TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/30 96/19/0965

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Veröffentlicht am 30.05.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z4;
B-VG Art7;
StGG Art2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Jänner 1996, Zl. 112.896/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte nach der Aktenlage über einen Wiedereinreisesichtvermerk für den Zeitraum vom 17. Dezember 1992 bis 28. Februar 1993. Am 18. Oktober 1993 wurde in seinem Reisedokument ein "Aufenthaltsrecht gem. § 12 Aufenthaltsgesetz bis 30.06.1994" ersichtlich gemacht.

Am 5. August 1994 beantragte der Beschwerdeführer persönlich bei der österreichischen Botschaft in Zagreb die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Er gab an, Staatsangehöriger Kroatiens zu sein. Als seinen derzeitigen Wohnsitz gab er eine Adresse in Kroatien an.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. September 1994 wurde dieser Antrag gemäß § 9 Abs. 3 AufG aF abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Aus den vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren am 5. Dezember 1995 vorgelegten Urkunden ging hervor, daß er sich wieder im Bundesgebiet aufhielt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG - unter anderem - in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) sowie § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist. Die Bewilligung solle nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden. Damit liege der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Die Erteilung einer Bewilligung sei aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Eine auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützte Entscheidung stelle einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 MRK dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (17. Jänner 1996) hatte die belangte Behörde das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, anzuwenden.

§ 5 Abs. 1, § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 AufG in der Fassung der in Rede stehenden Novelle lauten:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

§ 6. (1) ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der

Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine

Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist.

§ 12. (1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung damit unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren.

...

(4) Wird infolge der längeren Dauer der in Abs. 1 genannten Umstände eine dauernde Integration erforderlich, kann in der Verordnung festgelegt werden, daß für bestimmte Gruppen der Aufenthaltsberechtigten abweichend von § 6 Abs. 2 eine Antragstellung im Inland zulässig ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

§ 4 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

§ 2 der gemäß § 12 AufG erlassenen, im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde anwendbaren Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, lautete:

"§ 2. Personen, die zum 1. Jänner 1995 gemäß der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 1038/1994, ein Aufenthaltsrecht hatten, können den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG ausnahmsweise im Inland stellen."

§ 1 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 lautete:

"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

(2) Dieses Aufenthaltsrecht besteht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.

(3) Ungeachtet der Staatsangehörigkeit kann ein solches Aufenthaltsrecht auch Personen aus Grenzstädten zur ehemaligen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina gewährt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen nach dem Abs. 1 gegeben sind.

..."

Bis 31. Juli 1995 stand das im Verhältnis der Republik Österreich zur Republik Kroatien pragmatisch weiter angewendete Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, in Kraft. Es wurde mit Wirksamkeit vom 1. August 1995 durch das Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, abgelöst.

Art. 1 und 3 des erstgenannten Abkommens lauteten auszugsweise:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

(2) Den Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen, können die zuständigen Behörden dieses Vertragsstaates die Aufenthaltsberechtigung verlängern.

...

Artikel 3

...

(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist jugoslawischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:

a) Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)"

Art. 1 und 3 des Abkommens BGBl. Nr. 487/1995 lauten:

"Artikel 1

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerke des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

...

Artikel 3

...

(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist kroatischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:

a) Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)"

Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, er sei (im Anschluß an seine Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Zagreb) sichtvermerksfrei wieder nach Österreich eingereist und halte sich seither im Bundesgebiet auf, nicht entgegen. Auf Basis dieser Sachverhaltsfeststellung wäre der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht.

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe übersehen, daß er bis 30. Juni 1994 ein vorläufiges Aufenthaltsrecht aufgrund der gemäß § 12 AufG ergangenen Verordnungen innehatte, was auch für einen kroatischen Staatsangehörigen nicht grundsätzlich ausgeschlossen wäre (vgl. etwa § 1 Abs. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994). Damit behauptet der Beschwerdeführer jedenfalls nicht, daß seine - nach dem 5. August 1994 erfolgte - sichtvermerksfreie Wiedereinreise eine solche gemäß § 12 AufG gewesen wäre und er damit - soweit dies hier sachverhaltsbezogen überhaupt in Betracht kommt - neuerlich ein vorläufiges Aufenthaltsrecht aufgrund der nach dieser Gesetzesbestimmung ergangenen Verordnungen erworben hätte. Damit erfüllte der Beschwerdeführer aber auch nicht die Voraussetzungen des § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 (Innehabung eines Aufenthaltsrechtes gemäß der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 1038/1994 zum 1. Jänner 1995). Er war daher nicht gemäß § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 zur Inlandsantragstellung berechtigt.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, er sei im Hinblick auf sein bis 30. Juni 1994 bestandenes vorläufiges Aufenthaltsrecht einerseits und aufgrund der für ihn ausgestellten Arbeitserlaubnis andererseits gemäß § 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 zur Inlandsantragstellung berechtigt. Dabei übersieht der Beschwerdeführer vorerst, daß im Hinblick auf den Entscheidungszeitpunkt § 4 Z. 4 der am 22. Dezember 1995 ausgegebenen Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 zur Anwendung gelangt, welcher allerdings inhaltlich mit § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 ident ist.

Auf die Bestimmung des § 4 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 kann sich der Beschwerdeführer jedoch nicht berufen, weil er über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte. Mit "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne der zitierten Verordnungsbestimmung ist die in § 1 Abs. 1 AufG vorgeschriebene besondere Bewilligung gemeint. Diese - im Aufenthaltsgesetz "Bewilligung" genannte - Berechtigung ist Gegenstand des Antrages nach § 6 Abs. 2 AufG. § 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 bezeichnet diesen als "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung". Die Verordnung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" in § 4 erster Satz etwas anderes bedeuten soll als jener in Z. 4 leg. cit. (vgl. das zu § 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 ergangene hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0743). Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach den gemäß § 12 AufG erlassenen Verordnungen fällt daher ebensowenig unter diesen Begriff wie die Berechtigung zum Aufenthalt aufgrund eines bloß für einen kurzen Zeitraum erteilten Wiedereinreisesichtvermerkes.

Da der Beschwerdeführer entgegen seiner in der Beschwerde vertretenen Auffassung weder aufgrund des § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 noch aufgrund des § 4 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 zur Antragstellung im Inland berechtigt war, kann die Frage dahingestellt bleiben, ob eine Berechtigung zur Inlandsantragstellung aufgrund einer der zitierten Verordnungsbestimmungen der Anwendung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG entgegenstünde.

Art. 1 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - im Verhältnis zur Republik Kroatien - nicht mehr anzuwenden und stand daher schon aus diesem Grund der Anwendung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht entgegen.

Insoweit der Beschwerdeführer behauptet, einem anderen Fremden sei in einem gleichgelagerten Fall eine Bewilligung erteilt worden, ist ihm die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach ein - gesetzmäßiger - Bescheid nicht gleichheitswidrig ist, wenn die Behörde ein Gesetz abweichend von ihrer sonstigen Praxis in einem Einzelfall anwendet. Es hat niemand einen Anspruch darauf, daß sich eine Behörde, die sich in anderen Fällen rechtswidrig verhält, auch ihm gegenüber rechtswidrig verhalte (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8 Rz 1357).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190965.X00

Im RIS seit

02.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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