TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/24 95/08/0085

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Veröffentlicht am 24.06.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §67 Abs10;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des I in B, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 9. Februar 1995, Zl. 5-226 O 189/11-94, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8010 Graz, Josef Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 10. Oktober 1992 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der O. GmbH vom Landesgericht Leoben mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Mit Schreiben vom 12. Juli 1993 forderte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer als Geschäftsführer dieser Gesellschaft auf, bis 22. Juli 1993 für die Begleichung der näher beschriebenen Rückstände auf dem Beitragskonto der Gesellschaft Sorge zu tragen oder darzulegen, weshalb ihn kein ihm im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG anzulastendes Verschulden treffe. Mit Schreiben vom 21. Oktober 1993 wurde dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein Telefonat vom 31. August 1993, worin er "zur Vorlage der notwendigen Exkulpierungsnachweise um Fristerstreckung bis zur

39. Kalenderwoche" ersucht habe, und darauf, daß keinerlei Unterlagen vorgelegt worden seien, ersucht, dies bis 2. November 1993 nachzuholen. Nach einem Aktenvermerk vom 16. Dezember 1993 wurde dem Beschwerdeführer "bis 12. Jänner 1994 Vorlagefrist" eingeräumt; sämtliche Unterlagen befänden sich (gemeint offenbar: nach den Angaben des Beschwerdeführers) "nach wie vor bei Gericht", und seien angefordert worden.

Mit Bescheid vom 21. April 1994 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in Verbindung mit § 83 ASVG zur Zahlung von S 172.809,11 zuzüglich Zinsen.

In seinem Einspruch gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, sämtliche Unterlagen der Gesellschaft befänden sich bei der Staatsanwaltschaft Leoben und es sei ihm nicht möglich, darauf "zuzugreifen". Er habe keine genaue Auskunft darüber bekommen können, wie lange die Angelegenheit noch dauern werde, doch habe man ihm angedeutet, es werde "bis ca. Mitte des Jahres" dauern, bis er die Unterlagen, die für die Erstellung des Gleichbehandlungsnachweises "sehr wichtig" seien, zurückerhalten werde. Die für diesen Zweck erforderlichen Teile der Unterlagen könne er auch nicht heraussuchen und kopieren, weil sich die Unterlagen auf ca. 20 große Kartons aufteilten, die Gefahr bestünde, daß alles durcheinander gebracht werde, und die Untersuchungsbehörde "damit keine Freude" hätte, "wenn jemand in den Unterlagen sucht". Zu diesem Zweck müßte nämlich jemand dazu abgestellt werden, der darauf aufpasse, daß nichts aus den Unterlagen entfernt werde. Der Beschwerdeführer ersuche daher "um Fristerstreckung, bis ich die Unterlagen zur Verfügung habe, um Ihnen den Gleichbehandlungsnachweis erbringen zu können".

Mit Schreiben vom 17. Juni 1994 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Stellungnahme zur Frage seiner Haftung und um Vorlage der Exkulpierungsnachweise und Unterlagen binnen drei Wochen, widrigenfalls ohne sein weiteres Mitwirken entschieden werden würde.

Der Beschwerdeführer antwortete mit Schreiben vom 4. Juli 1994 u.a., die in einer beigelegten Beschlagnahmeliste angeführten Unterlagen seien schon am 21. April 1993 beschlagnahmt worden. In weiterer Folge sei ein Gutachter mit ihrer Bearbeitung beauftragt worden. Der Beschwerdeführer habe immer wieder gesagt, daß er, sobald er die Unterlagen in seinen Händen haben würde, einen Steuerberater beauftragen würde, die Unterlagen dahingehend auszuwerten, daß die Gleichbehandlung der Gläubiger festgestellt werden könne. Sofort im Anschluß an die Freigabe der Unterlagen werde sich der Beschwerdeführer "mit der Erledigung dieser Angelegenheit beschäftigen".

Mit Schreiben vom 26. Juli 1994 setzte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine weitere Frist von drei Wochen zur Vorlage der Nachweise.

Der Beschwerdeführer antwortete am 31. August 1994, die Unterlagen seien ihm am 22. August 1994 ausgefolgt worden. Er habe sie selbst abgeholt und "eingelagert". Schon am 17. August 1994 habe er das Erfordernis eines Gleichbehandlungsnachweises mit seinem Steuerberater besprochen. Da der Steuerberater bis 6. September 1994 auf Urlaub sei, habe er ihm die Unterlagen noch nicht aushändigen können. Er werde sich sofort nach der Rückkehr des Steuerberaters mit diesem in Verbindung setzen, um die Sache in Angriff zu nehmen. Wie lange die Erstellung der Unterlagen dann dauern werde, könne er noch nicht sagen, doch werde er bemüht sein, nach den ersten Aufarbeitungsschritten mit dem Steuerberater zusammen einen möglichst genauen Fertigstellungstermin ausfindig zu machen und zu nennen.

Mit Schreiben vom 28. September 1994 setzte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer, verbunden mit Hinweisen auf die erforderlichen Inhalte der vorzulegenden Nachweise, für deren Vorlage eine weitere Frist von drei Wochen.

Der Beschwerdeführer antwortete mit Schreiben vom 10. Oktober 1994, die Unterlagen seien nun beim Steuerberater. Zur Zeit führe das Finanzamt "eine Prüfung" durch, danach werde der Steuerberater "einen Abschluß erstellen und auch den entsprechenden Exkulpierungsnachweis und einen Gleichbehandlungsnachweis ausarbeiten". Für diese Arbeiten (inklusive Steuerprüfung) werde der Steuerberater "laut heutiger Rücksprache bis Ende Dezember beschäftigt sein". Der Beschwerdeführer ersuche daher "um eine Fristerstreckung bis Ende Dezember 1994".

Mit Schreiben vom 8. November 1994 setzte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Wochen (u.a.) für eine Mitteilung darüber, wann er voraussichtlich konkrete Exkulpierungsnachweise und Unterlagen, insbesondere den von ihm angekündigten Gleichbehandlungsnachweis, vorlegen werde.

Der Beschwerdeführer antwortete mit Schreiben vom 23. November 1994, er ersuche "um eine Fristerstreckung bis Ende Dezember 1994 bzw. bis zum vollständigen Abschluß der Steuerberaterarbeiten".

Eine Aufforderung der belangten Behörde vom 27. Dezember 1994, die Nachweise binnen zwei Wochen vorzulegen, beantwortete der Beschwerdeführer nicht mehr. Der Akt der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse enthält ein an diese gerichtetes Fax des Beschwerdeführers vom 4. Jänner 1995, worin er mitteilte, der Steuerberater sei mit den "Abschlußarbeiten" für die Gesellschaft beauftragt und benötige daher sämtliche Unterlagen. Gleichzeitig werde vom Finanzamt eine Steuerprüfung durchgeführt, sodaß auch das Finanzamt zur Zeit die Unterlagen benötige. Einen Hinweis, bis wann mit der Vorlage von Entlastungsbeweisen zu rechnen sei, enthielt dieses Schreiben an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Februar 1995 gab die belangte Behörde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid erlassen, ohne ihn nur ein einziges Mal einzuvernehmen, wobei eine solche Einvernahme ergeben haben würde, daß "der Abschluß der Buchhaltung mit Jänner/Februar 1995 erfolgt und ab diesem Zeitpunkt auch der Nachweis der Gleichbehandlung erbracht werden kann". Dazu verweist der Beschwerdeführer u.a. auch auf den Umfang der Unterlagen sowie darauf, daß sie ungeordnet und unvollständig gewesen seien und sich schon vor der Beschlagnahme nicht auf dem aktuellsten Stand befunden hätten. Das Verhalten der Behörde deute darauf hin, daß kein Interesse an einer Ermittlung des Sachverhalts bestanden hätte. Andernfalls würde die belangte Behörde den Beschwerdeführer einvernommen oder "länger zugewartet" haben.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Zunächst ist davon auszugehen, daß es - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Beschwerdeführer oblag, darzulegen, aus welchen Gründen er seine Pflicht, für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge zu tragen, nicht erfüllt habe, widrigenfalls anzunehmen war, daß er seine Pflicht schuldhaft verletzt habe (vgl. dazu aus jüngster Zeit etwa das Erkenntnis vom 19. November 1996, Zl. 96/08/0180). Wenn der Beschwerdeführer zu diesem Zweck zuletzt um die Einräumung einer Fristerstreckung "bis Ende Dezember 1994" (Schreiben vom 10. Oktober 1994) und schließlich "bis Ende Dezember 1994 bzw. bis zum vollständigen Abschluß der Steuerberaterarbeiten" (Schreiben vom 23. November 1994) ersuchte und ihm die belangte Behörde daraufhin mit Schreiben vom 27. Dezember 1994 eine weitere Frist von zwei Wochen einräumte, so hätte der Beschwerdeführer diese letzte Frist nicht verstreichen lassen dürfen, ohne zumindest - unter Angabe triftiger Gründe - um eine neuerliche Verlängerung der Frist anzusuchen. Wenn er dies unterließ, so war die belangte Behörde nicht gehalten, von sich aus noch länger zuzuwarten oder den Beschwerdeführer darüber einzuvernehmen, wann er zu einer Vorlage der erforderlichen Unterlagen in der Lage sein werde. Das würde selbst dann gelten, wenn der Beschwerdeführer das Schreiben vom 4. Jänner 1995 nicht an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, sondern an die belangte Behörde gerichtet hätte. Angesichts der Vorgeschichte konnte der bloße Hinweis darauf, daß der Steuerberater (offenbar vorrangig) mit anderen Arbeiten beauftragt worden war und die Unterlagen "gleichzeitig" auch vom Finanzamt benötigt wurden, nämlich keine Erklärung dafür bieten, daß der Beschwerdeführer seit der ersten, im Juli 1993 an ihn ergangenen Aufforderung, die Gründe für seine Schuldlosigkeit am Unterbleiben der Beitragszahlungen darzulegen, wobei ihm die Einsicht in die Unterlagen nach seinen Einspruchsbehauptungen schon vor deren Freigabe gar nicht verweigert worden wäre, bis zum Ende des Jahres 1994 nicht einmal ansatzweise ein zweckdienliches Vorbringen zu seiner Entlastung erstattet hatte. Zu einer amtswegigen Verlängerung der zuletzt eingeräumten Frist oder zu Ermittlungsschritten in bezug auf die Frage, wann mit dem "vollständigen Abschluß der Steuerberaterarbeiten" zu rechnen sei, hätte ein solches Schreiben an die belangte Behörde daher nicht Anlaß gegeben.

Angesichts des völligen Fehlens konkreter Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers in bezug auf den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war die belangte Behörde - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - auch nicht gehalten, den Beschwerdeführer oder dessen Steuerberater von Amts wegen darüber einzuvernehmen, ob der Beschwerdeführer in dem vom erstinstanzlichen Bescheid umfaßten Zeitraum die Beitragsforderungen gegenüber anderen Forderungen benachteiligt hatte oder nicht. Durch die besondere Behauptungs- und Beweislast des Beschwerdeführers war die belangte Behörde zwar nicht jeder Ermittlungspflicht entbunden (vgl. dazu das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217, u.a.). Zur amtswegigen Ermittlung derjenigen Umstände, in bezug auf die der Beschwerdeführer seiner Behauptungs- und Beweislast nicht einmal ansatzweise nachkam, war sie aber nicht verpflichtet (vgl. dazu das Erkenntnis vom 12. April 1994, Zl. 93/08/0232).

Da der Beschwerdeführer seiner Pflicht, ein zu seiner Entlastung zweckdienliches Vorbringen zu erstatten, nicht nachkam, konnte sich auch die in der Beschwerde aufgeworfene Frage nach einer allfälligen Belehrung des nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertretenen Beschwerdeführers über die in Frage kommenden Beweismittel nicht stellen. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt daher insgesamt nicht vor.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sieht der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde nicht berücksichtigt habe, daß seitens des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Dienstnehmeranteile für den vom angefochtenen Bescheid umfaßten Zeitraum gezahlt worden seien. Diese erstmalige Bestreitung der Höhe des schon im erstinstanzlichen Bescheid festgesetzten Haftungsbetrages durch die Behauptung von Zahlungen eines Dritten ist eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung, doch ist der Beschwerdeführer auch der Darstellung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in der Gegenschrift, die schon im April 1993 vom Fonds überwiesenen Beträge seien "selbstverständlich" berücksichtigt worden, nicht mehr entgegengetreten.

Die zur Gänze unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995080085.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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