TE Vwgh Beschluss 2020/12/22 Ra 2020/04/0097

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Veröffentlicht am 22.12.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006
BVergG 2006 §320
BVergG 2018
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, in der Revisionssache der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. der S AG in B und 2. der L GmbH in S, vertreten durch Dr. Philipp Götzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 28. Mai 2020, Zl. LVwG-314-1/2020-S1, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: Gemeinde L in L, Gemeindeverband Ö in D sowie V GmbH in F als Auftraggeber, vertreten durch die Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Rennweg 17, Stock 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Die mitbeteiligten Parteien (Auftraggeber) haben mit Bekanntmachung vom 12. Dezember 2019 ein Vergabeverfahren zum Abschluss von zwei Rahmenvereinbarungen betreffend Verkehrsdienstleistungen (Transport- und Beförderungsdienstleistungen) in insgesamt drei Losen in der Region Klostertal / Arlberg im Wege eines (zweistufigen) Verhandlungsverfahrens im Oberschwellenbereich eingeleitet. Die revisionswerbende Bietergemeinschaft stellte einen Teilnahmeantrag.

2        Mit Schreiben vom 21. Februar 2020 teilten die Auftraggeber der Revisionswerberin mit, dass sie nicht zur zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens zugelassen werde. Die Revisionswerberin beantragte die Nichtigerklärung dieser gesondert anfechtbaren Entscheidung.

3        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg diesen Nichtigerklärungsantrag - ebenso wie den Antrag auf Gebührenersatz - als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

4        2.1. In den Teilnahmeunterlagen sei - so das Verwaltungsgericht - festgelegt gewesen, dass ein Bieter mit der Leistungserbringung in maximal zwei Losen beauftragt werde. In den Ausschreibungsunterlagen sei unter Punkt 10.3.3.2. „Mindest-Unternehmensreferenz“ (ua.) Folgendes festgelegt worden:

„[...] Als zwingendes Mindesterfordernis hat der Bewerber entweder in der EEE oder in Formblatt 6 zumindest ein (1) Referenzprojekt jeweils pro Los nachzuweisen, das alle untenstehenden Musskriterien erfüllt; diese Referenz wird anschließend auch anhand des Auswahlkriteriums gemäß Punkt 11 bei der Auswahlprüfung bewertet (Anmerkung: [...] Ein Bewerber bewirbt sich beispielsweise für alle drei Lose, in diesem Fall müssen drei Referenzprojekte gemäß litera a bis c nachgewiesen werden.). [...]“

Die entsprechende Frage eines Bewerbers („Ist es richtig, dass für eine Teilnahme an allen drei Losen drei unterschiedliche Referenzprojekte beschrieben und bestätigt werden müssen?“) sei von den Auftraggebern ausdrücklich mit „Ja“ beantwortet worden.

5        Unter Punkt 9.2. „Nachweis für das Nicht-Vorliegen von Ausschlussgründen“ sei (ua.) Folgendes festgelegt worden:

„Die Unbedenklichkeitsbescheinigung und Rückstandsbescheinigung gemäß litera c dürfen keine Rückstände aufweisen; sind darin dennoch Rückstände ausgewiesen, werden die Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung den Bewerber unter Fristsetzung von zumindest drei vollen Kalendertagen zum Nachweis nochmals gesondert auffordern, dass der Rückstand zwischenzeitlich beglichen wurde.“

6        Die Revisionswerberin habe - so das Verwaltungsgericht weiter - einen Teilnahmeantrag für alle drei Lose abgegeben und für jedes der drei Lose dieselben zwei Referenzen vorgelegt. Eine dritte Referenz sei nicht vorgelegt worden.

7        Aufgrund eines Aufklärungsersuchens der Auftraggeber betreffend den letztgültigen Kontoauszug der Sozialversicherungsanstalt habe die Revisionswerberin am 17. Februar 2020 eine Kontoinformation vorgelegt, der zufolge der zunächst offene Betrag von € 52,48 zwar beglichen worden sei, aber am 17. Februar 2020 ein Betrag von € 17.588,92 (neu) offen gewesen sei. Dieser Betrag sei von der Revisionswerberin am 17. Februar 2020 überwiesen und am 19. Februar 2020 dem Konto der Sozialversicherungsanstalt gutgeschrieben worden.

8        2.2. In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Anzahl der Referenzen zunächst fest, dass im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz von einer strengen Bindung an die bestandfesten Teilnahmeunterlagen auszugehen sei. Bei objektiver Auslegung der Unterlagen ergebe sich eindeutig, dass drei unterschiedliche Referenzen abzugeben seien, wenn ein Teilnahmeantrag - wie bei der Revisionswerberin der Fall - für drei Lose abgegeben werde. Zudem ergebe sich aus dem Teilnahmeantrag der Revisionswerberin auch nicht, welche Referenz für welches Los herangezogen werden solle. Da die Referenzen ein Auswahlkriterium darstellen würden, sei es erforderlich, die angegebenen Referenzen den jeweiligen Losen zuzuordnen. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin sei auch eine Zulassung für zwei Lose nicht möglich, weil die Gleichbehandlung der Bewerber gefährdet wäre, wenn man es den Auftraggebern überließe, die Referenzen bei einem nicht den Ausschreibungsunterlagen entsprechenden Teilnahmeantrag einem bestimmten Los zuzuordnen. Mangels der geforderten Referenzen könne auch die technische Leistungsfähigkeit nicht geprüft werden. Das Vorbringen der Revisionswerberin, wonach bereits durch eine einzige Referenz die summierten geforderten Mindest-Jahreskilometer aller drei Lose erfüllt würden, ändere nichts daran, dass für jedes Los eine gesonderte Referenz verlangt worden sei. Wäre hinsichtlich der Referenzen ein Aufklärungsersuchen erfolgt, hätte die Revisionswerberin - so das Verwaltungsgericht unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom 11. Mai 2017 in der Rs. C-131/16 - dadurch einen Wettbewerbsvorteil gehabt.

9        Zum Rückstand bei der zuständigen Sozialversicherung hielt das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fest, dass auch ein nur kurzfristiger Wegfall der Eignung schädlich sei und die Eignung nach dem in § 69 BVergG 2006 genannten Zeitpunkt nicht mehr verloren gehen dürfe (Verweis ua. auf VwGH 17.6.2014, 2013/04/0033). Vorliegend habe - so das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die Bestimmungen des ASVG zur Fälligkeit bzw. zum Rückstand von Beiträgen - für zumindest zwei Tage ein Rückstand von über € 17.000,-- bestanden.

10       Die Revisionswerberin sei somit zu Recht nicht zur zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens zugelassen worden.

11       3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

12       4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       5.1. In der Zulässigkeitsbegründung betreffend die geforderten Referenzen macht die Revisionswerberin geltend, die Ausschreibungsbestimmungen seien dahingehend auszulegen, dass die Eignung hinsichtlich der Lose einzeln zu prüfen und die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung unvertretbar sei. Diesbezüglich verweist die Revisionswerberin auf Punkt 1.3.3. „Lose und Losvergabe“ der Ausschreibungsunterlagen, in dem ua. Folgendes festgehalten worden sei:

„[...] Darüber hinaus ist diese Loserklärung für den Bewerber insofern bindend, als eine Zulassung zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens maximal für jene Lose in Betracht kommt, für die eine entsprechende Loserklärung abgegeben wurde und der Bewerber dafür jeweils eine vergaberechtliche Eignung entsprechend nachgewiesen hat. Jeder Bieter wird grundsätzlich mit höchstens zwei Losen beauftragt.“

Daraus sei - so die Revisionswerberin - abzuleiten, dass auch bei einer Loserklärung über drei Lose eine Zulassung nur für ein Los oder zwei Lose möglich sei.

16       5.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Die Prüfung der Ausschreibungskonformität eines Angebotes stellt dabei stets eine im Einzelfall vorzunehmende Beurteilung dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene fallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist, weil der fallbezogenen Auslegung grundsätzlich keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall könnte nur dann die Zulässigkeit der Revision begründen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. zu allem VwGH 11.9.2020, Ra 2018/04/0157, Rn. 46, mwN).

17       Eine derart krasse Fehlbeurteilung durch das Verwaltungsgericht zeigt die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf. Auch der von ihr ins Treffen geführte Punkt. 1.3.3. der Ausschreibungsunterlagen und der darin enthaltene Verweis auf eine Zulassung „maximal“ für (näher umschriebene) Lose hat nicht zur Folge, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene (oben dargestellte) Auslegung des - explizit den Nachweis von Referenzen und somit nur einen Teilaspekt der Eignung regelnden - Punktes 10.3.3.2. der Ausschreibungsunterlagen unvertretbar wäre. Ebenso wenig ist es als unvertretbar anzusehen, dass das Verwaltungsgericht diesbezüglich die Möglichkeit eines Aufklärungsersuchens bzw. einer nachträglichen Mängelbehebung abgelehnt hat (vgl. auch VwGH 5.10.2016, Ra 2015/04/0002). Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin kann ein allfälliger Wettbewerbsvorteil eines Bieters oder Bewerbers nicht nur in einem „Preisvorteil“ bestehen (vgl. erneut VwGH Ra 2015/04/0002, Rn. 9, wonach nicht nur Änderungen in Bereichen, die für die Bewertung des Angebots ausschlaggebend sind, als unbehebbare Mängel qualifiziert werden können). Zudem lässt sich dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Inhalt der Ausschreibungsunterlagen entnehmen, dass die Referenzen vorliegend bewertungsrelevant (für die Auswahlentscheidung) waren.

18       Ein - von der Revisionswerberin behaupteter - Widerspruch zum hg. Erkenntnis vom 9. April 2013, 2011/04/0042, dem zufolge die ausgeschriebenen Leistungen eindeutig, vollständig und neutral zu beschreiben bzw. nicht so zu umschreiben sind, dass bestimmte Bieter von vornherein Wettbewerbsvorteile genießen, wird nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes ist auch nicht schon deshalb unvertretbar, weil es vorliegend nicht um die Angebotsbewertung, sondern um die Prüfung eines Teilnahmeantrages bzw. um die Frage der Zulassung zur zweiten Stufe eines Verhandlungsverfahrens geht (weshalb sich auch aus dem von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Erkenntnis VwGH 24.2.2006, 2004/04/0078, für ihren Standpunkt nichts ableiten lässt).

19       6. Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung des Nichtigerklärungsantrags der Revisionswerberin - wie oben dargestellt - damit begründet, dass beide von den Auftraggebern für die Nicht-Zulassung ins Treffen geführten Gründe (fehlende Referenz, Rückstand bei der Sozialversicherung) zu Recht herangezogen worden seien.

20       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Revision unzulässig ist, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und dieser keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt (siehe VwGH 8.8.2018, Ra 2017/04/0112, Rn. 17, mwN).

21       Da hinsichtlich des für die Nicht-Zulassung alternativ herangezogenen Grundes der unzureichenden Referenzen keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt wurde, kommt es auf das Zulässigkeitsvorbringen betreffend den Rückstand am Sozialversicherungskonto nicht mehr an.

22       7. In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

23       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040097.L00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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