TE Bvwg Beschluss 2020/7/23 L526 2223936-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66
FPG §70
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L526 2223936-1/4E

L526 2223935-1/4E

L526 2223934-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX , 3) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Türkei, alle vertreten durch RAe Gruber Partnerschaft KG, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2019, ZL. XXXX , Zl. XXXX und XXXX beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer (im Folgenden kurz „BF“ oder gemäß ihrer Nennung im Spruch „BF1“ bis „BF3“) sind türkische Staatsangehörige. BF1 ist der Vater der volljährigen Tochter BF2 und des 17-jährigen Sohnes BF3.

Für BF1 und BF3 wurde erstmalig im Jahr 2015 ein Visum C vom österreichischen Generalkonsulat in Istanbul ausgestellt. Für BF1 wurde eine Anmeldung im Zentralen Melderegister von XXXX .2015 – XXXX .2015 durchgeführt.

I.2. BF1 kam mittels Visum C, gültig vom XXXX .2016 bis XXXX .2016 wiederum nach Österreich. Er ist seit XXXX .2016 durchgängig im Bundesgebiet gemeldet.

I.3. Am XXXX 2016 heiratete BF1 eine rumänische Staatsbürgerin ( XXXX , unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürgerin, welche über eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmerin verfügte) und wurde BF1 eine Aufenthaltskarte als Angehöriger eines EWR-Bürgers, gültig von XXXX 2016 bis zum XXXX 2021 ausgefolgt. Dies aufgrund seines Antrags gemäß § 54 Abs. 1 NAG.

I.4. BF2 und BF3 reisten zu ihrem in Österreich lebenden Vater und meldeten sich am XXXX .2016 bei diesem und dessen Ehegattin in der gemeinsamen Wohnung in Österreich an. BF2 und BF3 reisten mit von XXXX .2016 – XXXX .2016 gültigen Visa C ein und erhielten in der Folge über entsprechende Anträge auch Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers, gültig von XXXX .2016 bis XXXX .2021 ausgestellt.

I.5. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX .2017, Zl. XXXX wurde die Ehe des BF1 mit der rumänischen Staatsangehörigen im Zuge des mit Scheidungsantrag vom XXXX 2017 eingeleiteten Verfahrens gemäß § 55 a Ehegesetz rechtskräftig geschieden.

I.6. BF1 hat am XXXX 2018 erneut die türkische Staatsangehörige und Mutter von BF2 und BF3 in Österreich geheiratet, mit welcher er bereits einmal verheiratet gewesen ist.

I.7. BF1 hat am 28.03.2018 bei der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde vorgesprochen und hat seine Scheidung von der rumänischen Staatsangehörigen bekannt gegeben.

Am 29.03.2018 erfolgte daraufhin eine niederschriftliche Einvernahme, in welcher BF1 unter anderem bekannt gab, dass er seit Mai 2016 als Koch im Gastronomiebetrieb seines Bruders tätig sei und dementsprechend über ein geregeltes Einkommen verfüge. BF2 würde die Bundeshandelsschule und BF3 die polytechnische Schule besuchen. Für die Unterkunft würde ein Mietvertrag vorliegen und würden BF1 und davon abgeleitet auch BF2 und BF3 Krankenversicherungsschutz in Österreich genießen. Seine nunmehrige Ehegattin und Mutter der Kinder, mit welcher er bereits einmal verheiratet gewesen wäre, würde sich in Österreich aufgrund eines Schengenvisums legal aufhalten. BF1 sei wegen der Familienzusammenführung beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung am XXXX 2018 gewesen, wo er erfahren habe, dass er zunächst seinen eigenen Aufenthalt in Österreich regeln müsse. Dass er die Ehescheidung von der früheren Ehegattin gemäß § 54 Abs. 6 NAG der Niederlassungsbehörde unverzüglich bekannt geben hätte müssen, habe der BF nicht gewusst und auch erst im Rahmen dieser Vorsprache erfahren.

I.8. Mit Schreiben der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde vom 07.06.2018 setzte diese das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) darüber in Kenntnis, dass der BF1 seit dem Jahr 2017 geschieden sei und seine Ehe weniger als drei Jahre gedauert habe, weswegen sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht jedenfalls weggefallen wäre. Gemäß § 55 Abs. 3 und 4 NAG wurde daher um Überprüfung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung ersucht.

Beigelegt waren weitere Unterlagen aus dem Akt der Niederlassungsbehörde (Aktenvermerke; Scheidungsbeschluss und Scheidungsvergleich; Kopien von Reisedokumenten; das Protokoll der Einvernahme vor der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde des BF1, Versicherungsdatenauszug des BF1 und Versicherungsbestätigungen; Gehaltszettel des BF1 Schulbesuchsbestätigungen von BF3 und BF2; Meldezettel).

I.9. Mit Schreiben vom 14.06.2018 gewährte das BFA Parteiengehör zum bisher erhobenen Sachverhalt und teilte den BF mit, dass die Erlassung einer Ausweisung im Raum stehe. Es wurde ein Fragenkatalog mit 11 Fragen, insbesondere zum Privat- und Familienleben in Österreich und der Türkei beigefügt.

Am selben Tag wurde der zuständigen Niederlassungsbehörde mitgeteilt, dass gegen die BF ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden ist.

I.10. Am 16.07.2018 langte über die rechtsfreundliche Vertretung der BF nach Fristverlängerung durch das BFA eine Stellungnahme ein. Die Eckdaten des Aufenthalts bzw. der Titelerteilung und Eheschließungen des BF1 wurden bestätigt. Ausgeführt wurde zudem, dass die Ehe mit der rumänischen Staatsangehörigen aufgrund erheblicher Differenzen geschieden worden sei. Dem BF1 sei die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr zuzumuten gewesen. Die im Anschluss geheiratete türkische Ehegattin sei im März 2018 wieder in die Türkei zurückgekehrt. Die BF hätten seit 2016 ihren Lebensmittelpunkt in Österreich. BF1 verdiene als Angestellter im Gastgewerbe seines Bruders seit Mai 2016 aktuell EUR 1952,44 monatlich. Auch BF2 ginge neben der Ausbildung im Oberstufenrealgymnasium einer geringfügigen Beschäftigung im Gastgewerbe ihres Onkels nach. Zudem habe sie die ÖSD Kurse A2 und B1 absolviert und die Prüfungen erfolgreich abgeschlossen. BF3 besuche die polytechnische Schule und habe auch den ÖSD A1 Kurs Kids absolviert und bestanden.

Es würden besonders berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, welche ein Aufenthaltsrecht rechtfertigen würden. Nach der Ehescheidung bleibe das Aufenthaltsrecht aufrecht, sofern besonders berücksichtigungswürdige Gründe vorlägen. Die bB hätte nicht geprüft, aus welchen Gründen die Ehe geschieden worden ist, obwohl dies für das abgeleitete Aufenthaltsrecht von wesentlicher Bedeutung sei.

Wenngleich die Ehe im Einvernehmen geschieden worden sei, so dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe die Frau alleine trage. So sei die eheliche Lebensgemeinschaft von der Frau aufgelöst worden, indem sie aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen sei. Es sei zu Auseinandersetzungen gekommen als die Kinder aus der Türkei zu BF1 gereist sind. Die Ehegattin hätte ein unleidliches Verhalten gegenüber den Kindern gesetzt und keinen Ehewillen mehr gezeigt. Sollte die belangte Behörde entgegen der Ansicht der BF von anderen Umständen ausgehen, so sei dennoch ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK gerechtfertigt.

Die Einvernahme der „Antragsteller“ wurde beantragt und wurde der Antrag gestellt, die Verfahren zu einer möglichen Aufenthaltsbeendigung einzustellen.

Vorgelegt wurden

?        Aufenthaltstitel

?        Meldebestätigungen

?        Versicherungsdatenauszug

?        Lohnbestätigungen

?        Schulbestätigungen

?        Zertifikate

?        Mietvertrag

?        Einzahlungsbestätigungen der Miete (Kontoauszug)

?        Scheidungsvergleich samt Beschluss

Die Fragen des Fragenkataloges wurden beantwortet. Insbesondere wurde auch ausgeführt, dass BF1 zu touristischen Zwecken eingereist sei und hier seine spätere rumänische Ehegattin kennengelernt habe. Die BF seien Aleviten und kurdischer Herkunft. Im Hinblick auf die streng islamische Regierung unter dem Präsidenten gäbe es viele Verschwörungstheorien über und Druck auf die Aleviten, weshalb sich die BF deshalb im Falle der Rückkehr in Gefahr befänden. Die BF wären aufgrund der Diskriminierungen der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt und würde eine weitere Erörterung dieses Themas den Rahmen des Schriftsatzes sprengen.

I.11. Mit März 2019 hat BF1 das Gastgewerbe seines Bruders übernommen.

I.12. Mit Schreiben vom 05.07.2019 wurde den BF erneut Parteiengehör zur Erlassung der Ausweisungen vom BFA gewährt und wurden Länderfeststellungen zur Stellungnahme übermittelt. Wieder wurde ein Fragebogen beigefügt.

I.13. Es langen Fristerstreckungsersuchen zur Stellungnahme zum Schreiben des BFA ein.

I.14. Mit 13.08.2019 wurde eine Stellungnahme über die rechtsfreundliche Vertretung erstattet. Nach Wiederholung des bisherigen Vorbringens wurde ausgeführt, dass BF1 seit 21.03.2019 ein sehr bekanntes Restaurant selbst als Geschäftsführer führe (monatliches Einkommen ca. 2400 EUR), in welchem BF2 und BF3 (monatliches Einkommen ca. 1540 EUR) angestellt wären. In diesem Restaurant wären 10 Personen beschäftigt und würde damit zur österreichischen Wirtschaft beigetragen werden. Auch würden Anzeigen beispielsweise in Werbematerialen der Polizei geschaltet. Es würden ein Bruder namens XXXX mit seiner Familie und die Schwester des BF1 namens XXXX in Österreich leben.

Die Einvernahme der BF wurde beantragt und wurden weitere Unterlagen (Auszüge aus dem Gewerbeinformationssystem, E-Mail einer Werbeagentur mit Anbot und Auftragsschein, Kopie der e-Cards, Lohnzettel, Versicherungsdatenauszüge, Periodensaldenliste) vorgelegt.

I.15. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden wurden die BF gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm
§ 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Es wurde gemäß § 70 Abs 3 FPG jeweils ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

I.15.1. Unter dem Punkt Feststellungen traf das BFA nachstehende Ausführungen:

Der Entscheidung werden folgende Feststellungen zugrunde gelegt:

-        zu Ihrer Person:

Sie sind neuerlich mit Ihrer ersten Ehefrau verheiratet und haben Sorgepflichten für ein Kind. Sie sind selbstständig und Ihre Identität steht fest. Sie sind türkischer Staatsangehöriger.

-        zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Sie sind seit XXXX .2016 im Bundesgebiet gemeldet und heirateten am XXXX 2016 eine rumänische Staatsangehörige und wurden somit zum begünstigten Drittstaatsangehörigen. In weiterer Folge erhielten Sie eine Aufenthaltskarte und holten auch zwei Kinder aus einer früheren Ehe nach Österreich, welche ebenfalls eine Aufenthaltskarte erhielten. Das Scheidungsverfahren wurde 2017 eingeleitet und die Ehe schließlich am XXXX .2017 geschieden. Damit bestand die Ehe weniger als 3 Jahre womit die Voraussetzungen gem. § 55 Abs. 3 iVm § 54 Abs. 5 NAG nicht mehr vorliegen. Dies gilt ebenso für Ihre zwei Kinder, gegen welche ebenfalls ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden ist.

Gem. § 54 Abs. 5 NAG gilt: „Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;“

Sie halten sich somit nicht rechtmäßig in Österreich auf, da Sie unter diesen Umständen Ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr in Anspruch nehmen können.

-        zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind neuerlich mit Ihrer ersten Ehefrau verheiratet und haben Sorgepflichten für ein Kind. In Österreich leben Ihre Ex-Frau sowie ein minderjähriges und ein volljähriges Kind. Auch gegen Ihre beiden Kinder wurde ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Ihre jetzige Ehefrau lebt in der Türkei. Sie sprechen türkisch und ein Nachweis über Deutschkenntnisse wurde nicht vorgelegt. Sie sind selbstständig und brachten bis dato keinen Antrag bei der NAG Behörde auf einen Umstiegt auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus ein. Ihr angeführtes Restaurant wurde erst im März 2019 von Ihnen übernommen, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits das Ausweisungsverfahren eingeleitet worden war und Sie von diesem und der möglichen Aufenthaltsbeendigung in Kenntnis waren.

Im Ergebnis kommt daher Ihnen aufgrund der Ehescheidung und damit auch Ihren Kindern selbst aufgrund des von Ihnen abgeleiteten Aufenthaltsrechtes, ein Aufenthaltsrecht gemäß § 54 NAG nicht mehr zu.

Aus dem Fremdenregister ist ersichtlich, dass weder Sie selbst noch Ihre Kinder bisher einen Antrag auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus gestellt haben oder sonst versucht hätten einen, ihren weiteren Aufenthalt zu legalisieren.

Ihnen musste bewusst gewesen sein, dass sich Ihr Aufenthaltsrecht von Ihrer geschiedenen rumänischen Ehegattin ableitet. Daher musste Ihnen auch seit der Auflösung der Ehe bewusst gewesen sein, dass Ihr Aufenthaltsstatus nicht gesichert ist. Sie haben bisher auch nicht versucht, auf andere Weise Ihren weiteren Aufenthalt zu legalisieren.

Vor diesem Hintergrund und der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich ist davon auszugehen, dass eine Rückkehr in die Türkei wieder möglich ist. Sie leben erst seit drei Jahren in Österreich und daher ist auch nicht davon auszugehen, dass Sie in der Türkei völlig entwurzelt wären, wo Sie auch einen Großteil Ihres Lebens dort verbachten.

Bei einer gewichtenden Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit den gegenläufigen familiären und privaten Interessen hat sich bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls – auch unter Berücksichtigung der (derzeit) legalen Beschäftigung im Bundesgebiet - ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung ergeben, zumal Sie sich erst drei Jahre im Bundesgebiet aufhalten.

Es liegt kein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben vor.

-        zu den Gründen für die Erlassung der Ausweisung:

Sie sind seit XXXX .2016 im Bundesgebiet gemeldet und heirateten am XXXX 2016 eine rumänische Staatsangehörige und wurden somit zum begünstigten Drittstaatsangehörigen. In weiterer Folge erhielten Sie eine Aufenthaltskarte und holten auch zwei Kinder aus einer früheren Ehe nach Österreich, welche ebenfalls eine Aufenthaltskarte erhielten. Das Scheidungsverfahren wurde 2017 eingeleitet und die Ehe schließlich am XXXX .2017 geschieden. Damit bestand die Ehe weniger als 3 Jahre womit die Voraussetzungen gem. § 55 Abs. 3 iVm § 54 Abs. 5 NAG nicht mehr vorliegen. Dies gilt ebenso für Ihre zwei Kinder, gegen welche ebenfalls ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden ist.

Gem. § 54 Abs. 5 NAG gilt: „Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;“

Sie halten sich somit nicht rechtmäßig in Österreich auf, da Sie unter diesen Umständen Ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr in Anspruch nehmen können.

Damit kommt unter stehender Paragraph des NAG zum Tragen, durch welchen gegenständliches Verfahren einzuleiten und die nunmehrige Ausweisung zu erlassen war.

§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Sie erfüllen die Voraussetzung einer aufrechten Ehe für mindestens drei Jahre nicht und können des Weiteren aufgrund der Aufgabe des Freizügigkeitsrechts Ihrer Ex-Frau kein Aufenthaltsrecht mehr von Ihr ableiten.

Zu prüfen ist lediglich eine mögliche Anwendbarkeit des § 54 Abs.5 Zi. 4 NAG und damit ob das Aufenthaltsrechts zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Drittstaatsangehörigen wegen der Beeinträchtigung Ihrer schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden kann. Solche darin angeführten besonders schwierigen Umstände oder Opfer von häuslicher Gewalt liegen in Ihrem Fall nicht vor. (Siehe dazu Erkenntnis BVwG vom 08.05.2018 zur Zahl I403 2189458-1/3E bzw. BVwG G308 2174334 mit gleichem Sachverhalt).

Die Freizügigkeitsrichtlinie der EU sieht gem. Art. 12 und 13 und vor Ablauf des Erwerbs des Daueraufenthaltsrechts, nur einen weiteren Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen bei Tod des EU-Bürgers, Scheidung oder Minderjährigkeit vor. Der Freizügigkeitsgrund besteht aufgrund der Scheidung somit jetzt nicht mehr und damit ist eine Ableitung auf Sie auch nicht möglich.

Unter Einbeziehung des Artikel 8 EMRK ergeben sich keine Gründe, die die ha. Behörde daran hindern diese Entscheidung zu treffen.

Eine Niederlassung ist aufgrund der fehlenden Voraussetzungen nicht möglich. Es besteht ein öffentliches Interesse, dass die Bestimmungen des NAG eingehalten werden. Ihr Verhalten stellt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar und musste im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen eine Entscheidung zu Ihrem Nachteil getroffen werden.

- zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

22.      Grundversorgung/ Wirtschaft

Für die Türkei werden Marktturbulenzen, starke Währungsabwertungen und erhöhte Unsicherheiten erwartet, die Investitionen und die Konsumnachfrage belasten und eine deutliche negative Korrektur der Wachstumsaussichten rechtfertigen. In der Türkei führten die Besorgnis über die zugrunde liegenden Fundamentaldaten und die politischen Spannungen mit den Vereinigten Staaten zu einer starken Abwertung der Währung (27% zwischen Februar und Mitte September 2018) und sinkenden Vermögenswerten. Das Wachstum in der Türkei war 2017 und Anfang 2018 sehr stark, dürfte sich aber deutlich abschwächen. Das reale BIP-Wachstum wird für 2018 mit 3,5% prognostiziert, soll aber entgegen den positiven ursprünglichen Prognosen 2019 auf 0,4% sinken. Die türkische Wirtschaft ist nach wie vor sehr anfällig für plötzliche Veränderungen der Kapitalströme und geopolitischen Risiken (IMF 8.10.2018).

Die Arbeitslosigkeit bleibt ein gravierendes Problem und verharrt trotz leichter Erholung bei knapp 11% (September 2017). Aus der jungen Bevölkerung drängen jährlich mehr als eine halbe Million Arbeitssuchende auf den Arbeitsmarkt, können dort aber nicht vollständig absorbiert werden. Die bereits hohe Jugendarbeitslosigkeit stieg 2017 gegenüber dem Vorjahr weiterhin an. Hinzu kommt das starke wirtschaftliche Gefälle zwischen strukturschwachen ländlichen Gebieten (etwa im Osten und Südosten) und den wirtschaftlich prosperierenden Metropolen. Auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen wandert die ländliche Bevölkerung daher weiterhin in die Städte und industriellen Zentren ab. Herausforderungen für den Arbeitsmarkt bleiben der weiterhin hohe Anteil der Schwarzarbeit und die niedrige Erwerbsquote von Frauen. Dabei bezieht der überwiegende Teil der in Industrie, Landwirtschaft und Handwerk erwerbstätigen Arbeiter und Arbeiterinnen weiterhin den offiziellen Mindestlohn. Er wurde für das Jahr 2017 auf 1.777,50 Lira brutto festgesetzt. Die Entwicklung der Realeinkommen hält mit der Wirtschaftsentwicklung nicht Schritt, so dass insbesondere die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten empfindlich am Rande des Existenzminimums leben (AA 10.2017c).

Das türkische Arbeitsrecht muss noch an die EU-Standards angepasst werden. Obwohl die nicht registrierte Beschäftigung auf 27,8% zurückgegangen ist, bestehen weiterhin große Unterschiede in Bezug auf Sektor, Beschäftigungsstatus und Geschlecht (BS 2018).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (10.2017c): Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tuerkei-node/wirtschaft/201964#content_1, Zugriff 4.7.2018

•        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 — Turkey Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Turkey.pdf, Zugriff 4.7.2018

•        IMF – International Monetary Found (8.10.2018): World Economic Outlook – Challenges to Steady Growth, https://www.imf.org/~/media/Files/Publications/WEO/2018/October/English/main-report/Text.ashx?la=en, Zugriff 17.10.2018

22.1.   Sozialbeihilfen/-versicherung

Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Soziale Hilfe und Solidarität und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Soziale Hilfe und Solidarität gewährt. Die Hilfeleistungen werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen 973 Einrichtungen der Stiftungen für Soziale Hilfe und Solidarität (Sosyal Yard?mla?ma ve Dayani?ma Vakfi) ausgeführt, die den Gouverneuren unterstellt sind. Anspruchsberechtigt sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der sozialen Sicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die gemeinnützig tätig und produktiv werden können. Die Leistungsgewährung wird von Amts wegen geprüft. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Bildungshilfen, Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküchen. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt. Darüber hinaus existieren weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben (AA 3.8.2018).

Nach dem im April 2014 in Kraft getretenen Gesetz Nr. 6453 über Ausländer und internationalen Schutz haben auch Ausländer, die im Sinne des Gesetzes internationalen Schutz beantragt haben oder erhalten, einen Anspruch auf Gewährung von Sozialleistungen. Welche konkreten Leistungen dies sein sollen, führt das Gesetz nicht auf (AA 3.8.2018).

Sozialhilfe im österreichischen Sinne gibt es keine. Auf Initiative des Ministeriums für Familie und Sozialpolitik gibt es aber verschiedene Programme für mittellose Familien, wie z.B. Sachspenden (Nahrungsmittel, Schulbücher, Heizmaterialien, etc.), Kindergeld (10-20 EUR pro Kind/pro Monat, nach Alter und Geschlecht gestaffelt, Mädchen bekommen etwas mehr), finanzielle Unterstützung für Schwangere (ca. 50 EUR pro Schwangerschaft), Wohnprogramme, Einkommen für Behinderte und Altersschwache (50-130 EUR/Monat nach Alter und Grad der Behinderung gestaffelt). Des Weiteren beziehen Witwen die sogenannte „Witwenunterstützung“, die sich nach dem Monatseinkommen des verstorbenen Ehepartners richtet (ca. 70% des Bruttomonatsgehalts des verstorbenen Ehepartners, jedoch Max. 250 EUR/Monat) (ÖB 10.2017).

Das Sozialversicherungssystem besteht aus zwei Hauptzweigen, nämlich der langfristigen Versicherung (Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung) und der kurzfristigen Versicherung (Berufsunfälle, berufsbedingte und andere Krankheiten, Mutterschaftsurlaub) (SGK 2016a). Das türkische Sozialversicherungssystem finanziert sich nach der Allokationsmethode durch Prämien und Beiträge, die von den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern und dem Staat geleistet werden (SGK 2016b).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (3.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

•        ÖB - Österreichische Botschaft - Ankara (10.2017): Asylländerbericht Türkei

•        SGK - Sosyal Güvenlik Kurumu (Anstalt für Soziale Sicherheit) (2016a): Das Türkische Soziale Sicherheitssystem, http://www.sgk.gov.tr/wps/portal/sgk/de/detail/das_turkische, Zugriff 4.7.2018

•        SGK - Sosyal Güvenlik Kurumu (Anstalt für Soziale Sicherheit) (2016b): Financing of Social Security, http://www.sgk.gov.tr/wps/portal/sgk/en/detail/social_security_system/social_security_system, Zugriff 4.7.2016

22.2.   Arbeitslosenunterstützung

Alle Arbeitnehmer, einschließlich derer, die in der Landwirtschaft, im Forstwesen und im Bereich Dienstleistung tätig sind, sind unterstützungsberechtigt, wenn sie zuvor ein geregeltes Einkommen im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung erhalten haben. Selbständige sind nicht anspruchsberechtigt. Die durchschnittliche Arbeitslosenhilfe ist auf den Betrag des Mindestlohnes begrenzt. Benötigte Dokumente sind: ein entsprechender Antrag an das Direktorat des Türkischen Beschäftigungsbüros (I?KUR) innerhalb von 30 Tagen nach Verlust des Arbeitsplatzes, einschließlich schriftlicher Bestätigung vom Arbeitnehmer und der Personalausweis (IOM 12.2015). Der Arbeitnehmer muss die letzten 120 Tage vor dem Leistungsbezug ununterbrochen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden haben. Für die Dauer des Leistungsbezugs übernimmt die Arbeitslosenversicherung die Beiträge zur Kranken- und Mutterschutzversicherung (ÖB 10.2017).

Unterstützungsleistungen: 600 Tage Beitragszahlung ergeben 180 Tage Arbeitslosenhilfe; 900 Tage Beitragszahlung ergeben 240 Tage Arbeitslosenhilfe; 1.080 Tage Beitragszahlung ergeben 300 Tage Arbeitslosenhilfe (IOM 2017; vgl. ÖB 10.2017). Das zentrale Arbeitsamt nimmt Bewerbungen entgegen und bietet türkischen Staatsbürgern Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche an. Die Behörde verfügt über Filialen im ganzen Land. Weitere Informationen stehen hier zur Verfügung: www.iskur.gov.tr (IOM 2017).

Quellen:

•        IOM - International Organisation for Migration (12.2015): Länderinformationsblatt - Türkei 2015

•        IOM - International Organisation for Migration (2017): Country Fact Sheet Türkei 2017, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2017_T%C3%Bcrkei_DE.pdf, Zugriff 4.7.2018

•        ÖB - Österreichische Botschaft - Ankara (10.2017): Asylländerbericht Türkei

22.3.   Pension

Renten gibt es für den öffentlichen und den privaten Sektor. Kosten: Eigenbeteiligungen werden an das SGK entrichtet, weitere Kosten entstehen nicht. Sofern regelmäßige Einzahlungen getätigt wurden, wird die entsprechende Pension monatlich ausgezahlt.

Berechtigung:

•        Staatsbürger über 18 Jahre

•        Exilanten, die ihre Arbeit im Ausland nachweisen können (bis zu einem Jahr Arbeitslosigkeit möglich)

•        Im Ausland gezahlte Beiträge können in die Türkei transferiert und in Türkische Lira nach dem derzeitigen Kurs ausgezahlt werden

•        Ehegattinnen können von der Rente profitieren, sofern sie ihre ausländischen Beiträge an die SSK, Ba?-kur oder Emekli Sand??? überwiesen haben

Voraussetzungen:

•        Anmelden bei der Sozialversicherung SGK

•        Hausfrauen müssen sich bei Ba?-kur anmelden

•        Antrag an die Sozialversicherung, an welche sie ihre Beiträge gezahlt haben, innerhalb von zwei Jahren nach der Rückkehr

Personen älter als 65 Jahre, Behinderte über 18 und Personen, mit Vormundschaft über Behinderte unter 18, erhalten eine monatliche Zahlung. Unmittelbare Familienangehörige des Versicherten, der verstorben ist oder mindestens zehn Jahre gearbeitet hat, haben Zugang zu Witwen- bzw. Waisenhilfe. Hat der Verstorbene mindestens fünf Jahre gedient, erhalten seine Kinder unter 18, sowie Kinder in der Sekundarschule unter 20 und Kinder in höherer Bildung unter 25, Waisenhilfe (IOM 2017).

Quellen:

•        IOM - International Organisation for Migration (2017): Country Fact Sheet Türkei 2017, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2017_T%C3%Bcrkei_DE.pdf, Zugriff 4.7.2018

23.      Medizinische Versorgung

Die medizinische Primärversorgung ist flächendeckend ausreichend. Die sekundäre und postoperationelle Versorgung dagegen oft mangelhaft, aufgrund der staatlichen sanitären Zustände in den Spitälern und der Hygienestandards, die nicht dem westlichen Standard entsprechen. Dies gilt v.a. in staatlichen Spitälern in ländlichen Gebieten und kleinen Provinzstädten (ÖB 10.2017). Trotzdem hat sich das staatliche Gesundheitssystem in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert - vor allem in ländlichen Gegenden sowie für die arme, (bislang) nicht krankenversicherte Bevölkerung. Auch wenn Versorgungsdefizite - vor allem in ländlichen Provinzen - bei der medizinischen Ausstattung und im Hinblick auf die Anzahl von Ärzten bzw. Pflegern bestehen, sind landesweit Behandlungsmöglichkeiten für alle Krankheiten gewährleistet. Landesweit gab es 2016 1.510 Krankenhäuser mit einer Kapazität von 217.771 Betten, davon ca. 58% in staatlicher Hand (AA 3.8.2018). Die Gesundheitsreform ist als Erfolg zu werten, da mittlerweile 90% der Bevölkerung eine Krankenversicherung haben, die Müttersterblichkeit bei Geburt um 70%, die Kindersterblichkeit um 2/3 gesunken ist, und dies von der Welt Bank als eine der größten Erfolgsgeschichten bezeichnet wird. Allerdings warnt die Welt Bank vor explodierenden Kosten. Zahlreiche Ärzte kritisieren die sinkende Qualität der Behandlungen (aufgrund der reduzierten Konsultationsdauer und der geringeren Ressourcen pro Patient) (ÖB 10.2017).

Grundsätzlich können sämtliche Erkrankungen in staatlichen Krankenhäusern angemessen behandelt werden, insbesondere auch chronische Erkrankungen wie Krebs, Niereninsuffizienz (Dialyse), Diabetes, Aids, Drogenabhängigkeit und psychiatrische Erkrankungen. Wartezeiten in den staatlichen Krankenhäusern liegen bei wichtigen Behandlungen/Operationen in der Regel nicht über 48 Stunden. Im Fall von Krebsbehandlungen kann nach aktuellen Medienberichten aufgrund des gesunkenen Wertes der türkischen Währung keine ausreichende Versorgung mit bestimmten Medikamenten aus dem Ausland gewährleistet werden; es handelt sich aber nicht um ein flächendeckendes Problem (AA 3.8.2018).

Auch durch die zahlreichen Entlassungen nach dem gescheiterten Putschversuch, von denen auch der Gesundheitssektor betroffen ist, kommt es nach Medienberichten gelegentlich zu Verzögerungen bei der Bereitstellung medizinischer Dienstleistungen. Das neu eingeführte, seit 2011 flächendeckend etablierte Hausarztsystem ist von der Eigenanteil-Regelung ausgenommen. Nach und nach soll das Hausarztsystem die bisherigen Gesundheitsstationen (Sa?l?k Oca?i) ablösen und zu einer dezentralen medizinischen Grundversorgung führen. Die Inanspruchnahme des Hausarztes ist freiwillig (AA 3.8.2018).

Die Behandlung bleibt für die bei der staatlichen Krankenversicherung Versicherten mit Ausnahme der „Praxisgebühr“ unentgeltlich. In vielen staatlichen Krankenhäusern ist es nach wie vor üblich, dass Pflegeleistungen nicht durch Krankenhauspersonal, sondern durch Familienangehörige und Freunde übernommen werden (AA 3.8.2018). NGOs, die sich um Bedürftige kümmern, sind in der Türkei vereinzelt in den Großstädten vorhanden, können jedoch kaum die Grundbedürfnisse der Bedürftigen abdecken (ÖB 10.2017).

Um vom türkischen Gesundheits -und Sozialsystem profitieren zu können, müssen sich in der Türkei lebende Personen bei der türkischen Sozialversicherungsbehörde (Sosyal Guvenlik Kurumu - SGK) anmelden. Gesundheitsleistungen werden sowohl von privaten als auch von staatlichen Institutionen angeboten. Sofern Patienten bei der SGK versichert sind, sind Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern kostenlos. Die Kosten von Behandlungen in privaten Krankenhäusern werden von privaten Versicherungen gedeckt. Sobald man bei der SGK versichert ist, erhält man folgende Leistungen kostenlos: Impfungen, Diagnosen und Laboruntersuchungen, Gesundheitschecks, Schwangerschafts -und Geburtenbetreuung, Notfallbehandlungen. Beiträge sind einkommensabhängig (zwischen 65,88 TRY und 395,28 TRY) (IOM 2017). Die SGK refundiert auch die Kosten in privaten Hospitälern, sofern mit diesen ein Vertrag besteht. Die Kosten in privaten Krankenhäusern unterliegen, je nach Qualitätsstandards, gewissen, von der SGK vorgegebenen Grenzen. Die Kosten dürfen maximal 90% über denen von der SGK verrechneten liegen. Notfalldienste, Intensivmedizin, Verbrennungen, Krebstherapie, Neugeborenenversorgung, alle Transplantationen, Operationen bei angeborenen Anomalien, Hämodialyse und kardiovaskuläre Chirurgie sind von diesen zusätzlichen Zahlungen im privaten Sektor ausgenommen. Für die stationäre Versorgung kann das Privatkrankenhaus dem Patienten einen Zuschlag für Unterbringungsleistungen in Rechnung stellen (IBZ 10.7.2015).

Die meisten Rückkehrer, die über keine Krankenversicherung verfügen und eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und bereits mindestens ein Jahr in der Türkei leben, müssen monatlich in den Fond einzahlen. Dazu müssen sie im System registriert sein und mindestens 180 Tage Beitragszahlungen leisten. Rückkehrer werden bei der SGK-Registrierung nicht gesondert behandelt. Kinder gelten automatisch als versichert, sobald die Eltern bei der SGK registriert sind (IOM 2017).

Der Mindestbetrag für die Grundversorgung – sofern keine Versicherung durch den Arbeitgeber bereits besteht – beträgt zwischen 6-12% des monatlichen Einkommens. Personen ohne ein reguläres Einkommen müssen ca. 15 EUR/Monat in die Krankenkasse einzahlen. Bei Nachweis über ein sehr geringes Einkommen (weniger als 150,- EUR/Monat) werden die Grundversorgungsbeiträge vom Staat übernommen (ÖB 10.2017).

Die Einrichtungen sind auf Personen mit besonderen Bedürfnissen abgestimmt (Familien, Kinder, Senioren und erkrankte Menschen, Menschen mit psychischen Erkrankungen) sowie auf ökonomisch benachteiligte Menschen. Der Patient kann sich direkt an eine Apotheke (ECZANE) wenden, ohne vorher einen Anmeldevorgang durchlaufen zu müssen. Apotheken sind überall verfügbar. Für einige Medikamente benötigt man ein grünes bzw. ein rotes Rezept. Andere Medikamente können ohne Rezept gekauft werden (IOM 2017).

Die Behandlung psychischer Erkrankungen erfolgt überwiegend in öffentlichen Institutionen. Bei der Behandlung sind zunehmende Kapazitäten und ein steigender Standard festzustellen. Insgesamt standen 2016 zwölf psychiatrische Fachkliniken mit einer Bettenkapazität von rund 4.400 zur Verfügung, weitere Betten gibt es in besonderen Fachabteilungen von einigen Regionalkrankenhäusern(AA 3.8.2018). Insgesamt 32 therapeutische Zentren für Alkohol- und Drogenabhängige (AMATEM) befinden sich in Adana, Ankara (4), Antalya, Bursa (2), Denizli, Diyabakir, Edirne, Elazig, Eskisehir, Gaziantep, Istanbul (5), Izmir (3), Kayseri, Konya, Manisa, Mersin, Sakarya, Samsun, Tokat und Van (2) (AA 3.8.2018).

Bei der Schmerztherapie und Palliativmedizin bestehen Defizite, allerdings versorgt das Gesundheitsministerium derzeit alle öffentlichen Krankenhäuser mit Morphinen, auch können Hausärzte bzw. deren Krankenpfleger diese Schmerzmittel verschreiben und Patienten künftig in Apotheken auf Rezept derartige Schmerzmittel erwerben (AA 3.8.2018).

Im Rahmen der häuslichen Krankenbetreuung sind in allen Landesteilen staatliche mobile Teams im Einsatz (bestehend meist aus Arzt, Krankenpfleger, Fahrer, ggf. Physiotherapeut etc.), die Kranke zu Hause betreuen. Etwa 15% der Bevölkerung profitiert von diesen Angeboten (AA 3.8.2018).

Eine AIDS-Behandlung kann in allen Provinzen mit Universitätskrankenhäusern durchgeführt werden. In Istanbul stehen drei, in Ankara und Izmir jeweils zwei private Krankenhäuser für eine solche Behandlung zur Verfügung (AA 3.8.2018).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (3.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

•        IBZ - Federal Public Service Home Affairs General Directorate Aliens’ Office Belgium, MedCOI - Belgian Desk on Accessibility (10.7.2015): Country Fact Sheet Access to Healthcare: Turkey, Zugriff 4.7.2018

•        IOM - International Organisation for Migration (2017): Country Fact Sheet Türkei 2017, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2017_T%C3%Bcrkei_DE.pdf, Zugriff 2.7.2018

•        ÖB - Österreichische Botschaft - Ankara (10.2017): Asylländerbericht Türkei

24.      Behandlung nach Rückkehr

Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr polizeilicher oder justizieller Maßnahmen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen (AA 3.8.2018). Personen die für die PKK oder eine Vorfeldorganisation der PKK tätig waren, müssen in der Türkei mit langen Haftstrafen rechnen. Ähnliches gilt für andere Terrororganisationen (z.B. DHKP-C, türkische Hisbollah, Al-Qaida) (ÖB 10.2017). Das türkische Außenministerium sieht auch die syrisch-kurdische PYD bzw. die YPG als von der als terroristisch eingestuften PKK geschaffene Organisationen, welche mit der PKK hinsichtlich der Führungskader, der Organisationsstrukturen sowie der Strategie und Taktik verbunden sind (MFA o.D.).

Seit dem versuchten Militärputsch im Juni 2016 werden Personen, die mit dem Gülen-Netzwerk in Verbindung sind, als Terroristen gesehen. Auf die sog. Mitglieder der „FETÖ“ (Fetullah-Gülenistische Terrororganisation), die im Ausland leben, werden von der Türkei Einreiseverbote verhängt. Hierbei handelt es sich meistens um nicht-türkische Staatsbürger mit türkischem Ursprung (ÖB 10.2017). Die türkische Regierung hat im Nachgang zu dem Putschversuch 2016 zahlreiche ausländische Regierungen um Mithilfe bei der Ermittlung von Mitgliedern des sog. „Gülen-Netzwerkes“ gebeten. Es ist wahrscheinlich, dass türkische Stellen Regierungsgegner und Gülen-Anhänger im Ausland ausspähen. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können. Aus bekannt gewordenen Fällen ist zu schließen, dass solche Äußerungen zunehmend zu Strafverfolgung und Verurteilung zumindest als Propaganda für eine terroristische Organisation führen (AA 3.8.2018).

Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht oder ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Es ist in den letzten Jahren jedoch kein Fall bekannt geworden, indem ein in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten – dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen – gefoltert oder misshandelt worden ist (AA 3.8.2018).

Rückkehrprobleme im Falle einer Asylantragstellung im Ausland sind keine bekannt. Nach Artikel 23 der türkischen Verfassung bzw. Paragraph 3 des türkischen Passgesetzes ist die Türkei zur Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger verpflichtet, wenn zweifelsfrei der Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit vorliegt (ÖB 10.2017).

Türkischen Staatsangehörigen im Ausland, die von den türkischen Behörden der Beteiligung an der Gülen-Bewegung verdächtigt werden, werden ihre Pässe für ungültig erklärt und durch einen Ein-Tages-Pass ersetzt , mit dem sie in die Türkei zurückkehren, um vor Gericht gestellt zu werden, wo sie ihre Unschuld zu beweisen haben. Lehrer und Militärangehörige scheinen besonders betroffen zu sein, aber auch Kurden und Journalisten (UKHO 2.2018).

Es gibt Vereine, welche von türkischen Rückkehrern gegründet wurden. Hier werden spezielle Programme angeboten, welche die Rückkehrer in Fragen wie Wohnungssuche, Versorgung etc. unterstützen und zugleich eine Netzwerkplattform zur Verfügung stellen. Im Folgenden eine kleine Auswahl:

• Rückkehrer Stammtisch Istanbul, Frau Çi?dem Akkaya, LinkTurkey, E-Mail: info@link-turkey.com

• Die Brücke, Frau Christine Senol, Email: info@bruecke-istanbul.org , http://bruecke-istanbul.com/

• TAKID, Deutsch-Türkischer Verein für kulturelle Zusammenarbeit, ÇUKUROVA/ADANA, E-Mail. almankulturadana@yahoo.de , www.takid.org (ÖB 10.2017).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (3.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei

•        EP - European Parliament, Vice-President Mogherini on behalf of the Commission (23.6.2016): Answer given by Vice-President Mogherini on behalf of the Commission [E-000843/2016], http://www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=E-2016-000843&language=EN, Zugriff 27.1.2017

•        MFA - Republic of Turkey, Ministry of Foreign Affairs (o.D.): PKK, http://www.mfa.gov.tr/pkk.en.mfa, Zugriff 2.7.2018

•        ÖB - Österreichische Botschaft - Ankara (10.2017): Asylländerbericht Türkei

•        UKHO - United Kindom Home Office (2.2018): Country Policy and Information Note Turkey: Gülenist movement, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachme

I.15.2. Im Rahmen der Beweiswürdigung wurden vom BFA folgende Ausführungen getroffen:

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

-        betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Aus dem gesamten Akteninhalt zur Zahl IFA 1072688909

-        betreffend die Feststellung zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Aus dem gesamten Akteninhalt zur Zahl IFA 1072688909

-        betreffend die Feststellungen über Ihr Privat- und Familienleben:

Aus dem gesamten Akteninhalt zur Zahl IFA 1072688909

-        betreffend die Feststellungen der Gründe für die Erlassung der Ausweisung

Aus dem gesamten Akteninhalt zur Zahl IFA 1072688909

-        betreffend die Feststellungen der Lage im Herkunftsstaat

aktueller Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation Türkei vom 27.06.2019

I.15.3. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wurden vom BFA folgende Ausführungen getroffen:

Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihm aus Gründen des § 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht gem. §§ 53a oder 54a NAG erworben haben. In diesem Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt sei 10 Jahren im Bundesgebiet haben, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig.

Gemäß § 51 Abs. 1 NAG sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als 3 Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind, für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthaltes weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichzulage in Anspruch nehmen müssen, oder als Hauptzweck ihres Aufenthaltes eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschulde oder Bildungseinrichtung absolvieren und ebenso über die ausreichenden Existenzmittel sowie den Krankenversicherungsschutz verfügen.

EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, sind gem. § 52 Abs. 1 NAG zum Aufenthalt für mehr als 3 Monate berechtigt, wenn sie der Ehegatte oder eingetragene Partner, ein Verwandter, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder weiters sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sind. Weiters sind Verwandte in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird, Lebenspartner in einer dauerhaften Beziehung und sonstige Angehörige, die von EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen und mit ihm in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen. Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein Wegzug aus dem Bundesgebiet die Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft berühren das Aufenthaltsrecht des Angehörigen nicht.

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, zum Aufenthalt für mehr als 3 Monate berechtigt, wenn sie der Ehegatte oder eingetragene Partner Verwandte in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres bzw. darüber hinaus solange ihnen von diesem Unterhalt gewährleistet wird, oder Verwandte in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen von diesem Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sind.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist von EWR-Bürgern bzw. dessen Angehörigen nachzuweisen.

Das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht kommt ihnen zu, solange sie die genannten Voraussetzungen erfüllen und durch ihren weiteren Aufenthalt und ihr Verhalten keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt.

Aus folgenden Gründen kommt Ihnen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht daher nicht zu:

Sie sind seit XXXX .2016 im Bundesgebiet gemeldet und heirateten am XXXX 2016 eine rumänische Staatsangehörige und wurden somit zum begünstigten Drittstaatsangehörigen. In weiterer Folge erhielten Sie eine Aufenthaltskarte und holten auch zwei Kinder aus einer früheren Ehe nach Österreich, welche ebenfalls eine Aufenthaltskarte erhielten. Das Scheidungsverfahren wurde 2017 eingeleitet und die Ehe schließlich am XXXX .2017 geschieden. Damit bestand die Ehe weniger als 3 Jahre womit die Voraussetzungen gem. § 55 Abs. 3 iVm § 54 Abs. 5 NAG nicht mehr vorliegen. Dies gilt ebenso für Ihre zwei Kinder, gegen welche ebenfalls ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden ist.

Gem. § 54 Abs. 5 NAG gilt: „Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;“

Sie halten sich somit nicht rechtmäßig in Österreich auf, da Sie unter diesen Umständen Ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr in Anspruch nehmen können.

Damit kommt unter stehender Paragraph des NAG zum Tragen, durch welchen gegenständliches Verfahren einzuleiten und die nunmehrige Ausweisung zu erlassen war.

§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Sie erfüllen die Voraussetzung einer aufrechten Ehe für mindestens drei Jahre nicht und können des Weiteren aufgrund der Aufgabe des Freizügigkeitsrechts Ihrer Ex-Frau kein Aufenthaltsrecht mehr von Ihr ableiten.

Zu prüfen ist lediglich eine mögliche Anwendbarkeit des § 54 Abs.5 Zi. 4 NAG und damit ob das Aufenthaltsrechts zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Drittstaatsangehörigen wegen der Beeinträchtigung Ihrer schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden kann. Solche darin angeführten besonders schwierigen Umstände oder Opfer von häuslicher Gewalt liegen in Ihrem Fall nicht vor. (Siehe dazu Erkenntnis BVwG vom 08.05.2018 zur Zahl I403 2189458-1/3E bzw. BVwG G308 2174334 mit gleichem Sachverhalt).

Die Freizügigkeitsrichtlinie der EU sieht gem. Art. 12 und 13 und vor Ablauf des Erwerbs des Daueraufenthaltsrechts, nur einen weiteren Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen bei Tod des EU-Bürgers, Scheidung oder Minderjährigkeit vor. Der Freizügigkeitsgrund besteht aufgrund der Scheidung somit jetzt nicht mehr und damit ist eine Ableitung auf Sie auch nicht möglich.

Unter Einbeziehung des Artikel 8 EMRK ergeben sich keine Gründe, die die ha. Behörde daran hindern diese Entscheidung zu treffen.

Eine Niederlassung ist aufgrund der fehlenden Voraussetzungen nicht möglich. Es besteht ein öffentliches Interesse, dass die Bestimmungen des NAG eingehalten werden. Ihr Verhalten stellt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar und musste im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen eine Entscheidung zu Ihrem Nachteil getroffen werden.

Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt gemäß § 66 Abs. 3 FPG insbesondere die Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftssaat zu berücksichtigen.

Es ist daher nunmehr eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff als verhältnismäßig – auch im Sinne des Artikel 8 EMRK – angesehen werden kann:

Die Dauer des Aufenthaltes:

Sie halten sich seit 2016 laut Melderegister durchgehend in Österreich auf.

Das Alter:

Sie sind arbeitsfähig und ist Ihnen auch zumutbar in Ihre Heimat zurückzukehren.

Der Gesundheitszustand:

Sie haben keine Angaben gemacht, die darauf schließen würden, dass Sie nicht reisefähig sind.

Die familiäre und wirtschaftliche Lage:

Sie sind neuerlich mit Ihrer ersten Ehefrau verheiratet und haben Sorgepflichten für ein Kind. In Österreich leben Ihre Ex-Frau sowie ein minderjähriges und ein volljähriges Kind. Auch gegen Ihre beiden Kinder wurde ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Ihre jetzige Ehefrau lebt in der Türkei. Sie sprechen türkisch und ein Nachweis über Deutschkenntnisse wurde nicht vorgelegt. Sie sind selbstständig und brachten bis dato keinen Antrag bei der NAG Behörde auf einen Umstiegt auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus ein. Ihr angeführtes Restaurant wurde erst im März 2019 von Ihnen übernommen, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits das Ausweisungsverfahren eingeleitet worden war und Sie von diesem und der möglichen Aufenthaltsbeendigung in Kenntnis waren.

Im Ergebnis kommt daher Ihnen aufgrund der Ehescheidung und damit auch Ihren Kindern selbst aufgrund des von Ihnen abgeleiteten Aufenthaltsrechtes, ein Aufenthaltsrecht gemäß § 54 NAG nicht mehr zu.

Aus dem Fremdenregister ist ersichtlich, dass weder Sie selbst noch Ihre Kinder bisher einen Antrag auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus gestellt haben oder sonst versucht hätten einen, ihren weiteren Aufenthalt zu legalisieren.

Ihnen musste bewusst gewesen sein, dass sich Ihr Aufenthaltsrecht von Ihrer geschiedenen rumänischen Ehegattin ableitet. Daher musste Ihnen auch seit der Auflösung der Ehe bewusst gewesen sein, dass Ihr Aufenthaltsstatus nicht gesichert ist. Sie haben bisher auch nicht versucht, auf andere Weise Ihren weiteren Aufenthalt zu legalisieren.

Vor diesem Hintergrund und der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich ist davon auszugehen, dass eine Rückkehr in die Türkei wieder möglich ist. Sie leben erst seit drei Jahren in Österreich und daher ist auch nicht davon auszugehen, dass Sie in der Türkei völlig entwurzelt wären, wo Sie auch einen Großteil Ihres Lebens dort verbachten.

Bei einer gewichtenden Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit den gegenläufigen familiären und privaten Interessen hat sich bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls – auch unter Berücksichtigung der (derzeit) legalen Beschäftigung im Bundesgebiet - ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung ergeben, zumal Sie sich erst drei Jahre im Bundesgebiet aufhalten.

Es liegt kein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben vor.

Die soziale und kulturelle Integration:

Es konnte weder wesentliche eine soziale noch kulturelle Integration festgestellt werden.

Das Ausmaß der Bindung zum Herkunftsstaat:

In Ihrem Fall ist davon auszugehen, dass noch immer ein sozialer Bezug zu Ihrem Herkunftsstaat besteht, da Sie in der Vergangenheit auch einen Großteil Ihres Lebens dort verbachten.

In Ihrem Fall besteht in Österreich kein Familienleben und außerdem stellt eine Ausweisung gem. § 66 FPG kein Einreiseverbot dar und Sie können nach nachweislicher Ausreise unter Einhaltung der Einwanderungsbestimmungen wiederum nach Österreich zurückkehren.

Es besteht ein öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und der Einhaltung der NAG und FPG Bestimmungen. Daher können Sie das angestrebte unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht in Anspruch nehmen.

Im Rahmen einer Gesamtabwägung all dieser Umstände iSd Art 8 Abs. 2 EMRK gelangt man daher gegenständlich zu dem Ergebnis, dass die dargestellten individuellen Interessen iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht vorhanden sind, dass Sie die oben genannten öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufenthaltsbeendigung und der damit verbundenen Ausreise Ihnen sehr wohl zugemutet werden kann.

Da die Abwägung Ihrer Interessen gegen die Interessen des Staates ergeben hat, dass Ihr Verlassen des Bundesgebietes notwendig und geboten ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist bei Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit geboten. In Ihrem Fall ergibt sich, wie oben ausführlich dargelegt, zwar die Notwendigkeit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, es erscheint jedoch ausreichend, wenn Sie – wie in § 70 Abs. 3 FPG vorgesehen – binnen einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Maßnahme ausreisen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Sie in diesem Zeitraum kein Verhalten setzen werden, welches die sofortige Umsetzung der Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erfordern würde. Sie haben daher innerhalb eines Monats ab Durchsetzbarkeit dieses Bescheids das Bundesgebiet zu verlassen.

I.15.4. In Bezug auf BF2 und BF3 wurde sinngemäß argumentiert.

I.16. In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 26.09.2019 wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es zwar richtig sei, dass die Ehe mit der rumänischen Ehegattin des BF 1 geschieden worden sei. Das BFA habe sich aber mit den tatsächlichen Scheidungsgründen in keiner Weise auseinander gesetzt sondern nur unzureichend angeführt, dass eine mögliche Anwendbarkeit des § 54 Abs. 5 Zi 4 NAG zu prüfen sei, insbesondere weil Drittstaatsangehörigen wegen der Beeintächtigung der schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden kann. Solche Umstände würden nicht vorliegen. Hingewiesen wurde neben Wiederholung des bisherigen Vorbringens auf die Übernahme des Geschäftslokals des Bruders durch BF1, da der Bruder ein weiteres Geschäftslokal eröffnet hätte. Auch wenn die BF erst etwas mehr als 3 Jahre im Bundesgebiet aufhältig wären, stelle die Aufenthaltsbeendigung einen schwerwiegenden und unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte dar. Die BF hätten sich schnell integriert und Fuß gefasst. Sie hätten sich eine wirtschaftliche Existenz aufgebaut und habe sich das BFA weder damit, noch mit dem Beitrag zur österreichischen Wirtschaft oder den Anzeigeschaltungen auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang habe das BFA auch das Assoziierungsabkommen zwischen der EWR und der Türkei ignoriert. Aufgrund

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten