TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/11 95/01/0344

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Veröffentlicht am 11.06.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. Juli 1995, Zl. UVS-06/12/00256/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Übertretungen der Pyrotechnikverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund einer Anzeige der MA 36 vom 12. Jänner 1993 leitete der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 12. Bezirk, ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer ein. Die Behörde erster Instanz erließ eine Strafverfügung vom 19. Jänner 1994, in welcher sie den Beschwerdeführer wegen der Begehung von Verwaltungsübertretungen gemäß § 3 Abs. 5 und § 6 der Pyrotechnikverordnung, BGBl. Nr. 514/1977, jeweils in Verbindung mit § 367 Z. 26 Gewerbeordnung 1973 für schuldig erkannte und gemäß § 367 Einleitungssatz der Gewerbeordnung 1973 zwei Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängte.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer mit undatiertem Schriftsatz, zur Post gegeben am 15. Februar 1994, einen schriftlichen Einspruch ein und führte darin wörtlich aus:

"1) Die in der Strafverfügung gemachten Vorhalte entsprechen nicht der richtigen Sachlage und sind Annahmen, die mit keiner Vermutung zu begründen sind."

Die Behörde erster Instanz forderte den Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. Februar 1994 im Sinne der §§ 40 und 42 VStG auf, sich zu rechtfertigen. Der Beschwerdeführer machte von der darin gebotenen Möglichkeit der persönlichen Vorsprache keinen Gebrauch, sondern übermittelte einen undatierten, am 7. März 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz mit folgendem Inhalt:

"Rechtfertigung

und Einspruch, da die Angaben und Beschuldigungen nicht richtig sind."

Daraufhin erließ die Behörde erster Instanz das Straferkenntnis vom 30. März 1994, das der Beschwerdeführer mit Berufung vom 27. April 1994 mit folgendem Inhalt bekämpfte:

"Punkt 1 und 2.

Ich bleibe bei den bereits gemachten Angaben, die den konkreten Punkte entgegensetzen, und eine Tatanlastung nicht gegeben ist. Die gemachten Angaben von Seiten der Magistratsabteilung 36 entsprechen nicht der Richtigkeit. Ausspruch des Beamten der MBA 36: "Ich schreibe und Sie können sich dann rechtfertigen"."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. Juli 1995 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück, weil die Berufung keinen begründeten Berufungsantrag enthalte. Auf das Erfordernis eines solchen Antrages sei in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Bescheides ausdrücklich hingewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe in seinem Einspruch lediglich erklärt, die in der Strafverfügung gemachten Vorhalte entsprächen nicht der richtigen Sachlage und seien Annahmen, die mit keiner Vermutung zu begründen seien. In der Rechtfertigung habe er lediglich erklärt, daß die Angaben und Beschuldigungen nicht richtig seien. Aus dem Verweis in der Berufung auf die genannten Angaben lasse sich keine Berufungsbegründung ableiten, weil nicht einmal ansatzweise zu erkennen sei, womit der Berufungswerber seinen Standpunkt in der Sache selbst vertreten zu können glaube. Ein derartiger Mangel sei als inhaltlicher zu qualifizieren und als solcher einer Verbesserung nicht zugänglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG ist eine Berufung nur dann gesetzmäßig erhoben worden, wenn sie einen Berufungsantrag und eine Berufungsbegründung enthält. Diese Gesetzesstelle darf im Geiste des Gesetzes nicht formalistisch ausgelegt werden, die Berufung muß aber wenigstens erkennen lassen, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. März 1995, Zl. 92/05/0227, uva).

Für die Beurteilung, ob ein Berufungsantrag begründet ist, ist nicht wesentlich, daß die Begründung stichhältig ist. Eine allenfalls untaugliche Berufungsbegründung kann nicht mit dem Fehlen einer solchen gleichgesetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 93/08/0191, uva).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist aus der Berufung sowohl zu erkennen, daß der Beschwerdeführer die Angaben der anzeigelegenden Magistratsabteilung 36 bestreitet, als auch daß er der Meinung ist, eine Tatanlastung sei nicht erfolgt.

Da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einer rechtsunkundigen unvertretenen Partei kein allzu strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. August 1994, Zl. 93/06/0239, ua), liegt im gegenständlichen Fall ein begründeter Berufungsantrag vor, über den die belangte Behörde in der Sache selbst zu entscheiden gehabt hätte.

Deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010344.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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