TE Lvwg Erkenntnis 2021/1/15 LVwG-2020/15/2540-2

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Veröffentlicht am 15.01.2021
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Entscheidungsdatum

15.01.2021

Index

83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §79

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde von Herrn AA, vertreten durch BB, Adresse 1, *** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 07.10.2020, Zl ***, betreffend Übertretung nach dem AWG 2002,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:

„1. Datum/Zeit:          02.07.2019-23.06.2020

Ort:                               X, Auf Grundstück Nr. **1, KG X

Herr AA hat es zu verantworten, dass in der Zeit vom 02.07.2029 bis 23.06.2020 auf der Betriebsanlage in *** X auf Gp. **1 ein Holzshredder der Type CC für 153 Stunden bei Holzshredderarbeiten im Einsatz war und damit eine Behandlungsanlage betrieben wurde, ohne im Besitz der nach § 37 AWG erforderlichen Berichtigung zu sein, da mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 29.10.2018, Zahl *** lediglich ein Betrieb von 100 h/a bewilligt wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 79 Abs. 1 Z. 9 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) in der Fassung BGBl I Nr. 24/2020

Aus diesem Grund wurde über den Beschwerdeführer auf Grundlage von § 79 Abs 1 Z 9 AWG 2002 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 4.200,00, Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden, verhängt. Außerdem wurde er zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens verpflichtet.

Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel in welchem Zusammenfassend ausgeführt wird, dass es zwar richtig sei, dass die Genehmigung zur Aufbereitung für 100 Stunden pro Jahr erteilt wurde, doch sei diese Stundenanzahl – also die Stunden pro Kalenderjahr, in denen tatsächlich eine Aufbereitung stattgefunden habe – nicht überschritten und sei dies der Behörde anhand einer übermittelten Stundenaufstellung bereits mitgeteilt worden. Nicht zu den Aufbereitungsstunden zählen würden jene Stunden, an der die Zündung der Shredderanlage zwar eingeschaltet sei und somit der Stundenzähler laufe, die Anlage aber nicht betrieben worden sei. Weiters zählten nicht zur Aufbereitung jene Stunden, an denen Reparaturarbeiten oder Wartungsarbeiten durchgeführten bzw Vor- und Nachlaufzeiten. Auch würde nicht zu den Aufbereitungsstunden zählen, soweit die Anlage aufgrund der erteilten und aufrechten Genehmigung nach § 52 AWG 2002 anderen Orts eingesetzt werde. Die Anlage sei im Jahr 2019 insgesamt 92 Stunden für Holzaufbereitungen am Anlagenstandort in X verwendet worden, weshalb die 100 Stunden Beschränkung nicht überschritten worden sei. Dies treffe auch für das Jahr 2020 zu, in welchem 61 Stunden am Betriebsstandort in X aufbereitet worden sei.

II.      Sachverhalt:

Dem Beschwerdeführer wird durch das angefochtene Straferkenntnis eine Überschreitung eines ihm eingeräumten Konsenses zum Betrieb einer Abfallbehandlungsanlage dahingehend zur Last gelegt, als dass die zulässigen Betriebsstunden von 100 pro Jahr am Anlagenstandort in X überschritten worden seien.

Aus den vorgelegten Aufzeichnungen ergibt sich, dass die tatsächlichen Aufbereitungsarbeiten jeweils bezogen auf den Tatzeitraum im Jahr 2019 (darauf bezieht sich das Straferkenntnis; bei der Anführung des Jahres 2029 im Spruch des Bescheides handelte es sich auch auf Grund der eindeutigen Angabe des Tatzeitraumes offensichtlich um einen nicht weiter beachtlichen Schreibfehler) jedenfalls weniger als 100 Stunden am Betriebsstandort in X betragen haben. Auch im Jahr 2020 wurden die 100 Betriebsstunden am Betriebsanlagenstandort in X nach diesen Aufzeichnungen im Betriebsbuch nicht überschritten. Zu berücksichtigen ist dabei – mangels abweichender Feststellung im Bewilligungsbescheid der belangten Behörde – dass als Betriebsstunden nur jene Stunden zu zählen sind, in welchen eine Aufarbeitung von Altholz stattgefunden hat. Sonstige Zeiten, zu welchen die Anlage aus Wartungs- oder Reinigungsgründen eingeschaltet gewesen ist, zählen nicht zu den Stunden, in welchen die Anlage „betrieben“ wurde. Anderes wäre nur dann festzustellen, wenn sich dies aus einer ausdrücklichen Anordnung im Bewilligungsbescheid ergeben würde. Da der beantragte Konsens auf den Betrieb der Anlage zur Holzaufbereitung für „100 h/a“ gerichtet ist, sind diese sonstigen Zeiten, zu welchen die Anlage aus den genannten Gründen eingeschaltet gewesen ist, für die Frage der Einhaltung des Konsenses nicht zu zählen.

Festgehalten wird, dass die Aufzeichnungen im Betriebsbuch allerdings nicht zur Gänze nachvollziehbar sind, zumal hier bestimmte Zeiträume doppelt berücksichtigt wurden und sich diese Aufzeichnungen auch nicht in die Chronologie des Betriebsbuches einfügen lassen. Beim Landesverwaltungsgericht Tirol bestehen daher Bedenken, dass das Betriebsbuch nicht entsprechend dem tatsächlichen Geschehen geführt wurde. Darauf bezieht sich allerdings der Strafausspruch der belangten Behörde nicht.

Für das vorliegende Verfahren wird festgestellt, dass sich aus den Aufzeichnungen nicht ableiten lässt, dass die Betriebsanlage am Standort X im Jahr 2019 oder im Jahr 2020 im jeweils durch das Straferkenntnis näher eingegrenzten Zeitraum mehr als 100 Stunden betrieben worden wäre.

III.     Beweiswürdigung:

Das Ausmaß des Betriebs der Anlage am Betriebssandort in X ergibt sich aus den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers.

Obgleich dagegen inhaltliche Bedenken bestehen, ist für das Landesverwaltungsgericht Tirol nicht ersichtlich, auf welche Art sonst konkret die Anzahl der Betriebsstunden am Betriebsstandort in X festgestellt werden könnte. So ist nicht erkennbar, welche anderen Beweismittel zur Feststellung der tatsächlichen Anzahl der Betriebsstunden am Betriebsstandort in X herangezogen werden könnten.

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass die Einschränkung auf 100 Betriebsstunden pro Jahr bereits im Antrag vorgenommen wurde; eine diesbezügliche Einschränkung oder Nebenbestimmung wurde im Bewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 29.10.2018 nicht vorgenommen. Auch wurde dem Beschwerdeführer im Bewilligungsbescheid nicht vorgeschrieben, dass er ein Betriebshandbuch für die Shredderanlage zu führen habe, dies ist nur in Bezug auf die Entwässerungsanlage am Betriebsstandort vorgesehen.

Soweit daher allenfalls die Verpflichtung zur Führung eines Betriebsbuches in der Genehmigung nach § 52 AWG 2002 vorgeschrieben wurde, so gilt dies mangels ausdrücklicher Anordnung im Genehmigungsbescheid nach § 37 AWG nicht gleichermaßen für den Betrieb als stationäre Aufbereitungsanlage.

IV.      Rechtslage:

AWG

㤠79 (1) Wer

9.       eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach § 37 erforderlichen Genehmigung zu sein,

begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41 200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht.“

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.10.2018, Zl KU-AWG/B-49/29-2018 wurde dem Beschwerdeführer die abfallrechtliche Genehmigung zum Betrieb einer Holzshredderanlage für 100 h/a am Betriebsstandort X erteilt. Der eingeräumte behördliche Konsens bezieht sich somit antragsgemäß ausdrücklich auf den Betrieb der besagten Shredderanlage im Ausmaß von 100 Stunden pro Jahr.

V.       Erwägungen:

Die belangte Behörde lastet dem Beschwerdeführer eine Übertretung des von der Behörde eingeräumten Konsenses zum Betrieb einer Holzshredderanlage am Betriebsstandort in X zur Last. Dabei berücksichtigt die belangte Behörde einen Tatzeitraum vom 02.07.2019 bis zum 23.06.2020 und summiert die Betriebsstunden der Shredderanlage am Betriebssandort in X über diesen Zeitraum.

Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol wird allerdings durch die Festlegung, dass eine Betriebsanlage lediglich für „100 h/a“ an einem Standort betrieben wird, ausgedrückt, dass diese 100 Betriebsstunden im Verlauf eines Kalenderjahres erfolgen. Für die Annahme eines flexiblen Jahres, welches mitten in einem Kalenderjahr seinen Ausgang nimmt, fehlen im vorliegenden Fall die Anhaltspunkte. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem angeführten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 29.10.2018, wird doch dort die Einschränkung der Betriebsstunden lediglich auf „100 h/a“ bezogen. Dass diese 100 Betriebsstunden nicht am 01.01. eines jeden Jahres neu zu laufen beginnen, sondern unter dem Jahr, wird in diesem Bewilligungsbescheid nicht ausgeführt.

Vor diesem Hintergrund ist es für das Landesverwaltungsgericht Tirol offensichtlich, dass die 100 Betriebsstunden pro Jahr, an welchen die Shredderanlage am Betriebsstandort in X betrieben werden kann, sich jeweils auf ein Kalenderjahr beziehen. Die Berechnung der belangten Behörde, die über ein Kalenderjahr hinweg im Grundsatz auf einen Zeitraum von einem Jahr mit einem flexiblen Ausgang vorgenommen wird, erweist sich vor diesem Hintergrund als fehlerhaft.

Festgehalten wird, dass der vorliegende Sachverhalt insofern Bedenken beim Landesverwaltungsgericht Tirol aufwirft, als dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Aufzeichnungen nicht kongruent sind, zumal trotz fortlaufender Betriebsstunden ein Datumssprung erfolgt ist und sohin die Aufzeichnungen offensichtlich nicht dem tatsächlichen Betrieb entsprechen können. Dies legt nahe, dass das vom Beschwerdeführer vorgelegte Betriebsbuch nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend geführt wurde. Zumal sich der behördliche Vorwurf allerdings nicht auf einen derartigen Sachverhalt bezieht, war dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine Umdeutung und Unterstellung des Sachverhaltes unter eine andere Verwaltungsstrafbestimmung von vorn herein untersagt. Vor diesem Hintergrund war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Festgehalten wird, dass aus diesem Grund gemäß § 44 Abs 2 VwGVG auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden konnte.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So handelt es sich im vorliegenden Fall um eine sachverhaltsbezogene Einzelfallbeurteilung und nicht um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dünser

(Richter)

Schlagworte

Anlagenkonsens;
Kalenderjahr;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.15.2540.2

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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