TE Vwgh Beschluss 2021/1/13 Ra 2020/13/0099

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Veröffentlicht am 13.01.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §303 Abs1
BAO §305
BAO §85
BAO §93a
B-VG Art133 Abs4
VwGG §26 Abs2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Dr. W in G, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 11. August 2020, Zl. RV/7100476/2009, betreffend Wiederaufnahme (u.a. Feststellung der Einkünfte 2003 und 2005), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 10. April 2019 wurde in der Beschwerdesache der B GmbH & Co KEG (in der Folge B KEG) gegen Bescheide des Finanzamtes vom 31. Oktober 2008 betreffend Umsatzsteuer für 2003, 2004 und 2006 sowie Feststellung der Einkünfte für 2003 und 2005 der Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2006 abgeändert; im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung enthält einen Hinweis gemäß § 101 Abs. 3 BAO. Dieses Erkenntnis wurde einerseits dem Finanzamt (als belangte Behörde), anderseits der B KEG zu Handen des nunmehrigen Revisionswerbers zugestellt.

2        Mit der (in den vorgelegten Verfahrensakten nicht enthaltenen, nunmehr vom Revisionswerber vorgelegten) an das Bundesfinanzgericht gerichteten Eingabe vom 15. Juni 2020 machte der Revisionswerber (anwaltlich vertreten) geltend, die Feststellungsbescheide für 2003 bis 2006 bezüglich der B KEG seien nicht „rechtskräftig“ ergangen, da ein Zustellungsmangel vorliege. Die Zustellung sei am 18. April 2019 an den Revisionswerber als bevollmächtigten Vertreter erfolgt; der Revisionswerber sei aber nie bevollmächtigter Vertreter der B KEG gewesen. Ein Kommanditist sei nicht befugt, für die KG aufzutreten oder Zustellungen entgegen zu nehmen. Rechtsmittel könne er erst nach Zustellung an den Komplementär erheben. Die Zustellung im Feststellungsverfahren hätte richtig an die Komplementärin zu Handen deren Geschäftsführerin verfügt werden müssen. Eine Zustellung, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entspreche, sei nicht wirksam, aber heilbar. Eine Heilung sei aber nicht eingetreten, da eine Zustellung an die B KEG nicht erfolgt sei. Schon die Zustellverfügung sei unrichtig gewesen. Es lägen somit ein Zustellmangel und ein Nichtbescheid vor. Es werde daher beantragt, das „Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht gem. § 303 BAO wiederaufzunehmen und die notwendigen Äußerungsmöglichkeiten der Geschäftsführerin und dem Kommanditisten“ (dem Revisionswerber) einzuräumen. Auf Grund des falschen Bescheidadressaten ergebe sich, dass auch die Vorhalte des Bundesfinanzgerichts nie tauglich an den Bescheidadressaten gerichtet worden seien. Diese Tatsachen und Beweismittel seien vor Abschluss des Verfahrens bereits existent gewesen, dem Bundesfinanzgericht aber offenkundig nicht bekannt gewesen und seien somit neu hervorgekommen. Die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens hätte einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt.

3        Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht diesen Antrag als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, ein Zustellmangel stelle keinen Wiederaufnahmetatbestand dar. Der vorliegende Wiederaufnahmeantrag beziehe sich aber ausschließlich auf den Zustellvorgang des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom 10. April 2019. Hieraus ergebe sich kein tauglicher Wiederaufnahmegrund, weil es sich bei den Modalitäten einer Zustellung nicht um tatsächliche Umstände handle, die mit dem Sachverhalt eines abgeschlossenen Verfahrens zusammen hingen. Somit lägen keine neu hervorgekommenen Tatsachen vor. Der vom Antragsteller geschilderte Vorgang könnte lediglich für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit des Erkenntnisses von Bedeutung sein, was aber nicht Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens sei. Der Vollständigkeit halber werde ausgeführt: Der Revisionswerber sei laut Abgabeninformationssystem nach der Aktenlage seit 28. November 2008 „Vertreter gem. § 81 BAO“ der B KEG und somit zur Empfangnahme von Schriftstücken der Abgabenbehörde ermächtigt.

5        Der Revisionswerber erhob gegen diesen Beschluss Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 7. Oktober 2020, E 3267/2020-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        Gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 11. August 2020 richtet sich auch die vorliegende Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Zur Zulässigkeit wird in der Revision ausgeführt, „erste erhebliche Rechtsfrage“ sei, ob der Begriff „Personengesellschaft“ bzw. „Personengesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit“ ausreichend konkret und unmissverständlich formuliert sei und ob die fehlende Definition im Gesetz verfassungskonform sei, wenn es so zu falschen Interpretationen durch Behörden und Gerichte komme. „Zweite erhebliche Rechtsfrage“ sei, ob die Eintragung im Abgabeninformationssystem der Finanzbehörden verbindliche Außenwirkung entfalten könne, selbst wenn diese rechtmäßig zustande gekommen wäre. Dies sei zu verneinen. Im Feststellungsverfahren sei keine rechtswirksame Zustellung erfolgt. Es handle sich daher um Nichtbescheide. Nichtbescheide könnten nicht Basis für weitere Bescheide sein; daher seien auch die den Revisionswerber betreffenden Bescheide Nichtbescheide. Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht sei daher zwingend wiederaufzunehmen. Dem Parteiengehör sei dergestalt Rechnung zu tragen, dass sowohl die Notgeschäftsführerin (der Komplementär-GmbH) als auch der Kommanditist (der Revisionswerber) vernommen würden. „Dritte erhebliche Rechtsfrage“ sei, ob ein Richter des Bundesfinanzgerichts bewusst Unwahres seiner Entscheidung zu Grunde legen dürfe. „Vierte erhebliche Rechtsfrage“ sei schließlich, ob die Zustellungsrechtslage der KG sowie GmbH & Co KG im Feststellungsverfahren, welches auch Basis für die Einkommensteuern für die Jahre 2003 bis 2005 sowie die Festsetzung von Anspruchs- und Aussetzungszinsen des Komplementärs sei, zwingend beachtlich sei und somit einem Kommanditisten, der nicht bevollmächtigt sei, nicht zugestellt werden könne. Der gegenständliche „Bescheid“ sei ersatzlos als Nicht-Bescheid zu beheben.

11       Damit wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung von Parteianträgen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufällige verbale Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen hin auch nur andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein beruflicher Parteienvertreter, der einen Antrag im Namen eines Mandanten stellen möchte, dies auch klar zum Ausdruck bringt (vgl. VwGH 29.7.2020, Ra 2020/13/0046, 2.9.2020, Ra 2020/15/0047).

13       Die von einem Rechtsanwalt verfasste Eingabe vom 15. Juni 2020 trägt die Überschrift „Wiederaufnahmeantrag“. Beantragt wird damit, das Verfahren „gem. § 303 BAO wiederaufzunehmen“. In der Begründung wird auch dargelegt, es seien Tatsachen und Beweismittel vor Abschluss des Verfahrens bereits existent gewesen, die aber dem Bundesfinanzgericht offenkundig nicht bekannt gewesen und somit neu hervorgekommen seien. Die Kenntnis dieser Umstände hätte einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt. Diese Eingabe ist sohin - wie auch vom Bundesfinanzgericht behandelt - als Antrag auf Wiederaufnahme iSd § 303 BAO zu beurteilen. Dass es sich hingegen - wie nunmehr im Rahmen der Verbesserung der Revision behauptet - um einen bloßen „Antrag“ auf Wiedereröffnung der Verhandlung (analog zu § 194 ZPO) gehandelt hätte, kann dem Vorbringen nicht entnommen werden. Einen derartigen Antrag sieht die BAO auch nicht vor, wodurch aber kein Rechtsschutzdefizit entsteht.

14       Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist sohin ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist das Vorliegen eines in § 303 Abs. 1 BAO genannten Umstandes, dessen Kenntnis allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Ein derartiger Umstand kann aber schon dem Vorbringen des Revisionswerbers in seinem Antrag auf Wiederaufnahme nicht entnommen werden. Dass allenfalls die das Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, abschließende Entscheidung durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt worden sei (§ 303 Abs. 1 lit. A BAO), was in der Revision nicht näher konkretisiert als Frage aufgeworfen wird (Darf ein Richter des Bundesfinanzgerichts bewusst Unwahres seiner Entscheidung zugrunde legen?), wurde im Antrag auf Wiederaufnahme, der insoweit die Sache des Verfahrens begrenzt (vgl. VwGH 14.5.1991, 90/14/0262), nicht behauptet. Dass allenfalls die das Verfahren abschließende Entscheidung mit Verfahrensmängeln belastet sei (Verletzung des Parteiengehörs), ist (für sich) keine Tatsache (oder Beweismittel), deren Kenntnis zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid hätte führen können. Welche Tatsachen (oder Beweismittel), die zu einem anders lautenden Bescheid hätten führen können, neu hervorgekommen sind, wird weder im Antrag auf Wiederaufnahme noch in der Revision dargelegt.

15       Damit ist nicht erkennbar, dass die angefochtene Entscheidung von den genannten Rechtsfragen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Insbesondere ist die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts zutreffend, dass die (behauptete; durch einen Zustellmangel ausgelöste) Unwirksamkeit einer das Verfahren abschließenden Erledigung (hier jene des Bundesfinanzgerichts vom 10. April 2019) nicht die Wiederaufnahme dieses Verfahrens begründen könnte. Die Unwirksamkeit dieser Erledigung würde hingegen gerade bedeuten, dass jenes Verfahren nicht abgeschlossen ist. Die (behauptete) Unwirksamkeit dieser Erledigung wäre vom Revisionswerber allenfalls mittels Säumnisbehelfen (insbesondere Fristsetzungsantrag gemäß § 38 VwGG) geltend zu machen. Würde hingegen angenommen, dass die Erledigung zwar wirksam erlassen, aber an eine der Parteien nicht wirksam zugestellt wurde, so könnte einerseits die Zustellung dieser Erledigung beantragt werden oder Revision gegen diese Erledigung erhoben werden (§ 26 Abs. 2 VwGG).

16       Die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts zur Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme (vgl. § 93a BAO, § 305 BAO) ist - da dies in der außerordentlichen Revision nicht geltend gemacht wird - vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufzugreifen (vgl. VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0025, 0026, VwSlg. 18936/A).

17       Im Übrigen verfehlen auch die (auch im Rahmen der Verbesserung der Revision) als Revisionspunkte genannten subjektiven Rechte die hier bekämpfte Ablehnung der beantragten Wiederaufnahme. In den umfangreich genannten Rechten kann der Revisionswerber durch den hier angefochtenen Beschluss des Bundesfinanzgerichts nicht verletzt sein; mit diesem Beschluss könnte er nur allenfalls in seinem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens verletzt sein (vgl. VwGH 27.3.2003, 99/15/0179; 27.4.2017, Ra 2015/15/0079).

18       Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 13. Jänner 2021

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020130099.L00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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