll der Auftraggeberinnen zur Bemusterung konnten in die Feststellungen aufgenommen werden, weil die darin enthaltenen Informationen mit dem Vorbringen der Auftraggeberinnen und der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin, wonach im Vergabeverfahren keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin bestanden, übereinstimmen. Dies wurde von den Parteien durchgehend vorgebracht (ua OZ 21, S. 8) und die im Prüfprotokoll enthaltenen Informationen gehen inhaltlich nicht über dieses Vorbringen hinaus. Dass zur Bemusterung zwei Packungen der deutschen Ware vorgelegt wurden steht im Einklang mit der Information, dass die Verpackung für die nach der Rahmenvereinbarung bestimmte Ware erst nach dem Abschluss der Rahmenvereinbarung geliefert werden würde.

Die Feststellungen zur Herstellungsdauer und dem Stand der Herstellung der Verpackung von XXXX beruhen auf den diesbezüglichen nachvollziehbaren und unbestrittenen Angaben der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin in der mündlichen Verhandlung. Die Branchenüblichkeit auch dieser Informationen wurde bestätigt und diese Informationen der Antragstellerin über das Protokoll der mündlichen Verhandlung offen gelegt (OZ 21 , S. 11).

Die Feststellung, dass die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin vom 01.02.2021 als Beginndatum der Rahmenvereinbarung ausging, ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung (OZ 21, S. 11).

Die Feststellungen zur Verfügbarkeit von XXXX gemäß der Liste der Meldungen zu Vertriebseinschränkungen von Arzneispezialitäten gemäß Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung, BGBl. II Nr. 30/2020 am 23.11.2020 und am 23.12.2020 beruhen auf der Einsicht in dieses öffentlich verfügbare Register (abrufbar unter https://medicineshortage.basg.gv.at/vertriebseinschraenkungen/faces/) in Verbindung mit dem diesbezüglich unbestrittenen Vorbringen der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag.

Es waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe des Antrages auf Nichtigerklärung

3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur Zulässigkeit des Antrages

3.1.1. Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 328 Abs 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Nachprüfungsantrag zu entscheiden. Somit liegt Senatszuständigkeit vor.

3.1.2. Auftraggeberinnen im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 sind die Republik Österreich (Bund), die Bundesbeschaffung GmbH sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der Kundenliste zur Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415. Sie sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 und 2 BVergG 2018. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 6 BVergG 2018 um einen Lieferauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018 in der Fassung der Kundmachung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend die von der Europäischen Kommission festgesetzten Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren ab 1. Jänner 2020 (BGBl II. Nr. 358/2019), sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Da das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag (in Form des Abschlusses der Rahmenvereinbarung) noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers zuständig.

3.1.3. Die Auftraggeberinnen führen ein offenes Verfahren auf elektronischem Weg. Das Vergabeverfahren befindet sich im Stadium nach Bekanntgabe der Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung. Die Entscheidung vom 20.11.2020, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, ist eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit a sublit jj BVergG 2018. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung vom 20.11.2020 wurde am 27.11.2020, somit innerhalb der Frist des § 343 Abs. 1 BVergG 2018 (10 Tage) eingebracht. Die Antragstellerin entrichtete die Pauschalgebühren in der erforderlichen Höhe (§ 340 Abs. 1 Z 1 und 3 BVergG 2018 iVm §§ 1, 2 Abs 2 BVwG-Pauschalgebührenverordnung Vergabe 2018, BGBl II Nr 212/2018 – Lieferaufträge im Oberschwellenbereich, Überschreitung des relevanten Schwellenwertes durch den geschätzten Auftragswert um mehr als das 20fache). Ein Grund für eine Unzulässigkeit gemäß § 344 Abs. 2 BVergG 2018 liegt somit nicht vor. Der Antrag enthält alle in § 344 Abs. 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

Die Antragsvoraussetzungen gemäß § 342 Abs. 1 BVergG 2018 liegen bei der Antragstellerin bezüglich des Antrages auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung vor. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Abschluss der Rahmenvereinbarung im Nachprüfungsantrag plausibel behauptet. Die Antragstellerin brachte vor, dass die ausgeschriebenen Leistungen auch deshalb in ihrem Interesse liegen, weil sie zum Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit vielfach Referenzprojekte, die von der öffentlichen Hand beauftragt werden, nachweisen muss. Darüber brachte die Antragstellerin Kosten durch die Entrichtung der Pauschalgebühr sowie von rund EUR 3.000,00 für die rechtsfreundliche Vertretung im Nachprüfungsverfahren plausibel vor. Das diesbezügliche Vorbringen wurde nicht bestritten.

3.1.4. Die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH ist eine zentrale Beschaffungsstelle gemäß § 2 Z 47 BVergG 2018. Sie hat bisher das gesamte Vergabeverfahren in Vertretung der Auftraggeberinnen geführt. Sie ist daher gemäß § 346 Abs 1 BVergG 2018 anstelle der Auftraggeberinnen Partei des Nachprüfungsverfahrens.

3.1.5. Der Antrag wurde im Ergebnis rechtzeitig eingebracht, ordnungsgemäß vergebührt, enthält alle notwendigen Inhalte und ist damit zulässig.

3.2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BVergG 2018 lauten:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:

22.      Kriterien:


c)         Eignungskriterien sind die vom Auftraggeber festgelegten, nicht diskriminierenden, mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehenden und zu diesem verhältnismäßigen Mindestanforderungen betreffend die Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit (Eignung) an den Bewerber oder Bieter, die gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nachzuweisen sind.
d)         Zuschlagskriterien bzw. Zuschlagskriterium
aa)         sind bei der Wahl des technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebotes die niedrigsten Kosten oder die vom Auftraggeber im Verhältnis oder ausnahmsweise in der Reihenfolge ihrer Bedeutung festgelegten, nicht diskriminierenden und mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehenden Kriterien, nach welchen das für den Auftraggeber technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird; die Zuschlagskriterien dürfen dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Wahlfreiheit übertragen und müssen die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbes gewährleisten und mit Spezifikationen einhergehen, die eine wirksame Überprüfung der von den Bietern übermittelten Informationen gestatten, damit bewertet werden kann, wie gut die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen, oder
bb)         ist bei der Wahl des Angebotes mit dem niedrigsten Preis der Preis.

Zuschlagskriterien stehen gemäß sublit. aa mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung, wenn sie sich in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Stadium des Lebenszyklus auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Leistungen beziehen. Dies schließt Faktoren ein, die mit dem bestimmten Prozess der Herstellung oder der Bereitstellung der zu erbringenden Leistung oder des Handels damit oder einem bestimmten Prozess in Bezug auf ein anderes Stadium des Lebenszyklus zusammenhängen, auch wenn derartige Faktoren sich nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken.

Grundsätze des Vergabeverfahrens

§ 20. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

2. Unterabschnitt

Eignungsanforderungen und Eignungsnachweise

Zeitpunkt des Vorliegens der Eignung

§ 79. Unbeschadet des § 21 Abs. 1 muss die Eignung spätestens
1.         beim offenen Verfahren zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung,

vorliegen.

Inhalt der Ausschreibungsunterlagen

§ 91. (1) In den Ausschreibungsunterlagen ist der öffentliche Auftraggeber oder sind der öffentliche Auftraggeber und die vergebende Stelle genau zu bezeichnen sowie anzugeben, ob die Vergabe der ausgeschriebenen Leistung nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für den Ober- oder den Unterschwellenbereich und der dazu ergangenen Verordnungen erfolgt und welche Vergabekontrollbehörde für die Kontrolle dieses Vergabeverfahrens zuständig ist.

(2) In den Ausschreibungsunterlagen ist auf das allfällige Erfordernis einer behördlichen Entscheidung für die Zulässigkeit der Ausübung einer Tätigkeit in Österreich sowie auf die Verpflichtung gemäß § 21 Abs. 1 ausdrücklich hinzuweisen.

(3) In die Ausschreibungsunterlagen sind die als erforderlich erachteten Nachweise gemäß den §§ 80 bis 82, 84, 85 und 87 aufzunehmen, soweit sie nicht bereits in der Bekanntmachung angeführt waren.

3. Unterabschnitt

Bestimmungen über den Leistungsvertrag

Vertragsbestimmungen

§ 110. (1) Soweit sich die Vertragsbestimmungen nicht schon aus der Beschreibung der Leistung ergeben, sind sie eindeutig und so umfassend festzulegen, dass ein eindeutiger Leistungsvertrag zustande kommen kann. Für folgende Angaben sind erforderlichenfalls eigene Bestimmungen im Leistungsvertrag festzulegen:
1.         Erfüllungszeiten und allfällige Fixgeschäfte;
2.         Vertragsstrafen (Pönale);
3.         Sicherstellungen;
4.         Arten der Preise; bei veränderlichen Preisen sind – sofern entsprechende ÖNORMEN nicht vorhanden und für anwendbar erklärt worden sind – die Regeln und Voraussetzungen festzulegen, die eine eindeutige Preisumrechnung ermöglichen;
5.         Mehr- oder Minderleistungen;
6.         Prämien;
7.         Vorauszahlungen;
8.         Anzuwendendes Recht und Gerichtsstand;
9.         Bestimmungen über Schiedsgerichtsbarkeit;
10.         Besonderheiten im Zusammenhang mit der technischen Ausführung;
11.         Abweichungen von allgemein anerkannten oder üblichen Ausführungsregeln;
12.         Art der Prüfung der Einhaltung bestimmter Vorschreibungen, zB hinsichtlich der Güte des Materials;
13.         Bedingungen insbesondere wirtschaftlichen, innovationsbezogenen, sozialen (wie zB frauen-, behinderten-, sozial- und beschäftigungspolitische Belange) oder ökologischen Inhaltes, die während der Erbringung der Leistungen zu erfüllen sind, sofern diese Bedingungen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und bereits in der Ausschreibung bekannt gemacht worden sind; besondere Bedingungen für Arbeits- oder Bietergemeinschaften müssen sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sein;
14.         Material, das im Zuge der Ausführung der Leistung anfällt (Eigentumsverhältnis, Verbringung, Verwendung, Vergütung);
15.         Verpackung;
16.         Erfüllungsort;
17.         Teil- und Schlussübernahme;
18.         Abrechnung, Rechnungslegung, Zahlung und Verzugszinsen;
19.         Leistungen zu Regiepreisen (zB Zulässigkeit, Nachweis);
20.         Rückstellung von Ausschreibungs- oder Angebotsunterlagen und von Ausarbeitungen gemäß § 27 Abs. 5 oder 6;
21.         Vergütung von besonderen Ausarbeitungen im Zuge der Angebotserstellung;
22.         Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums;
23.         Verwertung von Ausarbeitungen gemäß § 27 Abs. 4;
24.         Gewährleistung und Haftung;
25.         Versicherungen;
26.         Voraussetzungen, bei deren Vorliegen der Vertrag aufgelöst werden kann bzw. aufgelöst werden muss.

(2) Der öffentliche Auftraggeber kann weitere Festlegungen für den Leistungsvertrag treffen. Bestehen für die Vertragsbestimmungen geeignete Leitlinien, wie ÖNORMEN oder standardisierte Leistungsbeschreibungen, so ist auf diese Bedacht zu nehmen.

Vorgehen bei der Prüfung

§ 135. (1) Die Prüfung der Angebote erfolgt in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien.

(2) Bei Angeboten, die für eine Zuschlagserteilung in Betracht kommen, ist im Einzelnen zu prüfen:
1.         ob den in § 20 Abs. 1 angeführten Grundsätzen entsprochen wurde;
2.         nach Maßgabe der §§ 80 bis 87 die Eignung des Bieters bzw. – bei der Weitergabe von Leistungen – der namhaft gemachten Subunternehmer hinsichtlich des diese betreffenden Auftragsteiles;
3.         ob das Angebot rechnerisch richtig ist;
4.         die Angemessenheit der Preise;
5.         ob das Angebot den sonstigen Bestimmungen der Ausschreibung entspricht, insbesondere ob es formrichtig und vollständig ist.

Ausscheiden von Angeboten

§ 141. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber aufgrund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:
1.         Angebote von Bietern, die von der Teilnahme am Vergabeverfahren gemäß § 25 auszuschließen sind, oder
2.         Angebote von Bietern, deren Eignung nicht gegeben ist, oder
3.         Angebote, die eine – durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte – nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen, oder
4.         Angebote, bei denen der Bieter keine Preise angibt, sondern nur erklärt, das billigste Angebot um einen bestimmten Prozentsatz oder Wert zu unterbieten, oder
5.         Angebote, bei denen ein Vadium verlangt wurde, dessen Nachweis bei Angebotsöffnung jedoch fehlt, oder
6.         verspätet eingelangte Angebote, oder
7.         den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ-, Varianten- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, oder
8.         rechnerisch fehlerhafte Angebote, die gemäß den Festlegungen in der Ausschreibung nicht weiter zu berücksichtigen sind, oder
9.         Angebote von nicht aufgeforderten Bietern, oder
10.         Angebote von Bietern, die nachweislich Interessen haben, die die Ausführung des Auftrages beeinträchtigen können, oder
11.         Angebote von Bietern, bei denen dem öffentlichen Auftraggeber im Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung bzw. des Ablaufes der gemäß § 131 Abs. 3 gesetzten Nachfrist
a)         keine für die Zulässigkeit der Ausübung einer Tätigkeit in Österreich erforderliche behördliche Entscheidung, oder
b)         kein Nachweis darüber, dass die gemäß einer Entscheidung nach lit. a notwendige Berufsqualifikation erworben wurde, oder
c)         kein Nachweis darüber, dass vor Ablauf der Angebotsfrist ein auf Einholung einer Entscheidung nach lit. a gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist, oder
d)         eine behördliche Entscheidung, die die Zulässigkeit der Ausübung einer Tätigkeit in Österreich ausschließt,

vorliegt.

(2) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung kann der öffentliche Auftraggeber Angebote von Bietern ausscheiden, die es unterlassen haben, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärungen einer nachvollziehbaren Begründung entbehren. Von einem Bieter, der im Gebiet einer anderen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder in der Schweiz ansässig ist, können auch Aufklärungen über die Zulässigkeit der Ausübung der Tätigkeit in Österreich verlangt werden.

(3) Der öffentliche Auftraggeber hat den Bieter vom Ausscheiden seines Angebotes unter Angabe des Grundes zu verständigen.

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1.         er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2.         ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers

§ 347. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn
1.         sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und
2.         die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

(2) Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in der Ausschreibung in Betracht.

(3) Erklärt das Bundesverwaltungsgericht eine gesondert anfechtbare Entscheidung für nichtig, ist der Auftraggeber verpflichtet, in dem betreffenden Vergabeverfahren mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.“

3.2.2. Die Antragstellerin begründet die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Auswahlentscheidung damit, dass die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin die „Muss- bzw. Mindestanforderungen“ der Ausschreibungsbedingungen nicht erfüllt, weil der Impfstoff XXXX im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Auswahlentscheidung in Österreich laut Liste der Meldungen zu Vertriebseinschränkungen von Arzneispezialitäten gemäß Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung, BGBl. II Nr. 30/2020 („Verordnung zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung“) nicht verfügbar war. Im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung sei keine einzige Packung XXXX in Österreich verfügbar gewesen. Aus diesem Grund liege kein ausschreibungskonformes Angebot vor und das Angebot sei auszuscheiden gewesen.

Hinzu komme, dass die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin den nach RZ 21 und RZ 121 RVB geforderten Mindestlagerbestand vor dem Hintergrund der fehlenden Verfügbarkeit von XXXX in Österreich nicht erfüllen könne. Die Auftraggeberinnen hätten offensichtlich keine Überprüfung der Lieferfähigkeit der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin durchgeführt.

3.2.3. Die vergebende Stelle brachte zusammengefasst vor, die von einem Hersteller gemeldete Vertriebseinschränkung erlaube keine Rückschlüsse darauf, aus welchen konkreten Gründen der Impfstoff aktuell nicht verfügbar ist und innerhalb welchen Zeitraumes der Hersteller daher in der Lage sei, die Verfügbarkeit wiederherzustellen. Die Auftraggeberinnen hätten anhand der in den Ausschreibungsunterlagen definierten Kriterien die Leistungsfähigkeit der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin geprüft und keinerlei Mängel festgestellt. Die Zweifel der Antragstellerin über die faktische Fähigkeit der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin, die entsprechenden zivilrechtlichen Bestimmungen in der Folge auch erfüllen zu können, seien nicht nachvollziehbar und mangels entsprechender Kriterien in den Ausschreibungsunterlagen jedenfalls nicht Gegenstand einer vergaberechtlichen Prüfung.

In der mündlichen Verhandlung brachte die vergebende Stelle zusammengefasst vor, dass der Lagerstand gemäß Punkt 8.3. (RZ 121) RVB nicht in der „juristischen Sekunde“ des Abschlusses der Rahmenvereinbarung vorhanden sein müsste, sondern innerhalb einer angemessenen Frist hergestellt werden müsste. Die Verpflichtung stelle auf den Zeitraum bis zu Beginn der bekannt gegebenen Vertragslaufzeit ab (OZ 21, S. 7).

3.2.4. Die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin brachte zusammengefasst vor, die von der Antragstellerin als Muss-Kriterium beschriebenen Verpflichtungen seien keine Eignungskriterien. Der Mindestlagerstand sei eine Vertragspflicht, die mit dem Abschluss der Rahmenvereinbarung eintrete, jedoch kein Ausschlussgrund für das Vergabeverfahren sein könne. Aus diesem Grund würden die allgemeinen Ausschreibungsbedingungen auch keinen entsprechenden Nachweis vorsehen, der im Zuge der Vergabeentscheidung zu prüfen wäre. Bezüglich der Verpflichtung zur Lagerhaltung einer Monatsmenge gemäß Punkt 8.3. (RZ 121) RVB schloss sich die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin dem Vorbringen der vergebenden Stelle an. Dieser Verpflichtung sei innerhalb einer angemessenen Frist und nicht im Zeitpunkt des Abschlusses der Rahmenvereinbarung nachzukommen (OZ 21, S. 9).

3.2.5. Vorauszuschicken ist, dass die Beurteilung der Angebote in erster Linie anhand der bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen erfolgt (zB EuGH 10. 10. 2013, C-336/12, Manova, Rn 42 mwN; 2. 6. 2016, C-27/15, Pippo Pizzo, Rn 36 mwN; 11. 5. 2017, C-131/16, Archus und Gama, Rn 33; VwGH 18. 9. 2019, Ra 2018/04/0007; 15. 3. 2017, Ra 2014/04/0052; BVwG 26. 3. 2014, W187 2001000-1/30E). Die Ausschreibung wurde im gegenständlichen Vergabeverfahren nicht angefochten. Sie ist daher bestandsfest geworden und alle am Vergabeverfahren Beteiligten sind daran gebunden (st Rspr zB VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065). Die von einem öffentlichen Auftraggeber festgelegten Kriterien sind von ihm selbst strikt einzuhalten (EuGH 14.12.2016, C-171/15 Connexxion Taxi Services, Rn 38). Zudem verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass die an einer öffentlichen Ausschreibung interessierten Wirtschaftsteilnehmer bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben müssen, dass sie genau erkennen können, welche Bedingungen sie in dem Verfahren zu beachten haben, und dass sie die Gewissheit haben können, dass für alle Wettbewerber die gleichen Bedingungen gelten (EuGH 14.12.2016, C-171/15 Connexxion Taxi Services, Rn 39, EuGH 02.06.2016, C-27/15, Pippo Pizzo, Rn. 36).

Die Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen hat nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt zu erfolgen. Im Zweifel sind Festlegungen in den Ausschreibungsbestimmungen gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck kommt es nicht an. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert (VwGH 01.02.2017, Ro 2016/04/0054). Das über die Ausschreibungsunterlagen Gesagte gilt ebenso für alle anderen Festlegungen des Auftraggebers im Zuge des Vergabeverfahrens (BVwG 1. 8 .2014, W187 2008946-1/23E). Damit ist der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsunterlagen und aller anderen Erklärungen zu ermitteln.

3.2.6. Im konkreten Fall ist zunächst zu klären, ob die ABB und die RVB dahingehend zu verstehen sind, dass Bieter nach Bekanntgabe der Auswahlentscheidung bis zum Abschluss der Rahmenvereinbarung und danach einen bestimmten Mindestlagerbestand des vergabegegenständlichen Impfstoffes lagernd haben müssen und ob die in den RVB festgelegten Mindestlagerbestände Eignungskriterien zur Bestimmung der technischen Leistungsfähigkeit sind.

3.2.7. Nach Ansicht des erkennenden Senates sind die relevanten Bestimmungen der AAB und der RVB durch einen durchschnittlich fachkundigen Bieter wie folgt zu verstehen:

3.2.7.1. Zu den Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen (AAB):

Die AAB legen in Punkt 5 Eignungskriterien für die am Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmer fest. Gemäß Punkt 5.1. AAB (RZ 66) sind Unternehmen geeignet, die befugt, technisch, finanziell und wirtschaftlich leistungsfähig sowie zuverlässig sind. Die Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit werden in Punkt 5.3. AAB folgendermaßen definiert. Als „Mindestniveau der technischen Leistungsfähigkeit für die Erbringung der Leistungen“ verlangt Punkt 5.3.1. AAB (RZ 81 ff), dass der Bieter innerhalb des EWR über zumindest eine gem. § 63 AMG idgF bzw. gemäß vergleichbarer EU-Arzneimittelgesetzgebung bewilligte Betriebsstätte zum Inverkehrbringen der ausschreibungsgegenständlichen Arzneispezialität verfügen müssen. Der Bieter hat für jede Betriebsstätte, in der die ausschreibungsgegenständliche Arzneispezialität tatsächlich hergestellt, kontrolliert und in Verkehr gebracht wird, über ein EU-konformes gültiges Good-Manufacturing Practice (GMP) bzw. Good-Distribution Practice (GDP) – Zertifikat und eine aufrechte Betriebsbewilligung iSd §§ 63 bzw. 65 AMG idgF bzw. eine entsprechende Bewilligung iSd Arzneimittelgesetzgebung der EU, die den pharmazeutischen Unternehmer zur Herstellung, zur Kontrolle und zum Inverkehrbringen der gegenständlichen Arzneimittelspezialität berechtigt, zu verfügen. Die angebotene Arzneimittelspezialität muss in Österreich übe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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