TE Vwgh ErkenntnisVS 1973/6/14 2203/71

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Veröffentlicht am 14.06.1973
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Index

Grundverkehr
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/06 Verkehrsteuern
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AgrVG §15 idF 1967/077
AVG §38 implizit
AVG §56 implizit
BAO §116 Abs1
BAO §93 Abs3 lita
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z4 lita
VwGG §13 Z3 implizit

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Kadecka, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Hofstätter, Dr. Reichel, Mag. DDr. Heller und Dr. Simon als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde der W Genossenschaft in M, vertreten durch Dr. Friedrich Kuhn, Rechtsanwalt in Wien I, Annagasse 1, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 15. 10. 1971 GA VIII-1209/3/71, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (FLD für Wien, NÖ und Bgld) Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufvertrag v 12. 6. 1967 land- und forstwirtschaftliche Grundstücke im Ausmaß von rd 65 ½ ha um den Kaufpreis von S 1,311.506,--. Der Erwerb der Liegenschaften wurde dem FA für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien angezeigt und dafür die Grunderwerbsteuerbefreiung wegen „Zweckdienlichkeit, Arrondierung, vorteilhafte Flurverfassung u gem § 15 Agr.VG.1950“ geltend gemacht. Das FA schrieb dessen ungeachtet ohne weitere Begründung der Beschwerdeführerin mit Bescheid v 16. 11. 1967 von der Kaufsumme 8 % Grunderwerbsteuer in Höhe von S 104.920,-- vor. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung, in der sie im wesentlichen darauf hinwies, daß die Gültigkeit und Rechtswirksamkeit des Vertrags „durch die Erklärung der NÖ. Agrarbezirksbehörde, daß der Erwerb der vertragsgegenständlichen Grundstücke für die Flurverfassung vorteilhaft ist, oder falls diese Erklärung nicht abgegeben wird, durch die Zustimmung der Grundverkehrskommission“ aufschiebend bedingt sei. Der Berufung wurde vom FA mit Berufungsvorentscheidung v 24. 10. 1968 stattgegeben und die Abgabenschuldigkeit mit S 0,-- festgesetzt. Mit Schreiben v 13. 12. 1968 teilte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin. dem FA mit, daß der gegenständliche Kaufvertrag von der Grundverkehrskommission mit Bescheid v 19. 11. 1968 genehmigt worden sei. Im Zuge des weiteren Verfahrens legte der Machthaber der Beschwerdeführerin zum Nachweis der behaupteten Grunderwerbsteuerfreiheit eine Erledigung des Amtes der NÖ Landesregierung v 9. 7. 1969 mit nachstehendem Inhalt vor:

„Amt der Niederösterreichischen Landesregierung

Abteilung VI/12, Teinfaltstraße 8, 1014

GZ. VI/12-2652/14-1969 Wien, am 9. Juli 1969

Landw. Siedlungsverfahren

Wald- u. Weidegenossenschaft M ......

Blg.:

Herrn

RA. Dr. Friedrich K...

A...gasse 1

1010 I

Zum gegenständlichen Ansuchen wird festgestellt, daß das beabsichtigte Rechtsgeschäft im Zuge eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens (Agrarverfahrens) abgeschlossen wird.

Es, wird daher ersucht, die Originalurkunde unter Angabe der obigen Aktenzahl dem hiesigen Amte einzusenden.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der Steuerbefreiung obliegt gem. § 7 (1) des Bundesgesetzes vom 6. VII. 1954, BGBl. Nr. 149/54, ausschließlich der Finanzbehörde.

Für den Landeshauptmann::

Dr. E...

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

Unterschrift eh. unleserlich.“

Desgleichen übermittelte derselbe Beschwerdevertreter der belangten Behörde eine Fotokopie der dem Originalvertrag beigesetzten. Erledigung des Amtes der NÖ Landesregierung v 6. 8. 1969 folgenden Wortlauts:

„Amt der NÖ. Landesregierung.

Abt: VI/12-2652/19-1969

Das vorstehende Rechtsgeschäft wird siedlungsbehördlich genehmigt und gleichzeitig bestätigt, daß die gegenständliche Urkunde im Zuge eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens gemäß § 15 Agrarverfahrensgesetz 1950, BGBl. Nr. 173/50, errichtet wurde.

Sowohl der Rechtsvorgang als auch der Nachlaß allfälliger Gerichtsgebühren sind im öffentlichen Interesse gelegen.

Wien, am 6. Aug. 1969

Für den Landeshauptmann:

Unterschrift eh. unleserlich.“

Dessen ungeachtet setzte das FA für den gegenständlichen Erwerb am 15. 12. 1969 neuerlich Grunderwerbsteuer in Höhe von S 104,920,-- fest. Als Begründung wurde angeführt, daß die beantragte Grunderwerbsteuerbefreiung nicht gewährt werden könne, weil es sich um einen Erwerb handle, der unter keine der im Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetz BGBl 1967/79 aufgezählten Ausnahmen falle. Die Beschwerdeführerin erhob auch gegen diesen Bescheid Berufung, der die FLD für Wien, NÖ und Bgld mit Bescheid v 15. 10. 1971 ebenfalls den Erfolg versagt hat. Diese Entscheidung hat die Rechtsmittelbehörde einerseits mit dem Hinweis darauf begründet, daß die Beschwerdeführerin zunächst die Ansicht vertreten habe, der Kaufvertrag diene Arrondierungs- und Flurbereinigungszwecken. Sie habe auch an die NÖ Landesregierung den Antrag gestellt, den Vertrag als für die Flurverfassung vorteilhaft zu erklären. Dieser Antrag sei aber abgewiesen und einer dagegen vor dem VfGH erhobenen Beschwerde mit Erk dieses Gerichtshofs v 27. 9. 1969 B 79/69 der Erfolg versagt worden. Andrerseits habe die Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren auch geltend gemacht, der streitgegenständliche Vertrag sei im Zug eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens abgeschlossen worden, und habe auch die Bestätigung des Amtes der NÖ Landesregierung vorgewiesen, wonach das Rechtsgeschäft siedlungsbehördlich genehmigt sowie bestätigt worden sei, daß die Urkunde im Zug eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrene gem. § 15 des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG) errichtet worden sei. Durch die Agrarverfahrensnov 1967 BGBl 1967/77 sei die Begünstigung des § 15 des Agrarverfahrensgesetzes auch auf die Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungswesens ausgedehnt worden. Diese Nov habe am 8. 3. 1967 (genauer wohl nach Ablauf des 7. 3. 1967) Gesetzeskraft erlangt. In einem Erl habe das BMF ua die Regelung getroffen, daß in Bundesländern, in denen am 8. 3. 1967 noch keine landwirtschaftlichen Siedlungsgesetze (Ausführungsgesetze zum Siedlungs-Grundsatzgesetz des Bundes) bestünden, auch für die nach diesem Termin verwirklichten Tatbestände, die im § 15 AgrVG alter Fassung vorgesehene Befreiung von der Grunderwerbsteuer zuzuerkennen sei, wenn die Agrarbehörde in der Genehmigungsklausel versichere, daß die Siedlungsmaßnahme iS eines Agrarverfahrens erfolge. Die Begünstigung sei durch einen Erl auf den Erwerb von Grundstücken durch juristische Personen ausgedehnt worden sofern diese als Siedlungsträger anerkannt seien. Eine bindende Wirkung von Bescheiden oder Bestätigungen der Agrarbehörden bestehe vor Inkrafttreten der Grunderwerbsteuergesetz-Nov 1969 BGBl 277 für die Abgabenbehörden jedoch nicht. Die Finanzbehörden seien bis zu diesem Zeitpunkt kraft eigenen Rechts befugt, das Vorliegen des geltend gemachten Befreiungsgrundes zu überprüfen, da die Bescheide oder Bestätigungen der Agrarbehörde nur eines der Tatbestandsmerkmale für die Abgabenfreiheit bildeten. Es sei daher im Gegenstand zu untersuchen, ob durch die vorgelegte Bestätigung die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 15 AgrVG gegeben sei. Gem § 1 Abs 2 des Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes sei das Ziel eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens die Schaffung und Erhaltung bäuerlicher Betriebe. Gem § 3 Abs 1 seien Siedlungsverfahren nur auf Antrag der im § 5 Abs 1 genannten Personen durchzuführen, das seien 1. physische Personen, für die die Schaffung und Erhaltung bäuerlicher Betriebe in Betracht komme; 2. Personen, die Grundstücke, Gebäude oder Rechte zur Verfügung stellen; 3. Agrargemeinschaften und 4. Siedlungsträger. Die Beschwerdeführerin sei eine Genossenschaft, demnach eine juristische Person; sie führe nach dem zit Erk d VfGH einen landwirtschaftlichen Betrieb im Umfang eines Großgrundbesitzes. Nach dem gleichen Erk sei die Beschwerdeführerin keine Agrargemeinschaft und ihrem eigenen Vorbringen nach kein Siedlungsträger. Sohin könne einerseits ein landwirtschaftliches Siedlungsverfahren auf sie nicht angewendet werden, weil, das Ziel eines derartigen Verfahrens die Schaffung und Erhaltung bestimmter bäuerlicher Klein- und Mittelbetriebe sei; die Genossenschaft selbst könne andrerseits ein Siedlungsverfahren nicht beantragen, weil sie nicht zu den im § 3 Abs 1 des Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes genannten Personen gehöre. Die Bestätigung des Amtes der NÖ Landesregierung v 6. 8. 1969, daß die Vertragsurkunde im Zug eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens errichtet worden sei, erweise sich somit als unzutreffend.

Gegen diese Entscheidung der FLD für Wien, NÖ und Bgld v 15. 10. 1971 richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Über sie und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der VwGH in einem gem § 13 Z 3 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:

1) Im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags, der Anlaß zur Festsetzung der umstrittenen Grunderwerbsteuer war (12. 6. 1967), sah einerseits § 4 Abs 1 Z 4 lit a des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 BGBl 140 (GrEStG) vor, daß der Erwerb eines Grundstücke im Zug eines Verfahrens vor der Agrarbehörde von der Besteuerung ausgenommen ist, andrerseits enthielt § 15 AgrVG idF d Nov BGBl 1967/77 eine allgemeine Befreiung der zur Durchführung gewisser im Interesse der Agrarverfassung liegender Verfahren vorgenommenen Vermögensübertragungen und Rechtserwerbungen von öffentlichen Abgaben. Diese Bestimmung, deren Anwendung im vorliegenden Fall umstritten ist, hat folgenden Wortlaut:

„Von den Stempel- und Rechtsgebühren befreit sind Eingaben, Verhandlungsschriften, Beilagen, Vollmachten, Erklärungen, sonstige Urkunden, amtliche Ausfertigungen, Bescheide (Erkenntnisse), Vergleiche und Zeugnisse, die zur Durchführung eines Verfahrens vor den Agrarbehörden zur Regelung der Flurverfassung (Zusammenlegung, Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken durch Teilung oder Regulierung, Flurbereinigung), zur Regelung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie anderer Felddienstbarkeiten, ferner in Alpschutzangelegenheiten, nach den Güter- und Seilwegegesetzen und in den Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungswesens erforderlich sind, sofern von diesen Schriften (Urkunden) kein anderer Gebrauch gemacht wird. Die zur Durchführung dieser Verfahren erforderlichen Vermögensübertragungen, Rechtserwerbungen und bücherlichen Eintragungen unterliegen keiner öffentlichen Abgabe.“

Ebenfalls mit Ablauf des 7. 3. 1967 trat das Bundesgesetz v 15. 2. 1967 über das Landwirtschaftliche Siedlungswesen (Landwirtschaftliches Siedlungs-Grundsatzgesetz) in Kraft, das gem Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG für die Landesgesetzgebung Grundsätze über die Durchführung von landwirtschaftlichen Siedlungsverfahren zum Zwecke der Verbesserung der Agrarstruktur aufstellt. Dieses G legt insbesondere das Ziel dieser Verfahren fest (§ 1 Abs 2), zählt die Gegenstände des Siedlungsverfahrens auf (§ 2) und Macht die Durchführung vom Antrag bestimmter im § 5 aufgezählter Personen und Institutionen abhängig (§ 3). Für den vorliegenden Beschwerdefall ist insbesondere auch § 4 von Bedeutung. Er hat folgenden Wortlaut:

„(1) Die Behörde hat die Parteien im Hinblick auf das Ziel dieses Gesetzes (§ 1 Abs. 2) zu beraten. Soweit sich die Parteien auf einen Übergang von Rechten geeinigt haben und diese Einigung dem Ziel des Verfahrens (§ 1 Abs.2) entspricht, hat die Behörde die entsprechenden Rechte mit Bescheid zuzuteilen,

(2) Sofern die Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossene Verträge vorlegen, diese der Zielsetzung des § 1 Abs. 2 entsprechen und einen der im § 2 aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand haben, hat dies die Behörde an Stelle der Zuteilung (Abs. 1) mit Bescheid festzustellen.

(3) Von den stattgebenden oder ablehnenden Bescheiden gemäß Abs. 1 und 2 ist nach deren Rechtskraft das für die Erhebung der Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt zu verständigen.“

Das Ausführungsgesetz für das Bundesland NÖ zu diesem Grundsatzgesetz wurde am 26. 6. 1969 beschlossen und am 22. 9. 1969 im LGBl für das Land NÖ unter Nr 249 kundgemacht.

Die Beschwerdeführerin hat im Abgabenverfahren verschiedene Gründe geltend gemacht, die ihrer Meinung nach eine Befreiung des Erwerbsvorgangs von der Grunderwerbsteuer zur Folge haben müßten. Zuletzt hat sie sich darauf berufen, daß der Vertrag im Zug eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens abgeschlossen worden sei, und sich zum Nachweis dafür auf die oben wiedergegebenen Erledigungen des Amtes der NÖ Landesregierung gestützt. Nach Inhalt der vorliegenden Beschwerde behauptet die Beschwerdeführerin jetzt nur mehr das Vorliegen dieses Befreiungstatbestands, wobei sie sich insbesondere auf den Erl des BMF v 23. 6. 1967, 255.501-11/57 (abgedruckt unter Nr 160 im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung 1967, 298) und auf die Nov zum Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetz BGBl 1971/358 beruft. Die belangte Behörde bezeichnet die erwähnten Erledigungen des Amtes der NÖ Landesregierung im angefochtenen Bescheid als bloße Bestätigungen und vertritt die Meinung, daß vor dem Inkrafttreten der Grunderwerbsteuergesetz-Nov 1969 (durch welche ua § 4 Abs 1 Z 4 GrEStG 1955 eine neue Fassung erhalten hat) für die Abgabenbehörden eine bindende Wirkung von Bescheiden oder Bestätigung an der Agrarbehörden grundsätzlich nicht bestanden habe. Sie sei daher selbst zur Prüfung der Vorfrage berufen gewesen, ob der Kaufvertrag dem Landwirtschaftlichen Siedlungsgesetz entspreche und habe dies aus den bereits angeführten Gründen verneinen müssen.

II) Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde im Unrecht ist, wenn sie in den Erledigungen des Amtes der NÖ Landesregierung v 9. 7. 1969 und v 6. 8. 1969 bloße Bestätigungen, also Beurkundungen ohne Bescheicharakter erblickt. Bescheide sind nach Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 196, der Rechtskraft fähige, förmliche obrigkeitliche Willensäußerungen einer Verwaltungsbehörde, die für einen Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse feststellen oder gestalten. Das AVG, das gem Art II Abs 2 lit A Z 1 EGVG für die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern gem lit E Z 33 auch für die Agrarbehörden gilt, enthält in den §§ 58 ff nähere Bestimmungen über Inhalt und Form der Bescheide. Das Fehlen gewisser formeller Erfordernisse, wie insbesondere der Bezeichnung als Bescheid und der Rechtsmittelbelehrung, ist jedoch für die Qualifikation als Bescheid unerheblich, wenn die Erledigung ihrem Inhalt nach als ein rechtsgestaltender oder rechtsfeststellender Verwaltungsakt zu betrachten ist. Maßgebend für die Beurteilung einer Erledigung als Bescheid ist nach Lehre und Rechtsprechung nicht so sehr ihre äußere Form, als vielmehr ihr Inhalt. Vgl. hiezu auch Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren7, 223 ff, Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen I, 318 und 333 f, ferner das Erk des VwGH v 29. 10. 1951 Slg 2291(A) sowie die Entscheidungen des VfGH v 21. 6. 1949 Slg 1787, v 9. 10. 1954 Slg 2727 und v 10. 10. 1955 Slg 2871.

Untersucht man die gegenständlichen Erledigungen auf die für den Bescheidcharakter maßgeblichen Eigenschaften, so ist also von ihrem Inhalt auszugehen. Die Erledigung v 9. 7. 1969 enthält den für eine bescheidmäßige Feststellung typischen Wortlaut:

„Zum gegenständlichen Ansuchen wird festgestellt, daß das beabsichtigte Rechtsgeschäft im Zuge eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens (Agrarverfahrens) abgeschlossen wird.“ Die der Vertragsurkunde selbst beigesetzte Erledigung v 6. 8. 1969 spricht die siedlungsbehördliche Genehmigung des Rechtsgeschäfts aus und bestätigt gleichzeitig, daß die Urkunde im Zuge des landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens gem § 15 AgrVG errichtet wurde. Die formelle Genehmigung eines Rechtsaktes seitens einer Behörde stellt jedenfalls einen rechtsbegründenden Akt dar, dem seiner Natur nach Bescheidcharakter zukommt.

III) Die in den erwähnten Bescheiden vom Amt der NÖ Landesregierung getroffene Feststellung bzw die ausgesprochene Genehmigung hat auch den Charakter einer Vorfragenbeurteilung iS des § 116 BAO (bzw des § 38 AVG), Vorfragen iS dieser Bestimmungen sind im Zug eines Verwaltungsverfahrens auftauchende Rechtsfragen, von deren Beantwortung die Lösung der Hauptfrage abhängt, und zu deren Entscheidung als Hauptfrage aber eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht berufen ist. Nach dem oben wiedergegebenen Wortlaut des § 15 AgrVG hängt im Streitfall die Freiheit eines Erwerbsvorgangs von der GrESt in materieller Hinsicht davon ab, ob der im Vertrag verwirklichte Erwerbsvorgang zur Durchführung eines Verfahrens in Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungswesens erforderlich war. Landwirtschaftliche Siedlungsverfahren gehören, wie sich aus der im Art I des Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes enthaltenen Zitierung des Art 12 Abs 1 Z. 5 B-VG ergibt, zu den Angelegenheiten der Bodenreform. Die Vollziehung in Angelegenheiten der Bodenreform steht gem § 1 Abs 1 des Agrarbehördengesetzes 1950 BGBl 1951/1 den Agrarbehörden zu. Ob ein Rechtsgeschäft den Zwecken eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens dient und dem hiefür geltenden Gesetz unterstellt werden kann, hat daher als Hauptfrage die Agrarbehörde zu entscheiden, woraus sich ergibt, daß einem diesbezüglichen Bescheid der Agrarbehörde für die Abgabenbehörde der Charakter eines Vorfragenbescheids zukommt.

IV) Zur Frage der Bindung der Abgabenbehörden an die Vorfragenentscheidungen anderer Verwaltungsbehörden oder Gerichte ist folgendes zu sagen: Nach § 116 Abs 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, sofern die Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Nach Abs 2 besteht eine Bindung der Abgabenbehörden an bereits vorliegende Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden wurden, nur insoweit, als im gerichtlichen Verfahren bei der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen vorzugehen war. Über die bindende Wirkung bereits vorliegender Bescheide von Verwaltungsbehörden über Vorfragen enthält die BAO - abgesehen von den Sonderfällen der §§ 192 und 195 - ebenso wie übrigens auch das AVG keine ausdrückliche Rechtsvorschrift. Es ist jedoch in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, daß eine solche Bindung grundsätzlich besteht. Dies ergibt sich aus der begrifflichen Einheit der staatlichen Vollziehung und der Pflicht aller Behörden zur Anerkennung der in der Rechtsordnung begründeten Zuständigkeitsverteilung und der Respektierung der auf Grund dieser Zuständigkeitsverteilung ergehenden Rechtsakte (vgl hiezu Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts, 24, 25, Antoniolli aaO, 34, Hellbling aaO, 252, 253, Mannlicher aaO, 169 und 279, Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, 417, Stoll, Vorfragenbeurteilung, ÖStZ 1967, 28, und Loebenstein-Kaniak, Kommentar zum AHG, 114; ferner das Erk des Bundesgerichtshofs v 11. 2. 1935, A 1559/35 und die Erk des VwGH v 28. 4. 1954 Slg 3391(A) und v 18. 9. 1958, 19/58).

Allerdings tritt die bindende Wirkung einer vorliegenden Entscheidung über eine Vorfrage nur dann ein, wenn die Behörde, von der diese Entscheidung stammt, zuständig war, über die Vorfrage als Hauptfrage zu erkennen. Diese Einschränkung der Bindungswirkung kann einerseits dem Sinn und der Ausdrucksweise der gesetzlichen Bestimmungen sowohl des § 116 Abs 1 BAO („Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären“) als auch dem des insoweit übereinstimmenden § 38 AVG entnommen werden, wobei die in der letztgenannten Bestimmung vorgesehene Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens, „wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet“, dies noch zusätzlich unterstreicht. Weiters ergibt sich dies aus den Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 Abs 1 lit c BAO, gleichlautend mit § 69 Abs 1 lit c AVG), wonach die Wiederaufnahme zulässig ist, wenn der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde. Andrerseits ist diese Einschränkung dem Prinzip, aus dem sich die Annahme der wechselseitigen Bindung der Behörden an ihre Bescheide herleitet, wesensimmanent, das, wie erwähnt, auf der Einheit der Staatsverwaltung und der Anerkennung der Zuständigkeitsverteilung beruht. Gerade der Umstand, daß die Behörde, von der der Bescheid über eine Frage, die in einem anderen Verfahren eine Vorfrage bildet, stammt, zur Entscheidung der betreffenden Angelegenheit als Hauptfrage zuständig ist, rechtfertigt nämlich die Bindungswirkung. Daher stimmen auch sämtliche oben angeführte Autoren darin überein und heben ausdrücklich hervor, daß eine Voraussetzung für die Bindungswirkung einer Vorfragenentscheidung darin zu erblicken ist, daß sie von der zuständigen Behörde getroffen wurde. Auch die Entscheidungsgründe der beiden zitierten Erk des VwGH bringen dies zum Ausdruck.

V) Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob ausnahmslos jeder Verstoß gegen die Zuständigkeitsvorschriften (etwa die Nichtbeachtung der örtlichen Zuständigkeit) den Eintritt der Bindungswirkung verhindert; die Prüfung, ob das Amt der NÖ Landesregierung im konkreten Fall zur Erlassung der Bescheide v 9. 7. 1969 und v 6. 8. 1969 zuständig war, zeigt nämlich, daß hier von einer materiellen oder funktionellen sachlichen Zuständigkeit überhaupt nicht die Rede sein kann. Dies ergibt sich schon daraus daß die Bescheide in einem Zeitpunkt erlassen wurden, in dem das nö Ausführungsgesetz zum Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetz zwar beschlossen, aber noch nicht kundgemacht war. Die Kundmachung erfolgte im LGBl für das Land NÖ, 28. Stück unter Nr 249, ausgegeben erst am 22. 9. 1969. Es bestand somit überhaupt keine gesetzliche Grundlage zur Erlassung der erwähnten Bescheide. Es ist nur folgerichtig, obgleich bezeichnend, daß beide erwähnten Bescheide die Rechtsgrundlage für das durchgeführte Siedlungsverfahren nicht angeben. Infolge des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage zur Durchführung des Siedlungsverfahrens in NÖ im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide konnte aber auch eine behördliche Zuständigkeit zur Erlassung der fraglichen Bescheide überhaupt nicht gegeben sein.

Aber selbst wenn das erwähnte Ausführungsgesetz des Landes NÖ im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide bereits, in Geltung gestanden wäre, hätte dem Amt der NÖ Landesregierung die Kompetenz zur Erlassung der erwähnten Bescheide gefehlt. Denn wie bereits erwähnt, haben nach § 1 des Agrarbehördengesetzes 1950 über die Angelegenheiten der landwirtschaftlichen Siedlungswesens die Agrarbehörden zu entscheiden. Als solche fungieren in I. Instanz die Agrarbezirksbehörden, in der Landesinstanz die Landesagrarsenate bei den Ämtern der Landesregierungen und in oberster Instanz der Oberste Agrarsenat beim BM für Land- und Forstwirtschaft. Die Einrichtung der Agrarbezirksbehörden regelt die Landesgesetzgebung nach näherer Bestimmung des § 2 des Agrarbehördengesetzes. Gem § 3 Abs 2 dieses Gesetzes kann die Landesgesetzgebung zwar bestimmen, daß von der Einrichtung der Agrarbezirksbehörden abgesehen wird, daß die Entscheidungen in I. Instanz dem Amte der Landesregierung zustehen und die sonstige Zuständigkeit der Agrarbezirksbehörden mit jener des Amtes der Landesregierung als Landesinstanz vereinigt werden, jedoch hat das NÖ Agrarbehördengesetz v 16. 11. 1951 BGBl 1952/1 von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht. Es bestimmt vielmehr im § 1, daß für das Bundesland NÖ eine Agrarbezirksbehörde in Wien errichtet wird, der in I. Instanz die Besorgung der in Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG angeführten Angelegenheiten obliegt. Die Durchführung der landwirtschaftlichen Siedlungsverfahren und aller damit im Zusammenhang stehender behördlicher Aufgaben fällt daher, seitdem es nach dem Inkrafttreten des nö Ausführungsgesetzes zum Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetz überhaupt erst eine Vollziehungsmöglichkeit auf diesem Gebiet in NÖ gibt, in I. Instanz in die Zuständigkeit der Agrarbezirksbehörde und nicht in diejenige des Amtes der NÖ Landesregierung.

Es erweist sich daher die in der Beschwerde vertretene Ansicht, das Amt der NÖ Landesregierung sei im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide v 9. 7. 1969 und v 6. 8. 1969 zu deren Herausgabe zuständig gewesen, als unrichtig. Daraus folgt‚ daß die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, die belangte Behörde sei bei ihrer Entscheidung an die vom Amt der NÖ Landesregierung in den erwähnten Bescheiden zum Ausdruck gebrachte Ansicht, wonach der Vertrag im Zug eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens abgeschlossen wurde und die siedlungsbehördliche Genehmigung erhalten habe, nicht gebunden und habe daher die Vorfrage selbständig zu beurteilen, im Endergebnis - wenn auch aus anderen Gründen als die belangte Behörde annahm - zutreffend war.

VI) Soweit es die Beschwerdeführerin unternimmt, den Anspruch auf die Freiheit des gegenständlichen Erwerbsvorgangs von der GrESt aus dem zit Erl des BMF v 23. 6. 1967, 255.501-11/67 abzuleiten, muß ihr entgegengehalten werden, daß sie daraus schon deshalb subjektive Rechte nicht abzuleiten vermag, weil dieser Erl - selbst wenn er als Rechtsverordnung angesehen werden könnte - nicht im BGBl verlautbart worden ist.

VII) Wie bereits erwähnt, unterliegen nach § 15 des Agrarverfahrensgesetzes idF BGBl 1967/77 Erwerbvorgänge keiner öffentlichen Abgabe und daher auch nicht der Grunderwerbsteuer ua dann, wenn sie zur Durchführung eines Verfahrens in Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens erforderlich sind. Ob dies im gegenständlichen Fall zutraf, hat die belangte Behörde anhand des Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes untersucht. Sie ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen, die dieses Gesetz aufstellt, nicht erfüllt waren. Richtigerweise wäre allerdings nicht das Grundsatzgesetz, sondern das nö Ausführungsgesetz über das landwirtschaftliche Siedlungswesen heranzuziehen gewesen, weil ja das Grundsatzgesetz nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern nur eine Ermächtigung der Landesgesetzgebung zur Regelung enthält. Dieser Irrtum der belangten Behörde ist jedoch rechtlich nicht von Bedeutung, weil das Ausführungsgesetz mit dem Grundsatzgesetz in den entscheidenden Bestimmungen vollkommen übereinstimmt. Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, daß der gegenständliche Kaufvertrag nicht geeignet gewesen sei, das im § 1 Abs 2 des Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes festgelegte Ziel des Siedlungsverfahrens, nämlich die Schaffung und die Erhaltung bestimmter bäuerlicher Betriebe, zu verwirklichen, und daß ferner die Beschwerdeführerin nicht zu den Personen zähle, die nach § 5 des Gesetzes berechtigt sind, einen Antrag auf Einleitung eines Siedlungsverfahrens zu stellen. Mit dem letzteren Hinweis ist die belangte Behörde jedenfalls im Recht, weil Siedlungsverfahren nach § 3 Abs 1 des Gesetzes nur auf Antrag von im § 5 Abs 1 genannten physischen und juristischen Personen eingeleitet werden dürfen und die Beschwerdeführerin als Genossenschaft nicht zu diesen Personen zählt, insbesondere auch nicht zu den im § 5 Abs 3 des NÖ Landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes genannten anerkannten Siedlungsträgern gehört.

Ob auch das erste Erfordernis, dessen Fehlen die belangte Behörde hervorgehoben hat, tatsächlich nicht gegeben ist, mag heute, nach der Novellierung des § 2 Z 6 des Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes durch das BG BGBl 1971/358 fraglich sein, weil nunmehr auch die Aufstockung von Betrieben mit genossenschaftlichen Anteilsrechten zu den Gegenständen des Siedlungsverfahrens gehört; jedoch kann diese Frage dahingestellt bleiben, weil die entsprechende Ergänzung des nö Ausführungsgesetzes zum Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetz erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheids, nämlich durch das LG v 9. 3. 1972 LGBl 1972 6645-1 erfolgte.

Aus den dargelegten Gründen ergibt sich, daß der Spruch des angefochtenen Bescheids mit der Rechtslage im Einklang steht, weshalb die Beschwerde gem § 42 Abs 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen war.

Die belangte Behörde hat für den Fall ihres Obsiegens einen Aufwandersatz in Höhe von S 390,-- geltend gemacht. Diesem Begehren war im Hinblick auf § 47 Abs 1 und 2 lit b, § 48 Abs 2 lit a und b, § 49 Abs 2 und § 59 Abs 1 und 2 lit a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art I B Z 4 und 5 sowie Art IV Abs 2 der V d BK v 14. 11. 1972 BGBl 427 in Höhe von S 600,-- (S 500,-- für den Schriftsatzaufwand und S 100,-- für den Vorlageaufwand) zu entsprechen. Die Festsetzung der Leistungsfrist gründet sich auf § 59 Abs 4 VwGG 1965.

Wien, 14. Juni 1973

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche Erfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1973:1971002203.X00

Im RIS seit

26.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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