TE Vfgh Erkenntnis 1995/9/25 B1766/94

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Veröffentlicht am 25.09.1995
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art7
DSt 1990 §16 Abs1 Z2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Verletzung von Berufspflichten und Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes durch den Verstoß gegen das Verbot zur Mitwirkung an einem Umgehungsgeschäft im Grundverkehr; keine Willkür; hinreichende Konkretisierung des Vorwurfs gegen den Beschwerdeführer; kein verfassungsrechtlich relevanter Begründungsmangel

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Gegen den Beschwerdeführer - er ist Rechtsanwalt - wurde mit Einleitungsbeschluß des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 2. Juli 1993 der Verdacht erhoben, er habe "die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen, daß er durch die Verfassung des Pacht- und Optionsvertrages zwischen K T und J P vom 8.1.1990 die Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes umgangen und an der Beurkundung eines nichtigen Rechtsgeschäftes mitgewirkt hat".

1.2. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 5. November 1993 wurde über den Disziplinarbeschuldigten gemäß §16 Abs1 Z2 DSt eine Geldbuße in Höhe von S 8.000,-- verhängt.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK), der mit Bescheid vom 6. Juni 1994 keine Folge gegeben wurde.

Begründend wurde ausgeführt:

"An der Absicht der Vertragsteile des vom Disziplinarbeschuldigten errichteten Vertrages, ein Umgehungsgeschäft abzuschließen, können umsoweniger Zweifel bestehen, als diese Absicht - also die Absicht, durch die Art der Gestaltung des Rechtsgeschäftes die Anwendung einer bestimmten gesetzlichen Regelung zu vermeiden (Koziol-Welser, Grundriß I9, 121) - aus dem Vertrag, wie bereits der Disziplinarrat ausgeführt hat, unmittelbar hervorleuchtet; wird doch

1.) in Pkt. II eigens die Teilung eines Grundstücks vorgenommen, um zu einer Größe der zu 'verpachtenden' Liegenschaft von unter 2 ha zu gelangen, um auch die sonst notwendige Zustimmung der Grundverkehrsbehörde zur Verpachtung zu vermeiden (§3 litd TirGVG);

2.) in Pkt. III dargelegt, daß die Verpachtung deshalb erfolgt, weil 'derzeit nicht feststeht, wann seitens der Grundverkehrsbehörde die Zustimmung zum Erwerb weiterer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke durch Herrn J P erteilt wird', den Vertragsparteien also klar war, daß die Zustimmung der Grundverkehrsbehörde zum Eigentumserwerb (§3 lita TirGVG) derzeit und auch fernerhin auf unbestimmte Zeit nicht erteilt werden würde (Die Erfüllung der zum Vertrag vom 7. Juni 1977 von der Grundverkehrsbehörde für eine Zustimmung erteilte Auflage - Errichtung eines entsprechenden Wirtschaftsgebäudes, Haltung von Großvieh -, die die erste Voraussetzung für eine Zustimmung zum gegenständliche Vertrag und weiterer, bereits abgeschlossener gleichartiger Verträge ist, ist völlig ungewiß);

3.) gleichwohl aber der Effekt einer Eigentumsübertragung damit erreicht, daß der Verpächter in Pkt. IV des Vertrages auf die Dauer von 99 Jahren auf eine Aufkündigung des Pachtverhältnisses verzichtet, der Pachtzins für eben diese Zeit binnen 14 Tagen nach grundbücherlicher Einverleibung des Bestandrechtes zu bezahlen ist (Pkt. V) und dieser Betrag bereits als Kaufpreis der Liegenschaft zu gelten hat, wenn es dem Pächter möglich sein wird, daß 'Pachtobjekt' mit Zustimmung der Grundverkehrsbehörde ins Eigentum zu übernehmen, wobei gleichzeitig für diesen Fall ein bedingter Kaufvertrag abgeschlossen wird (Pkt. VI).

Daß die Parteien mit dem Vertrag vom 8. Jänner 1990 nicht beabsichtigt hätten, 'den Zweck eines Verbotsgesetzes zu vereiteln', wird daher schon durch den Wortlaut des Vertrages widerlegt. Der Umstand, ob der Disziplinarbeschuldigte von sich aus die Idee zu einer derartigen Vertragsgestaltung hatte, spielt ebensowenig eine Rolle, wie der Umstand, ob die Grundverkehrsbehörde Nichtigkeit des Vertrages geltend macht.

Hat aber der Disziplinarbeschuldigte an der Verfassung und Beurkundung eines Vertrages, mit dem gesetzliche Vorschriften umgangen werden sollen, mitgewirkt, stellt dies den Tatbestand eines Disziplinarvergehens, wie vom Disziplinarrat zutreffend erkannt wurde, her."

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Einhaltung des Art7 EMRK behauptet wird.

1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, der Beschwerde nicht Folge zu geben.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

2.1. Der Beschwerdeführer behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Dieser Vorwurf wird darauf gestützt, daß die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer in der Berufung gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis erhobene Feststellungsrüge, die Behörde habe es unterlassen, die Vorgeschichte des von den Vertragspartnern vereinbarten Rechtsgeschäftes festzustellen, ignoriert habe.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

Da all dies nicht vorliegt, hat eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht stattgefunden.

2.2. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, durch den angefochtenen Bescheid in dem durch Art7 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt zu sein und führt dazu aus:

"Mit dem von der belangten Behörde bestätigten Disziplinarerkenntnis wurde ich der Umgehung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes und der Beurkundung eines nichtigen Rechtsgeschäftes schuldig erkannt, ohne daß die Disziplinarbehörden darlegten, welchen konkreten Anforderungen an standesgemäßes Verhalten ich zuwiderhandelte. Von der belangten Behörde wurde im angefochtenen Disziplinarerkenntnis weder ausdrücklich, noch implizit angegeben, welche konkrete Verhaltenspflicht von mir in standesrechtlicher Sicht verletzt wurde und aus welchem Grund mir ein Fehlverhalten subjektiv vorwerfbar sein soll. Die belangte Behörde begnügte sich mit der Feststellung, daß der von mir über entsprechenden Auftrag errichtete Pacht- und Optionsvertrag vom 8.1.1990 ein Umgehungsgeschäft beurkunde, und leitete aus dem vermeintlichen Zweck der Gesetzesumgehung die Nichtigkeit des von den Vertragspartnern abgeschlossenen Rechtsgeschäftes ab.

Allein durch diese - unrichtigen - Ausführungen entsprach die belangte Behörde der verfassungsgesetzlich verankerten Verpflichtung, einen Disziplinarverstoß durch Darlegung der verletzten Verhaltenspflicht zu konkretisieren, nicht. Auch unter dem Gesichtspunkt des Art7 MRK fällt der belangten Behörde daher ein in die Verfassungssphäre reichendes willkürliches Verhalten zur Last."

Der Verfassungsgerichtshof vermag auch diesen Ausführungen nicht zu folgen. Die OBDK hat mit hinreichender Deutlichkeit (vgl. VfSlg. 11776/1988; siehe auch VfSlg. 13012/1992 und 13233/1992) im angefochtenen Bescheid den Vorwurf der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch konkretisiert, daß sie dem Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Verbot, am Abschluß eines Umgehungsgeschäftes mitzuwirken, angelastet hat.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung im durch Art7 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht erweist sich somit als unbegründet.

2.3. Der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, der angefochtene Bescheid verletze das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, trifft ebenfalls nicht zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987). Daß die OBDK als belangte Behörde ihre Zuständigkeit in gesetzwidriger Weise zu Unrecht abgelehnt hat, behauptet der Beschwerdeführer nicht; solches ist auch aus den Akten nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer führt ausschließlich ins Treffen, daß es die belangte Behörde in ihrem Erkenntnis unterlassen habe, über die von ihm hilfsweise erhobene Strafberufung abzusprechen. Damit wird aber nur ein allfälliger Begründungsmangel dargetan, der nicht in die Verfassungssphäre reicht. Eine Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt keinesfalls vor.

Ob das Gesetz seitens der belangten Behörde richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen (siehe zB VfSlg. 13419/1993 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

2.4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

2.5. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

2.6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1766.1994

Dokumentnummer

JFT_10049075_94B01766_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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