TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/2 W120 2235770-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2020
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Entscheidungsdatum

02.12.2020

Norm

ABGB §914
BVergG 2018 §12 Abs1 Z4
BVergG 2018 §125
BVergG 2018 §141 Abs1 Z7
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §20 Abs1
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §347 Abs1
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §5
BVergG 2018 §78 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W120 2235770-2/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian Eisner als Vorsitzenden, Mag. Jirina Rady als fachkundige Laienrichterin auf Auftraggeberseite und Dr. Annemarie Mille als fachkundige Laienrichterin auf Auftragnehmerseite über den Antrag vom 7. Oktober 2020 der XXXX in XXXX , vertreten durch Bartlmä Madl Rechtsanwälte OG in 1090 Wien, auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 28. September 2020 betreffend das Vergabeverfahren „Sanierung Parkdeck Austria Center Vienna“ der Auftraggeberin Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien AG, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Dem Antrag,

„die angefochtene Entscheidung der Antragsgegnerin, nämlich die von ihr am 28.9.2020 mitgeteilte Zuschlagsentscheidung, für nichtig [zu] erklären“,

wird Folge gegeben.

Die am 28. September 2020 der Antragstellerin im gegenständlichen Vergabeverfahren bekanntgegebene Zuschlagsentscheidung wird für nichtig erklärt.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2020 stellte die Antragstellerin das im Spruch ersichtliche Begehren und brachten im Wesentlichen vor:

1.1.    Die Antragstellerin erachte sich insbesondere in ihren Rechten auf Gleichbehandlung aller Bieter und Nichtdiskriminierung, auf Durchführung eines gesetzmäßigen und fairen, lauteren sowie wettbewerbsneutralen Vergabeverfahrens, auf ordnungsgemäße Prüfung der Angebote, auf Ausscheiden der den Ausschreibungsbestimmungen widersprechenden Angebote sowie von fehlerhaften oder unvollständigen Angeboten, wenn deren Mängel nicht behoben worden seien oder nicht behebbar seien, verletzt.

1.2.    Zur Begründung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass 1. keine ordnungsgemäße Angebotsprüfung durchgeführt und gegen das Verhandlungsverbot verstoßen worden sei, 2. die Bieterlücken nicht ordnungsgemäß ausgefüllt worden seien, 3. kein geeigneter Spezialmörtel zur Gefälleregulierung angeboten bzw. mit einem solchen nicht kalkuliert worden sei, 4. kein Gesamtsystem angeboten worden sei, das eine technische funktionelle Einheit bilde, und 5. die als Polier namhaft gemachte Schlüsselperson nicht die geforderte Qualifikation besitze.

1.3.    Betreffend die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht bzw. nicht ordnungsgemäß ausgefüllten Bieterlücken führte die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes aus:

Im Leistungsverzeichnis gebe es mehrere Positionen, insbesondere die wesentliche Position mit der Nummer XXXX , bei der der Positionspreis etwas mehr als ein XXXX des Gesamtpreises der Antragstellerin ausmache, weshalb sie im Angebot der Antragstellerin die XXXX Position sei, in der folgende Bieterlücke enthalten sei:

Verwendetes Produkt: ………………….

L: ………………… S: …………………. EP: …………………. XXXX PP: ………………….

Da keine Ausschreibung eines Leitprodukts erfolgt sei, handle es sich dabei um eine „echte Bieterlücke", bei der der Bieter neben dem Preis auch ein konkretes Produkt anzugeben habe. Somit ergebe sich schon aus dem Wortlaut dieses Positionstextes, dass ein Angebot nur dann den Ausschreibungsbestimmungen entspreche, wenn in der grün markierten freien Zeile ein einziges Produkt angeboten werde, zumal die Einzahl („verwendetes Produkt") und nicht die Mehrzahl („verwendete Produkte") gebraucht werde; mit anderen Worten: Der Bieter müsse ein ganz bestimmtes Produkt anbieten, weshalb ein Angebot, bei welchem aufgrund der Bieterangaben offen bleibe, welches Produkt von ihm bei der Leistungserbringung tatsächlich verwendet werde, den Ausschreibungsbestimmungen widerspreche. Dies gelte übrigens für die Positionen mit den Nummern XXXX und XXXX , bei denen jeweils eine solche Bieterlücke enthalten sei.

Aufgrund der Marktkenntnisse und langjährigen Erfahrung wisse die Antragstellerin, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin in ihren Angeboten gerne mit Vorbehalten bei der Materialwahl arbeite, um bei der Leistungserbringung nicht an ein bestimmtes Produkt eines bestimmten Herstellers gebunden zu seien. Das führe in der Praxis dazu, dass die Auftraggeberin aufgrund des ihr gelegten Angebotes schon nicht wisse, welches Produkt ihr konkret angeboten worden sei bzw. tatsächlich verwendet werden solle. Auf diese Weise bringe sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin auch in eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Herstellern bzw. Lieferanten der Produkte, sobald aufgrund der Angebotsöffnung absehbar sei, dass sie den Auftrag zur Sanierung eines Parkdecks erhalten werde. Da sie sich der Auftraggeberin gegenüber nicht zur Verwendung eines bestimmten Produkts eines bestimmten Herstellers verpflichtet habe, sei sie bei ihrer Materialwahl nämlich vollkommen frei. Im Unterschied zu den anderen Bietern, die sich an die Ausschreibungsunterlage gehalten und ein konkretes Produkt angeboten hätten (und daher auch daran gebunden seien), bleibe der präsumtiven Zuschlagsempfängerin dadurch nicht nur mehr Zeit, um über die Preise verhandeln zu können, sie könne die Hersteller vor allem auch noch stärker unter Druck setzen und schlussendlich das ihr am günstigsten angebotene Produkt verwenden.

Der Antragstellerin sei zu Ohren gekommen, dass sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin bis zur Angebotsöffnung im gegenständlichen Verfahren wieder nicht bei den Herstellern bzw. Lieferanten der Produkte gemeldet habe, sondern von ihr mit ihnen erst im Nachhinein Gespräche geführt worden seien, bei der sie auch für das gegenständliche Verfahren eine „freie Materialwahl" durchblicken habe lassen. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass beim Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin offenbleibe, welches Produkt von ihr bei der Leistungserbringung tatsächlich verwendet werde, in dem sie bei den zuvor genannten Positionen, insbesondere auch bei der wesentlichen Position mit der Nummer XXXX , nicht ein bestimmtes Produkt eines bestimmten Herstellers angeboten, sondern sich die Verwendung mehrerer Produkte verschiedener Hersteller irgendwie vorbehalten habe. In Hinblick darauf, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin von der Auftraggeberin offenbar nicht ordnungsgemäß geprüft worden sei, sondern von ihr vielmehr geduldet werde, dass sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht an die Ausschreibungsbestimmungen gehalten habe, sei freilich nicht auszuschließen, dass aufgrund ihres Angebotes auch Produkte verschiedener Hersteller zum Einsatz gelangen kommen könnten, die untereinander nicht kompatibel seien, weshalb das von ihr angebotene System – entgegen den Ausschreibungsbestimmungen (Punkt 4.9, zweiter Absatz der Verfahrensordnung) – auch keine technisch funktionelle Einheit bilde.

Außerdem wäre bei einer Angebotsprüfung zu berücksichtigen gewesen, dass in den K7-Blättern, die schon dem Angebot beizulegen gewesen seien, für die im Leistungsverzeichnis als wesentlich gekennzeichneten Leistungspositionen, somit insbesondere auch für die Position mit der Nummer XXXX , zwingend auch das eingesetzte Material als Mindest-Kalkulationselement ausgewiesen sein hätte müssen (vgl. Punkt 4.4 der Verfahrensordnung). Soweit von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auch in den mit ihrem Angebot abgegebenen K7-Blättern nicht ausgewiesen worden sei, welches Material bei der Position mit der Nummer XXXX eingesetzt werde, habe sie sich auch insoweit nicht an die Ausschreibungsbestimmungen gehalten. Dementsprechend könne auch deshalb keine ordnungsgemäße Angebotsprüfung erfolgt seien, weil sonst gemäß § 137 Abs 2 Z 2 BVergG 2018 festgestellt hätte werden müssen, dass diese Position einen zu niedrigen Einheitspreis aufweise.

Entgegen § 125 Abs 1 BVergG 2018 habe sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin daher nicht an die Ausschreibungsunterlagen gehalten, weshalb ihr Angebot gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 auszuscheiden sei, weil es den Ausschreibungsbestimmungen widerspreche.

1.4.    Die Antragstellerin stelle daher folgende

„ANTRÄGE

an das Bundesverwaltungsgericht, es möge

•        zur Prüfung der behaupteten Rechtswidrigkeiten ein Nachprüfungsverfahren einleiten, eine mündliche Verhandlung durchführen

•        die angefochtene Entscheidung der Antragsgegnerin, nämlich die von ihr am 28.9.2020 mitgeteilte Zuschlagsentscheidung, für nichtig erklären,

[…]

•        die Antragsgegnerin zum Ersatz der von uns entrichteten Pauschalgebühren binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen unseres ausgewiesenen Rechtsbeistandes verpflichten.“

2.       Am 12. Oktober 2020 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren.

3.       In ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2020 nahm die präsumtive Zuschlagsempfängerin zum Nachprüfungsantrag Stellung. Insbesondere erstattete die präsumtive Zuschlagsempfängerin ein Vorbringen bezüglich der durchgeführten ordnungsgemäßen Angebotsprüfung, des nicht vorliegenden Verstoßes gegen das Verhandlungsverbot, des ausschreibungskonform angebotenen Spezialmörtels, eines von ihr gelegten Angebotes eines Gesamtsystems, das eine technisch funktionelle Einheit bilde, und des Einsatzes eines qualifizierten Schlüsselpersonals.

Betreffend die Bieterlücken führte die präsumtive Zuschlagsempfängerin in der geschwärzten Version der Stellungnahme Folgendes aus:

Die Antragstellerin behaupte, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin an mehreren Stellen im Leistungsverzeichnis vorhandene Bieterlücken nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgefüllt habe (sie nenne einzelne Positionsnummern und verweise auch auf die K7-Blätter). Sie glaube dabei aus ihren ,,Marktkenntnisse[n] und langjährigen Erfahrung“ zu wissen, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin „gerne mit Vorbehalten bei der Materialwahl“ arbeite. Die Behauptungen der Antragstellerin seien unzutreffend. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe Bieterlücken ausgefüllt (vgl. Bieterlückenprotokoll des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin). Im Übrigen seien die Ansätze (einschließlich der Kalkulationsformblätter) der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sachkundig geprüft worden – auch die Antragstellerin spreche den zugezogenen externen Beratern „Respekt für ihre bauwirtschaftliche Sachkunde“ aus.

4.       Die Auftraggeberin nahm in ihrer Stellungnahme vom 15. Oktober 2020 zu den im gegenständlichen Nachprüfungsantrag geltend gemachten Rechtswidrigkeiten Stellung und führte hinsichtlich der Bieterlücken Folgendes aus:

4.1.    Die Antragstellerin behaupte, dass seitens der präsumtiven Zuschlagsempfängerin die in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehenen „echten Bieterlücken" nicht ordnungsgemäß befüllt worden seien. Insbesondere unterstelle die Antragstellerin der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, dass sich diese hinsichtlich der Position mit der Nummer XXXX die Verwendung eines bestimmten Produktes vorbehalten habe, obwohl sie nach den Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen dazu verpflichtet gewesen wäre, „ein“ bestimmtes Produkt anzubieten.

Dem sei entschieden wie folgt entgegenzuhalten:

Vorab sei an dieser Stelle festzuhalten, dass die Antragstellerin auch in diesem Zusammenhang keine Kenntnis des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin haben könne und es sich auch hierbei um eine reine Mutmaßung handle.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe entgegen den Behauptungen der Antragstellerin je Position sehr wohl ein konkretes Produkt, welches für die Herstellung der jeweiligen Leistungspositionen vorgesehen sei, genannt. Ausdrücklich festzuhalten sei daher, dass die Bieterlücken von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ordnungsgemäß befüllt worden seien. Dies sei darüber hinaus von einem externen Sachverständigen bestätigt worden.

Um weitere Wiederholungen zu vermeiden, verweise die Auftraggeberin in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das Sachverständigengutachten von XXXX vom 14. September 2020 (zu Punkt 2) sowie auf die Angebotsprüftabelle der Auftraggeberin vom 29. August 2020 (auf Seite 50).

4.2.    Gestützt auf diesen Ausführungen stelle die Auftraggeberin daher den

„Antrag

[…], das Bundesverwaltungsgericht möge sämtliche Anträge auf Nichtigerklärung zurück-, in eventu abweisen.“

5.       Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Oktober 2020, W120 2235770-1/3E, wurde der Auftraggeberin für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt, im vorliegenden Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen.

6.       In der Stellungnahme vom 28. Oktober 2020 führte die Antragstellerin bezüglich der Bieterlücken Folgendes aus:

Das Vorbringen der Auftraggeberin, wonach die präsumtive Zuschlagsempfängerin je Position ein konkretes Produkt „genannt" habe, und die Ausführungen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, wonach sie sämtliche Bieterlücken „ausgefüllt" habe, schließe freilich nicht die Richtigkeit des Vorbringens der Antragstellerin aus, dass von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht ordnungsgemäß nur ein bestimmtes Produkt „angeboten" worden sei. Ein Vorbehalt bei der Materialwahl könne nämlich auch durch einen bloßen Zusatz (etwa „o.vglb,", „o.ä", „o.glw.") zum Ausdruck gebracht worden seien, weil dann neben dem konkret genannten Produkt auch ein anderes vergleichbares, ähnliches bzw. gleichwertiges Produkt angeboten worden sei. Das dürfe auch tatsächlich so geschehen seien, anderenfalls hätte sich die Auftraggeberin zum Beweis ihres irreführenden Vorbringens auch nicht bloß mittelbar auf eine Angebotsprüftabelle und die Preisprüfung stützen müssen, sondern sie hätte sich dann unmittelbar auf das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und die darin enthaltenen Bieterlückentexte stützen können. Die Antragstellerin sehe sich in der Annahme bestätigt, dass beim Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin aufgrund eines Vorbehalts in der Materialauswahl unklar geblieben sei, welches Produkt letztlich zum Einsatz gelangen sollte: das namentlich genannte Produkt oder ein vergleichbares, ähnliches bzw. gleichwertiges Produkt oder mehrere dieser Produkte. Soweit ihr von der Auftraggeberin die Möglichkeit gegeben worden sei, im Nachhinein, zB im Rahmen von Aufklärungen, den Inhalt ihres Angebotes durch irgendwelche Erklärungen abzuändern, zB durch die nachträgliche Einschränkung auf ein bestimmtes Produkt, sei damit freilich auch gegen das Verhandlungsverbot verstoßen worden; inwieweit die Antragstellerin hiervon Kenntnis haben könne oder nicht, sei für die amtswegige Ermittlung des Sachverhaltes irrelevant.

7.       In der Stellungnahme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 3. November 2020 wurde im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen verwiesen und ergänzend darauf hingewiesen, dass auch die weiteren Ausführungen der Antragstellerin bestritten werden würden.

8.       In der Stellungnahme der Auftraggeberin vom selben Tag wurde bezüglich der Bieterlücken Folgendes ausgeführt:

Völlig aus der Luft gegriffen seien die Ausführungen der Antragstellerin, wonach sie aus dem Beweisanbot der Auftraggeberin schlussfolgere, dass die Bieterlücken seitens der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht ordnungsgemäß ausgefüllt worden seien. Zudem erschließe sich der Auftraggeberin nicht, aufgrund welcher Aussagen hierzu ein „irreführendes Vorbringen" erstattet worden sei.

Ergänzend wurde von der Auftraggeberin ins Treffen geführt, dass als besonders bedenklich zudem zu qualifizieren sei, dass der Hersteller eines Mörtels ( XXXX ) interne E-Mails der Auftraggeberin bzw. deren Sachverständigen an einen Bieter, nämlich die Antragstellerin, weiterleite oder die Antragstellerin allem Anschein nach eine unzulässige Informationseinholung bei den entsprechenden Produktherstellern vorgenommen habe. Ausdrücklich festzuhalten sei, dass es sich bei der von der Antragstellerin mittels der Replik vorgelegten Beilage ./3 um eine nicht öffentlich geführte Korrespondenz zwischen dem beigezogenen Sachverständigen der Auftraggeberin ( XXXX ) und einem Hersteller handle. Seitens der Auftraggeberin sei diese E-Mail-Korrespondenz der Antragstellerin nicht zur Verfügung gestellt worden, da es sich um einen Teil der Prüfung des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin handle.

Diesbezüglich werde daher bereits an dieser Stelle angemerkt, dass noch eine entsprechende Prüfung hinsichtlich des allfälligen Vorliegens eines Ausschlussgrunds erfolgen werde, da die Antragstellerin unter Umständen gegen Treu und Glauben im Sinne des § 78 Abs 1 Z 11 lit b BVergG 2018 aufgrund der Einholung von vertraulichen Informationen verstoßen habe, sodass eine ernste Störung des Vertrauensverhältnisses eingetreten sei. In diesem Zusammenhang seien nämlich unter vertraulichen Informationen alle Informationen zu verstehen, die nur für einen begrenzten Personenkreis bestimmt seien. Nach der Regelung des § 78 Abs 1 Z 11 lit b BVergG 2018 genüge es demnach, wenn ein Unternehmen versucht habe, die vertraulichen Informationen zu erlangen, was im gegenständlichen Fall sogar zweifelsohne geschehen sei. Darüber hinaus werde an dieser Stelle auch ausgeführt, dass die zuständige Vergabekontrollbehörde im Rahmen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages das Vorliegen eines Ausschlussgrundes von Amts wegen aufzugreifen habe.

9.       Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10. November 2020 im Beisein der Antragstellerin, der Auftraggeberin und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowie deren Rechtsvertretern eine öffentlich mündliche Verhandlung durch.

10.      Am selben Tag erfolgte nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtsfragen die Beschlussfassung im Senat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Ausschreibung

1.1.1.  Die Auftraggeberin schrieb unter der Bezeichnung „Sanierung Parkdeck Austria Center Vienna“ einen Bauauftrag nach dem Bestangebotsprinzip im Unterschwellenbereich aus. Es erfolgte keine Unterteilung in Lose.

Der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer beträgt EUR XXXX

Die Auftraggeberin veröffentlichte die Ausschreibung am 19. Mai 2020 in Österreich zur Ausschreibungsnummer 83497-01.

Die Auftraggeberin führt dieses Verfahren als offenes Verfahren durch.

1.1.2.  Betreffend allfällige Änderungen und Vorbehalte zu den technischen und rechtlichen Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen wird in der Verfahrensordnung (Teil A der Ausschreibungsunterlagen) Folgendes festgelegt:

„4.8 ERKLÄRUNGEN ZUM ANGEBOT

Sofern es ein Bieter für notwendig erachtet, sein Angebot zu erläutern oder besondere Erklärungen, die über die in der Ausschreibung geforderten Erklärungen hinausgehen, anzuführen, sind diese in einem ‚Begleitschreiben‘ zum ausschreibungsgemäßen Angebot zu erfassen.

Änderungen und Vorbehalte zu den technischen und rechtlichen Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen sind nach BVergG 2018 unzulässig und stellen einen unbehebbaren Mangel dar.“

In der Verfahrensordnung (Teil A der Ausschreibungsunterlagen) wird hinsichtlich der Bieterlücken Folgendes festgelegt:

„1.10. FEHLENDE ANGABEN ZU DEN PRODUKTEN (BIETERLÜCKEN)

Sind im Leistungsverzeichnis Leitprodukte angegeben, und setzt der Bieter in den vorgesehenen ‚unechten‘ Bieterlücken kein Produkt ein oder ist die Angabe unvollständig, so gelten die beispielhaft angeführten Produkte als angeboten.

Sind im Leistungsverzeichnis keine Leitprodukte angegeben, und setzt der Bieter in den vorgesehenen ‚echten‘ Bieterlücken kein Produkt ein, so liegt grundsätzlich ein unbehebbarer Mangel vor.“

Die ständigen Vorbemerkungen im Leistungsverzeichnis lauten auszugsweise:

„3. Material/Erzeugnis/Type/Systeme:

Bauprodukte (z.B. Baumaterialien, Bauelemente, Bausysteme) werden mit dem Begriff Material bezeichnet, für technische Geräte und Anlagen werden die Begriffe Erzeugnis/Type/Systeme verwendet.

4. Bieterangaben zu Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme:

Die in den Bieterlücken angebotenen Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme entsprechen mindestens den in der Ausschreibung bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten technischen Anforderungen.

Angebotene Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme gelten für den Fall des Zuschlages als Vertragsbestandteil. Änderungen sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Auftraggebers zulässig.

Auf Verlangen des Auftraggebers weist der Bieter die im Leistungsverzeichnis bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten technischen Anforderungen vollständig nach (Erfüllung der Mindestqualität).“

Im Leistungsverzeichnis waren ua folgende vom jeweiligen Bieter zu befüllende Lücken enthalten:

1.2.    Zum Angebot der Antragstellerin

Die Antragstellerin beteiligte sich rechtzeitig am vorliegenden Vergabeverfahren durch die Abgabe eines Angebotes am 25. Juni 2020.

Das Angebot der Antragstellerin wurde von der Auftraggeberin nicht ausgeschieden.

1.3.    Zum Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin beteiligte sich rechtzeitig am vorliegenden Vergabeverfahren durch die Abgabe eines Angebotes am 25. Juni 2020.

Zu den Positionen XXXX und XXXX befüllte die präsumtive Zuschlagsempfängerin die jeweiligen Lücken jeweils mit einem namentlich genannten Produkt und dem Zusatz „od. gleichwertiges“.

1.4.    Zum Stand des Vergabeverfahrens

Am 28. September 2020 übermittelte die Auftraggeberin an die Antragstellerin die hier gegenständliche Zuschlagsentscheidung, welche auszugsweise wie folgt lautet:

„Wir müssen Ihnen daher mitteilen, dass die IAKW-AG beabsichtigt, nach Ablauf der Stillhaltefrist, am 08. Oktober 2020, 24:00 Uhr, dem Unternehmen XXXX den Zuschlag zu erteilen.“

Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt.

Die Antragstellerin bezahlte die entsprechenden Pauschalgebühren.

1.5.    Zum geltend gemachten Ausschlussgrund

Am 18. September 2020 wurde von einem Mitarbeiter der XXXX ein E-Mail mit dem Betreff „RE: Materialpreisanfrage AW: BV Sanierung Parkdeck Wien XXXX “ an mehrere Adressaten, ua auch an XXXX und den Geschäftsführer der Antragstellerin, mit folgendem Inhalt versendet:

„Sehr geehrter Hr. XXXX ,

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

Ich hoffe, vorab geholfen zu haben und stehe bei weiteren Fragen gerne zur Verfügung,

mit freundlichen Grüßen

[…]“

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie den Auskünften, die nur die Auftraggeberin erteilen kann.

Die Echtheit und Richtigkeit der herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Diese Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche in den Unterlagen traten nicht auf.

Die Feststellungen hinsichtlich der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ausgefüllten Bieterlücken ergeben sich aus dem Vergabeakt, den Schriftsätzen der Auftraggeberin und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und aus den entsprechenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen bezüglich des versendeten E-Mails basieren auf den Ausführungen des Geschäftsführers der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls, arg. „ASt: Das ist eigentlich offenkundig, dass es per E-Mail geschickt wurde und zwar, wie es in der Beilage steht, am Freitag den 18. September um 10:19 Uhr von Herrn […], der Mitarbeiter der Firma XXXX ist, an diverse Adressaten, wie ersichtlich und an mich. – AGV: Wo in der Adresszeile leuchten Sie da auf? – AStV: Das ist ausgeblendet, damit nicht ersichtlich ist, woher die Information ist. – AGV: Dann hat der ASt die Frage offenbar nicht richtig beantwortet. – VR: Der AGV hätte gerne das E-Mail, wo aufscheint, dass Sie diese E-Mail persönlich erhalten haben. – ASt: Ich habe es jetzt nicht da. Ich werde versuchen, die E-Mail zu finden. – AGV: Wir können im Protokoll festhalten, dass Herr […] das E-Mail an Sie weitergeleitet hat, oder? – ASt: Ja. Schlussendlich ist es von ihm gekommen.“) sowie auf der Einsichtnahme in das entsprechende E-Mail, welches von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2020 an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1.    Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und zur formalen Zulässigkeit

3.1.1.  Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrags handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Nachprüfungsantrag zu entscheiden. Somit liegt Senatszuständigkeit vor.

Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien AG. Diese ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 BVergG 2018. Nach den Angaben der Auftraggeberin beträgt der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer EUR XXXX , sodass es sich gemäß § 12 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 um ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

Der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 28. September 2020 wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte. Ein Grund für eine Unzulässigkeit gemäß § 344 Abs 2 BVergG 2018 liegt nicht vor. Die Antragstellerin entrichtete die Pauschalgebühren in der erforderlichen Höhe.

Die Antragsvoraussetzungen gemäß § 342 Abs 1 BVergG 2018 liegen bei der Antragstellerin bezüglich des Antrags auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vor. Die Antragstellerin wies ihr Interesse am Vertragsabschluss durch Abgabe des Angebotes nach und brachte das Vorliegen eines drohenden Schadens aufgrund des Erhalts der Zuschlagsentscheidung in Form von Aufwendungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren plausibel vor.

Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin weder ausgeschieden wurde noch für das Bundesverwaltungsgericht auf Basis des Vergabeaktes ein Ausscheidensgrund hervorkam, ist die Antragstellerin zur Anfechtung der Zuschlagsentscheidung legitimiert.

3.1.2.  Zum geltend gemachten Ausschlussgrund

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, im Zusammenhang mit der Antragslegitimation von Bietern (vgl. VwGH 20.04.2016, Ra 2015/04/0018), „dass die Vergabekontrollbehörde bei hinreichend konkreten Einwänden einer Verfahrenspartei verpflichtet ist, diese eingewendeten Gründe dahin zu prüfen, ob das Angebot des Antragstellers auszuscheiden gewesen wäre, wobei sie bei dieser Prüfung nur die aus den Akten des Vergabeverfahrens ersichtlichen Umstände zu berücksichtigen hat und in einem solchen Fall nicht etwa ein Sachverständigengutachten zur Beurteilung des Vorliegens eines Ausscheidungsgrundes einholen muss (siehe das Erkenntnis vom 22. Juni 2011, 2011/04/0011, mwN).“

Zum Ausschlussgrund wurde in der mündlichen Verhandlung Folgendes ausgeführt:

„AStV: Ich verweise darauf, dass die von der AG in ihrem Schriftsatz vom 03.11.2020 herangezogene Bestimmung nicht anwendbar ist, da sich diese zeitlich auf den Zeitpunkt der Angebotserstellung bezieht und nicht, wie im konkreten Fall, auf ein Rechtsschutzverfahren. Die erlangte Information konnte keinen Einfluss auf die Angebotslegung haben, da es zeitlich deutlich nach Angebotslegung erfolgt ist. Obendrein wurde diese Information auch nicht zu einem unlauteren Zweck erhalten, sondern um den Rechtsstandpunkt im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens geltend machen zu können. Dies war auch notwendig, weil sich die AG geweigert hat, die entsprechenden Informationen offenzulegen, obwohl sie keine Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse darstellen.

AGV: Das wird bestritten und ausgeführt, dass die Ausschlussgründe in § 78 BVergG 2018 Prüftatbestände der Zulässigkeit und damit der Eignung beschreiben. Gem. § 20 Abs. 1 letzter Satz darf eine Vergabe nur an geeignete Unternehmen erfolgen. Nach der ständigen Rechtsprechung darf die Eignung auch während des Vergabeverfahrens nach dem eignungsrelevanten Zeitpunkt zu keiner Sekunde verloren gehen, selbst, wenn sie danach wiederauflebt, andernfalls der Bieter jedenfalls aufgrund seiner sodann vorliegenden mangelnden Eignung auszuscheiden ist.

VR: Wir reden hier über die Beilage 3, ist das richtig?

AGV: Ja. Es geht um die Beilage 3, um zwei Ausführungen im Nachprüfungsantrag und um ein Telefonat zwischen der ASt und der AG.

AG: Ich bin von der ASt angerufen worden. Es hat sich eine Person gemeldet, die gemeint hätte, sie wäre Kalkulant und die Person hat mir dann mehrere Ausführungen getätigt und gesagt, dass das Angebot auffallend niedrig ist und die Person auch Kontakte hat zu diversen Herstellern und eben auch mit einem bekannten des Herstellers XXXX Mittagessen war und sie dabei über Anfragen der mP zu den Produkten, die sie anbieten möchte, ausgetauscht haben.

AGV: Zusammengefasst: Der Verdacht liegt nahe, dass die ASt mehrfach eine unzulässige Informationseinholung über das Angebot der mP vorgenommen hat. Dementsprechend finden sich zu dieser Thematik auch Ausführungen im Nachprüfungsauftrag, wie z.B., dass der ASt ‚zu Ohren gekommen ist‘, dass sich die mP bis zur Angebotsöffnung nicht bei den Herstellern und Lieferanten gemeldet habe (Vgl. S. 9, 2. Absatz des Nachprüfungsantrages). Darüber hinaus wird im Nachprüfungsantrag ausgeführt, dass durch diverse Rückfragen bei Herstellern in Erfahrung gebracht werden konnte, dass im Angebot der mP nicht die Verwendung von Produkten eines einzigen Herstellers vorgesehen ist (Vgl. S. 13, 2. Absatz des Nachprüfungsantrages).

XXXX : Ich möchte ergänzen, dass durch Beilage 3 Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der mP, nämlich konkret, welche Produkte diese verwendet, an die ASt gelangt sind.

mPV: Ich möchte mich diesem Vorbringen anschließen und ergänzen: Es gibt eine EU-RL, die die Mitgliedsstaaten zum Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet. Die ASt hat versucht, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der mP auszuspähen und nach dem EuGH sind die mitgliedsstaatliche Behörden und Gerichte dazu verpflichtet, bei Verstößen gegen das Unionsrechte sämtlich sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen und das untermauert einmal mehr, dass der angesprochene Ausschlussgrund gegeben ist (§ 78 Abs. 1 Z 11 lit. b BVergG 2018).

AGV: Der angesprochene Ausschlussgrund wurde in Umsetzung des Art. 57 Abs. 4 lit. i der RL 2014/24/EU mit dem BVergG in § 78 gesetzlich verankert. Er verfolgt den Schutz geheim zuhaltender Informationen und dient damit der Gewährleistung der Grundsätze eines Vergabeverfahrens, wie insbesondere des freien und lauteren Wettbewerbs. In diesem Sinne verpflichtet § 27 BVergG 2018 sämtliche Verfahrensbeteiligte, sohin auch die Bieter, zur Geheimhaltung schutzwürdiger Angaben. Angesichts der wechselseitigen Geheimhaltungspflichten umfasst der Schutzzweck demnach nicht nur der Versuch des Erlangens vertraulicher Informationen direkt beim AG, sondern auch jener bei Mitbietern oder auch sonstigen Dritten den Ausschluss aus dem Vergabeverfahren nach sich zieht. Es ist sohin unerheblich, von welcher Person die vertraulichen Informationen eingeholt werden. Unter vertraulichen Informationen sind schutzwürdige Angaben zu verstehen, an denen ein Geheimhaltungsinteresse besteht (Vgl. VwGH, 2011/04/0207, ebenso Materialien zum BVergG, Seite 276). Der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ist daher ein allgemeiner Grundsatz (Vgl. EuGH, C-450/06). Der angezogene Ausschlussgrund pönalisiert daher bereits den Versuch auf unzulässige Weise vertrauliche Informationen zu erlangen und ist es nicht einmal erforderlich, dass es tatsächlich zu einem Informationsfluss gekommen und die begehrte Information auch tatsächlich verwertet worden ist.

VR: Herr XXXX , Sie haben zuvor gesagt, es sind dadurch die Produkte ersichtlich geworden, die die mP verwendet. Aus welchem Teil des E-Mails leiten Sie das ab?

XXXX : Aus der Angabe im E-Mail ‚Pos. 1: XXXX ...‘ hat die ASt offenbar abgeleitet, dass die mP dieses Produkt angeboten hat.

AStV: Es könnte überhaupt nur dann zu einem Ausscheiden kommen, wenn die Information unzulässiger Weise erlangt worden ist, was aber nicht geschehen ist. Anfragen bei Herstellern von Produkten sind nicht unerlaubt und schon gar nicht unlauter, wenn die Information einem Rechtsschutz gilt. In Wahrheit versucht die Gegenseite ihre eigene rechtswidrige Vorgangsweise zu kaschieren, zu verschleiern, weshalb es uns gar nicht anders möglich ist, als Informationen, die frei zugänglich sind und uns auch freiwillig herausgegeben wurden, zu verwenden, um unseren Nachprüfungsantrag belegen zu können. Alles, was uns zu Ohren kommt, dürfen wir verwenden. Ebenso Informationen von Herstellern diverser Produkte.

AStV an AG: Wann war das zuvor erwähnte Telefonat?

AG: Am 01.07.2020.

AStV: War das vor oder nach der Angebotslegung?

AG: Danach.

AStV: Haben Sie das protokolliert?

AG: Das ist in meiner Anrufliste. Ich müsste dem noch detailliert nachgehen. Es ist erst gestern wieder zum Thema geworden.

AStV: Ist dieser Anruf im Vergabeakt protokolliert?

AG: Ja, ich habe eine handschriftliche Notiz gemacht, ich konnte sie gestern aber nicht finden. Ich versuche, sie zu finden.

VR: Auf dem dem Gericht übermittelten USB-Stick findet sich diese Notiz?

AG: Nein.

AStV: Keine Anmerkungen.

AGV: Anfragen bei Herstellern betreffend Angebotsdetails von Mitbewerbern sind sehr wohl zu pönalisieren (Vgl. BVwG vom 26.05.2020, W139 2227134-2).

AStV: Aber nicht im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz.

AGV an ASt: Wie ist die ASt zur von Ihr vorgelegten Beilage 3 (Schriftsatz vom 28.10.2020 der ASt) gekommen?

AStV: Wir bitten darum, unter Ausschluss der mP zu antworten.

Die mP und mPV verlassen um 10:10 Uhr nach Aufforderung den Saal.

ASt: Das ist eigentlich offenkundig, dass es per E-Mail geschickt wurde und zwar, wie es in der Beilage steht, am Freitag den 18. September um 10:19 Uhr von Herrn […], der Mitarbeiter der Firma XXXX ist, an diverse Adressaten, wie ersichtlich und an mich.

AGV: Wo in der Adresszeile leuchten Sie da auf?

AStV: Das ist ausgeblendet, damit nicht ersichtlich ist, woher die Information ist.

AGV: Dann hat der ASt die Frage offenbar nicht richtig beantwortet.

VR: Der AGV hätte gerne das E-Mail, wo aufscheint, dass Sie diese E-Mail persönlich erhalten haben.

ASt: Ich habe es jetzt nicht da. Ich werde versuchen, die E-Mail zu finden.

AGV: Wir können im Protokoll festhalten, dass Herr […] das E-Mail an Sie weitergeleitet hat, oder?

Ast: Ja. Schlussendlich ist es von ihm gekommen.

AGV: Aus welchen Gründen bekommen Sie E-Mails eines Produktherstellers, in welchem Angebotdetails eines Mitbewerbers dargelegt werden?

ASt: Sie fragen mich, warum ich etwas bekomme?

AGV: Ich habe es von Herrn […] nicht bekommen, daher ist die Frage, warum Sie das bekommen haben.

ASt: Das kann ich so nicht sagen. Die Firma XXXX möchte ihre Produkte verkaufen.

VR: Was war der Impuls, haben Sie nachgefragt?

ASt: Die mP und wir waren mit der Firma XXXX ‚im Boot‘, was ihre Produkte anlangt. Ich habe von der Firma XXXX erfahren, dass sowohl wir als auch die mP mit deren Produkten im konkreten Vergabeverfahren angeboten haben.

VR: Haben Sie dieses E-Mail, die Beilage 3, unaufgefordert bekommen?

ASt: Ich denke schon, ich weiß es nicht. Ich habe niemanden unter Druck gesetzt, wenn Sie das meinen.

AGV: Ich beantrage die zeugenschaftliche Einvernahme des Herrn […].

VR: Zu welchem Beweisthema und was soll rechtlich daraus abgeleitet werden?

AGV: Um in Erfahrung zu bringen, aufgrund welcher Umstände die ASt die Beilage 3 erhalten hat.

AGV an ASt: Sie sind GF der ASt oder?

ASt: Ja.

Es wird erörtert, ob hier Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalten sind.

LR1: Haben Sie mit der mP schon gemeinsame Projekte abgewickelt?

ASt: XXXX

LR1: D.h. es ist ein überschaubarer Markt und die Unternehmen kennen einander?

ASt: Ja, das ist richtig. Wir sind eigentlich die XXXX .

AStV: Ich verweise hierzu auf mein Vorbringen.

AStV: Ist die Beilage 3 im Vergabeakt enthalten?

AG: Nein, im Vergabeakt ist sie nicht enthalten. Sie ist Teil der umfangreicheren ‚Prüfunterlagen‘ von DI XXXX .

AStV an XXXX : Haben Sie besondere Sachkunde im Bereich des Betonlegens, was die Produkte und deren Eigenschaften angeht, ob diese geeignet oder ungeeignet sind.

ASt: Ich möchte dazu sagen, dass ich Herrn XXXX zwei Mal angerufen habe. Einmal ist es rein darum gegangen, dass die AG eine Bestätigung wollte, dass wir nicht insolvent sind. Ich habe geantwortet, dass ich eine solche nicht finden kann und dass das einzige, was ich finden kann, ein Auszug aus justiz.gv.at ist, wo man zum Stichtag heute nicht insolvent ist und dass ich hier einen Screenshot anfertigen kann, zum Nachweis, dass wir nicht insolvent sind und ob das im Sinne der AG ist. Er hat mir geantwortet, dass das in Ordnung ist und das haben wir auch gemacht. Das zweite Mal, dass ich angerufen habe, war nach der Angebotsabgabe und zwar nachdem ich mit Herrn XXXX von der Fa. XXXX Mittagessen war und er mir gesagt hat ( XXXX ), dass er demnächst nach XXXX zur mP fährt, weil die haben das konkrete Vergabeverfahren gewonnen. Für mich war das deswegen verwunderlich, weil das nicht kompatibel war mit der Aussage von XXXX , dass die mP und wir im ‚Boot‘ sind. Aus diesem Grund habe ich mir gedacht, ich rufe Herrn XXXX an und sage ihm diesen Umstand, dass ich in Erfahrung gebracht habe, dass die mP mit mehreren Bietern Gespräche führt nach der Angebotsabgabe, dass ich deswegen eine Vermutung habe, dass er sich materialmäßig nicht festgelegt habe und ich deswegen einen Einspruch machen werde gegen das Vergabeverfahren, wenn es zugunsten der mP ausgeht. Ich dachte, es ist angebracht, dass Sie das wissen. In einem zweiten Schreiben, nachdem die mP ein zweites Mal bestätigt wurde, hat mich der XXXX , Dr. XXXX , auch ersucht, dass wir möglichst rasch bekanntgeben mögen, ob wir einen Einspruch machen. Das haben wir aber nicht gemacht.

VR: Wer ist Dr. XXXX ?

AG: Der XXXX der AG.

ASt: Das habe ich dann aber nicht mehr gemacht, ich wollte das nur erklärend sagen.

Es wird erörtert, ob hier Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalten sind.

Die Verhandlung wird von 10:40 Uhr bis 11:02 Uhr unterbrochen.

[…]“

§ 78 Abs 1 Z 11 lit b BVergG 2018 enthält als Tatbestandsvoraussetzungen „versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die er unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte“.

Das Bundesverwaltungsgericht sprach mit Erkenntnis vom 26.05.2020, W139 2227134-2, hinsichtlich § 249 Abs 2 Z 10 lit b BVergG 2018 Folgendes aus:

„Die Antragstellerin bringt zusammengefasst vor, die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin wäre von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen gewesen, da sie, im konkreten Herr XXXX , zumindest versucht habe, vertrauliche Informationen zur Angebotskalkulation der Antragstellerin zu erlangen, durch die sie unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte. Aus diesem Grund stelle sich die angefochtene Entscheidung vom 29.12.2019 über die Auswahl der künftigen Rahmenvereinbarungspartnerin als rechtswidrig dar.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass Herr XXXX , Niederlassungsleiter der mitbeteiligten Partei in der Steiermark und Kärnten, insofern im Oktober und November 2019 mit der gegenständlichen Ausschreibung befasst war, als er die zwei Ortsbesichtigungen vornahm und bei den Verhandlungsgesprächen gemeinsam mit Herrn XXXX und Herrn XXXX anwesend war. Die während der Ortsbesichtigungen gewonnenen Eindrücke und Informationen gab er an den Kalkulanten weiter. Die Kalkulation selbst fiel nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, diese wurde durch Herrn XXXX, Key Account Manager bei der mitbeteiligten Partei, vorgenommen. Im Zuge eines ausschließlich durch die Initiative und Beharrlichkeit von Herrn XXXX zustande gekommenen Treffens am 31.10.2019 zwischen Herrn XXXX und Herrn XXXX fiel das Gespräch über Nachfrage von Herrn XXXX auch auf die damals aktuelle Tätigkeit von Herrn XXXX bei der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin. In der Folge entstand so ein Gespräch über die gegenständliche Ausschreibung und dabei auch über Aspekte der Kalkulation der ausgeschriebenen Leistungen. Herr XXXX erwähnte eingangs in diesem Zusammenhang, die Auftraggeberin vertretungsweise betreut zu haben. Herr XXXX war dabei weder mit der Kalkulation und Kundenabrechnung bezüglich der vorangehenden Ausschreibung befasst noch hatte er anderweitig, etwa im Zug der Objektbetreuung, Kenntnis über durchschnittliche Quadratmeterleistungen bei einzelnen Objekten oder Fahrzeugen oder über Quadratmeterpreise erlangt. Er konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen seinerseits vermuteten Stundensatz und den Preis der Sonderreinigung eines Zuges mit einer Bandbreite nennen und weiß, wie lange ungefähr eine Busreinigung dauert. Darüberhinausgehende Kenntnis über Kalkulationsparameter hat und hatte er nicht. Im Zuge dieses Gespräches erkundigte sich Herr XXXX danach, wie man dies allgemein bzw Herr XXXX dies anbieten bzw kalkulieren würde, dies auch anhand einzelner Objekte und Fahrzeuge. Nach einem Stundensatz für die Reinigungsleistungen erkundigte er sich ebenso nicht wie danach, wie dies die Antragstellerin ehemals konkret kalkuliert hat. Genaue Angaben zu durchschnittlichen Quadratmeterleistungen, einem Quadratmeterpreis und zu einem Stundenpreis wurden von Herrn XXXX auch nicht gemacht.

Im vorliegenden Fall stellt sich daher die Frage, ob die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin mit dem dargestellten Sachverhalt den Ausschlussgrund des Versuchs des Erlangens vertraulicher Informationen und damit eines unzulässigen Vorteils im Vergabeverfahren, im Speziellen bei der Preisgestaltung, verwirklicht hat, und damit deren Angebot mangels aufrechten Vorliegens der beruflichen Zuverlässigkeit auszuscheiden gewesen wäre.

Gemäß § 193 Abs 1 letzter Satz BVergG 2018 hat die Vergabe an geeignete Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen. Im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung muss die Eignung gemäß § 250 Z 4 BVergG 2018 grundsätzlich zum Zeitpunkt des Ablaufes der Teilnahmeantragsfrist vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung darf die Eignung auch in weiterer Folge ab dem relevanten Zeitpunkt nicht mehr verloren gehen, unabhängig davon, ob die Eignung zu einem späteren Zeitpunkt – vor der Zuschlagserteilung – wiederauflebt. Sie muss sohin jedenfalls bis zur Zuschlagserteilung gegeben sein (VwGH 09.09.2015, Ro 2014/04/0062 mwN; VwGH 17.06.2014, 2013/04/0033 mwN; siehe auch Heid/Kondert in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4, Rz 1209; Mayr in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG, § 69 Rz 8ff).

Gemäß § 302 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 hat der Sektorenauftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung auf Grund des Ergebnisses der Prüfung Angebote von Bietern, deren Eignung nicht gegeben ist, auszuscheiden. Gemäß § 249 Abs 2 Z 10 lit b BvergG 2018 kann der Sektorenauftraggeber – unbeschadet der Abs 4 bis 6 – einen Unternehmer jederzeit von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausschließen, wenn der Unternehmer versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die er unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte. Legt der Sektorenauftraggeber fest, dass der Unternehmer bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes gemäß den Z 3, 4, 6, 7, 9 oder 10 von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen ist, so hat er einen Unternehmer, der keine natürliche Person ist, von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn diese Ausschlussgründe in Bezug auf eine Person erfüllt sind, die Mitglied im Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Unternehmers ist.

Dieser Ausschlussgrund wurde in Umsetzung des Art 57 Abs 4 lit i der RL 2014/24/EU mit dem Bundesvergabegesetz 2018 in § 78 für öffentliche Auftraggeber und in § 249 für Sektorenauftraggeber gesetzlich verankert. Er verfolgt den Schutz geheim zu haltender Informationen und dient damit der Gewährleistung der Grundsätze des Vergabeverfahrens, wie insbesondere des freien und lauteren Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter. In diesem Sinne verpflichtet § 27 BVergG 2018 sämtliche Verfahrensbeteiligte, sohin Auftraggeber, Bewerber und Bieter, zur Geheimhaltung schutzwürdiger Angaben. Nach den Gesetzesmaterialien statuiert diese Norm eine gegenseitige Schutzpflicht betreffend vertrauliche Unterlagen hinsichtlich aller am Vergabeverfahren beteiligten Personen (siehe bereits zu § 23 BvergG 2006 VwGH 22.05.2012, 2009/04/0187; siehe auch Gölles in Gölles, BVergG 2018 § 78 Rz 46). Angesichts des eine wechselseitige Geheimhaltungspflicht verfolgenden Schutzzweckes kann demnach nach Ansicht des erkennenden Senates aber nicht nur der Versuch des Erlangens vertraulicher Informationen direkt beim Auftraggeber sondern auch jener bei Mitbewerbern oder Mitbietern oder auch sonstigen Dritten den Ausschluss aus dem Vergabeverfahren nach sich ziehen. Es ist zwar zuzugestehen, dass diesen Ausschlussgrund wahrzunehmen, für Auftraggeber mitunter mangels Kenntnis bzw auch nur Kennenkönnens des verpönten Verhaltens an faktische Grenzen stößt. Dennoch ist aber nicht zu erkennen, dass eine derartige, den Vergabegrundsätzen zuwiderlaufende und die berufliche Zuverlässigkeit des Unternehmers gleichermaßen beeinträchtigende Vorgehensweise keine Konsequenz bezüglich des Verbleibs im Vergabeverfahren nach sich ziehen sollte. Es ist sohin unerheblich, von wem die vertraulichen Informationen letztlich eingeholt werden sollten.

Eine Definition, was unter ‚vertraulichen Informationen‘ zu verstehen ist, enthält das Bundesvergabegesetz 2018 nicht. Der Verwaltungsgerichtshof spricht von schutzwürdigen Angaben, an denen ein Geheimhaltungsinteresse besteht (ua VwGH 09.04.2013, 2011/04/0207; ebenso EBRV 69 BlgNR XXVI. GP, 276). Betroffen sind demnach Angaben und Unterlagen, die als Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse anzusehen sind. Der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ist ein allgemeiner Grundsatz (EuGH 14.02.2008, C-450/06, Varec). Dabei handelt es sich um Tatsachen und Erkenntnisse kommerzieller oder technischer Art, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt sind, nicht über diesen Kreis hinausdringen sollen und an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht (OGH 20.05.2014, 4 Ob 55/14p).

Gemäß § 249 Abs 2 Z 10 lit b BVergG 2018 ist bereits der Versuch, auf unzulässige Weise und gezielt vertrauliche Informationen zu erlangen, pönalisiert. Es ist demnach nicht erforderlich, dass es tatsächlich zu einem Informationsfluss gekommen und die begehrte Information auch tatsächlich verwertet worden ist. Die begehrten Informationen müssen allerdings zumindest hypothetisch geeignet sein, zu einem unzulässigen Wettbewerbsvorteil und damit einer die grundlegenden Vergabegrundsätze verletzenden Wettbewerbsverzerrung zu führen.

Soweit ein Sektorenauftraggeber in seinen Ausschreibungsunterlagen den betreffenden Ausschlussgrund des § 249 Abs 2 Z 10 lit b BVergG 2018 vorgesehen hat, hat er einen Unternehmer, der keine natürliche Person ist, dann von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn dieser Ausschlussgrund in Bezug auf eine Person erfüllt ist, die Mitglied im Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Unternehmers ist. Damit regelt der Gesetzgeber einen Kreis von natürlichen Personen, die dem betreffenden Unternehmer bei der Prüfung dieses Ausschlussgrundes zuzurechnen sind. Liegt der Tatbestand bei einer dieser natürlichen Personen vor, ist der Unternehmer vom Vergabeverfahren auszuschließen. Demnach führt der Tatbestand des § 249 Abs 2 Z 10 lit b BVergG 2018 nur bei Personen zum Ausschluss, die ‚Mitglied im Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Unternehmers‘ sind. Im Unterscheid zu § 249 Abs 1 BVergG 2018 ist dieser Kreis deutlich kleiner, da auf die tatsächliche Mitgliedschaft im Leitungs- oder Aufsichtsorgan, nicht aber auf bestimmte Befugnisse in den Organen abgestellt wird. Was als Leitungs- oder Aufsichtsorgan anzusehen ist, ergibt sich aus der jeweiligen Organisationsform des Unternehmens, die Mitgliedschaft ergibt sich den Festlegungen im jeweiligen Gesellschaftsvertrag (Deutschmann/Heid in Heid/Reisner/Deutschmann/Hofbauer, BVergG 2018 § 78 Rz 45, 47 und 48 sowie § 249 Rz 3; EBRV EBRV 69 BlgNR XXVI. GP, 276; siehe auch VwGH 12.09.2016, Ra 2015/04/0081 zur – den weiteren Kreis der zuzurechnenden Personen betreffenden – Vorgängerbestimmung des § 68 Abs 1 Z 1 und Z 4 BVergG 2006).

Vor diesem Hintergrund gelangt der Senat zu der Ansicht, dass im gegenständlichen Fall der Ausschlussgrund des § 249 Abs 2 Z 10 lit b BVergG 2018 nicht vorliegt. Wie zuvor aufgezeigt, wird einem Unternehmer, der keine natürliche Person ist, im Rahmen der Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit nicht das Tätigwerden sämtlicher im Unternehmen tätigen Personen zugerechnet. Ausdrücklich wird bei der Erfüllung des gegenständlich zu prüfenden Ausschlussgrundes des Versuchs der unzulässigen Informationsbeschaffung nur auf den Umstand abgestellt, ob die betreffende natürliche Person Mitglied im Leitungs- und Aufsichtsorgan ist. Damit wird aber das Handeln dieser natürlichen Personen vom Handeln sonstiger Mitarbeiter unterschieden. Eine Zurechnung des Handelns sonstiger Mitarbeiter ist gerade nicht – wie im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – vorgesehen. Bereits insofern kann daher das Herrn XXXX vorgeworfene Verhalten nicht gemäß § 249 Abs 2 letzter Satz BVergG 2018 der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin zugerechnet werden. Herr XXXX ist Niederlassungsleiter in der Steiermark und Kärnten und kein Mitglied des Leitungs- und Aufsichtsorgans der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin. Darüber hinaus sind auch keine Anhaltspunkte zu erkennen bzw zu Tage getreten, wonach etwa ein Mitglied des Leitungs- oder Aufsichtsorgans vergleichbar einer Beitrags- oder Bestimmungstäterschaft das Handeln von Herrn XXXX zu verantworten hätte.

Aber selbst wenn das Handeln von Herrn XXXX der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin zuzurechnen wäre, wird damit nicht der Tatbestand des § 249 Abs 2 Z 10 lit b BVergG 2018 verwirklicht. Angesichts des Ermittlungsergebnisses ist zwar davon auszugehen, dass Herr XXXX und Herr XXXX auch inhaltlich über die Kalkulation der vorliegend ausgeschriebenen Reinigungsleistungen gesprochen haben. Weder kam allerdings das Treffen der beiden ehemaligen Angestellten der Antragstellerin über Initiative von Herrn XXXX zustande noch wurde die auch den Gegenstand des Gespräches bildende damals aktuelle Tätigkeit von Herrn XXXX im Zusammenhang mit der gegenständlichen Ausschreibung initiativ von Herrn XXXX zur Sprache gebracht. Dass sich in der Folge hierzu nach anfänglichem Smalltalk ein Gespräch über die Kalkulation derartiger Leistungen entwickelt hat, ist demnach nicht von Herrn XXXX veranlasst worden und ist dem Fortlauf des Gespräches geschuldet. Wie dargelegt, ist es insofern auch nicht verwunderlich und nicht als gezielt vorbereitet anzusehen, dass die Verfahrensunterlagen damals im Büro von Herrn XXXX sichtbar auflagen, zumal es nachvollziehbar ist, dass Herr XXXX als Niederlassungsleiter für die Steiermark in dieses Vergabeverfahren miteingebunden war und daher seinerseits, dies etwa im Hinblick auf die geplante Ortsbesichtigung, auch die Ausschreibungsunterlagen gesichtet und aufbereitet wurden. Festzuhalten ist überdies, dass die Fragestellung seitens Herrn XXXX , wie der Zeuge XXXX auch mehrfach angab, darauf gerichtet war, bei ihm zu erfragen, wie man allgemein bzw er dies selbst kalkulieren würde. Auch wenn Herr XXXX dies persönlich nicht so empfunden haben mag, war die Fragestellung objektiv auf die allgemeine bzw dessen persönliche Herangehensweise an die Kalkulation gerichtet. Dass hier vor dem Hintergrund der ehemaligen vertretungsweisen Betreuung der Auftraggeberin durch Herrn XXXX auch entsprechende Erfahrungswerte aus dieser Tätigkeit geradezu unvermeidlich einfließen, ist lebensnah und naheliegend. Unter Zugrundelegung dieser Rahmenbedingungen stellt sich das Gespräch daher für den Senat angesichts der – offenbar auch unter den beiden Zeugen wechselseitig bestehenden – Einschätzung, dass weder Herr XXXX noch Herr XXXX im Punkte der Kalkulation der in Rede stehenden Leistungen erhebliche Erfahrung mitbringen, und insbesondere auch weil nicht Herr XXXX selbst, sondern Herr XXXX und Herr XXXX für die Kalkulation verantwortlich waren, als ein, zwar auch konkrete Reinigungsleistungen betreffendes, sich aber von vorneherein auf sehr oberflächlichem Niveau bewegendes ‚Fachsimpeln‘ unter ehemaligen Arbeitskollegen dar, bei welchem weder Details über die Preisgestaltung der Antragstellerin – betreffend etwa die von ihr ehemals oder aktuell angesetzten Quadratmeterleistungen oder deren Stundensatz – konkret und gezielt erfragt wurden noch solche auch tatsächlich seitens Herrn XXXX mitgeteilt wurden bzw mangels Kenntnis mitgeteilt werden konnten. Schon insofern ist darin daher nicht der Versuch zu erblicken, vertrauliche Informationen über die Preisgestaltung der Mitbewerberin, deren Kenntnis einen nicht völlig unerheblichen Wettbewerbsvorteil bewirken könnte, in Erfahrung zu bringen.

Soweit allenfalls von Zeitaufwand für die Reinigung von einer bestimmten Fläche eines bestimmten Objektes (Büro; Direktion Graz) die Rede gewesen ist, handelt es sich dabei im Übrigen nicht um Informationen, die geeignet wären, auch nur hypothetisch einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil, sei es im Hinblick auf die Kalkulation des Preises selbst und darüber hinaus auch auf das Qualitätssubkriterium ‚Qualitätssicherung Flächenmanagement‘ zu erlangen. Zum einen handelt es sich dabei nämlich in Anbetracht des aufgezeigten Gesprächsniveaus lediglich um ungefähre und zum anderen um keinesfalls der Kalkulation der hier verfahrensgegenständlichen Leistungen von der Antragstellerin zugrunde gelegte kalkulatorische Werte. Ersteres verdeutlicht die Argumentation der Antragstellerin selbst, wonach Nuancen, mitunter Minuten, entscheidend sein könnten, sodass die Kenntnis bloß ungefährer Werte kalkulatorisch gerade nicht von Relevanz wäre und sohin nicht den verpönten Vorteil verschaffen könnte. Wenn die Antragstellerin vermeint, die Kalkulation der gegenständlichen Reinigungsleistungen erfordere besondere Erfahrungswerte und entsprechendes Insiderwissen, welche offenbar nur die bisherige Leistungserbringung gewährleisten könne, so stellt sich im Übrigen vielmehr die Frage, ob die Antragstellerin ihrerseits insofern einen Wettbewerbsvorteil hatte. Auch hiervon geht der Senat allerdings nicht aus, zumal die Besichtigung sämtlicher zu reinigenden Objekte und Fahrzeuge verpflichtend vorzunehmen war und die Eignungsprüfung wesentlich auch die Erfahrung mit der Reinigung vergleichbarer Fahrzeuge und Objekte zum Gegenstand hatte. So wurde zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit der Nachweis über drei Referenzen betreffend Unterhalts-, Grund- sowie Fensterreinigungsdienstleistungen an Objekten und Fahrzeugen gefordert. Im Konkreten war zu belegen, dass der Bewerber Erfahrung in der Reinigung von Bürogebäuden oder Geschäftsflächen mit öffentlichen Verkaufsflächen im Ausmaß von 1.000 m² Nettofläche und von Bürogebäuden im Ausmaß von 400 m² Nettofläche sowie in der Spezialreinigung von Sitzbezügen in Bussen, Straßenbahnfahrzeugen, Zügen oder gepolsterten Stühlen mit erhöhten Anforderungen hinsichtlich Abnutzung in Veranstaltungsbereichen, Hotels, Schulen erbracht hat. Die Bewerber waren weiters aufgefordert betreffend die, im Übrigen nicht vom Umfang der vorangehenden Ausschreibung des Jahres 2016 erfasste, Außenreinigung an diversen Bahnhöfen, Haltestellen und Freibereichen am Streckenbereich der Auftraggeberin mindestens zwei Referenzen zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit zu präsentieren, um die Erfahrung in der Reinigung von Außenbereichen von Verkehrsdienststellen (Vorplätze inkl. Parkplätze, Bahnsteige, Zugangsbauwerke, usw.) oder Außenanlagen und Parkplätze von Schulen, Gemeindebauten, öffentlichen Einrichtungen, Hotelanlagen usw. zu belegen. Diese Erfahrungen konnten sowohl die Antragstellerin als auch die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin nachweisen, wodurch auch deren Erfahrung mit der Kalkulation derartiger oder vergleichbarer Leistungen als gegeben angenommen werden darf.

Abschließend ist daher festzuhalten, dass der Ausschlussgrund des § 249 Abs 2 Z 10 li b BVergG 2018 von der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin nicht verwirklicht wird. Weder i

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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