TE Lvwg Beschluss 2021/2/4 LVwG-S-2427/002-2020

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Veröffentlicht am 04.02.2021
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Entscheidungsdatum

04.02.2021

Norm

B-VG Art89 Abs2
B-VG Art135 Abs4
B-VG Art139 Abs1
JagdG NÖ 1974 §95 Abs1 Z3

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch MMag. Kammerhofer als Einzelrichter zu der Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 10. November 2020, ***, betreffend Bestrafung nach dem NÖ Jagdgesetz den

BESCHLUSS:

1.   Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm Art. 139 B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, in § 2 Punkt 1 der Grünvorlageverordnung 2020 der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 26. Mai 2020, ***, die Wortfolge

„spätestens aber bis zum Ende der gesetzlichen Tagesschusszeit (§ 95 Abs. 1 Z. 3 NÖ Jagdgesetz) - in diesem Fall auch vor Beginn einer allfälligen Nachsuche -“

als gesetzwidrig aufzuheben.

2.   Das Beschwerdeverfahren wird nach Abschluss des Verordnungsprüfungsverfahrens fortgesetzt werden.

Begründung:

1.   Sachverhalt und Verfahrensgang

Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 10. November 2020, ***, wurde dem Beschwerdeführer – nach einer Strafverfügung vom 19. August 2020 und einem dagegen fristgerecht erhobenen Einspruch – zur Last gelegt, er habe am 29. Juni 2020 in ***, Genossenschaftsjagdgebiet C, um 22:20 Uhr einen Schmalspießer (männlicher Rothirsch im 2. Lebensjahr mit noch unverzweigtem Geweih) erlegt und die Erlegung per SMS am 29. Juni 2020 um 22:46 Uhr an ein gemäß der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 26. Mai 2020, Zl. ***, (in der Folge: Grünvorlageverordnung 2020) für das Genossenschaftsjagdgebiet C bestimmtes Kontrollorgan gemeldet. Gemäß dieser Verordnung seien die Jagdausübungsberechtigten sowie die von ihnen betrauten Personen verpflichtet, das verordnungsgegenständliche Wild unverzüglich nach Schussabgabe, d.h. bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit, spätestens aber bis zum Ende der gesetzlichen Tagesschusszeit (§ 95 Abs. 1 Z. 3 NÖ Jagdgesetz) – in diesem Fall auch vor Beginn einer allfälligen Nachsuche – dem genannten Überwachungsorgan zumindest telefonisch unter Angabe der beschossenen Art des Rotwildes (Tier, Kalb, Hirsch) zu melden. Da der Beschwerdeführer die Jagd im Genossenschaftsjagdgebiet C ausgeübt habe und ihm die Telefonnummer des Kontrollorganes bekannt gewesen sei, sei davon auszugehen, dass er als mit der Erlegung von Wild Beauftragter des Jagdausübungsberechtigten im Genossenschaftsjagdgebiet C anzusehen sei.

Eine Abfrage der Homepage der ZAMG und des NÖ Landesjagverbandes habe ergeben, dass an diesem Tag der Sonnenuntergang um 20:59 Uhr (Quelle: ZAMG) bzw. 21:02 Uhr (Quelle: NÖ LJV) gewesen sei. Die Meldung sei um 22:46 Uhr per SMS an das Überwachungsorgan erfolgt und hätte bis spätestens 22:32 Uhr erfolgen müssen. Der Beschwerdeführer habe es somit verabsäumt, gemäß der Grünvorlageverordnung 2020 der Bezirkshauptmannschaft Baden seiner Verpflichtung der Schussmeldung spätestens bis zum Ende der gesetzlichen Tagesschusszeit, das sei die Zeit von 90 Minuten nach Sonnenuntergang (22:29 Uhr bzw. 22:32 Uhr), nachzukommen.

Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 135 Abs. 1 Z 31 NÖ Jagdgesetz 1974 iVm § 2 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 26. Mai 2020, Zl. *** verletzt und wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 135 Abs. 2 NÖ Jagdgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 25 Stunden) verhängt.

Begründend wurde darüber hinaus ausgeführt, dass die Übertretung durch das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erwiesen sei. In seiner Rechtfertigung vom 15. September 2020 habe der Beschwerdeführer die Übertretung grundsätzlich zugegeben, habe aber vermeint, dass die Grünvorlageverordnung 2020 der Bezirkshauptmannschaft Baden nicht einzuhalten sei, da diese nicht rechtsgültig und gesetzwidrig sei. Rechtskräftige Verordnungen seien aber einzuhalten.

Bei der Strafbemessung ging die belangte Behörde für keine für den Beschwerdeführer ungünstigen Bedingungen und einem Einkommen von 1.500 Euro aus. Mildernd wie auch erschwerend wurden keine Umstände gewertet.

Gegen dieses Straferkenntnis vom 10. November 2020 richtet sich die mit Schreiben vom 9. Dezember 2020 erhobene Beschwerde. Das bekämpfte Straferkenntnis wird darin zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten und auch hinsichtlich der Strafhöhe bekämpft.

Begründend wird darin zunächst ausgeführt, dass § 2 der Grünvorlageverordnung 2020 der Bezirkshauptmannschaft Baden gesetzwidrig sei. § 95 Abs. 1 Z 3 NÖ Jagdgesetz verbiete die Ausübung von Jagd zur Nachtzeit, das sei die Zeit von 90 Minuten nach Sonnenuntergang bis 90 Minuten vor Sonnenaufgang. Die belangte Behörde interpretiere den Zeitraum zwischen 90 Minuten vor Sonnenaufgang bis 90 Minuten nach Sonnenuntergang als „Tagesschusszeit“. Gegen diese Interpretation sei nichts einzuwenden. Jedenfalls sei die Jagd während der so definierten Tagesschusszeit erlaubt und zulässig.

In der Grünvorlageverordnung 2020 der Bezirkshauptmannschaft Baden werde die Frist für die Meldung an das Grünvorlageorgan definiert als unverzüglich nach Schussabgabe, d.h. bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit, spätestens aber bis zum Ende der gesetzlichen Tagesschusszeit (§ 95 Abs. 1 Z 3 NÖ Jagdgesetz).

Dadurch verkürze die belangte Behörde die gesetzlich vorgesehene Tagesschusszeit, weil nach § 95 Abs. 1 Z 3 NÖ Jagdgesetz die Erlegung auch noch in der letzten Sekunde der Tagesschusszeit erlaubt sei. Es sei völlig undenkbar, dass in diesem Fall der Schütze in der Lage wäre noch rechtzeitig – innerhalb der gesetzlichen Tagesschusszeit – eine Meldung an das Grünvorlageorgan zu erstatten. Jedem Schützen sei eine Reaktionszeit zwischen Schussabgabe und Meldung zuzugestehen. Jedenfalls anerkenne auch die beanstandete Bestimmung der verfahrensgegenständlichen Verordnung durch die Wortfolge „bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit“ eine gewisse Reaktionszeit. Sachgerecht sei es diese unverzügliche Meldung überhaupt aufzuheben, weil ein Schütze im Regelfall nach der Schussabgabe andere Prioritäten habe. Zu bemerken sei, dass oftmals der Schütze von seiner Position aus das beschossene Stück nicht sehe. Schon aus diesem Grund sei die Verpflichtung zur sofortigen Meldung nicht sachgerecht, da die berechtigten Interessen der Schützen überhaupt nicht berücksichtigt würden.

Die belangte Behörde habe durch die verfahrensgegenständliche Bestimmung das NÖ Jagdgesetz verletzt. Diese Verletzung sei rechtswidrig, weil dadurch die belangte Behörde in die Kompetenz des Landesgesetzgebers eingegriffen habe. Die Bestimmung des § 2 der Grünvorlageverordnung 2020 sei somit gesetzeswidrig. Durch die Anwendung der zitierten Bestimmung verletze die belangte Behörde das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Gleichheit vor dem Gesetz.

Die Verordnungsermächtigung der Behörde gründe sich auf § 81 Abs. 10 NÖ Jagdgesetz. Demnach sei auf Verlangen des Jagdpächters, in Genossenschaftsjagdgebieten des Jagdausschusses, der Jagdpächter verpflichtet, in zumutbarer Weise den Abschuss von Schalenwildstücken nachzuweisen und eine Markierung zuzulassen. Die Bezirksverwaltungsbehörde habe, wenn dies zur Überprüfung der verfügten Abschüsse erforderlich ist, mit Bescheid für einzelne oder mit Verordnung für mehrere oder sämtliche Jagdgebiete eines Verwaltungsbezirkes die Jagdausübungsberechtigten zu verpflichten, in geeigneter Weise innerhalb einer bestimmten Frist den Abschuss von Wildstücken nachzuweisen.

In der verfassungsrechtlichen Systematik handle es sich bei dieser Verordnungsermächtigung um eine Ermächtigung, eine Durchführungsverordnung zu erlassen (Art. 18 Abs. 2 B-VG). Eine gesetzesergänzende Verordnung oder gar eine gesetzesändernde Verordnung sei jedenfalls nicht vorgesehen, da eine gesetzliche oder gar verfassungsrechtliche Ermächtigung der belangten Behörde nicht vorliege.

Verordnungen dürfen nur aufgrund der Gesetze ergehen, d.h. sie dürften nur gesetzliche Regelungen präzisieren. Das betreffende Gesetz müsse den Inhalt der Verordnung bereits determinieren. Es müsse inhaltlich bestimmt sein und dürfe die Verwaltung nicht lediglich zur Regelung einer Angelegenheit durch Verordnung ermächtigen (verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation).

§ 81 Abs. 10 NÖ Jagdgesetz enthalte eine doppelte Ermächtigung, nämlich einerseits zur Erlassung eines Bescheids auf Verlangen des Verpächters/Jagdausschusses, andererseits zur Erlassung von Bescheiden und/oder Verordnungen. Die Bescheidermächtigung gemäß erster Satz berücksichtige ausdrücklich die Interessen des Jagdausübungsberechtigten bzw. des Schützen, da der Nachweis in zumutbarer Weise zu erfolgen habe. Die Vorgabe der zumutbaren Weise richte sich einerseits nach den Bedürfnissen der Kontrollorgane aber auch nach jenen des Verpflichteten. Im zweiter Satz – Ermächtigung zur Erlassung von Bescheiden und Verordnungen – werde nicht mehr von der „zumutbaren Weise“ gesprochen. Es sei aber nicht einzusehen, warum die zumutbare Weise bei Bescheiden nach § 81 Abs. 10 erster Satz NÖ Jagdgesetz vorgegeben werde, während bei Bescheiden und Verordnungen nach dem zweiten Satz dies nicht gelten solle. Bei einer verfassungskonformen Auslegung werde davon auszugehen sein, dass auch bei Bescheiden und Verordnungen nach § 81 Abs. 10 zweiter Satz NÖ Jagdgesetz die Bezirkshauptmannschaft ihren Rechtsakt unter der Vorgabe der „zumutbaren Weise“ zu erfüllen haben werde.

Die angefochtene Verordnung, die den Jagdausübungsberechtigten bzw. den Schützen verpflichte, innerhalb der Tagesschusszeit den Abschuss von Rotwild zu melden, sei für den Jagdausübungsberechtigten oder den Schützen nicht zumutbar.

Jedenfalls werde aber durch die Ermächtigung in § 81 Abs. 10 NÖ Jagdgesetz die Bezirkshauptmannschaft nicht dazu ermächtigt, die Bestimmungen des NÖ Jagdgesetzes abzuändern. Die Bezirkshauptmannschaft habe keine Ermächtigung, die Tagesschusszeit gemäß § 95 Abs. 1 Z 3 NÖ Jagdgesetz zu verkürzen.

Aus diesen Gründen sei § 2 der Grünvorlageverordnung 2020 gesetzeswidrig und im Ergebnis auch gemäß Art. 18 Abs. 2 B-VG verfassungswidrig.

Die Höhe der Strafe von 500 Euro sei völlig unangemessen. Bei einer bloßen Verletzung der Formvorschrift hätte eine Mahnung gereicht.

Der Beschwerdeführer beantragte, das Landesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, das angefochtene Straferkenntnis beheben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Ausspruch einer Strafe einstellen; in eventu der Beschwerde Folge gegeben und anstelle einer Geldstrafe eine Ermahnung aussprechen.

2.   Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500-0 idF LGBl. Nr. 2/2020, lauten:

§ 1

Begriff des Jagdrechtes

(1) Das Jagdrecht besteht in der ausschließlichen Befugnis, innerhalb eines bestimmten Jagdgebietes in freier Wildbahn und in Wildgehegen (§ 7) dem Wild nachzustellen, es zu fangen, zu erlegen und sich anzueignen; es umfaßt ferner die ausschließliche Befugnis, sich verendetes Wild, Fallwild, Abwurfstangen sowie die Eier des Federwildes anzueignen.

(2) Das Jagdrecht unterliegt den Beschränkungen dieses Gesetzes.

§ 81

[…]

(10) Auf Verlangen des Verpächters, in Genossenschaftsjagdgebieten des Jagdausschusses, ist der Jagdpächter verpflichtet, in zumutbarer Weise den Abschuß von Schalenwildstücken nachzuweisen und eine Markierung zuzulassen. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat, wenn dies zur Überprüfung der verfügten Abschüsse erforderlich ist, mit Bescheid für einzelne oder mit Verordnung für mehrere oder sämtliche Jagdgebiete eines Verwaltungsbezirkes die Jagdausübungsberechtigten zu verpflichten, in geeigneter Weise innerhalb einer bestimmten Frist den Abschuß von Wildstücken nachzuweisen.

[…]

§ 95

Verbote sachlicher Art

(1) Alle nicht-selektiven Jagdmethoden sind verboten, insbesondere ist es verboten:

[…]

3. die Ausübung der Jagd zur Nachtzeit, das ist die Zeit von 90 Minuten nach Sonnenuntergang bis 90 Minuten vor Sonnenaufgang; ausgenommen von diesem Verbot ist die Ausübung der Jagd auf Schwarzwild, Raubwild und Raubzeug, den Auer- und Birkhahn, Wildgänse, Wildenten und Schnepfen;

[…]

3.   Zu Zulässigkeit und Umfang des Antrages

Gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines Gerichtes. Nach Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG hat ein Verwaltungsgericht den Antrag auf Aufhebung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat.

Der Umfang einer aufzuhebenden Bestimmung – und damit auch des auf eine Aufhebung gerichteten Gerichtsantrages – ist derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist, dass aber andererseits der verbleibende Text keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt. Es liegt auf der Hand, dass beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können. Der Verfassungsgerichtshof hat daher in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 13.721/1994 mwN).

Weiters vertritt der Verfassungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung die Auffassung, dass die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfenden Bestimmung so zu ziehen sind, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre, der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Rechtswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde, oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Vorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (zB VfGH G 98/18).

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat über die Beschwerde im vorliegenden Fall gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden.

Dabei hat es die angefochtene Wortfolge in § 2 Punkt 1 Grünvorlageverordnung „spätestens aber bis zum Ende der gesetzlichen Tagesschusszeit (§ 95 Abs. 1 Z. 3 NÖ Jagdgesetz) - in diesem Fall auch vor Beginn einer allfälligen Nachsuche -“ insofern anzuwenden, als der Beschwerdeführer von der belangten Behörde bestraft wurde, weil er das Erlegen eines Tieres nach Ende der Tagesschusszeit gemeldet habe.

4.   Bedenken

Das Jagdrecht besteht unter anderem darin, Wild zu erlegen (§ 1 Abs. 1 NÖ Jagdgesetz). Die Ausübung der Jagd unterliegt dabei bestimmten gesetzlichen Beschränkungen. So sieht etwa § 95 NÖ Jagdgesetz Verbote sachlicher Art vor. § 95 Abs. 1 Z 3 NÖ Jagdgesetz verbietet die Ausübung der Jagd zur Nachtzeit, das ist die Zeit von 90 Minuten nach Sonnenuntergang bis 90 Minuten vor Sonnenaufgang. Von diesem Verbot ausgenommen ist die Ausübung der Jagd auf Schwarzwild, Raubwild und Raubzeug, den Auer- und Birkhahn, Wildgänse, Wildenten und Schnepfen.

Daraus ergibt sich, dass die Bejagung – wie im gegenständlichen Fall – eines Rothirsches außerhalb der Nachtzeit erlaubt ist. Die belangte Behörde bezeichnet diesen Zeitraum als „Tagesschusszeit“.

In der Grünvorlageverordnung 2020 der Bezirkshauptmannschaft Baden wird die Frist für die Meldung an das Grünvorlageorgan definiert als unverzüglich nach Schussabgabe, d.h. bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit, „spätestens aber bis zum Ende der gesetzlichen Tagesschusszeit (§ 95 Abs. 1 Z 3 NÖ Jagdgesetz)“.

Dadurch verkürzt die belangte Behörde mit dieser Bestimmung in der Grünvorlageverordnung 2020 aber die gesetzlich vorgesehene Tagesschusszeit, ohne sich diesbezüglich auf eine gesetzliche Ermächtigung stützen zu können.

§ 81 Abs. 10 zweiter Satz NÖ Jagdgesetz sieht vor, dass die Bezirksverwaltungsbehörde, wenn dies zur Überprüfung der verfügten Abschüsse erforderlich ist, mit Verordnung für mehrere oder sämtliche Jagdgebiete eines Verwaltungsbezirkes die Jagdausübungsberechtigten zu verpflichten hat, in geeigneter Weise innerhalb einer bestimmten Frist den Abschuss von Wildstücken nachzuweisen. Eine Ermächtigung, das Verbot gemäß § 95 Abs. 1 Z 3 NÖ Jagdgesetz zeitlich auszuweiten und damit die Tagesschusszeit zu verkürzen, ist in dieser Bestimmung nicht ersichtlich. Wenn aber normiert wird, dass spätestens bis zum Ende der gesetzlichen Tagesschusszeit die Meldung zu erstatten ist, dann führt dies aber zu einer Verkürzung der Tagesschusszeit, weil – wie der Beschwerdeführer schlüssig dargelegt hat – für die Verständigung ein bestimmter Zeitraum erforderlich ist. Um die Meldung rechtzeitig vor Ende der Tagesschusszeit abgeben zu können, müsste die Schussabgabe so lange vorher getätigt werden, dass die Meldung noch rechtzeitig abgegeben werden könnte. Gerade dadurch wird aber die gesetzlich vorgegebene Tagesschusszeit um jeweils die Zeit, die für die Meldung erforderlich ist, verkürzt. Wenngleich bei Vorhandensein eines funktionierenden (technisch nicht defekt, Netzabdeckung) Mobiltelefons die Meldung einen Aufwand im Bereich weniger Minuten erfordern wird, wäre der Zeitraum bei fehlender Netzabdeckung oder etwa einem Defekt des Mobiltelefons länger. Damit wäre auch eine entsprechende Verkürzung der Tagesschusszeit verbunden.

Bei Entfall der Wortfolge „spätestens aber bis zum Ende der gesetzlichen Tagesschusszeit (§ 95 Abs. 1 Z. 3 NÖ Jagdgesetz) - in diesem Fall auch vor Beginn einer allfälligen Nachsuche -“ in § 2 Punkt 1 Grünvorlageverordnung 2020 wäre diese Gesetzwidrigkeit beseitigt. Der verbleibende Text würde keine wesentliche Veränderung seiner Bedeutung erfahren und immer noch Sinn ergeben, da weiterhin die unverzügliche Meldung zu erfolgen hätte.

5. Ergebnis

Gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 135 Abs. 4 und Art. 89 Abs. 2 B-VG sieht sich das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich verpflichtet, die Aufhebung der beantragten Wortfolge der Grünvorlageverordnung 2020 der Bezirkshauptmannschaft Baden, gegen deren Gesetzmäßigkeit es Bedenken hegt, beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Gemäß § 57 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 (VfGG), dürfen in dem beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich anhängigen Beschwerdeverfahren bis zur Verkündung bzw. Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

Daher ist das Beschwerdeverfahren bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu unterbrechen und erst danach fortzusetzen.

Die dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich von der belangten

Behörde vorgelegten Verwaltungsakten (einschließlich der Beschwerden) sind dem Antrag in Kopie angeschlossen.

Schlagworte

Landwirtschaft und Natur; Grünvorlageverordnung 2020, BNL2-J-08181/024; Antrag; Wortfolge; Aufhebung; Gesetzwidrigkeit;

Anmerkung

VfGH 30.09.2021, V 50/2021-10, Abweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.2427.002.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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