TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/24 95/08/0064

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Veröffentlicht am 24.06.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §8 Abs1 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt in Linz, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 23. Jänner 1995, Zl. 120.152/1-7/95, betreffend Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. c ASVG (mitbeteiligte Partei: A in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem der vorliegenden Entscheidung zugrundeliegenden, unstrittigen Sachverhalt suchte der Mitbeteiligte, der Bezieher einer Alterspension ist, am 16. Juni 1992 die Ambulanz der O.ö. Gebietskrankenkasse auf, wo er sich einer ambulanten Unterwassertherapie unterziehen sollte. Auf dem Weg von der Badeabteilung in die Garderobe rutschte der Mitbeteiligte mit nassen Füßen auf dem Bodenbelag aus, stürzte und zog sich einen Trümmerbruch der rechten Kniescheibe zu.

Strittig ist, ob der Mitbeteiligte zum Zeitpunkt dieses Vorfalls in der Ambulanz der O.ö. Gebietskrankenkasse - die nach der übereinstimmenden Auffassung der Parteien eine "Einrichtung" ist, die "der medizinischen Rehabilitation oder der Gesundheitsvorsorge dient" - "untergebracht" war, sodaß er gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. c, letzter Fall, ASVG in der Unfallversicherung teilversichert war. Die beschwerdeführende Unfallversicherungsanstalt und der Landeshauptmann von Oberösterreich als Einspruchsbehörde verneinten dies mit der Begründung, der Aufenthalt im Rahmen der ambulanten Behandlung sei nicht als "Unterbringung" zu verstehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Berufung Folge gegeben und festgestellt, der Mitbeteiligte sei "während der physikotherapeutischen Behandlung in der physikotherapeutischen Abteilung bzw. Badeabteilung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse am 16.6.1992 der Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. c ASVG" unterlegen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, deren offenbar unvollständiger Text Rechtsausführungen, aber keine Anträge enthält.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf das Erkenntnis vom 10. Juni 1987, Zl. 87/08/0010, worin der Verwaltungsgerichtshof eindeutig zu dem Schluß gekommen sei, daß es für die Teilversicherung in der Unfallversicherung nach der genannten Vorschrift ohne Belang sei, ob die Unterbringung den Bestimmungen der §§ 155 f oder 300 ff ASVG entspreche. Daraus sei abzuleiten, daß der Begriff der "Unterbringung" sowohl den stationären als auch den ambulanten Aufenthalt umfasse. Das Versicherungsbedürfnis ergebe sich durch die Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge, denen der Versicherte unterzogen werde, und sei bei stationärer und ambulanter Behandlung in gleichem Maße gegeben. Der Mitbeteiligte wäre der Teilversicherung daher nur dann nicht unterlegen, wenn feststünde, daß an ihm keine Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation vorgenommen worden seien (wohl zu ergänzen: oder vorgenommen werden sollten; zur Behandlung kam es im Fall des Mitbeteiligten auf Grund seines Sturzes nicht mehr).

Dagegen wendet sich die Beschwerde vor allem unter Berufung auf den Wortsinn des Ausdrucks "untergebracht", auf die Entstehungsgeschichte dieses Falls der Teilversicherung in der Unfallversicherung und darauf, daß die belangte Behörde das von ihr herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes mißverstanden habe.

Schon das erste dieser Argumente ist berechtigt. Zwar läßt der Begriff des (räumlichen) "Unterbringens" von Personen vor allem dann, wenn es dabei um die Bewältigung von Platzproblemen geht, auch eine Auslegung zu, die sich auf nur kurzfristige Aufenthalte bezieht ("Unterbringen" von Personen an einem Tisch, in einem Fahrzeug usw.). Der Begriff der "Unterbringung" einer Person in einer "Einrichtung", mag sie der Ausbildung, dem Strafvollzug oder - wie hier - der medizinischen Rehabilitation oder der Gesundheitsvorsorge dienen, schließt im allgemeinen Sprachgebrauch aber ein Element der Dauer ein, das im Falle einer bloßen Vorsprache bei einer solchen Einrichtung, ihrer ambulanten Inanspruchnahme oder anderer kurzfristiger Aufenthalte nicht gegeben ist. Der Gesetzeswortlaut spricht somit dagegen, daß sich der auszulegende Tatbestand nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf Sachverhalte wie den im vorliegenden Fall zu beurteilenden erstrecken sollte.

Es trifft aber auch zu, daß die teleologischen Argumente, die die belangte Behörde dem entgegenhält, auf einem Mißverständnis des von ihr zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes beruhen. Dieses Erkenntnis befaßt sich nach seinem klaren Wortlaut und Sinn nicht mit den Voraussetzungen der "Unterbringung" als solcher. Es untersucht die Frage, ob es - die "Unterbringung" vorausgesetzt - der Teilversicherung entgegensteht, wenn die "Einrichtung" auch anderen als Zwecken der medizinischen Rehabilitation oder der Gesundheitsvorsorge dient. Wenn in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, das die Versicherungspflicht auslösende (d.h.: vom Gesetzgeber berücksichtigte) Versicherungsbedürfnis ergebe sich "nicht aus der Zweckbestimmung der Anstalt allein, IN DER DER VERSICHERTE UNTERGEBRACHT IST, vielmehr" werde es "durch die Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation oder der Gesundheitsvorsorge begründet, denen der Versicherte in der Anstalt unterzogen wird", und es sei ohne Belang, ob die Anstalt überwiegend diesen oder anderen Zwecken dient, und wenn an späterer Stelle ausgeführt wird, es genüge, wenn in einer Krankenanstalt "auch" Einrichtungen zur medizinischen Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge bestünden, UND Patienten dort zu derartigen Zwecken "UNTERGEBRACHT" seien, um anzunehmen, daß sie damit "im Rahmen der Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge auch den im speziellen Fall die Versicherungspflicht in der Unfallversicherung begründenden Risken ausgesetzt" seien, so bringt dies nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck, die "Unterbringung" müsse, um das vom Gesetzgeber berücksichtigte Versicherungsbedürfnis auszulösen, nicht das im allgemeinen Sprachgebrauch vorausgesetzte Element der Dauer aufweisen. Auch aus den abschließenden, Akutbehandlungen "WÄHREND DER UNTERBRINGUNG" und die Beachtung der Voraussetzungen der §§ 155 f und 300 ff ASVG (insbesondere "Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen") betreffenden Ausführungen ist dies nicht ableitbar.

Auch die Argumente der Gegenschrift vermögen nicht zu überzeugen. Der zutreffende Hinweis, in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes sei es um andere Fragen gegangen, entzieht zunächst der angefochtenen Entscheidung die von der belangten Behörde angenommene Grundlage. Daß der Verwaltungsgerichtshof die Vorschrift über die Teilversicherung in anderer Hinsicht - nämlich bei der Abgrenzung der in Frage kommenden "Einrichtungen" - extensiv ausgelegt habe, wie die Gegenschrift vermeint, ist für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Es dient auch nur der Abwehr des (entbehrlichen) Zusatzargumentes der Beschwerdeführerin, der auszulegende Tatbestand unterliege ganz allgemein "keiner ausdehnenden Interpretation". Das Hauptargument des Mitbeteiligten, nur das Verständnis des im vorliegenden Fall zu beurteilenden Sachverhalts als "Unterbringung" vermeide eine Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die in einem Dienstverhältnis stehen und den Weg zur ambulanten Behandlung vom Arbeitsplatz aus antreten, spricht eher für als gegen die Berechtigung der Beschwerde. Insoweit nämlich ein vergleichbarer Sachverhalt bei einem Vollversicherten von der Unfallversicherung, die sich auf sein Arbeitsverhältnis bezieht, durch die Einbeziehung in den Kreis der mit diesem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden Vorgänge erfaßt sein sollte, könnte sich daraus gerade wegen der Zurechnung des Risikos zu dem Lebensbereich, von dem aus die Behandlung in Anspruch genommen wird, nicht die vom Mitbeteiligten gewünschte Schlußfolgerung ergeben.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf die - durchwegs zutreffenden - Hinweise der Beschwerdeführerin auf die Bedeutung des Begriffs der "Unterbringung" in anderen Zusammenhängen, die Entstehungsgeschichte der auszulegenden Bestimmung und ihren Zusammenhang mit § 74 Abs. 3 Z. 2 ASVG noch einzugehen wäre.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995080064.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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