TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/25 96/15/0002

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Veröffentlicht am 25.06.1997
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Index

33 Bewertungsrecht;

Norm

BewG 1955 §55 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 14. November 1995, Zl. B-A1/1-5/95, betreffend Einheitsbewertung zum 1. Jänner 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat mit Kaufvertrag vom 22. April 1992 drei Grundstücke - nämlich die Grundstücke 1046/1, 15 und 17 KG A -, auf denen sich jeweils ein baufälliges, ehemals einem Ferienheimbetrieb dienendes Gebäude befand, erworben. Das nördlich der Straße gelegene Grundstück 1046/1 im Ausmaß von 776 m2 ist hier nicht verfahrensgegenständlich. Für die südlich der Straße gelegenen Grundstücke 1046/15 und 17 im Ausmaß von

2.336 m2 stellte das Finanzamt den Einheitswert zum 1. Jänner 1993 mit Nachfeststellungsbescheid fest und bewertete die wirtschaftliche Einheit als "unbebautes Grundstück".

Die belangte Behörde wies die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus, daß ein Anwendungsfall des § 55 Abs. 2 BewG 1955 idgF vorliege. Aus dem Verwaltungsakt gehe nämlich hervor, daß sich bereits zum 1. Jänner 1983 sämtliche vom Beschwerdeführer erworbenen Gebäude in einem derart baufälligen Zustand befunden hätten, "daß sie nicht mehr benutzt werden konnten". Der Beschwerdeführer habe auch in seiner Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes zum 1. Jänner 1993 angegeben, daß sich auf dem Grundstück ein "abbruchreifes Ferienheim befindet und ein Abbruchverfahren läuft". Er habe in weiterer Folge ausgeführt, daß es sich um völlig verwahrloste und wertlose Gebäude handle und zum Stichtag bereits ein Abbruchverfahren eingeleitet gewesen sei. Der Gebäudeabbruch sei auch im Sommer 1995 tatsächlich vorgenommen worden. Da anzunehmen sei, daß beim Erwerb einer Liegenschaft "dieser Art und Größe" die Verwertungsabsicht wohl überlegt worden sein müßte, liege der Schluß nahe, daß der Beschwerdeführer bereits beim Erwerb den Abbruch der Gebäude beabsichtigt habe. Die nicht mehr benutzbaren, dem Verfall preisgegebenen oder zum Abbruch vorgesehenen Gebäude seien daher zum Bewertungsstichtag "kaum geeignet" gewesen, die Zweckbestimmung eines zum Bauland gehörenden Grundstückes zu erfüllen, und hätten nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers keinen Wert besessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "richtige Bewertung der Grundstücke 1046/15 und 1046/17 KG A" verletzt, insbesondere im Recht, daß diese Grundstücke nicht als "unbebautes Grundstück" (Art des Steuergegenstandes) bewertet werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 55 BewG 1955 in der für den Bewertungsstichtag 1. Jänner 1993 maßgebenden Fassung lautet wie folgt:

"§ 55. Bewertung von unbebauten Grundstücken

(1) Unbebaute Grundstücke sind mit dem gemeinen Wert zu bewerten.

(2) Als unbebaute Grundstücke gelten auch Grundstücke, auf denen sich Gebäude befinden, deren Wert und Zweckbestimmung gegenüber dem Wert und der Zweckbestimmung des Grund und Bodens von untergeordneter Bedeutung sind."

Die Beschwerde bekämpft die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Rechtsansicht der belangten Behörde, daß im vorliegenden Fall der Tatbestand des Abs. 2 der eben zitierten Gesetzesstelle wegen der im angefochtenen Bescheid angeführten Merkmale der Gebäude - nämlich deren Unbenützbarkeit zum Bewertungsstichtag bzw. deren Bedrohtsein von einem geplanten Abbruch - als erfüllt anzusehen sei. Ob ein Grundstück als bebautes oder unbebautes anzusehen sei, müsse nach objektiven Gesichtspunkten entschieden werden, wobei die Verkehrsauffassung für die Beurteilung nach Lage des einzelnen Falles entscheidend sei. Nach der Verkehrsauffassung werde aber niemand ein bebautes Grundstück deshalb als "unbebaut" bezeichnen, weil das Gebäude nicht benützt bzw. schon baufällig sei. Auch bei nicht mehr benützbaren Gebäuden handle es sich um Gebäude, für welche gemäß dem letzten Satz des § 53 Abs. 6 leg. cit. ein Bewertungsabschlag bis zu 100 % gebühre. Auch sei nach "Sinn und Zweck des BodenwertabgabeG 1960 (BGBl. 285)" die Qualifikation als "unbebautes Grundstück" mit der weiteren Konsequenz "des Anfalls von Bodenwertabgabe" nicht gerechtfertigt.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren zu Recht angenommen, daß der WERT der in Rede stehenden Gebäude zum Bewertungsstichtag iS des § 55 Abs. 2 BewG 1955 idgF gegenüber dem Grund und Boden von "untergeordneter Bedeutung" war. Die nach dem gesetzlichen Tatbestand aber weiters erforderliche, von der belangten Behörde auch getroffene Beurteilung, daß die ZWECKBESTIMMUNG der Gebäude gegenüber der Zweckbestimmung des Grund und Bodens ebenfalls nur diese untergeordnete Bedeutung hatte, beruht jedoch auf einem nicht ausreichend ermittelten Sachverhalt. Zunächst ist zu bemerken, daß die Zweckbestimmung der beim Voreigentümer des Beschwerdeführers noch bis zum Jahr 1983 für Zwecke eines Ferienheimbetriebes benützten Gebäude nach der Verkehrsauffassung (zur Maßgeblichkeit derselben für die hier zu lösende Rechtsfrage vgl. Langer, Bewertungsgesetz, S 192 zu § 55) sowohl wegen der massiven Bauweise der Gebäude als auch wegen der Größe der mit den Gebäuden bebauten Fläche (diese beträgt beim Grundstück 1046/17 KG A 346,36 m2; beim Grundstück Nr. 1046/15 wurde sie nicht festgestellt, dem zwischen OZ 10 und 11 des Verwaltungsaktes erliegenden Plan ist aber entnehmbar, daß auch dieses Gebäude eine beachtliche Größe aufweist) v o r einem allfällig verfallsbedingten Verlust der Zweckwidmung der Gebäude gegenüber der Zweckwidmung des Grund und Bodens nicht als untergeordnet anzusehen war. Von einem Verlust der Zweckwidmung der zumindest zuletzt zu Wohnzwecken benutzten Gebäude wegen ihres allmählichen Verfalles am Bewertungsstichtag könnte aber nach der Verkehrsauffassung nur gesprochen werden, wenn die Gebäude - sei es auch nach aufwendigen Sanierungsarbeiten - damals auf Dauer nicht mehr zu Wohnzwecken hätten genutzt werden können (vgl. hiezu die Urteile des BFH vom 24. Oktober 1990 II R 9/88, d BStBl. 1991, S 60 f., und vom 20. Juni 1975 III R 87/74, d BStBl. 1975, S 803 f., wobei anzumerken ist, daß § 72 Abs. 1 und 3 d BewG - anders als der im Beschwerdefall anzuwendende § 55 BewG 1955 idgF - unbebaute Grundstücke als Grundstücke definiert, auf denen sich keine benutzbaren Gebäude befinden bzw. auf denen infolge Zerstörung oder wegen des Verfalles der Gebäude auf Dauer benutzbarer Raum nicht mehr vorhanden ist); um dies annehmen zu können, hätte es der Feststellung des objektiven Zustandes der Gebäude zum Bewertungsstichtag bedurft. Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber nicht getroffen. Sie hat sich vielmehr ausschließlich auf die Erklärungen des Beschwerdeführers bezogen, hiebei jedoch übersehen, daß diese insofern widersprüchlich waren, als in der Einheitswerterklärung einerseits vom geplanten Abbruch der Gebäude, andererseits aber von der allfälligen Erhaltung eines Teiles der Gebäude die Rede war. Mangels Auseinandersetzung mit diesem Widerspruch und wegen des Fehlens von Feststellungen über den objektiven Zustand der Gebäude zum Bewertungsstichtag kann daher nicht von einem schon damals gegeben gewesenen vollständigen Verfall der Gebäude ausgegangen werden. Auf den tatsächlichen Abbruch der Gebäude nach dem Bewertungsstichtag kommt es hingegen wegen des Stichtagsprinzips nicht an, weil nicht feststeht, daß der Abbruch wegen fehlender Sanierungsfähigkeit der Gebäude erfolgte.

Auf Grund des Gesagten mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996150002.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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