TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 97/18/0332

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des Y in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Mai 1997, Zl. SD 1154/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Mai 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei insgesamt viermal, und zwar in den Jahren 1988, 1991, 1992 und 1993, wegen Vergehens gemäß § 136 StGB, in den beiden letzteren Fällen nicht nur wegen Abs. 1, sondern auch Abs. 2, und im letzten Fall vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Mit den beiden Verurteilungen wegen § 136 Abs. 2 StGB sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG erfüllt.

In der Zeit seit dem Jahr 1991 sei der Beschwerdeführer insgesamt 16 mal, und zwar einmal im Jahr 1991, zweimal im Jahr 1993, dreimal im Jahr 1994 und zehnmal seit dem Jahr 1995, rechtskräftig wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung gemäß § 64 Abs. 1 KFG bestraft worden. Außerdem sei der Beschwerdeführer in dieser Zeit insgesamt viermal wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gemäß § 5 Abs. 1 StVO rechtskräftig bestraft worden. Anläßlich seiner Beanstandung am 30. April 1995 habe er erklärt, keinen Alkohol zu vertragen, aber trotzdem zu trinken, da man ihm ohnehin keinen Führerschein abnehmen könnte; er hätte schon 3,8 Promille gehabt; die Geschwindigkeit von 119 h/km (im Ortsgebiet) fände er nicht so arg; ihm machte dies nichts aus; er wäre schon im Gefängnis gewesen und würde "jede Menge" Strafe zahlen; außerdem würde er wieder fahren. Dies habe sich in der Folge wiederholt bewahrheitet. Zuletzt sei der Beschwerdeführer drei Wochen nach Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheides, also kurz nach Einbringung der Berufung, neuerlich wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und ohne Lenkerberechtigung zur Anzeige gebracht worden. Aufgrund der vorgenannten zahlreichen rechtskräftigen Bestrafungen wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen sei auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht.

Das den gerichtlichen Verurteilungen und den Verwaltungsstrafen zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers, der auch noch wegen vieler anderer Delikte nach der StVO und dem KFG bestraft worden sei, sowie die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit und des Kraftfahrwesens rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Es sei daher ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, sofern dem nicht die §§ 19 oder 20 leg. cit. entgegenstünden.

Diesbezüglich sei im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer in Österreich geboren worden sei, seine Eltern hier lebten und er mit der Mutter seiner zwei Kinder im gemeinsamen Haushalt lebe, ein massiver Eingriff in sein Privat- und Familienleben anzunehmen. Dessen ungeachtet sei aber das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie im Interesse eines geordneten Kraftfahrwesens - dringend geboten und daher zulässig. Die Verstöße des Beschwerdeführers gegen das Strafgesetz, gegen straßenpolizeiliche und kraftfahrrechtliche Bestimmungen wögen insofern schwer, als dieses Verhalten mit aller Deutlichkeit seine gleichgültige Einstellung in bezug auf die Befolgung gesetzlicher Normen manifestiere. Die Vielzahl und die rache Abfolge der vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen ließen jedenfalls eine positive Zukunftsprognose im Zeitraum der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes nicht zu.

In Anbetracht dieser Umstände und im Hinblick auf das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß den hier berührten öffentlichen Interessen der Vorrang gegenüber den mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers einzuräumen sei. Da sohin die Voraussetzungen der §§ 19 und 20 FrG nicht gegeben seien, sei das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß vorliegend sowohl der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) als auch jener des § 18 Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Auf dem Boden der - unbestrittenen - maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen hegt der Gerichtshof gegen diese Beurteilung ebensowenig Bedenken wie gegen die Annahme der belangten Behörde, es sei im Hinblick auf das den rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen zugrunde liegende Fehlverhalten die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) gerechtfertigt.

2.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid wegen unrichtiger Interessenabwägung im Grunde des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG für rechtswidrig. Der Beschwerdeführer sei in Wien geboren, lebe in aufrechter Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen, aus welcher zwei mj. Kinder, (geboren 1996 bzw. 1997) stammten. Durch das Aufenthaltsverbot würden die beiden Kinder und die Lebensgefährtin in ihrer Fortentwicklung massiv beeinträchtigt werden. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner Geburt und seines dauernden Aufenthaltes in Österreich hier voll integriert, was durch die Gründung einer Familie mit einer Österreicherin unterstrichen werde. Bei Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes würde der Beschwerdeführer in ein fremdes Land ausreisen müssen, in welchem keinerlei familiäre Beziehungen mehr bestünden; außerdem sei er der türkischen Sprache gar nicht mehr mächtig.

2.2.1. Die belangte Behörde hat festgestellt, daß der Beschwerdeführer in Österreich geboren sei, daß er mit der Mutter seiner zwei Kinder im gemeinsamen Haushalt lebe, und daß auch seine Eltern im Bundesgebiet lebten. Aufgrund dieser privaten und familiären Situation ist sie zutreffend zu der Auffassung gelangt, daß mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer ein "massiver" Eingriff in sein Privat- und Familienleben i.S. des § 19 FrG verbunden sein würde. Wenn sie unbeschadet dessen und unter Bedachtnahme auf diese persönliche Interessenlage die Ansicht vertreten hat, das Aufenthaltsverbot sei im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK (Schutz der öffentlichen Ordnung, Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten und demnach gemäß § 19 FrG zulässig, so kann der Gerichtshof darin keine Rechtswidrigkeit erblicken. Denn vor allem die besonders große Zahl an Verstößen gegen § 64 Abs. 1 KFG und die wiederholten Mißachtungen des § 5 Abs. 1 StVO - das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung und in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zählt zu den gröbsten Verstößen gegen das Kraftfahrgesetz bzw. die Straßenverkehrsordnung (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 18. Jänner 1996, Zl. 94/18/1117, und vom 6. Mai 1997, Zl. 97/18/0208, jeweils mwN) - bringen eine krasse Geringschätzung wesentlicher der Sicherheit des Straßenverkehrs dienender Vorschriften zum Ausdruck. Wer sich, wie der Beschwerdeführer, ein derart sicherheitsgefährdendes Verhalten über mehrere Jahre hindurch bis in die jüngste Zeit (allein seit 1995 zehn Verstöße gegen § 64 Abs. 1 KFG) - weshalb entgegen der Beschwerde von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit dem Jahr 1993 keine Rede sein kann - geradezu zur Gewohnheit macht, der stellt für die Allgemeinheit ein Sicherheitsrisiko solchen Ausmaßes dar, daß die Beendigung seines Aufenthaltes auch bei Vorliegen (wie im Beschwerdefall) stark ausgeprägter gegenläufiger Interessen mit Rücksicht auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Verkehrswesens) und der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten ist.

2.2.2. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen begegnet auch das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG keinem Einwand. Dazu sei insbesondere festgehalten, daß - anders als die Beschwerde meint - von einer vollen Integration des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden kann, hat doch die für eine Integration wesentliche soziale Komponente durch die Vielzahl und die Schwere der Rechtsbrüche des Beschwerdeführers eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Auch wenn ungeachtet der eben genannten Einschränkung die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich immer noch als beachtlich einzustufen sind, so wiegen sie jedenfalls nicht schwerer als das durch das kontinuierliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers (außer den Verstößen gegen § 64 Abs. 1 KFG und § 5 Abs. 1 StVO unbestritten noch "zahlreiche andere Delikte nach der StVO und dem KFG" sowie wiederholte strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen) nachhaltig gefährdete maßgebliche öffentliche Interesse.

3. Angesichts des Vorgesagten gehen die in bezug auf die Interessenabwägung geltend gemachten Feststellungs- und Begründungsmängel ins Leere.

4. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Normen und Materien

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180332.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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