TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/2 L524 2119600-4

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Veröffentlicht am 02.10.2020
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Entscheidungsdatum

02.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §57 Abs1
VwGVG §13 Abs2

Spruch

L524 2119600-4/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2020, Zl. 1052621108/190214015, wegen Anordnung einer Wohnsitzauflage, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26.11.2019, Zl. 1052621108-190214015/BMI-BFA_STM_AST_02, wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, bis zur Ausreise durchgängig in der Betreuungseinrichtung XXXX , Unterkunft zu nehmen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Vorstellung.

Am 23.12.2019 wurde das Ermittlungsverfahren eingeleitet und der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16.07.2020 vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Der Beschwerdeführer gab hierzu am 31.07.2020 eine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid des BFA vom 04.09.2020, Zl. 1052621108/190214015, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig in der Betreuungseinrichtung XXXX , Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

II. Feststellungen:

Am 26.02.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 07.11.2017, Zl. 1052621108-150215365, abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019, G306 2119600-1/10E, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 13.02.2019 zugestellt.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 05.04.2019, E 1092/2019-6, wurde der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12.06.2019, E 1092/2019-9, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Der Beschwerdeführer hat Österreich nicht verlassen. Bei einem Rückkehrberatungsgespräch am 07.10.2019 zeigte sich der Beschwerdeführer nicht rückkehrwillig.

Am 23.09.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der Einvernahme zu seinem Folgeantrag erklärte der Beschwerdeführer vor dem BFA, dass er nicht [in den Irak] zurückkehren werde.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 18.10.2019, Zl. 1052621108 - 190971806, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung samt einem auf zwei Jahre befristeten Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.11.2019, I415 2119600-3, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 19.11.2019 in Rechtskraft.

Es leben keine Familienangehörige des Beschwerdeführers in Österreich. Der Beschwerdeführer führt keine Lebensgemeinschaft, hat aber eine Freundin. Der Beschwerdeführer wohnt bei einem Freund, der für ihn die Miete bezahlt. Der Beschwerdeführer ist nicht berufstätig. Er ist gesund und gehört keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung an.

Der Beschwerdeführer erklärte anlässlich der beabsichtigten Erlassung der Wohnsitzauflage in seiner Stellungnahme, dass er einen weiteren Aufenthalt in Österreich anstrebt.

Am 20.08.2020 stellte der Beschwerdeführer beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz und zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Bescheid des BFA vom 07.11.2017, Zl. 1052621108-150215365 und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019, G306 2119600-1/10E.

Die Feststellung zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und zur Ablehnung der Beschwerdebehandlung ergeben sich aus den Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes 05.04.2019, E 1092/2019-6 und vom 12.06.2019, E 1092/2019-9.

Die Feststellungen zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Bescheid des BFA vom 18.10.2019, Zl. 1052621108 - 190971806 und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.11.2019, I415 2119600-3. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer anlässlich der Einvernahme zu seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz, erklärte, dass er nicht zurückkehren werde, ergibt sich aus dem Akt des BFA (AS 121).

Dass der Beschwerdeführer Österreich nicht verlassen hat, ist unstrittig.

Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer bei dem Rückkehrberatungsgespräch am 07.10.2019 nicht rückkehrwillig zeigte, ergibt sich aus einer Rückmeldung des VMÖ, bei dem das Gespräch stattfand (OZ 3).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist und keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung angehört, ergibt sich aus seiner Stellungnahme und der Beschwerde, in der die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe nicht vorgebracht wurde.

Die Feststellungen, dass keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Österreich leben, er keine Lebensgemeinschaft führt, ein Freundin hat und bei einem Freund lebt und nicht berufstätig ist und einen weiteren Aufenthalt in Österreich anstrebt, ergeben sich aus seinen Angaben in der Stellungnahme.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 20.08.2020 beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK stellte, ergibt sich aus dem vom BFA übermittelten Antragsformular (OZ 3).

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§ 57 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lautet auszugsweise:

„Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn
1.         keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder
2.         nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige
1.         entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;
2.         nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;
3.         an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;
4.         im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;
5.         im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) …

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange
1.         die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,
2.         sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder
3.         ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen.“

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Die Erteilung einer Wohnsitzauflage ist daher gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 FPG zulässig, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist gemäß § 57 Abs. 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen (Z 4).

Bei dem Rückkehrberatungsgespräch am 07.10.2019 zeigte sich der Beschwerdeführer nicht rückkehrwillig. Im Asylverfahren zu seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz erklärte der Beschwerdeführer, dass er nicht [in den Irak] zurückkehren werde. Damit ist § 57 Abs. 2 Z 4 FPG erfüllt.

Da es sich bei § 57 Abs. 2 FPG um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK – insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt – zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird (vgl. BlgNR 2285/A XXV. GP, S. 63f).

Im vorliegenden Fall ist anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird. Der Beschwerdeführer erklärte nämlich in seiner Stellungnahme, dass er einen weiteren Aufenthalt in Österreich anstrebt. Außerdem stellte er am 20.08.2020 einen einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK. Damit ist klar, dass der Beschwerdeführer nicht in den Irak zurückkehren will.

Sofern der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme ausführt, er sei als „Flüchtling“ nach Österreich gekommen und habe weiterhin begründete Furcht vor Verfolgung im Irak, auch wenn seine Asylgründe vom Bundesverwaltungsgericht nicht als relevant anerkannt worden seien, ist festzuhalten, dass bereits in zwei Verfahren rechtskräftig festgestellt wurde, dass dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Irak droht und er damit kein Flüchtling ist. Auch die Voraussetzungen für das Vorliegen subsidiären Schutzes wurden verneint. Wenn der Beschwerdeführer entgegen den beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts weiterhin darauf beharrt, im Irak verfolgt zu werden und auf die Sicherheitslage verweist, ist offenkundig, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

Bei Erlassung einer Wohnsitzauflage ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK – insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt – zu berücksichtigen (vgl. BlgNR 2285/A XXV. GP, S. 63f).

Der Beschwerdeführer ist nicht berufstätig. Es leben keine Verwandte des Beschwerdeführers in Österreich. Der Beschwerdeführer führt auch keine Lebensgemeinschaft. Er hat zwar eine Freundin, lebt aber bei einem Freund, der für ihn die Miete bezahlt. Es bestehen somit keine familiären Strukturen in Österreich, die zu berücksichtigen sind.

Soweit der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vorbringt, dass die Wohnsitzverlegung in ein „eventuelles Risikogebiet“ und die damit einhergehende „Lebensgefahr“, noch dazu „in einer Einrichtung auf engem Raum mit einer Vielzahl unbekannter Personen aus aller Herren Länder“ unzumutbar sei, ist dazu festzuhalten, dass dieses Vorbringen rein spekulativ ist und es an Relevanz für den vorliegenden Fall mangelt, da der Beschwerdeführer keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung angehört, zumal er diesbezüglich kein Vorbringen erstattete.

Mit dem Vorbringen in der Stellungnahme, dass kein Bedarf für eine Unterbringung in einem Quartier abseits der urbanen Infrastruktur ersichtlich sei, wo es keine Möglichkeiten für sinnvolle Arbeit, Bildung, Sport oder anderweitige Beschäftigung gebe und die Anreise dorthin für den Beschwerdeführer zu kostspielig und damit unzumutbar sei, wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie des Art. 8 EMRK erfolgte die Erlassung der Wohnsitzauflage somit zu Recht.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG abgesehen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung aufschiebende Wirkung - Entfall Ausreiseverpflichtung Rückkehrabsicht Verhältnismäßigkeit Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L524.2119600.4.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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