TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 97/11/0006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.1997
beobachten
merken

Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in W gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. November 1996, Zl. MA 65-8/224/96, betreffend Befristung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 bis 23. September 1997 befristet.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer der Sache nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat mehrere weitere Eingaben gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid in der Hauptsache auf ein amtsärztliches Sachverständigengutachten vom 23. September 1996, in welchem der Sachverständige zur Ansicht gelangt war, der Beschwerdeführer sei zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B bedingt geeignet und es sei eine Nachuntersuchung innerhalb eines Jahres erforderlich. Der Amtssachverständige hatte sich dabei seinerseits offenbar auf einen im erstinstanzlichen Entziehungsverfahren erstellten nervenfachärztlichen Befund eines Oberarztes der Universitätsklinik für Psychiatrie der Universität Wien vom 25. Jänner 1996 gestützt. Dieser Befund beruhte - abgesehen von der Einsichtnahme in Vorbefunde aus dem Jahre 1976 und dem Mai 1995 - auf einer Untersuchung des Beschwerdeführers vom 20. November 1995, welche auch eine Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers einschloß. Der Befundersteller war dabei zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer bedingt geeignet sei, und zwar im wesentlichen im Hinblick auf die Vorgeschichte (achtmalige Einweisung in eine Psychiatrische Klinik bzw. ein Psychiatrisches Krankenhaus seit 1976, ambulante nervenfachärztliche Behandlung seit 1990), die bei ihm festgestellte rezidiv depressive Störung und die intermittierende Neigung zu Zwangshandlungen sowie seine grenzwertige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit. Dieser Befund war zunächst vom Amtsarzt der Erstbehörde, der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, einem Gutachten vom 26. Februar 1996 zugrundegelegt worden. Die Erstbehörde verfügte daraufhin mit Vorstellungsbescheid vom 27. Februar 1996 eine im Spruch nicht näher konkretisierte Befristung der Lenkerberechtigung (aus der Begründung dieses Bescheides ergibt sich, daß die Erstbehörde - dem Gutachten vom 26. Februar 1996 folgend - eine Befristung mit neun Monaten, offenbar von der Zustellung dieses Bescheides an verfügen wollte). Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid berufen.

Im Hinblick auf eine neuerliche Auffälligkeit des Beschwerdeführers am 3. März 1996 ersuchte die belangte Behörde die Erstbehörde um die Erstellung eines neuerlichen amtsärztlichen Gutachtens betreffend die Eignung des Beschwerdeführers. Auf diese Weise kam es zur Erstellung des oben genannten Gutachtens vom 23. September 1996, in welchem der Sachverständige zum Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer sei bedingt geeignet und eine Nachuntersuchung sei in einem Jahr erforderlich.

Aus diesem Gutachten ergibt sich weder, auf welchen Grundlagen es beruht und wieso der Sachverständige zu einer vom früheren Gutachten abweichenden Einschätzung des Zeitraumes, innerhalb dessen eine Nachuntersuchung des Beschwerdeführers erforderlich sei, gekommen ist; insbesondere wieso er die Notwendigkeit einer solchen Nachuntersuchung für einen erheblich späteren Zeitpunkt als erforderlich erachtete, als er dies in seinem Gutachten vom 26. Februar 1996 getan hat, obwohl keine neuen fachärztlichen Befunde, hingegen eine weitere einschlägige Auffälligkeit des Beschwerdeführers vorlag.

Daß die belangte Behörde dieses Gutachten ihrem am 6. Dezember 1996 zugestellten Bescheid zugrundelegte, stellt einen weiteren Verfahrensmangel dar, da seit der nervenfachärztlichen Untersuchung des Beschwerdeführers mehr als ein Jahr verstrichen ist und damit § 67 Abs. 2 zweiter Satz in Verbindung mit § 75 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 verletzt wurde. Auf die Datierung des Gutachtens, wie auch auf die Datierung des dieses tragenden Befundes kommt es nicht an. Im vorliegenden Fall ist diesbezüglich die Untersuchung des Beschwerdeführers am 20. November 1995 maßgebend; zu diesem Zeitpunkt hat die genannte Einjahresfrist zu laufen begonnen. Die Verwertung eines zu alten Befundes wäre im übrigen auch deswegen ein wesentlicher Verfahrensfehler, weil sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren darauf berufen hat, daß der Grund für seine psychiatrische Auffälligkeit in der Zwischenzeit weitgehend weggefallen sei.

Sollte sich der amtsärztliche Sachverständige bei Erstellung seines Gutachtens vom 23. September 1996 nicht auf den in Rede stehenden nervenfachärztlichen Befund gestützt haben, wäre die zwingende Bestimmung des § 31 zweiter Satz KDV 1967 verletzt.

Der angefochtene Bescheid war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Aufwandersatz nur für Schriftsatzaufwand, (hier nicht zum Tragen kommenden) Verhandlungsaufwand und zu entrichtende Stempelgebühren vorgesehen ist, nicht aber für "Postporto";

Stempelgebührenersatz war nur im Ausmaß von S 420,-- (S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen und S 90,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen.

Angesichts der Erledigung der Beschwerde (vor Ablauf der mit dem angefochtenen Bescheid gesetzten Frist) erübrigt sich ein Abspruch über den - zur hg. Zl. AW 97/11/0004 protokollierten - Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997110006.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten