TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/26 W154 2232595-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2020
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Entscheidungsdatum

26.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W154 2232595-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft von XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst – ARGE Rechtsberatung, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 15.07.2020, Zl. 1111101609/200502275, wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft eintreten würden.

Gegen diesen Bescheid und die daraus erfolgte Anhaltung in Schubhaft erhob der Beschwerdeführer in Folge Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.08.2020, W150 2232595-2/17Z, schriftlich ausgefertigt mit Erkenntnis vom 12.10.2020, W150 2232595-2/23E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

Die Entscheidung wurde wie folgt begründet:

„Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der Missachtung der bestehenden Ausreiseverpflichtung, der fehlenden Kooperation und Verlässlichkeit des BF, seinem zwischenzeitlichen Untertauchen und prüfte zudem den Grad sozialer Verankerung in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG.

Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

Dem Bundesamt ist beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen: Der BF stellte offensichtlich in Verzögerungsabsicht einen Folgeantrag. Der BF wurde bereits mehrfach straffällig und zwar in äußerst vehementer Form, indem er zB bei einer seiner Straftaten seinem Opfer eine schwere Wodkaflasche über den Kopf schlug bzw. im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Tätern seine Opfer mit Messern und Holzprügeln absichtlich und äußerst schwer am Körper verletzte. Aufgrund dieses bisherigen Verhaltens kam ihm auch keine persönliche Vertrauenswürdigkeit (die aber im gelinderen Mittel grundsätzlich gegeben sein müsste) zu. Auf Grund der Fluchtgefahr, die sich im bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers manifestiert, überwogen die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft deutlich und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.

Zur Frage der für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen:

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Beschwerdeführer befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Da der Beschwerdeführer aktuell (in Schubhaft) angehalten wird, war auch über die Fortsetzung der Anhaltung innerhalb einer Woche abzusprechen.

All das soeben oben zur Verhängung der Schubhaft Ausgeführte gilt auch für die Fortsetzung der Schubhaft, hierbei ist in Bezug auf das Vorliegen von Fluchtgefahr zusätzlich auf das Verhalten des BF in der Schubhaft (Hungerstreik) hinzuweisen, mit dem er wiederum gezeigt hat, dass er nicht bereit ist, sich an bestehende Regeln zu halten oder einem von ihm versprochenen Verhalten zu entsprechen. Die Fluchtgefahr ist also noch größer geworden.

In diesem Sinne scheidet die Anwendung gelinderer Mittel aus. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiter vorliegen.

Die vom BF in seiner Beschwerde - als Hindernis für die Schubhaft dargestellte – und von der belangten Behörde - als kein Hindernis infolge baldigen Auslaufens der verhängten Maßnahmen – ins Treffen geführte gegenwärtige Corona-19 Pandemie ist insoferne völlig unbeachtlich, da weder die bestehenden innerstaatlichen Maßnahmen, noch bestehende oder möglicherweise zukünftige Maßnahmen in Afghanistan oder allfälligen Transitstaaten einen Einfluss auf eine Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens haben, mag ein solcher auch allenfalls auf die mögliche spätere Durchführbarkeit einer tatsächlichen Abschiebung gegeben sein.“

Am 29.06.2020 stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft einen Asylfolgeantrag. Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 22.07.2020 wurde der faktische Abschiebeschutz des BF gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. In seinem Beschluss vom 28.07.2020, Zl. W241 2202474-2/3E, ging das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes durch das BFA aus und führte dabei in seiner Entscheidung unter anderem aus:

„Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der AW sein bisheriges Vorbingen nur um neue Elemente ergänzte, sich im Grunde aber auf sein bisheriges Fluchtvorbringen stützte. Diese neuen Elemente wurden von ihm im ersten Verfahren mit keinem Wort erwähnt. Der AW versuchte daher, durch missbräuchliche Stellung eines zweiten Asylantrags seine nach der vorzeitigen Entlassung bevorstehende Abschiebung zu verhindern.“

Am 18.11.2020 erfolgte seitens des BFA die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Im Rahmen der Aktenvorlage erstattete das BFA eine Stellungnahme. Darin führte das BFA im Wesentlichen wie folgt aus:

„Verfahrensgang:

Die VP reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.04.2016 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Aufgrund eines EURODAC Treffers in Ungarn wurde am 12.05.2016 ein Konsultationsverfahren mit Ungarn eingeleitet, da die VP am 08.04.2016 einen Asylantrag in Ungarn stellte. Die Ablehnung seitens der ungarischen Behörden langte am 25.05.2016 ein.

Noch während dem laufenden Asylverfahren wurde die VP straffällig und insgesamt drei Mal von österreichischen Strafgerichten rechtskräftig verurteilt:

01) BG GRAZ-WEST 015 U 116/2016i vom 09.02.2017 RK 14.02.2017

§ 27 (1) Z 1 2. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 03.10.2016

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 14.02.2017

zu BG GRAZ-WEST 015 U 116/2016i RK 14.02.2017

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 14.02.2017

BG GRAZ-WEST 015 U 116/2016i vom 20.02.2020

02) LG F.STRAFS.GRAZ 006 HV 78/2017w vom 30.11.2017 RK 08.08.2018

§ 15 StGB § 87 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 26.12.2016

Freiheitsstrafe 5 Jahre

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf BG GRAZ-WEST 015 U

116/2016i RK 14.02.2017

03) BG GRAZ-OST 217 U 236/2018w vom 06.12.2018 RK 11.12.2018

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 28.08.2017

Freiheitsstrafe 3 Monate

Die VP wurde erstmals am 28.12.2016 in die JA Graz Jakomini eingeliefert und befand sich dort bis 06.12.2018. Danach befand sie sich von 11.12.2018 bis 19.09.2019 in der JA Stein und wurde schlussendlich am 19.09.2019 in die JA Graz Karlau eingeliefert, wo die VP ihre Haftstrafe verbüßte. Die bedingte Entlassung erfolgte am 27.07.2020.

Aufgrund der Straffälligkeit wurde der VP mit Verfahrensanordnung vom 24.01.2017 gem. § 63 Abs. 2 AVG mitgeteilt, dass das Asylverfahren ohne Aufenthaltsrecht gem. § 13 Abs. 1 und 2 AsylG zugelassen wurde.

Mit Bescheid des BFA Stmk Außenstelle Graz vom 25.06.2018, GZ: 1111101609/160515558 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung erlassen. Des Weiteren wurde die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt. Gleichzeitig wurde aufgrund der massiven Straffälligkeit ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen. Die Gültigkeit des Einreiseverbotes beginnt ab dem Tag der Ausreise.

Die VP brachte fristgerecht Beschwerde ein und wurde diese mit Erkenntnis des BVwG vom 27.11.2018, GZ: W238 2202474-1/27E gegen die Spruchpunkte I-IV als unbegründet abgewiesen, jedoch wurde der Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheids dahingehend abgeändert, sodass die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage ab der Enthaftung beträgt. Das Erkenntnis erwuchs mit 27.11.2018 in Rechtskraft.

Am 21.12.2018 wurde seitens des BMI-Abt. B/II ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die afghanische Botschaft übermittelt, wobei die Identifizierung und Zustimmung zur Ausstellungeines HRZ am 04.01.2019 erfolgte.

Mit ho. Schreiben vom 18.06.2020 wurde der VP das gesetzlich normierte Parteiengehör nachweislich am 22.06.2020 in der JA Graz Karlau zugestellt. Darin wurde der VP die ho. Beabsichtigung der Verhängung der Schubhaft nach Entlassung aus der JA Graz Karlau mitgeteilt.

Am 26.06.2020 wurde die ho. Behörde durch den Sozialen Dienst der JA Graz Karlau darüber in Kenntnis gesetzt, dass die VP einen Asylfolgeantrag stellen möchte. Daraufhin wurde die VP am 29.06.2020 einer Erstbefragung durch die PI Graz Paulustor FGP in der JA Graz Karlau unterzogen. Die niederschriftliche Einvernahme durch das BFA fand am 10.07.2020 statt.

Am 29.06.2020 brachte die VP eine Beschwerde gegen die verhängte Schubhaft ein, obwohl jedoch noch kein Schubhaftbescheid erlassen wurde. Das Schriftstück wurde somit als Stellungnahme zum erlassenen Parteiengehör vom 18.06.2020 gewertet.

Mit Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG wurde der VP mitgeteilt, dass beabsichtigt ist den Asylfolgeantrag abzuweisen, da das BFA davon ausgeht, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliegt. Diese Verfahrensanordnung wurde der VP am 10.07.2020 nachweislich ausgefolgt.

Am 21.07.2020 wurde der ho. Schubhaftbescheid vom 15.07.2020, GZ: 1111101609/200502275 von der VP in der JA Graz Karlau übernommen.

Die VP wurde am 27.07.2020 aus der Strafhaft bedingt entlassen und ins PAZ Graz überstellt. Noch am selben Tag wurde die VP in ein PAZ der Kategorie III – PAZ Wien Hernalser Gürtel - überstellt.

Der faktische Abschiebeschutz wurde gem. § 12a 2 AsylG am 28.07.2020 in zweiter Instanz rechtskräftig aufgehoben.

Am 30.07.2020 langte seitens des PAZ W Hernalser Gürtel eine Maßnahmenmeldung über eine Selbstverletzung durch die VP ein.

Am 21.08.2020 langte bei der ho. Behörde eine Schubhaftbeschwerde ein, wobei nach erfolgter Aktenvorlage am 27.08.2020, sowie am 28.08.2020 eine mündliche Verhandlung beim BVwG Wien stattfand. Die Beschwerde wurde nach mündlich verkündetem Erkenntnis am 28.08.2020, GZ: W 150 2232595-2/17Z als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

Amtswegige Schubhaftprüfungen gem. § 80 Abs. 6 FPG:

Am 21.09.2020 wurde von Amtswegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft seitens der ho. Behörde überprüft, wobei festgestellt wurde, dass die Verhältnismäßigkeit vorliegt.

Am 19.10.2020 wurde von Amtswegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft seitens der ho. Behörde überprüft, wobei auch hier festgestellt wurde, dass die Verhältnismäßigkeit vorliegt.

Hungerstreiks:

Die VP befand sich am 28.07.2020, 29.08.2020, 16.09.2020 und 18.10.2020 im Hunger-/Durststreik, wobei seitens der ho. Behörde der Heilbehandlung immer zugestimmt wurde.

Die VP beendete die Hunger- und Durststreiks freiwillig.

Asylverfahren:

Das Asylfolgeantragsverfahren ist noch laufend wobei, wie bereits erwähnt, am 28.07.2020 der faktische

Abschiebeschutz in zweiter Instanz rechtskräftig aufgehoben wurde.

HRZ:

Die Zustimmung erfolgte am 04.01.2019. Die Ausstellung eines EU-Laissez Passer durch die Behörde ist jederzeit möglich.

Außerlandesbringung:

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass laut Auskunft des Referates B/II/1 des Bundesamts eine freiwillige Rückkehr nach Afghanistan jederzeit möglich gewesen wäre und auch weiterhin möglich ist.

Die VP hat aber bis dato keinen Rückkehrwillen gezeigt und keinen Antrag auf eine freiwillige Rückkehr gestellt.

Es ist beabsichtigt die VP mittels Charterrückführung am 15.12.2020 nach Afghanistan zurückzuführen, wobei die VP bereits für den Charter angemeldet wurde. Die VP war zuvor bereits mehrmals für Afghanistan-Charter vorgesehen, jedoch war vorwiegend pandemiebedingt eine Abschiebung bis dato nicht möglich bzw. wurden diese Charterrückführungen storniert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ein Afghanistan Charter für Dezember vorgesehen und gilt die Durchführung zum derzeitigen Zeitpunkt als sehr wahrscheinlich. Diese Annahme ergibt sich aus den Gesprächen mit der afghanischen Botschaft.

Allgemein wird darauf hingewiesen, dass die Durchführung von Charterflügen, unabhängig von der Zieldestination, nach und nach mit Erfolg stattfinden. So wird mitgeteilt, dass zum Beispiel in der 46. KW eine Charterrückführung nach Nigeria erfolgreich durchgeführt wurde. Auch hier wurden die Charterrückführungen davor monatlich aufgrund der Pandemie storniert.

Es ist somit davon auszugehen, dass auch der geplante Charter nach Afghanistan am 15.12.2020 nunmehr mit Erfolg durchgeführt werden kann. Dahingehend wird mitgeteilt, dass das BFA im ständigen Kontakt mit den afghanischen Behörden steht und auch regelmäßig abgeschätzt wird, ob der Flug stattfinden kann oder nicht. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Charterteam findet die Durchführung der Charterabschiebung im Dezember mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit statt. Bis dato langte keine Meldung ein, welche gegen diese Abschiebung sprechen würde.

Zur Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der weiteren Anhaltung in Schubhaft:

Bei der am heutigen Tag durchgeführten Überprüfung bezüglich der weiteren Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft gegen die VP konnten keine Umstände ermittelt werden, die gegen eine Aufrechterhaltung der Schubhaft sprechen würden.

Der Fremde verfügt weder über familiäre Bindungen, noch über eine gesicherte Unterkunft. Finanzielle Mittel, um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, verfügt der Obgenannte nicht. Es gibt keine Möglichkeit sich ein legales Einkommen zu verschaffen.

Mangels Reisedokumente ist es dem Genannten nicht möglich, das Bundesgebiet selbstständig zu verlassen.

Die VP wurde bereits im laufenden Asylverfahren massiv straffällig und wurde unter anderem zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren rechtskräftig verurteilt.

Weiters verfügt der Genannte über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet und wurde gegen ihn aufgrund der Straffälligkeit ein unbefristetes Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen. Der Genannte ist zur Ausreise verpflichtet.

Der Genannte setzte keinerlei Schritte hinsichtlich einer freiwilligen Rückkehr und zeigte mit seinem Verhalten vor und während der Schubhaft (Asylfolgeantragsstellung, Selbstverletzung, mehrere Hungerstreiks), dass der Genannte die Entlassung aus der Schubhaft erpressen bzw. eine Außerlandesbringung vereiteln möchte.

Aufgrund des fortgeschrittenen Verfahrensstands (Mitteilung über Beabsichtigte Abweisung des Asylfolgeantrages, zeitnahe Außerlandesbringung mittels Charterrückführung) ist aus Sicht der Behörde erhöhte Fluchtgefahr gegeben.

Der Zweck der Schubhaft, nämlich die Durchführung einer Außerlandesbringung und die Herstellung des rechtskonformen Zustandes, wäre im Falle einer Entlassung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erreichbar.

Gelinderes Mittel:

Aus Sicht der Behörde erscheint ein Gelinderes Mittel nicht sinnvoll, da sich der Genannte aufgrund des bisher gesetzten Verhaltens als nicht besonders vertrauenswürdig bewiesen hat. Der Genannte wurde massiv straffällig. Er hat keinerlei Möglichkeiten sich auf legale Weise ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen und verfügt somit über keinerlei finanzielle Mittel um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Er verfügt über keinerlei verwandtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet. Des Weiteren ist, wie bereits erwähnt, eine erhöhte Fluchtgefahr gegeben. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die VP in die Illegalität untertauchen und somit für die Behörde zur Umsetzung der beabsichtigten Maßnahmen nicht mehr greifbar sein wird. Eine weitere Straffälligkeit ist ebenso nicht ausgeschlossen.

COVID-19 Lage in Afghanistan:

Die John Hopkins Universität verzeichnete am 17.11.2020 einen Neuanstieg der Infektionen von rund 225 Fällen. (Quelle: https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 18.11.2020 um 07:52)

Insgesamt verzeichnete man in Afghanistan 43.403 bestätigte Fälle, wobei davon 35.160 genesen sind.

Todesfälle verzeichnete man rund 1.638. (Quelle: www.coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 18.11.2020, um 07:56)

Weitere Schritte der Behörde:

Derzeit gibt es Einschränkungen im Reiseverkehr (Flüge) und Charterbetrieb, aufgrund der globalen Covid-19-Maßnahmen. Da die VP über eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung verfügt, der faktische Abschiebeschutz im Asylfolgeantrag aberkannt wurde und ein EU Laissez-Passer jederzeit ausgestellt werden kann, wird ho. die Schubhaft als verhältnismäßig eingestuft.

Mit Blick auf die höchstzulässige Schubhaftdauer iSd § 80 FPG zeigt sich, dass die voraussichtliche

Anhaltung in Schubhaft (in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin) damit ohnehin deutlich länger andauert, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Pandemie-Restriktionen gegenwärtig zu erwarten ist.

Aufgrund der vorhandenen Straffälligkeit, sowie des bisherigen Verhaltens der VP wird auf die höchstzulässige Schubhaftdauer von 18 Monaten gem. § 80 FPG hingewiesen.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung vom 28.08.2020, W150 2232595-2/17Z, schriftlich ausgefertigt mit Erkenntnis vom 12.10.2020, W150 2232595-2/23E, werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage getätigten Ausführungen, insbesondere zur Erlangung eines Heimreisezertifikates und zur geplanten Charterrückführung des Beschwerdeführers am 15.12.2020.

Den Asylfolgeantrag hat der Beschwerdeführer in missbräuchlicher Absicht gestellt.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes in Hinblick auf die zitierte Vorentscheidung sowie dem Gerichtsakt zur Zl. W241 2202474-2 betreffend die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes. Aus dem Beschluss vom 28.07.2020, Zl. W241 2202474-2/3E, zur Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ergibt sich – wie oben zitiert – die Missbräuchlichkeit der Asylfolgeantragstellung. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den im Folgeantrag vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers tatsächlich um bloß substanzlose Behauptungen handelt, die ausschließlich dazu dienen, das Verfahren des Beschwerdeführers und damit seine Ausreise zu verzögern.

Die Feststellungen zur Erlangung des Heimreisezertifikates und zur geplanten Charterrückführung des Beschwerdeführers am 15.12.2020 ergeben sich aus der Stellungnahme des BFA vom 18.11.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. – Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf das Vorerkenntnis zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, sodass aufgrund unveränderter Lage auf die dortigen Ausführungen verwiesen und diese auch zur gegenständlichen rechtlichen Beurteilung erhoben werden.

Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers – siehe Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen – mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Zur Dauer der Schubhaft:

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck

der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht
vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)

widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

Gegenständlich ist jedenfalls der Tatbestand der Z. 4 verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund der mehrfachen strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers auch verhältnismäßig.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren (immer noch) zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird, gegenwärtig ist die Abschiebung des Beschwerdeführers als Charterrückführung für 15.12.2020 geplant.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Außerlandesbringung Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2232595.3.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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