TE Vwgh Beschluss 2021/1/18 Ra 2020/11/0206

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Veröffentlicht am 18.01.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §66 Abs4
B-VG Art130 Abs1
VStG §22
VStG §24
VStG §27 Abs1
VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des R T in L, vertreten durch die Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 13. September 2020, Zl. LVwG-S-1880/001-2019, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Waidhofen an der Ybbs), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 8. Juli 2019 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener einer näher genannten Gesellschaft zu verantworten, dass diese im Zeitraum von mindestens 26. Juni bis mindestens 12. November 2018 keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden von drei näher genannten Arbeitnehmern geführt habe. Über den Revisionswerber wurde deswegen gemäß § 26 Abs. 1 iVm. § 28 Abs. 2 Z 7 und Abs. 8 Arbeitszeitgesetz jeweils eine Geldstrafe sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Niederösterreich der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers insoweit Folge, als es den Tatzeitraum auf den Zeitraum von 30. Oktober bis 12. November 2018 eingeschränkte, die Fassung der angewendeten Strafnorm konkretisierte und die Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen sowie den Verfahrenskostenbeitrag neu festsetzte. Im Übrigen bestätigte das Verwaltungsgericht das Straferkenntnis und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Das Verwaltungsgericht stellte fest, bei einer Kontrolle am 12. November 2018 sei festgestellt worden, dass für die genannten Arbeitnehmer jeweils keine Arbeitsaufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt worden seien. Diese Übertretungen seien erstmals am 26. Juni 2018 sowie neuerlich am 30. August 2018 festgestellt und der Revisionswerber jeweils aufgefordert worden, die notwendigen Maßnahmen zu setzen, worauf dieser allerdings nicht reagiert habe. Mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 23. Oktober 2018 seien über den Revisionswerber wegen der Begehung der zum gegenständlichen Verfahren hinsichtlich der Arbeitnehmer und der jeweils angelasteten Übertretungen identen Delikte, jedoch bezogen auf den Tatzeitraum vom 26. Juni bis zum 30. August 2018, drei Geldstrafen verhängt worden. Diese Strafverfügung sei dem Revisionswerber am 29. Oktober 2018 zugestellt worden. Mangels Erhebung eines Rechtsmittels sei die Strafverfügung rechtskräftig geworden.

4        Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, durch die genannte Strafverfügung vom 23. Oktober 2018 seien die dort angelasteten Tathandlungen im dort angelasteten Tatzeitraum, darüber hinaus auch jene bis zum Datum der Zustellung dieser Strafverfügung (29. Oktober 2018), erfasst worden. Zur Vermeidung einer Doppelbestrafung könne eine Bestrafung erst ab jenem Zeitraum erfolgen, der nicht von der Erfassungswirkung der genannten Strafverfügung abgedeckt sei, weswegen der Tatzeitraum entsprechend eingeschränkt werde.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, im Revisionsfall liege ein fortgesetztes Delikt vor bzw. habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, dass kein Dauerdelikt vorliege. Im Hinblick auf die Strafverfügung vom 23. Oktober 2018 wegen des identen Deliktes betreffend die identen Arbeitnehmer hätte keine nochmalige Bestrafung des Revisionswerbers erfolgen dürfen, weswegen auch gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoßen worden sei.

10       Damit zeigt die Revision keine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG auf:

11       Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass bei Vorliegen eines Dauerdelikts oder eines fortgesetzten Delikts die Bestrafung alle bis zur Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gesetzten Einzeltathandlungen abdeckt. Hingegen werden jene Tathandlungen, die nach diesem Zeitpunkt gesetzt werden, von dieser Abgeltungswirkung nicht erfasst. Setzt also der Täter sein strafbares Verhalten nach vorangegangener Bestrafung fort, so können die seit der letzten Bestrafung, also nach Erlassung des letzten erstinstanzlichen Straferkenntnisses gesetzten Teilakte einer neuerlichen Bestrafung unterzogen werden (vgl. etwa VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0023, mwN).

12       Die Revision, welche nicht bestreitet, dass der Revisionswerber in dem im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses genannten Zeitraum die ihm angelasteten Tathandlungen gesetzt hat, zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre.

13       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auch vor, das angefochtene Erkenntnis sei über ein Jahr nach dem Straferkenntnis der belangten Behörde ergangen, weswegen das Verwaltungsgericht auf Grund der „Verfolgungsverjährung“ keine Korrektur des Straferkenntnisses der belangten Behörde vornehmen hätte dürfen.

14       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es grundsätzlich nicht nur das Recht, sondern die Pflicht eines Verwaltungsgerichts - wie auch der Berufungsbehörde vor der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit -, einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. etwa VwGH 16.9.2020, Ra 2020/09/0036, mwN).

15       Die Revision, die lediglich auf den Zeitraum zwischen der Erlassung des Straferkenntnisses der belangten Behörde und des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Bezug nimmt, bringt nicht vor, dass innerhalb der Frist des § 31 Abs. 1 VStG keine Verfolgungshandlung iSd. § 32 Abs. 2 VStG in Bezug auf jene Tatbestandselemente vorgenommen worden wäre, die der Bestrafung des Revisionswerbers durch das angefochtene Erkenntnis zu Grunde gelegt wurden. Die Revision zeigt somit nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von den Leitlinien der genannten Rechtsprechung abgewichen wäre.

16       In der Revision werden sohin insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Jänner 2021

Schlagworte

Berufungsverfahren Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz Spruch der Berufungsbehörde Ergänzungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110206.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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