TE Vwgh Erkenntnis 2020/12/30 Ra 2019/15/0126

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Veröffentlicht am 30.12.2020
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

KStG 1988 §8 Abs2
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 lita

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofrätin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Landeck Reutte in 6500 Landeck, Innstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 9. Juli 2019, Zl. RV/3100389/2013, betreffend Umsatzsteuer 2009 und 2010 (mitbeteiligte Partei: S GmbH in S, vertreten durch die Marsoner + Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Andreas Hofer Straße 43), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Die mitbeteiligte GmbH hat - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - im Jahr 2009 ein Betriebsgebäude errichtet und in Betrieb genommen, in welchem sich auch die Privatwohnung des Geschäftsführers HG und seiner Familie befindet, wobei sie dafür in den Wirtschaftsjahren 2009 (1. September 2008 bis 31. August 2009) und 2010 (1. September 2009 bis 31. August 2010) den vollen Vorsteuerabzug auch für den privat genutzten Teil des Gebäudes in Anspruch nahm. Das Ausmaß der Privatnutzung betrug 18,51 %, wobei die Wohnung 262 m2 groß war und u.a. aus Elternschlafzimmer mit begehbarem Schrank und eigenem Bad, drei Kinderzimmern - jeweils mit Dusche und WC, einem nahezu 50 m2 großen Wohnzimmer sowie einer Terrasse bestand. In dieser im Betriebsgebäude befindlichen Wohnung waren der Geschäftsführer und seine Familie seit 5. Jänner 2010 mit Hauptwohnsitz gemeldet.

2        Nach einer bei der mitbeteiligten GmbH durchgeführten Außenprüfung kürzte das Finanzamt - nach Wiederaufnahme der Verfahren - den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem Gebäude um den auf den privaten Gebäudeteil entfallenden Anteil im Ausmaß von 18,51 %.

3        In der dagegen erhobenen Berufung begehrte die mitbeteiligte GmbH unter Verweis auf Rechtsprechung und Literatur zur untergeordneten Privatnutzung von Gebäuden den vollen Vorsteuerabzug.

4        Mit Berufungsvorentscheidungen betreffend Umsatzsteuer 2009 und 2010 entsprach das Finanzamt diesem Begehren, führte allerdings eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 iVm Abs. 10a UStG 1994 durch, da der für den privaten Gebäudeteil zu gewährende Vorsteuerabzug mit einem späteren, nicht steuerbaren Eigenverbrauch im direkten Zusammenhang stehe.

5        Im dagegen erhobenen Vorlageantrag machte die mitbeteiligte GmbH geltend, dass aufgrund der überwiegend betrieblichen Nutzung des Gebäudes der volle Vorsteuerabzug zustehe, eine Besteuerung als Nutzungsentnahme (Eigenverbrauchsbesteuerung) jedoch am Wortlaut des § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994 scheitere.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde betreffend 2009 zur Gänze und betreffend Umsatzsteuer 2010 teilweise Folge und änderte die bekämpften Bescheide ab. Begründend führte es aus, streitgegenständlich seien die Jahre 2009 und 2010. Für diese Zeiträume sei nach der Rechtsprechung des VwGH von einem Vorrang des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a vor § 12 Abs. 3 Z 4 iVm § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994 auszugehen (vgl. VwGH 19.3.2013, 2010/15/0085, mit Hinweis auf VwGH 28.5.2009, 2009/15/0100, sowie 28.6.2012, 2009/15/0217). Im erstgenannten Erkenntnis habe der VwGH ausgesprochen, dass ungeachtet der Regelung des § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 privat genutzte Gebäudeteile von untergeordneter Bedeutung einkommensteuerlich zum notwendigen Betriebsvermögen zählten und damit zu (abzugsfähigen) Betriebsausgaben (AfA, etc.) führten, welche erst in der Folge durch den korrespondierenden Ansatz einer so genannten „Nutzungsentnahme“ im Ergebnis neutralisiert würden.

7        Eine von § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 losgelöste Anwendung des § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994, wie sie im Vorlageantrag begehrt werde, führe zu einem verfassungsrechtlich unvertretbaren Ergebnis. Die beiden Bestimmungen seien mit BGBl. I Nr. 27/2004, infolge des Urteils des EuGH vom 8. Mai 2003, C-269/00, Seeling, gemeinsam eingeführt worden. Den dazu gehörigen Gesetzesmaterialien (AB 496 BlgNR 22. GP) sei zu entnehmen, dass „von der im Artikel 6 Abs. 2 zweiter Satz der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht [werde], wonach die Mitgliedstaaten Abweichungen vom Eigenverbrauch vorsehen können, sofern solche Abweichungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen“. Von dieser Bestimmung werde insofern Gebrauch gemacht, als die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für private Zwecke nicht der Eigenverbrauchsbesteuerung unterzogen werde. Dementsprechend werde in § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Auch dies entspreche der 6. EG-Richtlinie, wonach ein Vorsteuerabzug gemäß Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie grundsätzlich nur im Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen zustehe.

8        In seinem Erkenntnis vom 27. September 2017, 2015/15/0045, habe der VwGH ausgesprochen, dass im Fall, dass der Steuerpflichtige sein Recht auf Vorsteuerabzug auf Unionsrecht stütze, weil der Eigenverbrauch nach der durch das BGBl. I Nr. 27/2004 gestalteten nationalen Rechtslage zu Unrecht als nicht steuerpflichtig behandelt und aus diesem Grund der Vorsteuerabzug versagt werde, er nicht zugleich gestützt auf nationales Recht die Nichtbesteuerung des Eigenverbrauchs in Anspruch nehmen könne.

9        Dass das BFG dieses Thema aufzugreifen habe, ergebe sich aus § 279 Abs. 1 BAO, wonach das Verwaltungsgericht berechtigt sei, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. So ergäben sich insbesondere aus den Beschwerdepunkten keine Grenzen der Änderungsbefugnis.

10       In ihrer Stellungnahme vom 18. September 2015 habe die mitbeteiligte GmbH als weiteres Argument für einen vollen Vorsteuerabzug ohne Eigenverbrauchsbesteuerung ins Treffen geführt, dass sie ein unternehmerisches Interesse daran habe, dass der Geschäftsführer in der Betriebstätte wohne, also für Kunden und Mitarbeiter durchgehend erreichbar sei. Auch Fremdgeschäftsführern müsste aufgrund der Öffnungszeiten während der Wintersaison eine Wohnung vor Ort zur Verfügung gestellt werden.

11       Nach dem Urteil des EuGH vom 16. Oktober 1997, C-258/95, Fillibeck, erfülle die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber grundsätzlich den privaten Bedarf der Arbeitnehmer und diene damit unternehmensfremden Zwecken. Eine solche Leistung werde nur dann nicht zu unternehmensfremden Zwecken erbracht, wenn die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere Umstände wie die Schwierigkeit, andere geeignete Verkehrsmittel zu benutzen, und wechselnde Arbeitsstätten, es geböten, dass die Beförderung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommen werde.

12       Umgelegt auf den gegenständlichen Sachverhalt wäre demnach keine Eigenverbrauchsbesteuerung im Zusammenhang mit dem privat genutzten Teil des Betriebsgebäudes vorzunehmen, wenn die Zurverfügungstellung der betreffenden Wohnung keinen unternehmensfremden Zwecken, bzw. dem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers diene oder dem Geschäftsführer kein verbrauchsfähiger Nutzen übertragen werde (Hinweis auf VwGH 23.1.2013, 2010/15/0051).

13       Ebenfalls im Urteil Fillibeck habe der EuGH ausgeführt, dass es normalerweise Sache des Arbeitnehmers sei, unter Berücksichtigung seiner Arbeitsstätte den Standort seiner Wohnung, nach dem sich die Länge seines Weges zur Arbeit bemesse, und das geeignete Verkehrsmittel zu wählen. Der Arbeitgeber greife in diese Entscheidung nicht ein, da der Arbeitnehmer seinerseits verpflichtet sei, während der vereinbarten Zeit an der Arbeitsstätte zu sein.

14       Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 2014, V R 56/13, ausgesprochen, dass die Überlassung einer Wohnung an den Geschäftsführer einer GmbH auch dann nicht im überwiegenden unternehmerischen Interesse liege, wenn im Rahmen des Einkommensteuerrechts die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben wären.

15       Dem Argument des überwiegenden unternehmerischen Interesses an einer Unterbringung am Arbeitsort könne gegenständlich nicht gefolgt werden. Es handle sich bei der betreffenden Wohnung um den (alleinigen) Familienwohnsitz des Geschäftsführers der mitbeteiligten Partei. Vor Begründung dieses Familienwohnsitzes habe die gesamte Familie laut Zentralem Melderegister ebenfalls in der Ortgemeinde gewohnt. Weshalb daher nur die mitbeteiligte GmbH eine geeignete Wohnung bieten habe können bzw. weshalb der Geschäftsführer nicht in der Lage gewesen sei, selbst für eine Unterbringung in unmittelbarer Nähe zu sorgen, könne nicht nachvollzogen werden. Die Wohnung diene der Befriedigung des privaten Wohnbedürfnisses des Geschäftsführers und seiner Familie. Dafür spreche insbesondere auch, dass laut Stellungnahme der mitbeteiligten GmbH vom 18. September 2015 sämtliche Betriebskosten vom Geschäftsführer getragen würden. Auch die Einrichtung der Wohnung sei durch den Geschäftsführer selbst erfolgt, zumal im Anlagenverzeichnis der mitbeteiligten GmbH nichts darauf hindeute, dass diese die Ausstattung übernommen hätte, und ein solches Vorbringen auch nicht erstattet worden sei.

16       Es liege daher eine Leistung iSd § 3a Abs. 1a UStG 1994 vor, welche die Eigenverbrauchsbesteuerung auslöse.

17       Was den für die Eigenverbrauchsbesteuerung anzuwendenden Steuersatz und die von der mitbeteiligten GmbH begehrte Gleichbehandlung mit der Vermietung für Wohnzwecke gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei der gegenständlichen Überlassung der Wohnung an den Geschäftsführer um keine Vermietung handle und sie daher dem Normalsteuersatz unterliege (Hinweis auf VwGH 28.5.2019, Ra 2018/15/0058).

18       Die mitbeteiligte GmbH habe schließlich in ihrer Stellungnahme die etwaige Kostenbasis für eine Eigenverbrauchsbesteuerung in der Form berechnet, dass sie von den anteiligen Herstellungskosten (18,51 % von 2.283.601,14 €) 1,5 % AfA in Anlehnung an § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e EStG 1988 angesetzt habe. Dem könne nicht gefolgt werden, weil gemäß § 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994 die auf die Ausführung der betreffenden Leistung entfallenden Kosten die Bemessungsgrundlage für die Eigenverbrauchsbesteuerung bildeten. Zu diesen Kosten zähle insbesondere die AfA, welche gegenständlich laut Anlagenverzeichnis mit 3 %, teilweise auch 3,33 % bis 3,36 %, in Ansatz gebracht worden sei. Weiters hätten die Anschaffungskosten des Gebäudes nicht nur 2.283.601,14 €, wie in der Vorhaltsbeantwortung angegeben, sondern laut Anlagenverzeichnis zum 31. August 2010 3.542.061,82 € betragen. Die gesamte Gebäude-AfA habe laut Anlagenverzeichnis für das Wirtschaftsjahr 2010 108.338,09 € betragen. Die Bemessungsgrundlage für den Verwendungseigenverbrauch ermittle sich daher folgendermaßen: 108.338,09 € x 18,51 % = 20.053,38 €.

19       Da das Vorbringen, eine Nutzung bereits 2009 sei nicht erfolgt, aufgrund der polizeilichen Meldung des Geschäftsführers und seiner Familie erst im Jänner 2010 glaubhaft erscheine, unterbleibe die Eigenverbrauchsbesteuerung für das Jahr 2009.

20       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Amtsrevision. Zu deren Zulässigkeit bringt das revisionswerbende Finanzamt vor, die Beurteilung des BFG lasse sich nicht mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Überlassung von Gesellschafterwohnungen durch Kapitalgesellschaften vereinbaren. Das BFG habe sich im angefochtenen Erkenntnis irrtümlich auf höchstgerichtliche Erkenntnisse gestützt, die alle zu Personengesellschaften bzw. Einzelunternehmen ergangen seien. Bei der Überlassung von Räumlichkeiten durch eine Körperschaft an ihre Gesellschafter bzw. an Personen, die den Gesellschaftern nahestünden, sei nämlich - sofern eine unternehmerische Tätigkeit (und keine bloße Gebrauchsüberlassung) vorliege - zu prüfen, ob der Vorgang eine verdeckte Ausschüttung darstelle, was gegebenenfalls zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führen könne. Der Vorgang könne sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zudem auch als bloße Gebrauchsüberlassung darstellen, die nicht als wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit einzustufen sei. Auch in diesen Fällen stehe ein Vorsteuerabzug aus den Vorleistungen im Zusammenhang mit der überlassenen Räumlichkeit von vornherein nicht zu. Zur Beantwortung der Frage, ob der Vorsteuerabzug zu gewähren sei, hätte das BFG Feststellungen über die Fremdüblichkeit des Mietentgeltes und andere Vertragsmodalitäten, wie beispielsweise Kündigungsfristen oder Feststellungen über einen funktionierenden Mietenmarkt treffen müssen. Ein fremdübliches Mietverhältnis habe - so das Finanzamt ferner - schon mangels Vorliegens eines schriftlichen Vertrags nicht vorgelegen, habe die mitbeteiligte Partei doch keine Vereinbarungen betreffend die Wohnraumüberlassung vorgelegt. Überdies ergäben sich aus den Verwaltungsakten keine Hinweise darauf, dass für die Wohnraumüberlassung eine Gegenleistung vereinbart, verrechnet oder erbracht worden wäre.

21       In ihrer Revisionsbeantwortung weist die mitbeteiligte GmbH eine „unentgeltliche Überlassung“ der Räumlichkeiten zurück und verweist auf ihr Vorbringen im Verfahren vor dem BFG, wonach für die Nutzung der Wohnung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer - wie aus den Jahresabschlüssen seit dem Jahr 2009/10 ersichtlich sei - jährlich ein Entgelt nach der Sachbezugswerte-Verordnung des BMF festgesetzt und von diesem getragen worden sei (im Jahr 2009/10 in Höhe von 19.965,16 €). Zudem sei die Wohnraumüberlassung ein Teil des Entgelts für die Arbeitsleistungen des Geschäftsführers gewesen. Da die Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers insgesamt (Barlohn + Sachbezug) angemessen gewesen seien, liege im Revisionsfall keine verdeckte Ausschüttung vor.

22       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23       Die Revision ist zulässig und begründet.

24       Das entscheidende Merkmal einer verdeckten Ausschüttung iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 ist die Zuwendung von Vermögensvorteilen, die ihrer äußeren Erscheinungsform nach nicht unmittelbar als Einkommensverwendung erkennbar sind und ihre Ursache in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen haben. Diese Ursache ist an Hand eines Fremdvergleiches zu ermitteln (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2015/15/0006).

25       Im gegenständlichen Fall erhielt der Geschäftsführer HG von der mitbeteiligten GmbH für seine Geschäftsführungstätigkeit nicht nur einen Barlohn, sondern auch einen Sachbezug in Form der Überlassung der gegenständlichen (im Betriebsgebäude gelegenen) Wohnung.

26       Einem Geschäftsführer einer GmbH gebührt - selbst ohne Vorliegen einer Vereinbarung - eine angemessene Entlohnung. Hinsichtlich der steuerlichen Folgen des Geschäftsführerbezuges stehen daher nicht formelle Vereinbarungen im Vordergrund, vielmehr ist auf die Angemessenheit abzustellen (VwGH 21.10.1999, 97/15/0198, 0199, mwN). Bezüglich der Wertung eines Geschäftsführerbezuges (gegebenenfalls samt Sachbezügen, wie der Nutzung einer Dienstwohnung) als verdeckte Ausschüttung kommt es daher nicht auf formelle Vereinbarungen, sondern auf die Angemessenheit der „Gesamtausstattung“ der Entlohnung an (vgl. VwGH 28.11.2013, 2009/13/0141, und nochmals VwGH 21.10.1999, 97/15/0198, 0199).

27       Überlässt eine GmbH die Nutzung ihr gehörender Räumlichkeiten dem Geschäftsführer für dessen private Wohnzwecke als weitere Entlohnung seiner Geschäftsführungstätigkeit und erbringt damit insgesamt ein angemessenes Entgelt für ihr gegenüber erbrachte Leistungen, ist dieses Entgelt auf Seiten der GmbH betrieblich veranlasst. Entgegen der Ansicht des BFG kann aus der Sicht der GmbH diesfalls nicht von einer „privaten“ Nutzung ausgegangen werden.

28       Soweit demgegenüber eine GmbH die Nutzung ihrer Räumlichkeiten dem Geschäftsführer nicht als weitere Entlohnung seiner Geschäftsführungstätigkeit, sondern causa societatis, also als eine aus der Gesellschafterstellung des Geschäftsführers resultierende Vermögenszuwendung überlässt, liegt eine (verdeckte) Ausschüttung iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 vor.

29       Um zu beurteilen, ob (und in welchem Ausmaß) die Überlassung der Nutzung an den Wohnräumen eine Entlohnung für die Geschäftsführertätigkeit oder eine (verdeckte) Ausschüttung darstellt, ist zunächst die Gesamtentlohnung des Geschäftsführers betragsmäßig festzustellen. Dazu ist dem Barlohn des Geschäftsführers der Wert der Überlassung der Wohnungsnutzung hinzuzurechnen, wobei die Wohnungsnutzung mit dem Marktpreis (und im Allgemeinen nicht mit dem aus der Sachbezugswerte-Verordnung für Dienstnehmer abzuleitenden Sachbezug) anzusetzen ist. Die Gesamtentlohnung ist im Wege eines Fremdvergleichs jenem Betrag gegenüber zu stellen, welcher einem der GmbH gegenüber fremden Geschäftsführer geleistet würde.

30       Wie der VwGH etwa im Erkenntnis vom 1. September 2015, 2012/15/0105, ausgesprochen hat, steht der GmbH der Vorsteuerabzug für die zu Wohnzwecken überlassenen Räume zu, wenn sich erweist, dass der Vorteil aus der Nutzung der Wohnung - als Dienstwohnung des Gesellschafter-Geschäftsführers - zu keiner unangemessenen „Gesamtausstattung“ (Gesamtentlohnung) des Geschäftsführers geführt hat.

31       Erweist sich die Gesamtentlohnung jedoch als überhöht, stellt die Nutzungsüberlassung ertragsteuerlich insoweit eine verdeckte Ausschüttung dar, als sie nicht mehr in einer fremdüblichen Gesamtentlohnung Deckung findet, und bildet nur mit dem verbleibenden Teil die Entlohnung für die Geschäftsführungstätigkeit. Bei einer über dem fremdüblichen Betrag liegenden Gesamtentlohnung wird also die verdeckte Ausschüttung (vorrangig) durch die Überlassung der Wohnungsnutzung (und erst nachrangig durch den Barbezug als primäre Entlohnung für die Geschäftsführertätigkeit) getätigt (vgl. zB Raab/Renner, Maßgeblichkeit einer angemessenen Gesamtausstattung bei einem Geschäftsführerbezug, ÖStZ 2017, 560 ff, 567; Ressler/Stürzlinger in Lang ua, KStG2 § 8 Rz 158, mwN).

32       Ist in der Überlassung der Wohnungsnutzung an den Gesellschafter eine verdeckte Ausschüttung zu erblicken, ergeben sich daraus umsatzsteuerliche Folgen, insbesondere im Bereich der Vorsteuerabzugsberechtigung, wozu im Detail gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom 7. Dezember 2020, Ra 2020/15/0004 sowie Ra 2020/15/0067, verwiesen wird.

33       Liegen demnach jederzeit im betrieblichen Geschehen (insbesondere durch Vermietung an Fremde) einsetzbare Räumlichkeiten vor und findet der Marktpreis für die Wohnungsnutzung in einer fremdüblichen Gesamtentlohnung des Gesellschafter-Geschäftsführers zu weniger als der Hälfte Deckung, so wird eine mit der Überlassung in Zusammenhang stehende Vorleistung vom Überlasser überwiegend für verdeckte Ausschüttungen bezogen und tritt der Vorsteuerausschluss des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 ein (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5 § 12 Rz 175). Diesfalls gilt spiegelbildlich auch die Leistung nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Die Weitergabe der Leistung an den Gesellschafter erfolgt danach nicht im Rahmen des Unternehmens, und es unterliegt ein solches Entgelt (unter der Hälfte der marktkonformen Miete) nicht der Umsatzsteuer. Findet der Marktpreis für die Wohnungsnutzung in einer fremdüblichen Gesamtentlohnung des Gesellschafter-Geschäftsführers hingegen zumindest zur Hälfte Deckung, steht der Vorsteuerabzug zu und sind für die Überlassung seitens der Gesellschaft Umsatzsteuerzahlungen zu leisten (vgl. dazu auch bereits VwGH 27.6.2018, Ra 2017/15/0019).

34       Da Feststellungen über die Fremdüblichkeit der Gesamtentlohnung und gegebenenfalls das Ausmaß der in der Überlassung der Nutzung an Wohnräumen liegenden verdeckten Ausschüttung im angefochtenen Erkenntnis fehlen, war dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (Fehlen wesentlicher Feststellungen auf Grund unrichtiger Rechtsansicht) aufzuheben.

Wien, am 30. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150126.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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