TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/10 I419 2108990-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
FPG §57
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2108990-5/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ÄGYPTEN, vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 11.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt.“ und in Spruchpunkt VII die Wortfolge „bis 26.02.2020“ durch folgende ersetzt wird: „bis 26.02.2020 durchgängig“.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise 2013 den ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er angab, er sei Kopte und von Salafisten bedroht worden, ferner von Übergriffen der Baltagiya-Banden betroffen gewesen. Das BFA hat den Antrag 2015 als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, wider ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist. Die Beschwerde dagegen, in der ergänzend eine posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen und Insomnie behauptet wurden, in der Verhandlung auch Homosexualität, hat dieses Gericht am 23.03.2018 zu Zl. I413 2108990-1/50E als unbegründet abgewiesen.

2. Den ersten Folgeantrag, den der Beschwerdeführer knapp 6 Wochen später stellte, wies das BFA wegen entschiedener Sache samt Rückkehrentscheidung zurück, was dieses Gericht am 20.07.2018 bestätigte (I415 2108990-2/3E). Auch den zweiten Folgeantrag, den der Beschwerdeführer knapp 4 Monate später stellte, wies das BFA verbunden mit einer Rückkehrentscheidung zurück, was das Gericht am 03.09.2019 bestätigte (I422 2108990-3/3E).

3. Den dritten Folgeantrag stellte er am 08.10.2019. Erstbefragt gab er an, Mitte September habe er von seinen Eltern gehört, dass er im Herkunftsstaat von der Polizei gesucht werde und verhaftet werden solle. Am selben Tag erteilte ihm das BFA die Verfahrensanordnung, in einem näher bezeichneten Quartier durchgehend Unterkunft zu nehmen. Der Beschwerdeführer bezog dieses und tauchte danach mehrfach unter. Beim BFA erklärte er im Februar 2020, Konvertierte hätten sich gegen den Präsidenten gestellt und seien eingesperrt worden. Gegner des Präsidenten würden gefoltert. Auch er sei Oppositioneller. In Österreich wolle er Prüfungen am Juridicum machen, um sein Studium zu nostrifizieren.

4. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag betreffend die Status des Asyl- und des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II). Unter einem erteilte es keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt V) und keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI), und verhängte wider diesen ein Einreiseverbot für zwei Jahre (Spruchpunkt VII). Unter einem hat das BFA auch ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer aufgetragen wurde, von 08.10.2019 bis 26.02.2020 in einem näher bezeichneten „Quartier Unterkunft zu nehmen“ (Spruchpunkt VIII).

5. Beschwerdehalber wird vorgebracht, es sei inhaltlich zu entscheiden, weil der Beschwerdeführer, der erheblich und akut selbstgefährdet sei, weitere medizinische Unterlagen vorgelegt habe. Im Herkunftsstaat seien die nötigen Medikamente für ihn nicht leistbar, wodurch sich sein Gesundheitszustand drastisch verschlechtern und sein Überleben gefährdet würde. Nach seiner Aufenthaltsdauer sei auch eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig, zumal er sehr gut Deutsch spreche und nachhaltig integriert sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

1.1.1 Der volljährige Beschwerdeführer ist Mitte 30, ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Ägypten und nach eigenen Angaben Christ. Er gehört der Volksgruppe der Araber an und spricht Arabisch als Muttersprache. Seine Identität steht fest.

Im Herkunftsstaat besuchte er 12 Jahre lang die Schule und studierte anschließend vier Jahre Jus an der Universität in Asiut. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich in den Jahren vor der Ausreise als Rechtsanwalt. Zuletzt wohnte er in Kairo. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Ägypten hat er ein berufliches Netzwerk und die Möglichkeit, auch künftig am ägyptischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Ferner hat er sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat.

1.1.2 Er reiste mit einem 2010 ausgestellten Reisepass des Herkunftsstaats 2012/13 mehrfach nach Georgien und flog am 31.03.2013 von dort mit einem griechischen Visum nach Österreich, wo er am 06.05.2013 erstbefragt angab, nie einen Reisepass besessen zu haben.

Er habe erst Mitte April den Ausreiseentschluss gefasst, sei mit dem Pkw am 21. oder 22.04. nach Alexandria und von dort mit einem Schiff nach Europa gekommen, auf dem er sich versteckt habe. Am 25.04. sei er schließlich von einem unbekannten Land, wohin das Schiff gefahren sei, nach 5 Stunden Fahrt in Österreich angekommen.

1.1.3 Drei Monate nach der Erstbefragung reiste er am 13.08.2013 mit einem Flug Wien-Kairo zurück in den Herkunftsstaat, wo ihm am 21.09.2013 ein neuer Reisepass ausgestellt wurde, obwohl der alte noch bis November 2017 gültig war. Im alten Reisepass hat jemand versucht, das Ablaufdatum des Visums auf 2014 in die Zukunft abzuändern.

Am 23.09.2013 erwarb er im Herkunftsstaat einen lokalen und am 17.03.2014 einen internationalen Führerschein. Tags darauf buchte er einen Flug von Kairo über Istanbul nach Pristina, wo ihm (offenbar nach einer Umbuchung oder Flugplanänderung) am 03.04.2014 die Einreise in den Kosovo verwehrt wurde. Am 15.04.2014 wurde ihm ein Touristenvisum der Türkei für zwei Monate ausgestellt.

1.1.4 Nach einem weiteren Flug Kairo-Istanbul, den er am 19.04.2014 antrat, versuchte er am nächsten Tag mittels Linienbus weiter in die EU zu reisen, scheiterte aber an der Einreise nach Bulgarien, die er mit einer verfälschten österreichischen Meldebestätigung zu erreichen versuchte, von der er behauptete, es handle sich um einen Aufenthaltstitel. Auf dieser war das Ausstellungsdatum von 2013 auf 2015 in die Zukunft abgeändert und ein Lichtbild des Beschwerdeführers angebracht.

Eine Abmeldung vom inländischen Wohnsitz unterließ er, bis diese vom Unterkunftgeber durchgeführt wurde. Anschließend war er ab 13.01.2015 (bis zu seinem Untertauchen 2019) wieder gemeldet. Am 08.04.2015 gab er beim BFA an, er habe nie einen Reisepass und nie ein Visum besessen und Wien seit seiner Antragstellung nicht verlassen. Er sei nie in Bulgarien oder Georgien gewesen, und auf die Frage, warum er einen Anwaltsausweis vorlege, dessen Foto ident mit dem des in Bulgarien sichergestellten alten Reisepasses sei, erklärte er, dass der Name im Reisepass falsch geschrieben wäre.

1.1.5 Der Beschwerdeführer steht wegen chronischer, paranoiden Schizophrenie, schwerer Depression und posttraumatischer Belastungsstörung in ärztlicher Behandlung. Seit Anfang 2019 wurden ihm Erwachsenenvertreter bestellt. Sein Gesundheitszustand ist seit Jahren bekannt und Grund dafür, dass er Medikamente bekommt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet. Er ist hinreichend gesund, um ein Universitätsstudium zu betreiben und beim Roten Kreuz mitzuarbeiten, und daher auch in der Lage, sich im Herkunftsstaat Unterstützung zu verschaffen.

1.1.6 Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus dem Vater, Pensionist und Mitte 60, der Mutter, Schuldirektorin und Anfang 60, dem Bruder, Pharmazeut, Ende 30, und der Schwester, Mitte 20, lebt im Herkunftsstaat. Er steht mit ihr in Kontakt. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über Verwandte, aber kein Familienleben. Mit einer gut 10 Jahre älteren Frühpensionistin mit österreichischer Staatsbürgerschaft führte er mehrmals eine Beziehung, steht nun aber nur mehr in telefonischem Kontakt mit ihr. Für eine Abhängigkeit von dieser oder dieser von ihm liegt kein Hinweis vor.

1.1.7 Der Beschwerdeführer geht in Österreich keinem Erwerb nach und sichert seinen Lebensunterhalt aus Leistungen der staatlichen Grundversorgung. 2016/17 für fünf Monate und 2017/18 für 10 Monate hat er für seine gemeinnützige Unterkunftgeberin gegen Remuneration Reinigungs- und Hilfstätigkeiten ausgeführt und fiel dabei als sehr hilfsbereit und über das Erforderliche hinaus engagiert auf. Nach seinen Angaben geben ihm auch zwei hier schon jahrelang lebende Onkel Geld, die er besucht. Abhängigkeiten zwischen dem Beschwerdeführer und diesen oder anderen Personen können nicht festgestellt werden.

1.1.8 Er verfügt über soziale Kontakte zu Personen der koptisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft in Wien. Zudem frequentierte er auch Queer Base-Veranstaltungen. Der Beschwerdeführer besuchte regelmäßig christlich-orthodoxe Gottesdienste sowie Bibelstunden in Wien. Seit Oktober 2019 besucht er katholische Gottesdienste an verschiedenen Tagen der Woche.

Im Wintersemester 2018 hat er den Vorstudienlehrgang an der Universität Wien besucht, am 20.11.2019 eine ganztägige Informationsveranstaltung des ÖIF. Im Februar 2020 hat er sich beim Roten Kreuz nach Möglichkeiten freiwilliger Mitarbeit erkundigt.

Er hat 2017 die Deutschprüfung auf dem Niveau B1 erfolgreich abgelegt und drei auf Fotokopien (zwei davon gleichlautend) abgegebene Empfehlungen von Personen vorgelegt, von denen mindestens zwei Österreicher sein sollen. Die Universität Wien hat ihm 2018 bestätigt, dass er zum Studium der Rechtswissenschaften zugelassen werde, nachdem er die B1/2-Prüfung bestanden habe (151). Im Wintersemester 2019 hat er sich neuerlich für den Vorstudienlehrgang angemeldet.

Der Beschwerdeführer verfügt über einen (aufschiebend bedingten) Arbeitsvertrag (für den Fall einer Arbeitsberechtigung) mit einer KG in Wien als Hilfskraft, ferner über Arbeitsvorverträge als Küchenhilfe in einer Pizzeria mit 30 oder 40 Stunden Beschäftigungsausmaß und in einer weiteren mit 30 Stunden.

1.1.9 Er ist in Österreich nicht vorbestraft. Verfahren gegen ihn wegen des Verdachts der Vergehen der Entwendung und des Diebstahls und der Sachbeschädigung zu zwei Zeitpunkten 2018 wurden wegen Geringfügigkeit nach § 191 Abs. 1 StPO und endgültigen Rücktritts nach der Probezeit nach § 203 Abs. 4 StPO beendet.

Von 20.12.2019 bis 20.02.2020 wies er keinen gemeldeten Wohnsitz im Inland auf. Im Juni 2020 wurde er von Kontrollorganen ohne gültigen Fahrschein in einem Eisenbahnzug angetroffen, denen er anschließend entkam. Anschließend von der Polizei in der Gemeinde B. im Bezirk M. aufgegriffen verantwortete er sich dieser gegenüber auf Englisch damit, er habe dringend zu einem Termin im Krankenhaus müssen. Zur Tatzeit war sein Aufenthalt auf den Bezirk B. beschränkt. Bei ihm gefunden wurde eine Verfahrenskarte, deren Verlust er im Dezember 2019 angezeigt hatte, worauf ihm eine weitere ausgestellt worden war.

Der Beschwerdeführer hat keine Sorgepflichten und führt kein Familienleben im Inland über die genannten Kontakte hinaus. Als er den jüngsten Folgeantrag stellte, verfügte er über Barmittel von etwa € 20,-- und erhielt monatlich € 190,-- aus der Grundversorgung ausbezahlt.

1.1.10 Nach seiner Einvernahme zum neuesten Folgeantrag hob das BFA die Verfahrensanordnung vom 08.10.2019 betreffend die Unterkunftnahme (irrtümlich bezeichnet mit „vom 26.02.2020“) am 26.02.2020 auf, und zwar mit Verfahrensanordnung und „mit sofortiger Wirkung“.

1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten mit Stand 24.07.2019 zitiert. Betreffend die aktuelle Lage sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Verfassung garantiert die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsfreiheit setzt eine gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung voraus. Die Vereinigungsfreiheit wurde durch Gesetz erheblich beschränkt (USDOS 13.3.2019). Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind stark eingeschränkt, was besonders im Vorlauf des Referendums zu den Verfassungsänderungen im April 2019 deutlich wurde. Zahlreiche Personen und Organisationen der Zivilgesellschaft sind weiterhin von Ermittlungsverfahren, Kontensperrungen, Ausreiseverboten, Einschüchterungen und unverhältnismäßig langer Untersuchungshaft betroffen. Zudem gibt es glaubhafte Berichte über zahlreiche Fälle erzwungenen Verschwindenlassens (AA 24.6.2019a).

Die in der Verfassung garantierte Versammlungsfreiheit wird durch das im November 2013 in Kraft getretene Demonstrationsgesetz weitgehend eingeschränkt. Seither müssen Demonstrationen im Vorfeld genehmigt werden. Zivilgesellschaftliche Akteure berichten von Problemen bereits bei der Antragsstellung und von Ablehnungen ohne Angaben von Gründen. In der Nähe von Militäreinrichtungen sind Versammlungen generell verboten. Bei Verstößen drohen lange Haftstrafen (AA 22.2.2019).

Das neue, repressive NGO-Gesetz Ägyptens, welches seit Mai 2017 in Kraft ist, verstößt gegen eine Reihe internationaler Verpflichtungen, insbesondere im Hinblick auf die Vereinigungsfreiheit (z.B. gemäß Art. 22 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte). Auf der Grundlage des verschärften Demonstrationsgesetzes haben die Sicherheitskräfte hart gegen öffentliche Protestveranstaltungen durchgegriffen. Viele prominente Menschenrechtsverteidiger sind wegen ihrer Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen (u. a. aus Protest gegen das Demonstrationsgesetz) in Haft (AA 22.2.2019).

Im Rahmen des aktuell andauernden Ausnahmezustands wird das Recht auf Versammlungsfreiheit noch weiter eingeschränkt. Die Zahl der Demonstrationen ist zuletzt stark zurückgegangen. Gegen die wenigen Proteste geht die Polizei weiterhin mit Härte häufig schon präventiv vor. Dabei kam es wiederholt zu Toten und Verletzten. Polizeigewalt gegen Demonstrationen bleibt in der Regel straffrei. Allerdings fallen auch spontane Versammlungen vor den Werkstoren unter das Demonstrationsrecht und müssen daher im Vorfeld genehmigt werden. Dies schränkt die Möglichkeiten der Arbeitnehmer ein, sich zu organisieren. Innerbetriebliche Auseinandersetzungen und die Zahl der Arbeitsniederlegungen haben zugenommen. Unverhältnismäßig hoch sind Strafandrohungen im Versammlungsrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der Teilnahme an unangemeldeten Demonstrationen. In diesem Kontext wurden Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren verhängt (AA 22.2.2019).

Im Mai 2018 verhafteten die Sicherheitskräfte mindestens 35 Personen unter dem Vorwurf der "Teilnahme an unbefugten Protesten" und der "Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe" wegen Protestes gegen den Anstieg der Ticketpreise für die Metro in Kairo (AI 26.2.2019).

1.2.2 Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019).

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht - trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).

Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49 % etwa die Hälfte zum BIP bei (GIZ 9.2018c). Ein schwer zu erfassender und vermutlich erheblicher Teil des Dienstleistungsbereichs arbeitet informell (AA 24.6.2019c).

Nach einer Studie der staatlichen Statistikbehörde CAPMAS gibt eine ägyptische Durchschnittsfamilie rund 40 % ihres Einkommens nur für Nahrungsmittel aus, Familien aus ärmeren Schichten bis zu 63 %. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt. Die meisten Ägypter verdienen jedoch wesentlich weniger als die Durchschnittslöhne und nur 60 % aller Lohnabhängigen haben überhaupt geregeltes Einkommen. Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die nach Angaben von CAPMAS mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben (GIZ 9.2018).

Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 9.2018).

Die Armutsquote (2016/17) ist auf 27 % gestiegen (die höchste seit 2000). Über 10 Millionen Menschen in Ägypten haben weniger als 1 $ am Tag zur Verfügung. Rund 12,5 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 9.2018).

1.2.3 Medizinische Versorgung

In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 9.7.2019). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 2.2018).

Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 22.2.2019). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 2.2018).

Aktuell soll ein neuer Gesetzesentwurf das Problem angehen und eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausdehnen (GIZ 2.2018). Ein Gesetz über umfassende Gesundheitsvorsorge wurde im Herbst 2017 verabschiedet, aber dessen Finanzierung ist noch nicht abschließend geregelt. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 22.2.2019).

Im September 2017 kam es zum ersten Ausbruch von Dengue-Fieber am Roten Meer (Alquaseer) seit mehreren Jahren. Inzwischen wurden auch Fälle aus Hurghada gemeldet (AA 9.7.2019).

1.2.4 Rückkehr

Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt (AA 22.2.2019).

1.3 Zum Fluchtvorbringen:

1.3.1 Der Beschwerdeführer stellte 2013 den ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Verfolgung aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit, Verfolgung durch Dritte, einer psychischen Erkrankung, Verfolgung aufgrund sexueller Verhältnisse zu Männern und Wehrdienstverweigerung begründete. Politisch tätig sei er nie gewesen (AS 299). Die Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid wurde nach zweier Verhandlungen als unbegründet abgewiesen, weil das Fluchtvorbringen sich als unglaubhaft erwies.

1.3.2 Am 03.05.2018 stellte der Beschwerdeführer den ersten Folgeantrag auf internationalen Schutz und brachte im Verfahren vor, dass er in Ägypten politisch tätig gewesen sei (AS 88) und sofort inhaftiert würde, weil er in Österreich Asyl beantragt habe, sowie ferner, dass er die Unruhen und terroristischen Anschläge fürchte. Dort gebe es islamistische und terroristische Gruppen, die Christen verfolgten und Anschläge auf Kirchen verübten, daneben seien 30 Mio. Menschen mit Tuberkulose und Hepatitis C infiziert. Ferner gab er an, vor kurzem Katholik geworden sowie chronisch krank zu sein, und legte Befunde vor, wonach er an chronischer paranoider Schizophrenie und depressiver Episode („Major Depression“) leide, ferner „soweit erhebbar“ „Halluzinationen“ und „Todessehnsucht“. Die Zurückweisung dieses Antrags samt Rückkehrentscheidung bestätigte das BVwG, worauf der Beschwerdeführer den zweiten Folgeantrag stellte.

1.3.3 Darin brachte er vor, er habe den Wehrdienst verweigert, gelte als Deserteur und werde eingesperrt. Einvernommen ergänzte er dann, er sei in mehreren Gefängnissen am ganzen Körper gefoltert worden. Das sei in Ägypten gewesen, nicht in Österreich. Ferner legte er Befunde vor, wonach er an einer schweren psychotischen Depression und einer posttraumatischen Belastungsstörung litt.

Gegen die eine Zurückweisung dieses Antrags samt Rückkehrentscheidung wurde Beschwerde erhoben, in der auf mehrfache gerichtlich bewilligte Unterbringungen des Beschwerdeführers, die Bestellung eines Erwachsenenvertreters, sowie medizinische Unterlagen verwiesen wurde. Der Beschwerdeführer leide an einer sehr schweren psychischen Erkrankung mit psychotischen Symptomen, die sich vor allem durch einen Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn mit suizidaler Einengung äußere. Es bestehe eine akute, erhebliche Selbstgefährdung, und im Herkunftsstaat sei die Behandlung des Beschwerdeführers „nicht möglich und nicht sichergestellt“.

1.3.4 Das BVwG bestätigte darauf am 03.09.2019 die Zurückweisung des Folgeantrags. Eine Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers liege nicht vor, daher auch keine andere Änderung der Sachlage zwischen dem vorhergehenden Erkenntnis und dem zurückweisenden Bescheid. In diesem Zeitraum sei auch in der Situation in Ägypten keine wesentliche Änderung eingetreten, wie die Länderfeststellungen zeigten, und auch keine Änderung der Rechtslage. Der Beschwerdeführer werde im Falle der Rückkehr weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3.5 In dem fünf Wochen darauf gestellten dritten Folgeantrag gab er an, er werde von der Polizei gesucht und fürchte Folter und Tod. Ihm drohe langjährige Haft, weil seine Eltern und sein Bruder an Demonstrationen teilgenommen hätten. Bei einer Demonstration am 06.09.2019 habe es hunderte Verhaftungen gegeben. Beim BFA gab er ferner an, einige Konvertierte hätten sich gegen den Präsidenten gestellt, und seien eingesperrt worden. Gegner des Präsidenten würden gefoltert. Auch er sei Oppositioneller und nicht mehr Kopte, sondern katholisch. Vor die Tür seines Hauses seien handschriftliche Drohbriefe gelegt worden, die nicht näher genannte Personen ihm nach Österreich gebracht hätten.

Das BFA hob darauf den faktischen Abschiebeschutz des Beschwerdeführers auf. Mit Beschluss vom 02.03.2020 (I408 2108990-4/5E) bestätigte das BVwG die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids. Das Vorbringen weise keinen glaubhaften Kern auf. Der Beschwerdeführer stehe wegen chronischer, paranoider Schizophrenie, schwerer Depression und posttraumatischer Belastungsstörung in ärztlicher Behandlung. Ihm sei seit 13.05.2019 ein gerichtlich bestellter Erwachsenenvertreter zur Seite gestellt. Die Erkrankung sei seit Jahren bekannt, und der Beschwerdeführer stehe in ärztlicher Behandlung und werde medikamentös behandelt. Das bestehende Krankheitsbild sei in Ägypten medizinisch behandelbar, und alle diesbezüglichen Medikamente seien vorhanden.

1.3.6 Im neuerlich zurückweisenden Bescheid stellt das BFA fest, dass beim Beschwerdeführer „eine psychische Erkrankung im Sinne einer schweren psychotischen Depression“ diagnostiziert worden sei. Dieser habe keine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, die im Fall seiner Abschiebung eine unzumutbare Verschlechterung seines Gesundheitszustands bewirken würde. Andere schwere psychische Störungen und / oder schwere oder ansteckende Krankheiten habe das BFA nicht feststellen können.

Beschwerdehalber wird dagegen – wortgleich mit der Beschwerde von 2019 – vorgebracht, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt vorliege, weil der Beschwerdeführer weitere medizinische Unterlagen sowie den Beschluss über die Bestellung des Erwachsenenvertreters vorgelegt habe. Weiter wird vorgebracht, es sei nicht richtig, dass der Beschwerdeführer die Erkrankung nur simuliere.

Ferner wird – wieder wortgleich mit der Beschwerde von 2019 – vorgebracht (unkorrigiert):

„Es ist unstrittig, dass der Einschreiter an einer sehr schweren psychischen Erkrankung leidet und zwar an einer posttraumatischen Belastungsstörung und an einer schwer depressiven Episode mit psychotischen Symptomen, welche sich vor allem durch einen Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn mit suizidaler Einengung äußert. […]“

In der Beschwerde wird dann noch – ebenso wortident mit jener von 2019 –auf die fehlende Institution eines Erwachsenenvertreters im Herkunftsstaat hingewiesen, und das Vorbringen betreffend die Selbstgefährdung des Beschwerdeführers und die unzureichende Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsstaat wiederholt.

1.3.7 Im vorliegenden dritten Folgeantrag hat der Beschwerdeführer kein substantiiertes neues Vorbringen erstattet. Er hält die geltend gemachten Fluchtgründe weiter aufrecht.

In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in seinem nunmehrigen Folgeverfahren und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird wie bisher festgestellt, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Ägypten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

Am Gesundheitszustand des Beschwerdeführers hat sich gegenüber der letzten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 03.09.2019 nichts verschlechtert.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat ist seit dieser Rückkehrentscheidung nicht eingetreten, insbesondere nicht auf das Vorbringen bezogen. Es existieren keine Umstände, die einer Abschiebung entgegenstünden.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Auch den Länderinformationen war kein über die vorgebrachten Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte, die dem Beschwerdeführer bevorstünde oder auch nur mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre.

Wie bereits im Vorerkenntnis wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mit einer Verfolgungsgefahr zu rechnen hat und auch keine sonstigen Gründe vorliegen, die seiner Rückkehr als Zivilperson entgegenstünden, wobei insbesondere eine reale Gefahr einer existenzbedrohenden Notlage oder der Verletzung seiner Menschenrechte nicht zu erwarten ist.

2. Beweiswürdigung:

Da gegenüber den bisherigen Verfahren weder auf Grund des Vorbringens noch auf Basis amtswegig gewonnener Information gravierende Änderungen des Sachverhalts zutage kamen, folgt das Gericht, soweit nicht eigens erwähnt, seinen bisherigen Feststellungen, im Zweifel den aktuelleren davon, und soweit diese nicht bestritten wurden, den vom BFA nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren getroffenen. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungs-Informationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.1 Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt der Verwaltungsakten und des aktuellen Beschwerdeakts sowie dessen der Akten der bisherigen vier Beschwerdeverfahren samt den dort ergangenen Erkenntnissen und Beschlüssen dieses Gerichts.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers

Soweit Feststellungen zur Identität, den Lebensumständen und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben im Akt und den Feststellungen im vorigen Erkenntnis und im vorigen Beschluss dieses Gerichts sowie im angefochtenen Bescheid, denen auch in der nunmehrigen Beschwerde nicht substantiell entgegengetreten wurde.

Die Identität des Beschwerdeführers steht seit der Kenntnis vom Inhalt seiner Reisepässe fest. Da er im aktuellen Verfahren abweichend zu vorher angab, Kontakt zu seinen Eltern zu haben (AS 9) bzw. jedenfalls bis Ende 2019 gehabt zu haben (AS 317), und nicht erklärbar ist, warum diese ihn abgebrochen hätten haben sollen, geht das Gericht davon aus, dass der Kontakt fortbesteht (ohne eine Häufigkeit festzustellen). Sein mehrfaches längeres Entfernen aus der Unterkunft mit unbekanntem Aufenthalt ist den Vermerken auf AS 118 und 207 f zu entnehmen.

Den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers betreffend hat sich die Feststellung aus den zuletzt vom Verwaltungsgericht am 02.03.2020 in seinem Beschluss getroffenen Feststellungen ergeben, denen weder das BFA noch die (diesbezüglich das Vorbringen von 2019 wiederholende) Beschwerde entgegentritt. Die – vorher erstattete – Auskunft des Facharztes Dr. C. B. (AS 465), wonach der Beschwerdeführer aufgrund der Erkrankung paranoide Schizophrenie nicht arbeitsfähig sei, ist damit in diesen Feststellungen mitberücksichtigt. Eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit hat der Beschwerdeführer bislang weder vorgebracht, noch würde sie mit dem sonstigen Sachverhalt harmonieren – speziell mit der am selben Tag wie die Vorsprache bei Dr. C. B. stattgefundenen Erkundung nach Betätigungsmöglichkeiten beim Roten Kreuz und den vorgelegten Einstellungszusagen. Für eine gewisse aktuelle Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers spricht auch die 2,5 Monate nach dem Besuch bei Dr. C. B. stattgefundene Flucht vor den Kontrollorganen nach der „Schwarzfahrt“.

In der vom Pflegschaftsgericht eingeholten fachärztlichen Stellungnahme des Facharztes Dr. K. M. vom 07.05.2020 führt dieser betreffend eine Begutachtung durch den vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen Facharzt Dr. C. T. sinngemäß aus, die von diesem festgestellte psychiatrische Mischsymptomatik spiegle sich in den bisherigen Befunden wieder. Sie könne differenzialdiagnostisch einer schizoaffektiven Psychose oder verschiedenen anderen (namentlich genannten) Diagnosen zugeordnet werden, so auch einer rezidivierenden depressiven Symptomatik mit psychotischen Symptomen oder auch einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Die Vorlage dieser Stellungnahme wird in der Beschwerde von 2019 angekündigt, am 16.05.2020 übermittelte sie das BG dem BFA. In der (wie erwähnt weithin von 2019 kopierten) Beschwerde wird die Vorlage nach wie vor angekündigt („Gutachten“, AS 601), eine Verschlechterung der Erkrankung ist indes nicht vorgebracht worden.

Weder aus der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. K. M., noch aus dem Befund der Fachärztinnen Dr. N. F. und Dr. T. G., der Bestätigung des Dr. C. B. oder dem Beschwerdevorbringen ergaben sich damit Hinweise auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers.

Dieser hat beim BFA am 26.02.2020 (zwei Tage nach dem Besuch bei Dr. C. B.) angegeben, keine Medikamente mehr zu nehmen (AS 317), was auf eine Besserung hindeutet. Andererseits hat Dr. C. T. zwar ein Simulieren des Beschwerdeführers bei der Verhandlung am 18.09.2017 als möglich in den Raum gestellt („unter der Prämisse, dass die mir präsentierte Krankheit wirklich vorliegt“ „dass – sollte dieser Zustand gewollt herbeiführt werden – dies für einen hohen Intelligenzgrad und eine ausgesprochene medizinische Beratung spreche“), aber nicht feststellen können („Es gibt Menschen die [sich] krankheitsbedingt so verhalten, sie sind schwer einzuschätzen und das Krankheitsbild unterliegt starken Schwankungen.“), weshalb die Feststellung einer Verbesserung des Gesundheitszustandes auf Basis der „beharrenden“ Stellungnahme des Dr. K. M. unterblieb.

2.3 Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation vom 24.07.2019 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Der Länderinformationsbericht ist aktuell, weshalb die unter 1.2 getroffenen Feststellungen jenen des BFA entsprechen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Zu den Länderinformationen gab der Beschwerdeführer an, keine Stellungnahme abgeben zu wollen, und ergänzte: „das stimmt alles nicht“. (AS 319). Damit ist der Beschwerdeführer den Informationen nicht substantiiert entgegengetreten.

2.4 Zum Fluchtvorbringen

Die Feststellungen betreffend das vom Beschwerdeführer jeweils Vorgebrachte folgen der Aktenlage.

Bereits im Erstverfahren hat dieses Gericht nach Verhandlung festgestellt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers samt und sonders nicht glaubhaft war (S. 19, 34 ff des Erkenntnisses im Beschwerdeverfahren), der Beschwerdeführer keiner wie immer gearteten Gefahr einer Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt ist und diesen aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat. Es konnte nicht feststellen, dass der Beschwerdeführer aus religiösen oder politischen Gründen, aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus Gründen der Wehrdienstverweigerung in Ägypten verfolgt wird.

Festgestellt hat das Gericht dort weiter: Im Falle seiner Rückkehr droht dem Beschwerdeführer in Ägypten keine reale Gefahr, in seinem Leben bedroht zu werden, Folter oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung zu erleiden oder in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt zu werden. Ihm droht im Falle der Rückkehr nach Ägypten weder die Todesstrafe, noch besteht eine reale Gefahr, dass sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in seinem Herkunftsstaat gefährdet wäre.

Seither wurden in keinem der Folgeantrags-Verfahren maßgebliche Änderungen aufseiten des Beschwerdeführers oder im Herkunftsstaat festgestellt.

Die Feststellungen in 1.3.7 gründen sich auf den Akteninhalt und darüber hinaus darauf, dass der Beschwerdeführer nicht nur bereits im ersten Folgeantrag – im Gegensatz zum vorangegangenen Erstverfahren (AS 299) – bereits erfolglos behauptet hatte, dass er im Herkunftsstaat politisch tätig gewesen sei, sowie ferner darauf, dass die angebliche Demonstrationsteilnahme der Angehörigen (mit denen er nach seiner Aussage von 2015, AS 294, seit der Ausreise keinen Kontakt mehr hatte) in keiner Weise bescheinigt wurde, und die darauf gegründete angebliche Furcht vor Verfolgung keine Basis in den Länderfeststellungen findet.

Die unter 1.2.1 getroffenen Länderfeststellungen beinhalten zwar, dass die Teilnahme an unangemeldeten Demonstrationen mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren geahndet wird. Von einer Bestrafung von Familienangehörigen ist dort aber ebenso wenig die Rede wie von der dem Beschwerdeführer angeblich drohenden langjährigen Haft, weil seine Eltern und sein Bruder an Demonstrationen teilgenommen hätten.

Betreffend die handgeschriebenen Briefe, die der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen vorlegte, sie seien vor seine Haustür im Herkunftsstaat gelegt worden, ist übereinstimmend mit dem BFA festzuhalten, dass er nicht erklären konnte, wieso der Daesh (AS 185 oben) vor dem eingestandenermaßen seit Jahren verlassenen Haus (AS 89 in der Einvernahme zum ersten Folgeantrag) Drohbriefe aktuellen Datums gegen den seit 5 Jahren nicht mehr dort Wohnenden deponieren sollte. Wenn der Beschwerdeführer dazu erklärt (AS 316), es habe schon immer (seit „Beginn“) solche Briefe dort gegeben, dann wäre der Sachverhalt zudem kein neuer.

Wie bereits im Erstverfahren vermochte der Beschwerdeführer damit weder plausible noch substantiierte Fluchtgründe für seine Person vorzubringen.

Die Feststellung, dass sich am Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gegenüber der letzten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nichts verschlechtert hat, beruht auf dem Befund der Fachärztinnen Dr. N. F. und Dr. T. G. vom 02.09.2019 (AS 65 f) und des Facharztes Dr. C. B. vom 24.02.2020 (AS 465) sowie darauf, dass die Beschwerde in diesem Punkt wortwörtlich der damaligen entspricht, wobei weitere Befunde nicht vorgelegt wurden, sodass neues Vorbringen zur Gesundheit nicht erstattet wurde.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder eine Menschenrechtsverletzung zu erwarten hat, noch eine reale Gefahr einer existenzbedrohenden Notlage, beruht darauf, dass sich die Länderfeststellungen seit der letzten Rückkehrentscheidung nicht geändert haben, wobei dieses Gericht am 02.03.2020 feststellte, dass das beim Beschwerdeführer behandelte Krankheitsbild in Ägypten medizinisch behandelbar ist, und alle diesbezüglichen Medikamente vorhanden sind. Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer pandemiebedingt im Herkunftsstaat stärker gefährdet wäre als in Österreich, oder gar einer Risikogruppe angehören würde, haben sich nicht ergeben.

Aus all dem folgten für das Gericht die in Punkt 1.3 getroffenen Feststellungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Das bereits im vorangegangenen Verfahren erstattete Fluchtvorbringen und die dort geltend gemachten Gründe sind bereits abschließend beurteilt und in der seinerzeitigen, rechtskräftigen Erledigung berücksichtigt worden. Insofern geht es im aktuellen Folgeverfahren um die Prüfung der darüber hinaus geltend gemachten neuen Tatsachen und im Beschwerdeverfahren um den Inhalt des nun bekämpften Bescheids.

Da die belangte Behörde den Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Beschwerdegegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.

3.1 Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I und II):

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Letzteres betrifft die amtswegige oder aufsichtsbehördliche Bescheidänderung oder -aufhebung. Die §§ 69 und 71 AVG bezeichnen die Rechtsinstitute der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die beide hier nicht anwendbar sind.

Die Anordnung, dass Anbringen unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 AVG nicht inhaltlich behandelt, sondern zurückgewiesen werden, soll die wiederholte Befassung der Behörde mit einer bereits entschiedenen Sache vermeiden, wobei es auf die unveränderte Sach- und Rechtslage ankommt.

Wie dieses Gericht bereits im Ersterkenntnis I413 2108990-1/50E geklärt hat, war das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die angebliche Verfolgung unglaubwürdig, und sprach nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde.

Auch beide bisherigen Folgeanträge blieben einschließlich der Beschwerden gegen die Zurückweisungen erfolglos. Eine Änderung des bisherigen Sachverhalts konnte auf Basis des nunmehrigen Vorbringens nicht festgestellt werden.

Damit stand einer neuerlichen Behandlung durch das BFA mangels einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung die bereits entschiedene Sache entgegen. Da es demnach den Folgeantrag des Beschwerdeführers zutreffend gemäß § 68 Abs. 1 AVG betreffend den Asyl- und den subsidiären Schutzstatus zurückgewiesen hat, war die Beschwerde bezogen auf Spruchpunkt I und II nach § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III):

Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war nach der Begründung (S. 60, AS 558) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung wurde nicht behauptet. Aus der Beschwerde und aus den Verwaltungsakten ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung solcher Aufenthaltsberechtigungen in Betracht kommt. Die Beschwerde war daher (mit der Maßgabe der Richtigstellung) auch betreffend Spruchpunkt III abzuweisen.

3.3 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV)

Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Diese Bestimmung bildet in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 auch die Rechtsgrundlage für die Rückkehrentscheidung nach einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).

Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen. Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in dessen Privatleben durch eine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Anfang 2015 bis zum Untertauchen 2019 und wieder seit 2020 dokumentiert ist, wobei dieser zunächst auf dem (2013 vor der Rückkehr in den Herkunftsstaat gestellten) unbegründeten Asylantrag beruhte und später darauf, dass der Beschwerdeführer jeweils nach seinem Unterliegen im Beschwerdeverfahren einen ebenso unbegründeten Folgeantrag stellte.

Von einer „Aufenthaltsverfestigung“ kann daher und schon unabhängig davon keine Rede sein, dass er sich des unsicheren Aufenthalts bereits beim ersten Verfahren bewusst sein musste und sich bereits während dieses Verfahrens und nun wieder nach der Antragstellung den Behörden entzog.

Der Beschwerdeführer hat derzeit unstrittig kein Familienleben im Bundesgebiet. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben. Dieses erweist sich als wenig gewichtig. Er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert, vermögenslos und seit Oktober 2019 – von der Flüchtlingsunterkunft abgesehen, wo er bis Dezember und wieder seit Februar unterkam – ohne Wohnsitz.

Es ist unverkennbar, dass der Beschwerdeführer in der Phase nach dem nunmehrigen dritten Folgeantrag drei Unterstützungserklärungen beschafft hat, seien sie auch auf teils gleichlautenden Fotokopien angebracht, ferner Arbeitszusagen, und seit dem Vorjahr auch eine katholische Kirche besucht. Auch hat er sich im Februar 2020 nach Möglichkeiten erkundigt, beim Roten Kreuz mitzumachen (wobei über ein tatsächliches solches Tätigwerden bislang nichts bekannt ist). Nicht zu übersehen ist jedoch auch, dass diese Integrationssignale etwa zeitgleich mit der Missachtung des MeldeG durch das Untertauchen, der Verletzung der Gebietsbeschränkung und dem Benützen der Eisenbahn ohne Fahrschein erfolgten.

Unter den gegebenen Umständen kann demnach vom Vorhandensein eines gegenüber der letzten Rückkehrentscheidung gewichtigeren Privatlebens nicht gesprochen werden.

Da er im Herkunftsstaat aufgewachsen ist, den Großteil seines Lebens – rund 30 Jahre – dort verbracht hat, eine dort verbreitete Sprache spricht und über familiäre Anknüpfungspunkte dort verfügt, ist auch nicht von einer völligen Entwurzelung im Herkunftsstaat auszugehen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände bedeutet eine Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihnen das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Im konkreten Fall kommt dazu, dass der Beschwerdeführer mehrere Jahre lang erfolgreich seine Abschiebung vereitelt hat. Die beharrlich erstatteten Falschangaben und die Missachtung fremden Eigentums (auch wenn sie zu keiner Verurteilung führte) weisen zudem auf ein sozial inadäquates und mit den Werten der Rechtsordnung nicht übereinstimmendes Verhalten hin.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden. Daher war die Beschwerde auch betreffend diesen Spruchpunkt abzuweisen.

3.4 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V)

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.

Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde, in seinem Leben bedroht, in seiner Unversehrtheit beeinträchtigt oder gar getötet zu werden.

Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Selbst die Beschwerde belässt es beim bereits 2019 erstatteten Vorbringen, der Beschwerdeführerverfüge über keinerlei soziales Netzwerk und könne bei niemandem wohnen (AS 602), ohne dazu konkret den Feststellungen des bekämpften Bescheids substantiiert entgegenzutreten oder zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer schon nach den Feststellungen des über die Beschwerde von 2019 ergangenen Erkenntnisses sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat (und im nunmehrigen Verfahren über familiäre Kontakte berichtet) hat.

Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters, seiner Ausbildung und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Ägypten zumindest notdürftig leben zu können, auch wenn eine Unterstützung durch die Verwandtschaft entgegen den Gepflogenheiten nur in der ersten Zeit gewährt würde.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsstaat, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Ägypten keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dort das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Eine der Abschiebung nach Ägypten entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.

Die Beschwerde war daher auch betreffend den Spruchpunkt V abzuweisen.

3.5 Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI):

Das BFA hat den Folgeantrag zu Recht wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurückgewiesen.

Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG nicht besteht, was hier nach den Spruchpunkten I und II des angefochtenen Bescheides der Fall ist.

Daher war die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.6 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt VII):

Nach § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für bis zu fünf Jahre zu erlassen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Abs. 2). Dies ist insbesondere dann anzunehmen (Z. 6), wenn der Fremde die Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag. Dies ist wie dargetan beim Beschwerdeführer der Fall, der im Besitz von ca. € 20,-- einen Folgeantrag stellte und keine Arbeit oder andere legale Optionen zur Deckung seiner Grundbedürfnisse hat.

Die Dauer des konkreten Verbots – zwei Jahre – ist in Anbetracht der geschilderten Umstände nicht unangemessen, weil die Wiedereinreise ohne Gefahr, anderen zur Last zu fallen, erst gewährleistet erscheint, wenn der Beschwerdeführer sich nach seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat materiell hinreichend stabilisiert hat, um sich auch bei Aufenthalten in anderen Staaten selbst erhalten zu können. Für eine solche Stabilisierung eines Erwachsenen in der Situation des Beschwerdeführers (Akademiker, grundsätzlich arbeitsfähig aber arbeitslos und seit über 5 Jahren nicht mehr im Land) ist der genannte Zeitraum nach der Lebenserfahrung nötig, aber auch lang genug.

Daher war die Beschwerde auch betreffend Spruchpunkt VII als unbegründet abzuweisen.

3.7 Zur Anordnung der Unterkunftnahme (Spruchpunkt VIII):

Nach § 15b Abs. 1 AsylG 2005 kann das BFA einem Asylwerber aus öffentlichem Interesse, aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der zügigen Bearbeitung des Antrags oder unter anderen näher bezeichneten Voraussetzungen mit Verfahrensanordnung auftragen, in einem zur Verfügung gestellten Quartier „durchgängig“ Unterkunft zu nehmen. Nach Abs. 2 Z. 3 ist dabei auch zu berücksichtigen, ob vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung gegen den Drittstaatsangehörigen rechtskräftig erlassen wurde. Dies ist nach den Feststellungen der Fall.

Über die Verfahrensanordnung ist - nach § 15 b letzter Satz AsylG 2005 - im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Das BFA hat das dahingehend getan, dass es in Spruchpunkt VIII ausführt, dem Beschwerdeführer sei aufgetragen worden, „von 08.10.2019 bis 26.02.2020 im folgenden Quartier Unterkunft zu nehmen“, worauf die Nennung dieses Quartiers folgt. Daraus ließe sich allenfalls schließen, dass die Verpflichtung betreffend die Anordnung „durchgehend“ nach dem Willen des BFA nachträglich aufgehoben sein soll.

In der Begründung des Spruchpunkts im bekämpften Bescheid gibt das BFA im Unterschied zum Spruch die Verfahrensanordnung mit „durchgängig Unterkunft zu nehmen“ wieder (was wohl dem im Mandatsbescheid verwendeten Begriff „durchgehend“ entsprechen soll, S. 71, AS 569).

Der Begriff „durchgängig“ in § 15b Abs. 1 AsylG 2005 ist nach den Materialien „jedenfalls so zu verstehen, dass die Anwesenheit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten