TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/5 W256 2224203-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.10.2020

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §6 Abs1
AVG §69
B-VG Art133 Abs4
DSG §1
DSG §24 Abs2 Z3
DSGVO Art3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W256 2224203-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Caroline Kimm als Vorsitzende, der fachkundigen Laienrichterin Dr. Claudia Rosenmayr-Klemenz und dem fachkundigen Laienrichter Mag. Matthias Schachner als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 30. April 2020, GZ: DSB- XXXX zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat mit E-Mail vom 24. März 2019 eine Beschwerde wegen einer behaupteten Verletzung in seinem Recht auf Geheimhaltung durch eine in Italien ansässige Kinderärztin an die belangte Behörde gerichtet. Die in Rede stehende Ärztin habe bei der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten und der Verarbeitung der personenbezogenen Daten seines minderjährigen Sohnes gegen die Grundsätze der Verarbeitung nach Art 5 DSGVO verstoßen. Zum konkreten Sachverhalt führte der Beschwerdeführer aus, die in Rede stehende Kinderärztin verarbeite unrichtige Daten zu seiner Person und zur Person seines Sohnes. Außerdem tausche sie sich mit „Ämtern und Behörden“ zu den personenbezogenen Daten aus.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom 27. Juni 2019 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer u.a. auf, den Sachverhalt aus dem die Rechtsverletzung abgeleitet werde und die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze, konkret darzulegen, andernfalls die Beschwerde nach § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen werden müsste.

Das daraufhin vom Beschwerdeführer an die belangte Behörde gerichtete Schreiben vom 5. Juli 2019 enthält (erneut) Ausführungen dazu, dass die in Rede stehende Kinderärztin unrichtige Daten zu seiner Person und zu seinem Sohn verarbeite und diese an Ämter weitergebe. Insbesondere verweist er darin darauf, dass sein Sohn, er und „das Familiengefüge“ keinen Auslandsbezug hätten. Sein minderjähriger Sohn sei gegen den belegbaren Willen beider Elternteile mit unrichtigen Daten in das Register der ansässigen Bevölkerung der italienischen Gemeinde XXXX eingetragen worden und gelte er als in Italien krankversichert. Der minderjährige Sohn werde in Italien mangelhaft versorgt. Darüber hinaus enthält sein Schreiben Ausführungen zum Trennungsverfahren mit der „biologischen Kindesmutter“ und über deren Täuschungen und Betrügereien gegenüber Ämtern und Behörden in Bezug auf ihren Aufenthaltsstatus. Abschließend beantragte der Beschwerdeführer erneut, die belangte Behörde möge „mit der angemessenen Dringlichkeit die Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz (Geheimhaltung) hinsichtlich der personenbezogenen Daten zu [seiner] Person und zur Person des mj.“ Sohnes gegenüber der in Rede stehenden Kinderärztin feststellen. „Die widerrechtliche Verarbeitung der unrichtigen personenbezogenen Daten durch die Beschwerdegegnerin in der italienischen Gemeinde [..] [habe] erhebliche schädigende Auswirkungen auf die Situation [s]eines Sohnes und auf [s]eine Person in Österreich.“

Mit Schreiben vom 6. September 2019 leitete die belangte Behörde die (verbesserte) Beschwerde des Beschwerdeführers und „von seinem Sohn“ wegen einer behaupteten Verletzung im Recht auf Geheimhaltung an die italienische Datenschutzbehörde weiter. Aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers gehe die belangte Behörde davon aus, dass keine grenzüberschreitende Verarbeitung im Sinne des Art 4 Abs. 23 DSGVO vorliege. In Übereinstimmung mit dem internationalen „EDPB Document 1/2019“ werde die Beschwerde daher an die italienische Datenschutzbehörde weitergeleitet. Die belangte Behörde bleibe selbstverständlich nach Art 77 Abs. 2 DSGVO dafür verantwortlich, den Beschwerdeführer über den Stand des Verfahrens zu informieren, weshalb die belangte Behörde die italienische Datenschutzbehörde um Information betreffend das weitere Verfahren ersuche.

Eine insofern ergangene Mitteilung der italienischen Datenschutzbehörde kann dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht entnommen werden.

Mit Schreiben vom selben Tag, GZ XXXX wurde der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Beschwerde vom 24. März 2019, verbessert mit Eingabe vom 5. Juli 2019, zuständigkeitshalber an die italienische Datenschutzbehörde abgetreten worden sei und das Verfahren vor der belangten Behörde dementsprechend eingestellt werde.

Der Beschwerdeführer richtete am 28. April 2020 folgendes auszugsweise wiedergegebenes Schreiben an die belangte Behörde:

„Betreff: AW: Erl. 2 DSB- XXXX Wiederaufnahme des Verfahrens und Erledigung durch Bescheid

Sehr geehrte Damen und Herren!

[..]

Mit den neuen Beweismitteln beantrage ich die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG. Mit der Einstellung und Abtretung kann ich mich so nicht zufriedengeben. Welche[n] genauen gesetzlichen Grundlagen gelten hier? Kann die österreichische Datenschutzbehörde unmittelbar über XXXX die Widerrechtlichkeit des italienischen Verwaltungshandelns feststellen? Kann die österreichische Datenschutzbehörde zum Beispiel die Kindesmutter als Zeugin einladen? Kann die österreichische Aufsichtsbehörde in solchen Angelegenheiten direkt ein internationales Amtshilfeersuchen an italienische Behörden stellen? Ich bitte um eine Erledigung der Angelegenheit durch Bescheid.

[…]“

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. April 2020 auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend seine Beschwerde vom 24. März 2019, verbessert mit Eingabe vom 5. Juli 2019, zurückgewiesen. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens nach § 69 AVG setze voraus, dass es sich bei der gegenständlichen Angelegenheit um ein Verwaltungsverfahren, welches mittels Bescheid erledigt worden sei, handle. Im vorliegenden Fall sei die Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 6 AVG abgetreten worden. Eine bescheidmäßige Erledigung sei nicht erfolgt. Da das Verfahren somit nicht durch Bescheid abgeschlossen worden sei, seien die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme nach § 69 AVG nicht gegeben und insofern der Antrag zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde habe das Verfahren völlig willkürlich an die italienische Datenschutzbehörde abgetreten und sei kein Bescheid erlassen worden. Der „internationalen Unzuständigkeitserklärung der österreichischen Datenschutzbehörde“ werde entgegengetreten. Die österreichische Datenschutzbehörde unterstehe der gerichtlichen Kontrolle. Der Beschwerdeführer habe ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Jede Person könne gegen Beschlüsse der Aufsichtsbehörde, durch welche sie beschwert werde, einen gerichtlichen Rechtsbehelf ergreifen. Insofern beantrage er die Aufhebung des gegenständlichen Bescheids und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Beweiswürdigung:

Der oben wiedergegebene Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf „Wiederaufnahme“ des mittels Weiterleitung abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens. Dabei ging die belangte Behörde in ihrer Begründung davon aus, dass der Beschwerdeführer eine Wiederaufnahme nach § 69 AVG begehrt habe, eine solche jedoch ein mittels Bescheid abgeschlossenes Verfahren voraussetze und damit im vorliegenden Fall einer (bloßen) Weiterleitung nicht greifen könne.

Damit hat die belangte Behörde aber verkannt, dass der ihrem Bescheid zugrundeliegende Antrag des Beschwerdeführers nach seinem eindeutigen Wortlaut eben gerade die erfolgte Weiterleitung bemängelt und auf einen Abschluss des Verfahrens durch die belangte Behörde mittels Bescheid abgezielt hat („Betreff: [..] Wiederaufnahme des Verfahrens und Erledigung durch Bescheid“; „Mit der Einstellung und Abtretung kann ich mich so nicht zufriedengeben.“; „Ich bitte um eine Erledigung der Angelegenheit durch Bescheid.“).

Der vorliegende Antrag des Beschwerdeführers war demnach erkennbar darauf gerichtet, das mittels (bloßer) Weiterleitung abgeschlossene Verfahren „wiederaufzunehmen“ und in weiterer Folge mittels Bescheid abzuschließen.

Dass sich der Beschwerdeführer dabei auf die (die Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens regelnde) Bestimmung des § 69 AVG berufen hat, schadet dieser Deutung angesichts des offenkundigen Willens des Beschwerdeführers nicht und darf dies dem anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht zum Nachteil gemacht werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt eine Weiterleitung nach § 6 AVG (zunächst) das Erlöschen der Entscheidungspflicht der abtretenden Behörde, und zwar unabhängig davon, ob die Weiterleitung zu Recht erfolgt ist oder nicht. Die Entscheidungspflicht der abtretenden Behörde lebt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber dann wieder auf, wenn die Partei, welche die Rechtsmeinung der abtretenden Behörde nicht teilt, – vor Erledigung des Antrags durch die andere Behörde – auf deren Zuständigkeit beharrt (siehe dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 (Stand 1.1.2014, rdb.at), Rn 13ff sowie die jüngste Rechtsprechung des VwGH in Bezug auf den verfahrenseinleitenden Antrag VwGH, 28.2.2011, 2010/17/0279 m.w.N; sowie VwGH, 26.1.2017, Ra 2016/11/0173 und VwGH 24.6.2015, Ra 2015/04/0035, wonach (anders als bei der zur Konstellation eines Berufungsverfahrens vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 entwickelten Rechtsprechung des VwGH) auch die Verwaltungsgerichte bei zweifelhafter Zuständigkeit oder bei ausdrücklichem Verlangen eine Entscheidung zu treffen haben; vgl. in Bezug auf den Verwaltungsgerichtshof selbst VwGH, 29.10.2014, Ro 2014/04/0069).

§ 6 Abs. 1 AVG normiert zwar eine Verpflichtung der (unzuständigen) Behörde zur Weiterleitung eines Anbringens an die zuständige Stelle. Das schließt aber nicht aus, dass die (unzuständige) Behörde eine bescheidmäßige Entscheidung über ihre Unzuständigkeit zu fällen hat, wenn dies vom Einschreiter verlangt wird oder sonst – etwa wegen Zweifel über die unzuständige Stelle oder im Falle des Fehlens einer zuständigen Behörde – angebracht erscheint. Die Behörde kann daher jedenfalls zuständig sein, ein Anbringen wegen (vermeintlicher) Unzuständigkeit zurückzuweisen (siehe dazu erneut Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 (Stand 1.1.2014, rdb.at), Rn 13ff sowie die darin und oben zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer hat – wie oben ausgeführt – in seinem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Antrag klargestellt, dass er mit der „Abtretung“ seiner Beschwerde nicht zufrieden ist und eine (noch ausständige) Entscheidung in dieser Angelegenheit durch die belangte Behörde mittels Bescheid verlangt.

Schon allein aus diesen Erwägungen war die belangte Behörde daher spätestens zum Zeitpunkt des vorliegenden Antrages zur Entscheidung über die ursprüngliche Beschwerde verhalten gewesen.

Die Zurückweisung des Antrages auf „Wiederaufnahme“ des mittels Weiterleitung abgeschlossenen Verfahrens und damit auf Erledigung mittels Bescheid erfolgte daher zu Unrecht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Da somit der der Entscheidung zugrunde liegende Antrag auf Fällung einer Entscheidung über die (ursprünglich weitergeleitete) Beschwerde (wieder) unerledigt ist, wird die belangte Behörde daher nunmehr darüber bzw. über die ursprüngliche Beschwerde zu entscheiden haben (siehe dazu u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 2017, Ra 2017/10/0044, wonach anlässlich einer rechtswidrigen Zurückweisungsentscheidung der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch Kassation des zu Unrecht ergangenen Bescheides hergestellt werden kann).

Dabei ist sie der Ordnung halber darauf hinzuweisen, dass sich die (örtliche) Zuständigkeit der belangten Behörde nach der behaupteten Datenschutzverletzung und dem ihr zugrundliegenden Sachverhalt beurteilt (Art 3 DSGVO). Ohne Kenntnis des einer behaupteten Datenschutzverletzung zugrundeliegenden Sachverhaltes ist die Beurteilung der Zuständigkeit der belangten Behörde daher gar nicht möglich.

Auch zum Zweck der Beurteilung der Zuständigkeit der belangten Behörde hat eine Beschwerde nach § 24 Abs. 2 Z 3 DSG demnach den Sachverhalt, aus dem die Rechtsverletzung abgeleitet wird, zu enthalten. Bei diesbezüglichen Mängeln ist – wie von der belangten Behörde auch erfolgt – auf Verbesserung hinzuwirken bzw. im Fall fehlender Verbesserung mittels Zurückweisung nach § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen.

Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die gegenständliche Rechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung der Höchstgerichte. Aufgrund der eindeutigen Rechtslage handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß durch Senat zu entscheiden.

Schlagworte

Abtretung Datenschutz Datenschutzbeschwerde Datenschutzverfahren ersatzlose Behebung Unzuständigkeit Verbesserungsauftrag Weiterleitung Wiederaufnahmeantrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W256.2224203.2.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten