TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/17 VGW-001/076/2754/2020

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Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §3 Abs1
VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde des Herrn A. B., Wien, C., vertreten durch Rechtsanwältin, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, vom 14.02.2020, Zahl MA36/..., wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 1 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, betreffend das Verbot des Konsumierens von alkoholischen Getränken am Praterstern vom 26.04.2018, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 2018/17,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, vom 14.02.2020, GZ: MA36/..., wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 02.11.2019, um 13:50 Uhr, in 1020 Wien, Bahnhof Wien Praterstern, am Bahnhofsvorplatz vor dem Haupteingang, somit in einer den Bahnhofsbereich angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche, insofern ein alkoholisches Getränk konsumiert, als er Vodka aus einer 0,75 Liter Flasche getrunken habe, obwohl das Konsumieren von alkoholischen Getränken am gegenständlichen Ort verboten sei. Hierdurch habe er § 1 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, betreffend das Verbot des Konsumierens von alkoholischen Getränken am Praterstern vom 26.04.2018, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 2018/17, übertreten und wurde über ihn gemäß § 5 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von € 50,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 10 Stunden verhängt.

2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen Erwachsenenvertreter fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, er leide an einer außergewöhnlich schweren Alkohol- und Tranquilizerabhängigkeit, wobei er trotz sämtlicher bisheriger Therapieansätze weiterhin nicht alkohol- und benzodiazepinfrei sei. Zudem habe die zu Grunde liegende kombinierte Persönlichkeitsstörung über Jahre zu einem Misserfolg zahlreicher Therapien in unterschiedlichen Therapiezentren geführt.

Der Beschwerdeführer sei aufgrund der dargelegten Umstände gemäß § 3 VStG unfähig gewesen, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

3. Das Verwaltungsgericht nimmt als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer am 02.11.2019 zu oben bezeichneter Zeit am oben bezeichneten Ort ein alkoholisches Getränk, nämlich Vodka aus einer 0,75 Liter Flasche, getrunken hat.

Dem Beschwerdeführer ist dieses Verhalten jedoch nicht vorwerfbar, da er das Unerlaubte dieser Tat infolge seines Krankheitsbildes nicht einsehen konnte.

4. Dass der Beschwerdeführer das Tatbild der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfüllt hat, wurde nie bestritten und sind dem Gericht keine diesbezüglichen Zweifel gekommen, sodass dieses Sachverhaltselement unstrittig feststeht.

Insoweit in der Beschwerde die Schuldunfähigkeit des Beschwerdeführers releviert wurde, sieht es das erkennende Gericht durch das der Beschwerde beigelegte Gutachten vom 29.06.2017 als erwiesen an, dass dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Tat und bezogen auf das hier vorgeworfene Verhalten des Alkoholkonsums am näher angeführten Ort die Diskretionsfähigkeit gefehlt hat. Das Verwaltungsgericht Wien stützt sich dabei ebenso auf den ebenfalls vorgelegten Beschluss des Bezirksgerichtes D. vom 14.7.2011 über die Bestellung eines Sachwalters. Dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seit dem Zeitpunkt der Gutachtenserstellung nicht verbessert, sondern eher verschlechtert hat, gründet auf der Tatsache, dass bereits seit dem 14.07.2011 ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter aufrecht bestellt ist und aus den im Gerichtsakt zur GZ: ... inne liegenden Berichten der Erwachsenenvertreterin.

II. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in Verwaltungsstrafsachen die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen hat das Verwaltungsgericht stets in der Sache selbst zu entscheiden.

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG lautet:

„Zurechnungsfähigkeit

§ 3. (1) Nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewßtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

(2) War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe in hohem Grad vermindert, so ist das als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewußtseinsstörungen, die auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruhen.“

III. 1. Der vertretene Beschwerdeführer hat nicht bestritten, den objektiven Tatbestand des § 1 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien betreffend das Verbot des Konsumierens von alkoholischen Getränken am Praterstern vom 26.04.2018, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 2018/17, erfüllt zu haben, weshalb er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zweifelsfrei begangen hat.

2. Unbedingte Voraussetzung für die Strafbarkeit eines tatbildlichen Verhaltens ist jedoch die Zurechnungsfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Tat (z.B. VwGH 29.01.1992, Zl 91/03/0303). Gemäß § 3 Abs. 1 VStG ist die Zurechnungsfähigkeit ausgeschlossen, wenn der Täter infolge Bewusstseinsstörung, krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen (Mangel der Diskretionsfähigkeit) oder dieser Einsicht gemäß zu handeln (Mangel der Dispositionsfähigkeit). Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die vom erkennenden Gericht anhand entsprechender Sachverhaltserhebungen von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. etwa VwGH 26.1.2001, 2000/02/0258).

Aufgrund des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes ist dem Beschwerdeführer für den konkreten Tatzeitpunkt ein Mangel der Diskretionsfähigkeit zu attestieren, weshalb ihm die Tat in subjektiver Hinsicht nicht angelastet werden kann.

Da die Bestrafung sohin zu Unrecht erfolgt ist, war der angefochtene Bescheid spruchgemäß zu beheben.

3. Die Kostenentscheidung gründet auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

4. Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Zurechnungsfähigkeit; Diskretionsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.001.076.2754.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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