TE Vfgh Erkenntnis 1995/9/25 B1050/94

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Veröffentlicht am 25.09.1995
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

Vlbg GVG §5 Abs1
Vlbg GVG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs infolge überwiegenden Interesses an der Erhaltung der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung mangels Realisierbarkeit der von der beschwerdeführenden Gesellschaft beabsichtigten Kiesgewinnung

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Antrag vom 20. Feber 1989 ersuchte die beschwerdeführende (bf.) Gesellschaft um grundverkehrsbehördliche Genehmigung zum Kauf des Grundstückes Nr. 2039/19, Grundbuch Altenstadt/Bez. Feldkirch, im Ausmaß von 1796 m2 zum Preis von

S 35.920,-. Dem Antrag zufolge sollte das Grundstück zur Kiesgewinnung erworben werden.

Der (Vorarlberger) Grundverkehrssenat versagte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. März 1994 gemäß §5 Abs1 und §7 Abs1 des (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 18/1977, idF der Novelle LGBl. 63/1987, (im folgenden: Vlbg. GVG 1977), die begehrte Genehmigung.

Dieser Berufungsbescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet:

"Bei der Besichtigung des Grundstückes durch den Grundverkehrssenat wurde festgestellt, daß es als Maisacker genutzt ist und in einer größeren zusammenhängenden, landwirtschaftlich genutzten Fläche liegt. Es ist wegmäßig gut erschlossen und auch aufgrund der Form landwirtschaftlich gut bewirtschaftbar. Die Berufungswerberin hat überdies bestätigt, daß das Grundstück landwirtschaftlich genutzt ist. Es handelt sich somit um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück im Sinne des Grundverkehrsgesetzes, sodaß der Rechtserwerb an diesem Grundstück unter die Bestimmung des Grundverkehrgesetzes fällt.

Ein Rechtserwerb an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück ist gemäß §5 Abs1 Grundverkehrsgesetz nur zu genehmigen, wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht; der Rechtserwerb an ausschließlich forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken überdies nur dann, wenn er dem allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse oder dem Interesse der Forstwirtschaft im besonderen nicht widerspricht.

Ein Rechtserwerb an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück ist gemäß §7 Abs1 Grundverkehrsgesetz zu genehmigen, wenn er zum Zwecke des Wohnbaues, zur Erfüllung öffentlicher, gemeinnütziger oder kultureller Aufgaben sowie für industrielle oder gewerbliche Anlagen erfolgt und nicht das Interesse an der Erhaltung der bisherigen Nutzung des Grundstückes offenbar das Interesse an der neuen Verwendung überwiegt.

Die Berufungswerberin will nach ihren Angaben das Kaufgrundstück zur Kiesgewinnung erwerben; da dieser Erwerbszweck auch nach ihrer Einschätzung derzeit nicht verwirklicht werden kann, soll das Grundstück wie bisher durch einen Landwirt landwirtschaftlich genutzt bleiben. Für die Verwirklichung des Kiesabbaus spricht fürs erste, daß das Grundstück im Flächenwidmungsplan der Stadt Feldkirch u.a. als Freifläche-Sondergebiet-Kiesabbau gewidmet ist. Die Widmung ist jedoch nur eine der Voraussetzungen für das geplante Vorhaben. Gegen die Prognose, daß es zum Kiesabbau kommen wird, spricht vor allem das Gutachten des Amtssachverständigen für Geologie und Abfallwirtschaft, wonach ein Kiesabbau auf dem Kaufgrundstück derzeit nicht möglich und auch in Zukunft kaum zu realisieren ist. Nach den vom Amtssachverständigen dargelegten Gründen ist ein Trockenabbau kaum wirtschaftlich und die Neuanlage eines Baggersees praktisch nicht realisierbar, solange dem Grundwasserschutz der Vorrang vor anderen Nutzungen eingeräumt wird (Daß am Grundwasserschutz ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, wird durch den vom Amtssachverständigen erwähnten Beschluß der Vorarlberger Landesregierung untermauert; es ist nicht absehbar, daß dem Grundwasserschutz einmal eine untergeordnete Bedeutung zukäme). Eine allfällige Auslagerung der aufgelassenen Hausmülldeponie kann nach dem Gutachten nicht als Begründung für die Realisierung eines groß angelegten Kiesabbaues im Bereich Feldkirch-Rüttenen und damit auf dem gegenständlichen Kaufgrundstück dienen. Schließlich räumt die Berufungswerberin selber ein, daß ein Kiesabbau derzeit nicht möglich ist, weil dies davon abhängt, wie die bestehenden Mülldeponien im Bereich der Alten Rüttenen in Zukunft behandelt werden.

Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand ist es somit äußerst wahrscheinlich, daß ein Kiesabbau nie stattfinden wird. Sollte er jedoch tatsächlich einmal möglich sein, so scheint seine Realisierung in so weiter Ferne zu liegen, daß auch aus diesem Grund das Interesse an der Erhaltung der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung des Kaufgrundstückes offenbar das Interesse an der neuen Verwendung überwiegt, zumal das Grundstück landwirtschaftlich intensiv genutzt und gut bewirtschaftbar ist. Die Berufungswerberin hat zudem nicht ins Treffen geführt und es ist im Verfahren auch nicht zu Tage getreten, daß sie das Grundstück im Sinne der Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes selbst bewirtschaftet bzw. zur Selbstbewirtschaftung benötigt. Ein Grundstückskauf bei gleichzeitiger Überlassung der Bewirtschaftung an Dritte widerspricht jedoch den Zielsetzungen des Grundverkehrsgesetzes. Der gegenständliche Grunderwerb widerspricht somit dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes."

2. Gegen den soeben zitierten Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter, verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

a) Die bf. Gesellschaft behauptet zunächst die Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren i.S. des Art6 EMRK. Es gehe hier um ein "civil right" in der Bedeutung dieser Konventionsnorm, daher müsse in der Sache ein "Tribunal" entscheiden; der Grundverkehrssenat sei nun aber kein unabhängiges und unparteiisches Gericht. Die Beschwerde wiederholt die - vom selben Beschwerdevertreter - bereits in früheren Beschwerdeverfahren vorgebrachten, in diese Richtung gehenden Vorwürfe und ersucht, die bisherige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu revidieren. Die bf. Gesellschaft verweist auf den Motivenbericht zur Regierungsvorlage des (unten zu II.1 näher erörterten) neuen (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetzes 1993. Durch dieses Gesetz wurde anstelle des Grundverkehrssenates der Unabhängige Verwaltungssenat als zweite (oberste) Instanz eingesetzt. Im erwähnten Motivenbericht heißt es dazu auszugsweise (44. Beilage zu den Sitzungsberichten des XXV. Vlbg. Landtages, S 16):

".....Die Bestellung mehrerer Beamter, die bei ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit zueinander in einem hierarchischen Über- und Unterordnungsverhältnis oder in einem sonstigen dienstlichen Verhältnis stehen, zu Mitgliedern der Kollegialbehörde könnte allenfalls im Lichte der neueren Judikatur der Straßburger Konventionsorgane (EKMR im Fall Ettl-EuGRZ 1985, 364) bedenklich sein. Mit der Einführung des Unabhängigen Verwaltungssenates als zweite Instanz sind derartige Zweifel von vornherein unterbunden."

b) In der Beschwerde wird auch noch die Verletzung des Art1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (allein und iVm Art14 EMRK) geltend gemacht:

Die Behörde habe - obgleich durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung ein Eigentumseingriff (eine Eigentumsbeschränkung) erfolgt sei - keine faire Güterabwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen vorgenommen.

Der vorgesehene Verwendungszweck (Kiesgewinnung) sei nicht mit Sicherheit zu erreichen. Daher habe die bf. Gesellschaft der Behörde ausdrücklich angeboten, eine Befristung oder Realisierungsauflage zu akzeptieren, die sicherstellen würde, daß sie das Grundstück nicht behalten kann, wenn sie es nicht der vorgesehenen Verwendung zuführt.

3. Der Grundverkehrssenat als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, erstattete eine Gegenschrift, in der er begehrt, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides galt zwar bereits ein neues (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetz, LGBl. 61/1993, (Vlbg. GVG 1993). Dieses war (mit Ausnahme seines §3 Abs1 und 2) am 1. Jänner 1994 in Kraft getreten (s. §32 Abs1 leg.cit. iVm der Kundmachung der Landesregierung im LGBl. 80/1993). Der Übergangsbestimmung des §31 Abs2 lita Vlbg. GVG 1993 zufolge sind aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Verfahren nach den bisher geltenden grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen zu beenden.

Der angefochtene Bescheid stützt sich also zu Recht noch auf das Vlbg. GVG 1977.

2. Die oben zu Pkt. I.2.a wiedergegebenen Beschwerdeausführungen sind nicht dazu angetan, den Verfassungsgerichtshof von seiner bisherigen ständigen Judikatur (zB VfSlg. 12074/1989, 12611/1991, 13245/1992, 13247/1992) abzubringen. Wenn der Gesetzgeber nun eine andere Behörde als oberste Instanz eingerichtet hat, ergibt sich daraus nicht die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung. Auch die konkrete Zusammensetzung des Grundverkehrssenates im vorliegenden Fall gibt zu den in der Beschwerde vorgebrachten Bedenken keinen Anlaß. Selbst wenn der Senatsvorsitzende ehemals ein Mitglied der Vlbg. Landesregierung war und eines der Senatsmitglieder der Präsident der Landwirtschaftskammer ist, geben diese Umstände allein noch keinen Grund zur Annahme, daß diese Organwalter ihre Funktion im Grundverkehrssenat parteiisch und von den derzeitigen politischen Machtträgern abhängig ausüben würden.

3. Auch der Beschwerdevorwurf eines verfassungswidrigen Eingriffs in das Eigentumsrecht (s. oben, Pkt. I.2.b) ist ungerechtfertigt: Die von der bf. Gesellschaft vermißte Interessensabwägung ist im §7 Abs1 Vlbg. GVG 1977 ausdrücklich vorgeschrieben und wurde vom Grundverkehrssenat zumindest vertretbar vorgenommen (vgl. hiezu z.B. VfSlg. 12968/1992, 13247/1992). Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß die Einschätzung der Behörde denkunmöglich oder willkürlich wäre. Ihre (näher begründete) Annahme, daß das Kaufgrundstück wahrscheinlich nicht - wie vorgesehen - zunächst zur Kiesgewinnung und später als Badeteich verwendet werden könnte, ist keineswegs unvertretbar. Das Interesse an der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung konnte daher denkmöglich als solches angesehen werden, das einer - unsicheren - anderen Nutzung i.S. des §7 Abs1 Vlbg. GVG 1977 vorzuziehen ist. Das Gesetz verpflichtet die Behörde - entgegen der Meinung der bf. Gesellschaft - nicht, dem Grundstückskäufer Auflagen zu erteilen oder Fristen zu setzen. Ob die bf. Gesellschaft allenfalls ihre wirtschaftlichen Interessen durch Abschluß eines Vertrages, der ihr das Vorkaufsrecht sichert, wahren könnte, ist vom Verfassungsgerichtshof in diesem Verfahren nicht zu erörtern.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die bf. Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1050.1994

Dokumentnummer

JFT_10049075_94B01050_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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