TE Vfgh Erkenntnis 1995/9/25 B1376/94, B1377/94

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Veröffentlicht am 25.09.1995
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

Vlbg GVG §1
Vlbg GVG §5 Abs1
Vlbg GVG §7 Abs1
Vlbg GVG 1993 §31 Abs2 lita

Leitsatz

Rechtmäßige Qualifizierung von Grundstücken als land- und forstwirtschaftliche nach dem - entsprechend der verfassungsrechtlich unbedenklichen Übergangsvorschrift des Vlbg GVG 1993 - für anhängige Verfahren maßgebenden Vlbg GVG 1977; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs mangels Eigenbedarf

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Die Anträge, die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Mit Antrag vom 14. März 1991 ersuchten die Beschwerdeführer (beide österreichische Staatsbürger) um die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zum Erwerb bestimmter, von ihnen mit Vertrag vom 20. Dezember 1990 gekaufter Grundstücke in Vandans/Vorarlberg. Der (Vorarlberger) Grundverkehrssenat versagte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. Juli 1992 gemäß §5 Abs1 und §7 Abs1 des (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 18/1977 idF der Novelle LGBl. 63/1987, (Vlbg. GVG 1977), die begehrte Bewilligung.

Der Verfassungsgerichtshof hob über dagegen gemäß Art144 B-VG erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 27. September 1993, B 1333,1334/92, (= VfSlg. 13514/1993), diesen Berufungsbescheid auf; die Behörde habe nicht ausreichend geklärt, ob die in Rede stehenden Liegenschaften überhaupt "landwirtschaftliche Grundstücke" iS des §1 Vlbg. GVG 1977 seien und unter dieses Gesetz fielen.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zur näheren Sachverhaltsschilderung auf dieses Erkenntnis verwiesen.

b) Der Grundverkehrssenat ergänzte im zweiten Rechtsgang das Ermittlungsverfahren. Mit (Ersatz-)Bescheid vom 20. April 1994 wies der Grundverkehrssenat die von den Beschwerdeführern erhobene Berufung gemäß §5 Abs1 und §7 Abs1 Vlbg. GVG 1977 (neuerlich) ab: Er gelangte aufgrund des Gutachtens eines Amtssachverständigen für Landwirtschaft zum Ergebnis, daß die in Rede stehenden Grundstücke landwirtschaftlich und in untergeordnetem Maße auch forstwirtschaftlich genutzt würden. Dieser Umstand sei auch seitens der beiden Beschwerdeführer unbestritten. Die gegenständlichen Kaufgrundstücke seien daher jedenfalls als landwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des Grundverkehrsgesetzes zu werten. Der Erwerb des Eigentums an diesen Grundstücken falle somit unter die Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes.

Im Bescheid vom 20. April 1994 heißt es dann wörtlich:

"Die beiden Berufungswerber (d.s. die Beschwerdeführer dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens) ... wollen Grundflächen im Ausmaß von jeweils mehr als 2.000 m2 erwerben. Die Kaufgrundstücke sind nach dem rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Vandans als Baufläche-Wohngebiet gewidmet. Für den Erwerb eines unter das Grundverkehrsgesetz fallenden Grundstückes ist ein aus §5 in Verbindung mit §7 Grundverkehrsgesetz ableitbarer Eigenbedarf erforderlich. Die beiden Berufungswerber konnten jedoch nicht glaubhaft machen, daß sie die gegenständlichen Grundstücke zu Bauzwecken für den Eigenbedarf oder zur Selbstbewirtschaftung benötigen. D A will lediglich eines der drei von ihm zu erwerbenden Grundstücke für sich selbst als Baugrundstück verwenden, die zwei anderen Grundstücke dagegen einem Sohn bzw. Ziehsohn, die mittlerweile annähernd 30 Jahre alt geworden sind, übertragen. B A hat für sich selber keinen Eigenbedarf, weil er bereits Eigentümer des Elternhauses ist. Er will jedenfalls einen Teil der Kauffläche an seinen nun 20- jährigen Sohn übertragen. Beide Berufungswerber bringen damit zum Ausdruck, daß sie jedenfalls einen erheblichen Teil der von ihnen zu erwerbenden Kauffläche nicht benötigen und somit keinen Eigenbedarf an der gesamten Kauffläche im Sinne des Grundverkehrsgesetzes haben. Dieser Mangel kann hinsichtlich B A auch nicht dadurch beseitigt werden, daß er einen weiteren Teil der Kauffläche mit einem Wohnhaus für seine Arbeitnehmer bebauen will. Beide Berufungswerber konnten somit keinen Eigenbedarf für einen erheblichen Teil der von ihnen zu erwerbenden Fläche geltend machen. Daß sie die Grundstücke zur Selbstbewirtschaftung benötigten, haben sie weder behauptet noch ist dies im Verfahren zu Tage getreten. Da die Kaufgrundstücke landwirtschaftlich genutzt und durchschnittlich intensiv bewirtschaftet werden und sich zudem - wie anläßlich der Besichtigung durch den Grundverkehrssenat festgestellt werden konnte - in einem größeren landwirtschaftlich genutzten Gebiet befinden, überwiegt bei Berücksichtigung des vorstehenden Sachverhaltes nach Ansicht des Grundverkehrssenates das Interesse an der Erhaltung der bisherigen Nutzung der Grundstücke offenbar das Interesse an der neuen Verwendung und widerspricht der Rechtserwerb dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes bzw. dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes."

2. Gegen diesen Ersatzbescheid wenden sich die beiden vorliegenden - im wesentlichen gleichlautenden - auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung näher bezeichneter, verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

3. Der Grundverkehrssenat erstattete eine Gegenschrift; darin wird die Abweisung der Beschwerden begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides galt zwar bereits ein neues (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetz, LGBl. 61/1993 (Vlbg. GVG 1993). Dieses war (mit Ausnahme seines §3 Abs1 und 2) am 1. Jänner 1994 in Kraft getreten (s. §32 Abs1 leg.cit. iVm der Kundmachung der Landesregierung im LGBl. 80/1993). Den Übergangsbestimmungen des §31 Abs2 lita Vlbg. GVG 1993 zufolge sind aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Verfahren nach den bisher geltenden grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen zu beenden.

Der angefochtene Bescheid stützte sich daher zu Recht noch auf das Vlbg. GVG 1977.

2. Dieser (Ersatz-)Bescheid trägt dem den ersten Rechtsgang beendenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1993 (s.o. I.1.a) Rechnung.

Gegen die Feststellung, daß die in Rede stehenden Liegenschaften land- und forstwirtschaftliche Grundstücke iS des Vlbg. GVG 1977 seien, bringen die Beschwerdeführer nichts vor. Sie behaupten jedoch, daß entweder der Grundverkehrssenat in ihrem Fall nicht mehr das Vlbg. GVG 1977 anzuwenden gehabt hätte, sondern das (ihres Erachtens für sie günstigere) Vlbg. GVG 1993, oder aber, daß die Übergangsbestimmung des §31 Abs2 lita des neuen Gesetzes verfassungswidrig sei, weil sie die Beschwerdeführer diskriminiere und willkürlich benachteilige. Die Kaufgrundstücke seien als "Baugrundstücke" iS des §2 Abs2 Vlbg. GVG 1993 anzusehen, die dem §2 Abs1 leg.cit. zufolge keine land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke in der Bedeutung dieses Gesetzes seien.

Wie oben zu II.1 dargetan wurde, hat der Grundverkehrssenat den beabsichtigten Rechtserwerb zu Recht noch nach dem Vlbg. GVG 1977 beurteilt, also die Grundstücke als "land- und forstwirtschaftliche" qualifiziert.

Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Gesichtspunkt dieser Beschwerdefälle keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der maßgebenden Übergangsbestimmung des §31 Abs2 lita Vlbg. GVG 1993. Eine gesetzliche Anordnung, daß anhängige Verfahren (sofern sie keine Strafsachen betreffen) nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen sind, ist an sich verfassungsrechtlich unbedenklich. Dazu kommt, daß - kompetenzrechtlich gestützt auf Art10 Abs1 Z6 B-VG idF des ArtI Z1 der B-VG-Novelle BGBl. 276/1992 - das Vlbg. GVG 1993 (im Gegensatz zum Vlbg. GVG 1977) eigene Bestimmungen über den Verkehr mit Baugrundstücken enthält, die ihrerseits eine besondere grundverkehrsbehördliche Genehmigungspflicht normieren (§§6 bis 8); das Vlbg. GVG 1993 stellt also den Verkehr mit Baugrundstücken nach wie vor prinzipiell nicht genehmigungsfrei.

Das erwähnte Vorbringen der Beschwerdeführer weist sohin weder eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter noch jenes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach.

3. Die Beschwerdeführer behaupten weiters, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein, weil die Entscheidung des Grundverkehrssenates auf eine Bevorzugung von Landwirten hinauslaufe und die Behörde keine ordnungsgemäße Interessenabwägung iS des §7 Abs1 Vlbg. GVG 1977 vorgenommen habe.

Das (wie erwähnt) zur Beurteilung dieser Fälle noch maßgebende Vlbg. GVG 1977 nimmt - verfassungskonform - auf die Widmung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstückes nach raumplanerischen Gesichtspunkten keine Rücksicht (vgl. zB VfSlg. 10447/1985, 10527/1985, 10921/1986).

Die Beschwerdeführer erachten die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs - Art6 StGG - (VfSlg. 5150/1965, 6308/1970, 8309/1978, 9009/1981) für unzutreffend, ohne dies allerdings zu substantiieren. Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Judikatur abzurücken und verweist auf seine neuere Rechtsprechung, z.B. VfSlg. 10814/1986, 10822/1986, 10902/1986, 10921/1986, 12074/1989, 13603/1993, VfGH 5.10.1994 B187/94; dies ungeachtet der in den Beschwerden enthaltenen Bemerkung, es habe sich seither die Rechtslage wesentlich geändert (Vlbg. GVG 1993).

Von einem willkürlichen oder denkunmöglichen Vorgehen der Behörde kann nicht gesprochen werden. Diese hat hinlänglich deutlich dargelegt (s.o. I.1.b), weshalb nach ihrer Ansicht die im §7 Abs1 Vlbg. GVG 1977 vorgesehene Interessenabwägung zum Nachteil der Beschwerdeführer ausfallen mußte. Ob ihre Entscheidung auch richtig war, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen (vgl. z.B. VfSlg. 7580/1975, 9456/1982, 10659/1985, 11754/1988, 13247/1992; VfGH 5.10.1994 B187/94).

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

6. Die Anträge, die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, waren abzuweisen: Der Grundverkehrssenat ist eine sogenannte Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag, gegen deren Entscheidung gemäß Art133 Z4 B-VG - mangels ausdrücklicher anderslautender gesetzlicher Bestimmung - die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1376.1994

Dokumentnummer

JFT_10049075_94B01376_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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