TE Vwgh Beschluss 2020/12/14 Ra 2018/13/0090

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Veröffentlicht am 14.12.2020
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Index

L74001 Fremdenverkehr Tourismus Burgenland
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §201
TourismusG Bgld 1992 §25 Abs3
TourismusG Bgld 1992 §25 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der H GmbH in I, vertreten durch die Andréewitch & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 3. September 2018, Zl. E G11/05/2017.001/006, betreffend Rückzahlung von Ortstaxe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Marktgemeinde I), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Gemeinde I Aufwendungen in Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der Gemeinde I wird abgewiesen. Der Antrag des Landes Burgenland auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Im vorliegenden Fall war die Revisionswerberin, die im Burgenland ein Hotel betreibt, nach § 25 Abs. 3 und 4 des Burgenländischen Tourismusgesetzes 1992 in den für die Jahre 1996 bis 2009 geltenden Fassungen als Unterkunftgeber verpflichtet, von den abgabepflichtigen Gästen spätestens bei der Begleichung der Rechnung für die Nächtigung die Ortstaxe einzuheben, für die Abgabeermittlung geeignete Aufzeichnungen über alle Nächtigungen zu führen und die eingehobenen Beträge bis zum 10. des nächstfolgenden Monats an die Gemeinde abzuführen. Die Revisionswerberin entsprach dieser Verpflichtung in den Jahren 1996 bis 2009, indem sie der Gemeinde Anmeldungen der Gäste übermittelte und die ihr - zum Teil mittels (nicht bescheidmäßiger) Zahlungsaufforderung - bekannt gegebenen Beträge bezahlte. Auf diese Weise führte die Revisionswerberin - ihrem Vorbringen nach ohne Einhebung der Beträge von den Gästen und somit aus eigenen Mitteln - in erheblichem Umfang auch Ortstaxe für Gäste ab, deren Aufenthalt berufsbedingt war, sodass sie unter eine der Revisionswerberin damals nicht bekannte Ausnahme von der Ortstaxenpflicht fielen.

5        Im Jänner 2010 beantragte die Revisionswerberin unter Hinweis auf diesen Sachverhalt die Rückzahlung der zu viel bezahlten Beträge samt Zinsen. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom 17. März 2017 nach mehreren Rechtsgängen stattgegeben, soweit er die Mehrbeträge der Jahre 2007 bis 2009 (ohne Zinsen) betraf. Hinsichtlich der Jahre 1996 bis 2006 und des Zinsenbegehrens wurde der Antrag wegen Ablaufs der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 156 der Burgenländischen Landesabgabenordnung (Bgld. LAO) bzw. Nichterfüllung der in § 161a Bgld. LAO normierten Voraussetzungen für eine Verzinsung abgewiesen. Die von der Revisionswerberin gegen den abweisenden Teil erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab, wobei es wie der Gemeinderat auch für die Frage der Verzinsung noch die Bgld. LAO heranzog. Eine Revision erklärte das Landesverwaltungsgericht mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6        Die vorliegende außerordentliche Revision begegnet dem zunächst mit dem Hinweis, das Landesverwaltungsgericht sei in Bezug auf den Anwendungsbereich von Verjährungsbestimmungen von dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1984, 83/17/0163, VwSlg. 5931/F, abgewichen. In diesem vereinzelt gebliebenen Erkenntnis zur Bgld. LAO (vgl. dazu Ritz, ÖStZ 1997, 423 ff) war die Ansicht vertreten worden, der Ablauf der Bemessungsverjährungsfrist, die dem Schutz des Abgabenschuldners diene, stehe einer Abgabenfestsetzung zu seinen Gunsten im Sinne der Herabsetzung einer Abgabenschuld nicht entgegen. Das Erkenntnis erging allerdings zur Rechtslage vor Einfügung des § 158a Bgld. LAO durch die Novelle LGBl. Nr. 24/1983 und ist insofern überholt (vgl. aus der neueren Rechtsprechung zur Bgld. LAO etwa VwGH 17.5.2004, 2000/17/0033; 24.6.2010, 2010/16/0039; 17.10.2012, 2009/16/0044).

7        Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters geltend gemacht, das Landesverwaltungsgericht sei von einer Selbstbemessungsabgabe ausgegangen, weshalb sich die Rechtsfrage stelle, ob „bereits in der bloßen Übergabe von Meldezetteln an das Tourismusbüro eine Erklärung über die Selbstbemessung“ zu sehen sei. Auch bei der Bejahung dieser Frage sei das Landesverwaltungsgericht von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 2.5.2006, 2005/17/0277) abgewichen. Relevant sei auch, ob nicht auf Grund der übersehenen Befreiungsvorschrift „schlicht die irrtümliche Bezahlung einer Nichtschuld vorliegt“.

8        Mit diesem Vorbringen bezieht sich die Revisionswerberin auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „Quasirechtskraft“ von Selbstbemessungen durch den Abgabepflichtigen (vgl. etwa VwGH 28.9.2011, 2007/13/0130), wobei das ins Treffen geführte, das Vorliegen einer Selbstbemessung verneinende Erkenntnis vom 2. Mai 2006 aber die Salzburger LAO betraf, nach der - wie u.a. auch nach der Oberösterreichischen LAO - durch den Abgabepflichtigen zu bemessende Abgaben „durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung“ als „festgesetzt“ galten (vgl. daher die Erwähnung „irrtümlich, über die Selbstbemessungserklärung hinaus“ entrichteter Beträge in dem zur Oberösterreichischen LAO ergangenen Erkenntnis VwGH 22.6.1990, 88/17/0242). § 153 Abs. 1 Bgld. LAO und die hier maßgeblichen Fassungen des Burgenländischen Tourismusgesetzes 1992 enthielten keine solche Anknüpfung an eine „Erklärung“. Darüber hinaus greift auch die - durch Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes veranlasste - Bezugnahme auf die bloße Übermittlung von Meldedaten als nach Ansicht der Revisionswerberin nicht ausreichender Akt der Selbstbemessung zu kurz.

Als Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages kann in Fällen ohne Erklärungspflicht auch seine Entrichtung anzusehen sein (vgl. etwa Ritz, BAO6, § 201 Tz 10; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 201 Anm 11 und § 202 Anm 3). Der Verwaltungsgerichtshof entschied auch in einem Fall, in dem keine Selbstbemessung, sondern die Entrichtung einer von einem Fleischuntersuchungsorgan nicht bescheidmäßig bemessenen Gebühr vorlag, die Abgabe gelte damit, wie in Fällen der Selbstbemessung, „zunächst als festgesetzt“ (VwGH 4.9.2008, 2007/17/0222). Im Fall der Revisionswerberin, deren eigene Angaben die Grundlage für die Berechnung der von ihr dann jeweils entrichteten Beträge waren, ist an der Erfüllung (im Umfang beruflich bedingter Aufenthalte: Übererfüllung) der ihr als Unterkunftgeber obliegenden Pflichten nicht zu zweifeln, womit nach dem Maßstab des zuletzt erwähnten Erkenntnisses im Ergebnis auch - wie vom Landesverwaltungsgericht angenommen - von einer „Quasirechtskraft“ der (falschen) Selbstberechnung auszugehen wäre.

9        Auf Rechtsfragen betreffend die Abgrenzung von Selbstbemessungs- und Abfuhrabgaben und deren mögliche Auswirkung auf die Verjährung in Fällen wie dem vorliegenden wird die Zulässigkeit der Revision nicht gestützt, weshalb sich das im Rahmen der dafür vorgebrachten Gründe zu prüfende Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht im Hinblick auf solche Fragen bejahen lässt.

10       Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision auch die Bezeichnung der Rechte zu enthalten, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte). Er hat damit jenes subjektive Recht herauszuheben, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Kann der Revisionswerber in dem als Revisionspunkt geltend gemachten Recht nicht verletzt sein, so ist die Revision nicht zulässig (vgl. als Beispiel für viele etwa den Beschluss VwGH 19.9.2018, Ra 2018/11/0179).

11       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - soweit revisionsgegenständlich - in Bestätigung der Entscheidung des Gemeinderates ein Antrag der Revisionswerberin auf Rückzahlung von Beträgen samt Zinsen wegen Verjährung und (im Zulässigkeitsvorbringen nicht angesprochen) Fehlens der Voraussetzungen für eine Verzinsung zurückzuzahlender Beträge (vgl. zur diesbezüglichen BAO-Bestimmung Ritz, BAO6, § 205 Tz 6) abgewiesen. In den als Revisionspunkten geltend gemachten Rechten der Revisionswerberin darauf, dass „ihr gegenüber für berufsausübende Personen keine Ortstaxe zur Zahlung vorgeschrieben wird, in eventu: sie nicht zur Abfuhr von Ortstaxe für berufsausübende Personen verpflichtet wird, sohin in ihrem Recht auf Ortstaxenfreiheit“ kann die Revisionswerberin durch diese Entscheidung, die sich auf die angestrebte Rückabwicklung irrtümlich geleisteter Zahlungen bezog, nicht verletzt worden sein. Das darüber hinaus noch geltend gemachte „Recht auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften“ stellt keinen tauglichen Revisionspunkt dar (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 28 VwGG, E 13 ff).

12       Die Revision war aus diesen Gründen zurückzuweisen.

13       Die Entscheidung über den in den Revisionsbeantwortungen beantragten Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren der Gemeinde I war abzuweisen, weil der Gemeinde als belangter Behörde nur der in § 1 Z 2 lit. a der genannten Verordnung vorgesehene Schriftsatzaufwand für die Revisionsbeantwortung zusteht. Eine Zuerkennung von Aufwandersatz an das Land Burgenland hatte zu unterbleiben, weil das Land Burgenland als Partei iSd § 21 Abs. 2 Z 3 VwGG keinen Ersatzanspruch hat.

Wien, am 14. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018130090.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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