TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/15 W158 2193553-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.09.2020

Norm

AVG §6
B-VG Art133 Abs4
FPG §46 Abs2a
FPG §46 Abs2b
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §32

Spruch

W158 2193553-5/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan alias Pakistan, vertreten durch frida – Beratung in Asyl und Fremdenrecht, Pernerstorfergasse 12, 1100 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und unstrittiger Sachverhalt:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde letztlich durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX zu W158 2193553-1/8E abgewiesen und unter anderem eine Rückkehrentscheidung erlassen und eine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt wurde. Dem Erkenntnis liegt unter anderem zugrunde, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger ist.

Eine dagegen erhobene Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23.12.2019, Ra 2019/01/0479 mangels Aufzeigung einer grundsätzlichen Rechtsfrage zurückgewiesen.

I.2. In weiterer Folge erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am XXXX einen Bescheid, womit es den BF zur Mitwirkung an der Beschaffung eines Heimreisezertifikats verpflichtete. Weiters wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid ausgeschlossen.

I.3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am XXXX Beschwerde, die am XXXX beim BFA einlangte. Darin brachte er insbesondere vor, er sei entgegen den Feststellungen nicht afghanischer, sondern pakistanischer Staatsangehöriger, was ihm mittlerweile auch von der pakistanischen Botschaft bestätigt worden sei.

I.4. Im selben Schreiben stellte der BF einen Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens und verwies begründend ebenso auf seine angebliche von der Botschaft bestätigte pakistanische Staatsangehörigkeit. Die Bestätigung sei ein neues Beweismittel, die eine Wiederaufnahme rechtfertige.

I.5. Nach Vorlage der Beschwerde durch das BFA am XXXX wurde das Verfahren zur Bescheidbeschwerde zu W213 2193553-2 protokolliert. Das Verfahren über den Antrag auf Wiederaufnahme wurde zu W213 2193553-3 protokolliert.

In beiden Verfahren veranlasste der zuständige Richter noch am selben Tag „zuständigkeitshalber“ eine Weiterleitung gemäß § 6 AVG an das BFA.

I.6. Das BFA erließ daraufhin hinsichtlich der Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX am XXXX eine Beschwerdevorentscheidung und bestätigte darin seinen Bescheid vom XXXX und verpflichtete den BF erneut zur Mitwirkung an der Beschaffung eines Heimreisezertifikats. Ebenfalls wurde wiederum die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen.

Gegen diese Entscheidung stellte der BF am XXXX einen Vorlageantrag.

I.7. Mit Schreiben vom XXXX , das am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, legte das BFA die Bescheidbeschwerde und den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom XXXX dem Bundesverwaltungsgericht wiederum „zur Bearbeitung“ vor. Dieses Schreiben wurde sowohl zu W213 2193553-2 als auch zu W213 2193553-3 protokolliert.

I.8. Im Verfahren W213 2193553-3 ist weiters eine Stellungnahme des BF protokolliert, in der weitere Ausführungen zum Antrag auf Wiederaufnahme getätigt werden.

Auch diese Stellungnahme wurde am XXXX vom Leiter der Gerichtsabteilung W213 „zuständigkeitshalber“ an das BFA „zur weiteren Veranlassung“ weitergeleitet.

I.9. Mit einem weiteren Bescheid des BFA vom XXXX wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei und die Frist zur freiwilligen Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

In diesem Bescheid wurde nunmehr die pakistanische Staatsangehörigkeit des BF festgestellt.

I.10. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom XXXX Beschwerde. Darin wird unter anderem vorgebracht, der BF habe seine vormalige Freundin nunmehr geehelicht.

Das Verfahren zu dieser Beschwerde ist nach einem internen Zuständigkeitsstreit der Leiterin der Gerichtsabteilung L508 endgültig zugewiesen und dort zu L508 2193553-4 protokolliert.

I.11. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom XXXX , zugestellt am XXXX , wurde der Antrag des BF auf Wiederaufnahme des Verfahrens zum Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 6 AVG zurückgewiesen.

Begründend führte das BFA gestützt auf § 69 AVG aus, es sei für die Entscheidung über den Antrag nicht zuständig. Vielmehr sei das Bundesverwaltungsgericht dafür zuständig.

I.12. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom XXXX , in der beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid wegen Unzuständigkeit des BFA ersatzlos zu beheben und eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom XXXX abgeschlossenen Verfahrens zu treffen.

Begründend wurde dabei insbesondere auf die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und die von der Botschaft bestätigte pakistanische Staatsangehörigkeit des BF verwiesen.

I.13. Diese Beschwerde langte am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde nach einem internen Zuständigkeitsstreit am XXXX durch Entscheidung des Präsidenten der erkennenden Gerichtsabteilung endgültig zugewiesen.

II. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

II.1. Zu Spruchpunkt A)

Zunächst ist zu den Ausführungen des BFA und des BF in seiner Beschwerde darauf hinzuweisen, dass auf die gegenständliche Konstellation § 69 AVG entgegen den Erwägungen keine Anwendung finden kann, da das Verfahren durch das abweisende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts W158 2193553-1/8E abgeschlossen wurde. Einzig maßgebliche Rechtsvorschrift ist somit § 32 VwGVG (VwGH 28.02.2019, Ra 2019/12/0010). Ein ausdrücklich auf § 69 AVG gestützter Antrag wäre in diesem Fall vielmehr von vornherein als unzulässig zu beurteilen (VwGH 04.03.2020, Ra 2020/18/0069).

Sollte der Antrag auf Wiederaufnahme daher auf § 69 AVG gestützt sein, wäre das BFA zwar über die Entscheidung zuständig, der Antrag wäre jedoch unzulässig. In diesem Fall wäre die Beschwerde mit der Maßgabe abzuweisen, dass der Antrag nicht aufgrund von § 6 AVG, sonden aufgrund von § 69 AVG und § 32 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen wäre. Der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme ist zwar explizit an das BFA gerichtet, er stützt sich jedoch auf keine bestimmte Rechtsvorschrift. Aufgrund der weiteren Ausführungen im Antrag in Zusammenhalt in der mit diesem unter einem ausgeführten Beschwerde ist jedoch im Zweifel zugunsten des nunmehrigen BF davon auszugehen, dass er die Wiederaufnahme des vor dem Bundesverwaltungsgericht abgeschlossenen Verfahrens begehrte und sich insofern auf § 32 VwGVG stützte. Insbesondere verwies der BF in diesem Schriftsatz mehrmals auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit der angeblich falsch festgestellten afghanischen Staatsangehörigkeit. In der Stellungnahme im Verfahren zur Wiederaufnahme (W213 2193553-3/4Z) wurde zudem explizit auf § 32 VwGVG Bezug genommen, was ebenfalls dafür spricht, den Antrag nicht bereits aus diesem Grund als unzulässig zu beurteilen.

Nach dem hier somit alleine maßgeblichen § 32 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts abgeschlossenen Verfahrens unter bestimmten Umständen stattzugeben. Zur Entscheidung darüber ist das Verwaltungsgericht berufen, von dem das im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassene Erkenntnis stammt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 70; VwGH 21.12.2016, Ra 2016/10/0135).

Nach § 32 Abs. 2 VwGVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen einer Frist von zwei Wochen direkt beim Verwaltungsgericht einzubringen. Dementsprechend leitete das BFA den fälschlich bei ihm eingebrachten Antrag des BF auch an das Bundesverwaltungsgericht weiter, wo dieser und die ebenfalls vom BFA weitergeleitete Beschwerde am XXXX zu den Zahlen W213 2193552-2 und W213 2192553-3 protokolliert wurden. Aus aus dem Akt nicht nachvollziehbaren Gründen leitete der Leiter der Gerichtsabteilung beide Schreiben jedoch wiederum „zuständigkeitshalber“ gemäß § 6 AVG an das BFA zurück.

Auch wenn das BFA daher grundsätzlich zu Recht von seiner Unzuständigkeit ausgegangen ist, ist sein Bescheid nichtsdestotrotz aufzuheben. Eine bescheidmäßige Zurückweisung nach § 6 AVG kommt nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ausnahmsweise und nur dann in Betracht, wenn erstens die Partei, etwa durch einen entsprechenden Antrag, auf der Zuständigkeit der angerufenen Behörde beharrt, zweitens die (Un-)Zuständigkeit der Behörde zweifelhaft, also nicht offenkundig ist, oder drittens für das Anbringen (auch) keine (andere) Behörde zuständig ist (VwGH 10.12.2018, Ro 2018/12/0017 Rz 21; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 6, Rz 14). Derartiges liegt hier jedoch nicht vor, zumal vor allem die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts offenkundig ist.

Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos zu beheben. Dem weiteren Beschwerdeantrag, inhaltlich über den Antrag auf Wiederaufnahme zu entscheiden, kann jedoch nicht gefolgt werden. Bei einer Zurückweisung eines Antrags ist Sache des Beschwerdeverfahrens nämlich ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0134, 17.12.2019, Ra 2017/04/0141). Eine inhaltiche Entscheidung würde daher die Sache des Beschwerdeverfahrens überschreiten, wodurch die Entscheidung mit Rechtswidrigkeit behaftet wäre. Inhaltlich über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird vielmehr das Bundesverwaltungsgericht in dem zu W213 2193553-3 protokollierten Verfahren zu entscheiden haben. Sollte der Leiter der Gerichtsabteilung trotz dieser Klarstellung Schriftsätze des BF weiterhin an das BFA weiterleiten, stünde dem BF, zumal auch bereits die Entscheidungsfrist des § 73 AVG abgelaufen ist, ein Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof offen, um eine inhaltliche Entscheidung zu erwirken.

II.2. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr ist die Rechtslage klar und eindeutig. Zudem besteht zu den maßgeblichen Rechtsfragen auch eine ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, von der das Bundesverwaltungsgericht nicht abgewiesen ist.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Wiederaufnahme Zurückweisung Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W158.2193553.5.00

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten