Entscheidungsdatum
25.11.2020Norm
BEinstG §14Spruch
L503 2236604-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a JICHA sowie den fachkundigen Laienrichter RgR PHILIPP über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 24.09.2020, XXXX , zu Recht erkannt:
A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Zitierung des Grades der Behinderung im Spruch des bekämpften Bescheides zu entfallen hat.
B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: „BF“) beantragte am 13.12.2019 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: „SMS“) die Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten.
2. Daraufhin holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und wurde der BF am 27.5.2020 von Dr. K. R. untersucht.
In dem in weiterer Folge von Dr. K. R. am 9.7.2020 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird eingangs zur Anamnese und den derzeitigen Beschwerden des BF wie folgt ausgeführt:
„Anamnese:
Feststellungsantrag.
Alle vorhandenen Befunde wurden eingesehen.
Vorgutachten von Dr. B. S., 09.08.2017, GdB 40%
1.: degenerative Wirbelsäulenveränderungen bei bestehenden Bandscheibenschäden und Einengung der Nervenaustrittspunkte, keine sensomotorischen Ausfälle, keine höhergradigen funktionellen Einschränkungen
2.: Schulterbeschwerden beidseits - mit mittelgradiger funktioneller Einschränkung und belastungsabhängigen Beschwerden bei Abnützungs- und Aufbrauchserscheinungen
3.: Restless legs-Syndrom mit Dauermedikation gut beherrschbar
4.: Hörminderung entsprechend Tonaudiogramm
5.: Bluthochdruck mit Kombinationspräparat gut eingestellt
Derzeitige Beschwerden:
Hr. K. berichtet über Kreuzschmerzen, die in das linke Bein ausstrahlen. Er sei deshalb schon mehrmals infiltriert worden.
Des Weiteren berichtet er über Schmerzen in der rechten Hüfte, Abnützungserscheinungen in den Schultergelenken, sowie ein Taubheitsgefühl in beiden Vorfüßen und Beschwerden durch ein Restless legs Syndrom.
Er spüre öfter ein thorakales Druckgefühl und er fühle sich nicht mehr so belastbar wie früher, es sei eine koronare Herzerkrankung bekannt.
Der Diabetes sei mit Medikamenten gut eingestellt, der HbA1c sei zuletzt 7,2% gewesen.“
Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen;
bei bestehenden Bandscheibenschäden und Einengung der Nervenaustrittspunkte. Keine sensomotorischen Ausfälle, keine höhergradigen funktionellen Einschränkungen, unverändert zum Vorgutachten;
02.01.02
30 vH
02
Schulterbeschwerden bds.;
mit mittelgradiger funktioneller Einschränkung und belastungsabhängigen Beschwerden bei Abnützungs- und Aufbrauchserscheinungen, unverändert zum Vorgutachten;
02.06.04
30 vH
03
Nicht insulinpflichtiiger Diabetes mellitus Typ II;
Medikamentöse Therapie;
09.02.01
20 vH
04
Restless legs Syndrom;
mit Dauermedikation gut beherrschbar;
04.11.01
20 vH
05
Koronare Herzkrankheit;
Angina pectoris-Beschwerden, Angiographie 2019: LC-Stamm
stenosefrei, LAD und CX stenosefrei, RCA 50%-ige Stenose, sklerotische
Veränderungen;
05.05.01
20 vH
06
Einschränkungen des Hörvermögens;
Laut Vorgutachten;
12.02.01
10 vH
07
Bluthochdruck;
Medikamentöse Therapie;
05.01.01
10 vH
08
Benigne Prostatahyperplasie, Urge-Symptomatik, erektile Dysfunktion;
Imperativer Harndrang mit tröpfchenweisem Harnverlust;
08.01.06
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
40 vH
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, führend sei Leiden Nummer 1 mit 30%. Leiden Nummer 2 steigere um eine Stufe, da es das Gesamtbild verschlechtere. Die weiteren Leiden würden wegen Geringfügigkeit nicht weiter steigern. Somit ergebe sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 40%.
Als Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wurde ausgeführt, neu hinzugekommene sei das Leiden Nummer 3 (Diabetes), Nummer 5 (KHK) und Nummer 8 (Prostatahyperplasie).
3. Mit Schreiben vom 13.7.2020 übermittelte das SMS dem BF das Gutachten von Dr. K. R. vom 9.7.2020, teilte ihm mit, dass ein Grad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt worden sei und die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten derzeit nicht vorliegen würden und räumte ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen zwei Wochen ein.
4. Mit Stellungnahme vom 28.7.2020 führte der BF aus, bei Pos.Nr. 02.01.02 sei ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt worden, was nicht dem tatsächlichen Zustand entspreche, da er die Schmerzen andauernd und nicht in Episoden habe bzw. ein Ausstrahlen und Taubheit in beiden Beinen (Vorfüße) habe; dieser Zustand würde laut Einschätzungsverordnung eine Erhöhung auf 40 % v.H. bewirken. Bei der Pos.Nr. 04.11.01 sei eine leichte Verlaufsform festgestellt worden, was nicht dem tatsächlichen Gesundheitsbild entspreche, da er seit Jahren an Schmerzen und psychischen Problemen leide. Trotz der täglichen Einnahme von Medikamenten habe er permanent Schmerzen, sodass auch hier eine Erhöhung des Grades der Behinderung auf 50 % v.H. laut Einschätzungsverordnung Pos.Nr. 04.11.03 angebracht sei.
Bei einem vorigen Feststellungsantrag vom 28.5.2017 sei auch ein Befund über seine Halswirbelsäule hinzugefügt worden, den der Arzt nicht beachtet habe. Auch in diesem Bereich habe der BF vermehrt starke Schmerzen und seit längerem ein Ausstrahlen in beide Arme inklusive damit verbundenem Taubheitsgefühl.
Beigelegt wurden der Stellungnahme ein „Ärztliches Gesundheitszeugnis“ eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 25.7.2020 sowie diverse medizinische Unterlagen.
5. Im Gefolge der Stellungnahme des BF holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten ein und wurde der BF am 11.9.2020 von Dr. B. G., Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, untersucht.
In seinem Gutachten vom 23.9.2020 führte der Gutachter sodann auszugsweise wie folgt aus:
„Derzeitige Beschwerden:
Der Patient berichtet einerseits über anhaltende starke Schmerzen in der unteren Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das linke Bein. Zusätzlich bestehen schmerzhaft Bewegungseinschränkung in beiden Schultergelenken, Gefühlsstörungen an den Fingern und an den Zehen bei langjähriger Zuckerkrankheit sowie eine erhebliche Schlafstörung durch das restless legs Syndrom.
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Alle vorhandenen Befunde wurden eingesehen.
Zusätzliche Befunde wurden nicht vorgelegt.
Digitale Radiografie HWS, BWS und LWS Röntgen Dr. Hannesschläger vom 2.3.2016 (VG)
Unko- und Intervertebralgelenksarthrose im Verlauf der HWS.
Flachbogige skoliotische Fehlhaltung der BWS mit Zeichen einer Spondylosteochondrose mit Hauptbefund Th8-Th12.
Verstärkte Lendenlordose, Intervertebralgelenksarthrose der unteren LWS-Segmente, inzipiente deformierende Spondylose, reaktionslose Höhenminderung L5/S1 als möglicher Hinweis auf lokale segmentale Diskopathie.
CT-Befund HWS vom 25.03.2016:
- Ossäre neuroforaminäre Engerstellung C6/C7, rechts deutlicher als links, diskreter C5/C6 linksbetonte
- Flache Bandscheibenprotrusion C3/C4.
MRT DER LWS Dr. Rachinger vom 26.4.2017 (VG)
Ergebnis:
L3/L4: Discopathie, geringes bulging.
L4/L5: Anuläre links betonte Protrusion.
L5/S1: Kein Prolaps.
Augenärztlicher Befund von Dr. R. S., 07.03.2019:
- Visus: cc rechtes Auge 1,2, und linkes Auge 0,8 ergibt laut Tabelle 0% Behinderung Röntgenbefund vom 29.06.2020
- Flachbogige linkskonvexe Skoliose der LWS mit verstärkter Lendenlordose.
- Intervertebralgelenksarthrose der unteren LWS-Segmente, inzipiente deformierende Spondylose im Verlauf.
- Reaktionslose Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes L5/S1 als möglicher Hinweis auf lokale segmentate Diskopathie
- Unauffälliger Röntgenstatus des linken Hüftgelenks
Ärztliches Gesundheitszeugnis AM Dr. L.-R. vom 25.07.2020:
Herr K. leidet an chron. Cervikobrachialgie bds bei bestehenden Bandscheibenvorfällen der Hws sowie chronischer Lumboischialgie mit Hyp/Parästbesien der UE. Erschwerend ist von einer diabetischen Polyneuropathie bei Dm2 auszugehen. Diesbezüglich ist der Patient widerkehrend hierorts in Behandlung, da eine ständige Beeinträchtigung der Lebenssituation/des Alltages vorliegt Auch berichtet der Patient von psychischer Belastung infolge seiner Grundleiden, durch welche er bei täglichen Handlungen beeinträchtigt wird.
[…]
Klinischer Status – Fachstatus:
Allergie: keine bekannt
Nikotin: 8 Stück täglich
Alkohol: negiert
FBA: Kniehöhe
Caput/Collum: keine Schluckbeschwerden, Hörgeräte beidseits, Gleitsichtbrille
Thorax: symmetrisch, unauffällige Atemexkursionen;
Pulmo: Vesikuläratmen beidseits (bds), keine Rasselgeräusche;
Cor: Herzaktion rein, rhythmisch und normofrequent, keine pathologischen Geräusche;
Abdomen: weich, kein Druckschmerz (DS), keine pathologischen Resistenzen palpabel,
Nierenlager bds. frei;
Miktion: berichtete Dranginkontinenz
Defäkation: unauffällig
Obere Extremitäten: eingeschränkte Schulterbeweglichkeit beidseits, aktiv Abduktion bis 60° und Anteversion bis 80° möglich, passiv weitgehend freie Beweglichkeit, in Rotation und Außenrotation passiv frei, Impingement-Zeichen beidseits schwach positiv, keine Krepitationen, Ellbogen, Handgelenke und Finger unauffällig, der Faustschluss vollständig und kräftig
Untere Extremitäten: keine Beinlängendifferenz, leicht varische Beinachse beidseits, Flexion beide Hüften bis knapp über 90° möglich, dann Schmerzangabe der unteren Lendenwirbelsäule, IR/AR 10-0-50° mit IR-Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule, links geringgradiger Leistendruckschmerz, an beiden Kniegelenken keine Rötung, keine Schwellung, kein Erguss, S: 0-0-130°, Meniskuszeichen und Zohlen-Zeichen negativ, beide Knie bandstabil, Sprunggelenke und Füße unauffällig
Wirbelsäule: gerade, HWS-Rotation 60,0-60°, deutlicher Hartspann der paravertebralen Muskulatur an der HWS und an der oberen BWS, ebenso paravertebral an der LWS, Druckschmerz über beiden ISG
Neurologie: angegebene Dysästhesie in den Fingerspitzen der Fingern 2-4 beidseits sowie in allen Zehen beider Füße, kein radikuläres sensomotorisches Defizit im Bereich der oberen und unteren Extremitäten erhebbar, die Reflexe seitengleich und mittellebhaft auslösbar, die Pyramidenbahnzeichen negativ
Durchblutung: unauffällig
Gesamtmobilität – Gangbild:
Der Patient kommt in Konfektionsschuhen und ohne Gehhilfe zur Untersuchung.
Unauffälliges Gangbild, kein Hinken, barfuß Zehenspitzen- und Fersengang möglich, der Fersengang aufgrund eines Fersenspornes beidseits jedoch schmerzhaft Trendelenburg- Zeichen negativ, Seiltänzergang sicher, leichte Unsicherheit im Blindgang;“
Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurde zusammengefasst wie folgt festgehalten:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Wirbelsäulenbeschwerden;
Bekannte geringgradige degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule (CT 03/2016), Brustwirbelsäule (Röntgen 03/2016) und Lendenwirbelsäule (MR 04/2017), kein Bandscheibenvorfall, keine Wirbelkanaleinengung, kein radikuläres sensomotorisches Defizit, kein aktueller radiologischer Befund vorliegend;
02.01.02
30 vH
02
Schulterbeschwerden beidseits;
Eingeschränkte Schulterbeweglichkeit beidseits, belastungsabhängige Schmerzen, kein radiologischer Befund vorliegend;
02.06.04
30 vH
03
Restless legs Syndrom;
Medikamentöse Therapie, kein aktueller neurologischer Fachbefund vorliegend;
04.11.01
20 vH
04
Bluthochdruck;
Medikamentöse Kombinationstherapie;
05.01.02
20 vH
05
Nicht insulinpflichtiger Zuckerkrankheit;
Medikamentöse Therapie;
09.02.01
20 vH
06
Koronare Herzkrankheit;
Herzkatheteruntersuchung 02/2019, LC-Stamm stenosefrei, LAD und CX stenosefrei, RCA 50%-ige Stenose, sklerotische Veränderungen, keine laufende Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmer;
05.01.01
20 vH
07
Blasenentleerungsstörung;
Gutartige Prostatavergrößerung, Dranginkontinenz, medikamentöse Therapie, kein aktueller urologischer Fachbefund vorliegend;
08.01.06
10 vH
08
Zuckerbedingte Nervenschädigung;
Klinischer Verdacht auf diabetische Polyneuropathie, kein aktueller neurologischer Fachbefund vorliegend;
04.06.01
10 vH
09
Einschränkung des Hörvermögens;
Hörgeräte beidseits, kein aktuelles Tonaudiogramm vorliegend, daher unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten;
12.02.01
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
40 vH
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, führend sei das Leiden Nummer 1 mit 30 %. Das Leiden Nummer 2 steigere, da es das Gesamtbild verschlechtere, um eine Stufe. Die übrigen Leiden würden wegen Geringfügigkeit nicht weiter steigern. Somit ergebe sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 %.
Als Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wurde ausgeführt: „Die Bewertung der Leiden erfolgt aufgrund der vorgelegten Befunde, der Medikamentenliste und des klinischen Zustandsbildes anhand der derzeit gültigen Einschätzungsverordnung im Vergleich zum Vorgutachten vom 09.08.2017.
Die Leiden Nummer 1-3 werden unverändert zum Vorgutachten eingeschätzt.
Leiden Nummer 4 (Bluthochdruck): Steigerung von 10 % auf 20 %
Leiden Nummer 5 (Zuckerkrankheit): neu hinzugekommen, nicht steigerungswürdig
Leiden Nummer 6 (koronare Herzkrankheit): neu hinzugekommen, nicht steigerungswürdig
Leiden Nummer 7 (Blasenentleerungsstörung): neu hinzugekommen, nicht steigerungswürdig
Leiden Nummer 8 (zuckerbedingte Nervenschädigung): neu hinzugekommen, nicht steigerungswürdig
Leiden Nummer 9 (Hörminderung): unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten“
6. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 24.9.2020 wies das SMS den Antrag des BF auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Abs 1 und 2 BEinstG ab und sprach aus, dass der Grad der Behinderung 40 vH betrage.
Nach Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde festgehalten, dass gemäß dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, welches zum Bestandteil der Begründung erklärt und beigefügt wurde, ein Grad der Behinderung von lediglich 40 vH vorliege. Aufgrund der Stellungnahme des BF vom 29.7.2020 sei das medizinische Beweisverfahren nochmals eröffnet worden. Nach nochmaliger Prüfung der Sachlage sei ein ergänzendes Sachverständigengutachten vom 23.9.2020 erstellt worden, welches schlüssig sei und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt werde. Beigelegt wurde das Gutachten vom 23.9.2020.
7. Mit Schreiben vom 21.10.2020 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.9.2020. Darin führte der BF aus, die Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule seien derart massiv, dass hier die Richtsatzposition 02.01.02 mit einen Gdb von 30% laut Bescheid nicht dem tatsächlichen Krankheitsbild entspreche. Hier würde die Position 02.01.02 und 40% Gdb dem Krankheitsbild entsprechen, da die Schmerzen dauernd spürbar seien. Die Richtsatzposition 04.11.01 entspreche auch nicht dem tatsächlichen Krankheitsbild; hier müsse die Position 04.11.02 mit einem Gdb von 40% zur Anwendung kommen, da die Schmerzen in den Beinen ständig und nicht in Episoden auftreten würden. In Verbindung mit der Richtsatzposition 02.06.04 würde es zu einer Steigerung des Grades der Behinderung von 50 v.H. kommen und er dadurch dem Kreis der begünstigt Behinderten angehören. Er ersuche daher, die Einstufung der Gesamtschädigung gemäß des aktuellen Krankheitsbildes einzustufen und die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten mit 50 % von 100 % festzustellen.
8. Am 5.11.2020 legte das SMS den Akt dem BVwG vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist 1963 geboren, Maschinenschlosser und in Österreich wohnhaft.
Beim BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen und daraus resultierend folgender Gesamtgrad der Behinderung:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Wirbelsäulenbeschwerden;
Bekannte geringgradige degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule (CT 03/2016), Brustwirbelsäule (Röntgen 03/2016) und Lendenwirbelsäule (MR 04/2017), kein Bandscheibenvorfall, keine Wirbelkanaleinengung, kein radikuläres sensomotorisches Defizit, kein aktueller radiologischer Befund vorliegend;
02.01.02
30 vH
02
Schulterbeschwerden beidseits;
Eingeschränkte Schulterbeweglichkeit beidseits, belastungsabhängige Schmerzen, kein radiologischer Befund vorliegend;
02.06.04
30 vH
03
Restless legs Syndrom;
Medikamentöse Therapie, kein aktueller neurologischer Fachbefund vorliegend;
04.11.01
20 vH
04
Bluthochdruck;
Medikamentöse Kombinationstherapie;
05.01.02
20 vH
05
Nicht insulinpflichtiger Zuckerkrankheit;
Medikamentöse Therapie;
09.02.01
20 vH
06
Koronare Herzkrankheit;
Herzkatheteruntersuchung 02/2019, LC-Stamm stenosefrei, LAD und CX stenosefrei, RCA 50%-ige Stenose, sklerotische Veränderungen, keine laufende Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmer;
05.01.01
20 vH
07
Blasenentleerungsstörung;
Gutartige Prostatavergrößerung, Dranginkontinenz, medikamentöse Therapie, kein aktueller urologischer Fachbefund vorliegend;
08.01.06
10 vH
08
Zuckerbedingte Nervenschädigung;
Klinischer Verdacht auf diabetische Polyneuropathie, kein aktueller neurologischer Fachbefund vorliegend;
04.06.01
10 vH
09
Einschränkung des Hörvermögens;
Hörgeräte beidseits, kein aktuelles Tonaudiogramm vorliegend, daher unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten;
12.02.01
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
40 vH
Führend ist das Leiden Nummer 1 mit 30 %. Das Leiden Nummer 2 steigert, da es das Gesamtbild verschlechtert, um eine Stufe. Die übrigen Leiden steigern wegen Geringfügigkeit nicht weiter.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen zu den beim BF bestehenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem vom SMS (zuletzt aufgrund der Einwände des BF) eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. B. G., Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, vom 23.9.2020.
Dazu ist zunächst zu betonen, dass dieses Sachverständigengutachten ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar ist und keine Widersprüche aufweist. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung am 11.9.2020 erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die vom BF vorgelegten Befunde wurden vom Sachverständigen eingesehen und in die Einschätzung miteinbezogen.
2.3. Konkret ist diesbezüglich auszuführen, dass es sich beim Gutachten von Dr. B. G. vom 23.9.2020 um das zweite im gegenständlichen Verfahren eingeholte Gutachten handelt, zumal der BF mit Stellungnahme vom 28.7.2020 Einwände gegen das Erstgutachten erhoben hatte, die er nun auch in seiner Beschwerde im Hinblick auf das Zweitgutachten im Wesentlichen wiederholt.
Konkret bemängelt der BF zum einen in seiner Beschwerde nun ohne Vorlage entsprechender Befunde, die Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule seien „derart massiv“, dass hier die Richtsatzposition 02.01.02 mit einen Gdb von 30% nicht dem tatsächlichen Krankheitsbild entspreche; seiner Ansicht nach würde die Position 02.01.02 und 40% Gdb dem Krankheitsbild entsprechen, „da die Schmerzen dauernd spürbar seien“. Dazu ist zunächst auszuführen, dass sich Dr. B. G. – ein Facharzt für Orthopädie – in seinem Gutachten vom 23.9.2020 eingehend mit den Wirbelsäulenbeschwerden des BF auseinandergesetzt hat und zusammenfassend – im Ergebnis wie auch bereits die Vorgutachterin - ausführte, dass es sich hier um geringgradige degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule handeln würde, dass kein Bandscheibenvorfall, keine Wirbelkanaleinengung und kein radikuläres sensomotorisches Defizit gegeben sei und dass kein aktueller radiologischer Befund vorliege. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass es der Gutachter für nicht für nachvollziehbar erachtet hat, dass die Leiden des BF – im Sinne der vom BF begehrten 40% nach Pos. 02.01.02 – als „Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, maßgebliche radiologische und/oder morphologische Veränderungen, maßgebliche Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben“ zu beschreiben sind, sondern „lediglich“ im Sinne der erwähnten 30% (nach dem Wortlaut der Einschätzungsverordnung: „Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, maßgebliche radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika“).
Zum anderen bemängelt der BF in seiner Beschwerde – wiederum ohne Vorlage entsprechender Befunde -, die Richtsatzposition 04.11.01 (gemeint: betreffend Restless-legs-Syndrom) „entspreche auch nicht dem tatsächlichen Krankheitsbild“; hier müsse die Position 04.11.02 mit einem Gdb von 40% zur Anwendung kommen, da die Schmerzen in den Beinen ständig und nicht in Episoden auftreten würden. Zum Restless-legs-Syndrom des BF führte bereits die Vorgutachterin aus, dass dieses beim BF medikamentös gut beherrschbar sei; auch Dr. B. G. verwies diesbezüglich im Letztgutachten auf die medikamentöse Therapie (konkret nimmt der BF Sifrol, wobei es sich um eine dopaminähnlich wirkende Substanz handelt) sowie auf den Umstand, dass kein aktueller neurologischer Fachbefund vorliege. Eine Einschätzung mit 40% als mittelschwere Verlaufsform nach Position 04.11.02 würde Folgendes voraussetzen: „Opioidhaltige Analgetika und/oder Polypharmazie seit mehr als 1 Jahr ohne ausreichender vollständiger Schmerzcoupierung, Schmerzattacken fast täglich, Depressive Begleitreaktionen fassbar, Nachweis neurologischer Defizite z.B. Brachialgie“. Dass diese Voraussetzungen gegeben wären, konnte (auch) der Letztgutachter gerade nicht nachvollziehen, weshalb die Einschätzung als leichte Verlaufsform nach Position 04.11.01 mit 20% keinen Bedenken begegnet.
Vor diesem Hintergrund kann es folglich auch nicht – wie vom BF in seiner Beschwerde begehrt – insgesamt in Verbindung mit Leiden Nr. 2 (Schulterbeschwerden) zu einer Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung auf 50% kommen. Die Einschätzung der weiteren Leiden wurde vom BF im Übrigen nicht beanstandet und sind auch in objektiver Hinsicht keine Fehler ersichtlich.
Aus den dargelegten Gründen konnte sich das BVwG somit auf die Ausführungen von Dr. B. G. in seinem Gutachten vom 23.9.2020 stützen und war somit zu den getroffenen Feststellungen zu gelangen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde mit der im Spruch bezeichneten Maßgabe
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 19b Abs 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht unter anderem in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs 2 BEinstG durch den Senat. Gemäß § 19b Abs 6 erster Satz BEinstG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 14 Abs 2 BEinstG eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BEinstG lauten:
Begünstigte Behinderte
§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. […]
Behinderung
§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Feststellung der Begünstigung
§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH […]
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. […]
(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.
[…]
3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:
Das Sachverständigengutachten vom 23.9.2020 ist - wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt - richtig, vollständig und schlüssig. Die Funktionseinschränkungen des BF wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft, es ist beim BF sohin von einem Grad der Behinderung von 40 vH auszugehen. Die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 Abs 1 BEinstG sind daher nicht erfüllt.
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass das SMS im Spruch des angefochtenen Bescheids den Grad der Behinderung des BF mit 40 vH festgestellt hat. Nach dem Wortlaut des § 14 Abs 2 erster Satz BEinstG und gemäß der dazu ergangenen Rechtsprechung des VwGH, wonach dem Gesetz nicht entnommen werden kann, dass der Grad der Behinderung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 BEinstG, also wenn der Grad der Behinderung mit weniger als 50 vH eingeschätzt wird, bescheidmäßig festzustellen ist (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 24.4.2012, Zl. 2010/11/0173), hat die Zitierung des Grades der Behinderung im Spruch des bekämpften Bescheides zu entfallen.
Folglich ist die Beschwerde spruchgemäß mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass die Zitierung des Grades der Behinderung im Spruch des bekämpften Bescheides zu entfallen hat.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage betreffend Verfahren und Voraussetzungen der Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten stützen.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.
Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).
Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.
Schlagworte
Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2236604.1.00Im RIS seit
16.02.2021Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021