TE Vwgh Beschluss 2020/12/22 Ra 2019/04/0091

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Veröffentlicht am 22.12.2020
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Index

E6J
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006 §19 Abs1
BVergG 2006 §2 Z10
BVergG 2006 §267 Abs1
BVergG 2006 §320
BVergG 2006 §325
62015CJ0006 TNS Dimarso VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, in der Revisionssache der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. der S AG in B und 2. der L GmbH in S, vertreten durch Dr. Philipp Götzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 16. Mai 2019, Zl. LVwG-314-2/2019-S2, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. R GmbH in E sowie V GmbH in F als Auftraggeberinnen, vertreten durch die Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Rennweg 17, Stock 5; 2. Ö GmbH in W, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bartensteingasse 2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Die erstmitbeteiligten Parteien (Auftraggeberinnen) haben mit Bekanntmachung vom 19. Juli 2018 ein zweistufiges Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich über den Abschluss von zwei Rahmenvereinbarungen betreffend Verkehrsdienstleistungen im Bregenzerwald eingeleitet. Der Abschluss beider Rahmenvereinbarungen sollte mit nur einer Partei erfolgen. Ausschreibungsgegenständlich waren Transport- und Beförderungsdienstleistungen im Sektorenbereich.

2        Die revisionswerbende Bietergemeinschaft legte ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei (Ö GmbH) ein Letztangebot.

3        Mit Schreiben vom 15. März 2019 teilten die Auftraggeberinnen der Revisionswerberin mit, es sei beabsichtigt, die Rahmenvereinbarungen mit der zweitmitbeteiligten Partei abzuschließen. Dagegen erhob die Revisionswerberin einen Nachprüfungsantrag mit dem Begehren, diese Entscheidung für nichtig zu erklären.

4        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. Mai 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg diesen Nichtigerklärungsantrag sowie den Antrag auf Gebührenersatz als unbegründet ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

5        2.1. Das Verwaltungsgericht gab die wesentlichen Inhalte der bestandfest gewordenen Ausschreibungsunterlagen wieder, in denen - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - Folgendes festgelegt worden sei: Die Vergabe erfolge nach dem Bestbieterprinzip, wobei der Preis mit 60% und die vier Qualitätskriterien mit insgesamt 40% (davon jeweils 10% für die Qualität des Planungskonzeptes und des Personalkonzeptes, 15% für die Qualität des Standortkonzeptes und 5% für die Qualität des Betriebsführungskonzeptes) gewichtet seien. Die vier Qualitätskriterien seien jeweils in - ebenfalls gewichtete - Subkriterien untergliedert, für die in der Ausschreibung die dabei gestellten Anforderungen und die zu erreichenden Ziele näher umschrieben worden seien. Der Bieter habe mit dem Letztangebot die vier genannten Konzepte abzugeben, in denen darzustellen sei, wie er die ausgeschriebenen Leistungen konkret erbringen und mit welchen Maßnahmen er die von den Auftraggeberinnen gestellten Anforderungen und verfolgten Ziele bestmöglich erfüllen werde. Die Bewertung der Konzepte erfolge durch eine fachkundige Bewertungskommission. Diese werde jedes Konzept einstimmig bewerten und (mit Stichworten) verbal begründen. Nur die pro Anforderung und Ziel vergebenen Punkte (zwischen 0 und 3) würden in der Zuschlagsentscheidung als Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bzw. Gründe für die Ablehnung des Angebotes bekannt gegeben.

6        Das Verwaltungsgericht stellte den beruflichen Hintergrund sowie die Ausbildung der fünf - in der Ausschreibung genannten - Mitglieder der Bewertungskommission (die Geschäftsführer der beiden Auftraggeberinnen sowie drei Bürgermeister) dar. Für jeden Bieter habe ein Hearing stattgefunden, an dem alle Kommissionsmitglieder teilgenommen hätten. Am 31. Jänner 2019 sei die Bewertung erfolgt, wobei für jeden Bieter ein (von allen Mitgliedern unterfertigtes) Protokoll angefertigt worden sei. Darin sei für jedes Ziel separat dargestellt worden, aus welchen Gründen gegebenenfalls ein Punkteabzug erfolgt sei. Das Protokoll sei der Revisionswerberin nicht übermittelt, von dieser aber auch nicht angefordert worden. Die Revisionswerberin habe - so das Verwaltungsgericht weiter - bei sechs (von insgesamt 17) Zielen nicht die höchste Punkteanzahl erhalten. Das Verwaltungsgericht stellte die wesentlichen Inhalte der im Protokoll betreffend die Revisionswerberin enthaltenen Begründung der Bewertungskommission für den Punkteabzug dar. Im Hearing sei der Umstand, dass die Revisionswerberin nicht bei allen Zielen die Höchstpunkteanzahl erreichen werde, nicht angesprochen worden.

7        2.2. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Verwaltungsgericht unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst davon aus, dass die Zuschlagsentscheidung, die neben dem Preis und der dafür erzielten Punkteanzahl auch die Punkte für die Qualitätskriterien und die dabei jeweils angeführten Ziele enthalten habe, ausreichend gewesen sei, um einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen. Die Revisionswerberin habe gewusst, bei welchen Zielen sie schlechter als die zweitmitbeteiligte Partei beurteilt worden sei. Zudem sei in der Ausschreibung bestandfest festgelegt worden, dass nur die Punkte pro Ziel bekanntgegeben würden. Schließlich sei zu beachten, dass die Revisionswerberin in ihrem Nachprüfungsantrag begründet habe, aus welchen Gründen sie die erfolgten Punkteabzüge als unberechtigt ansehe.

8        Zur behaupteten mangelhaften Zusammensetzung der Bewertungskommission hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Kommission in ihrer Gesamtheit - und nur dies sei gefordert - die erforderliche Sach- und Fachkompetenz in den Bereichen Wirtschaft, Logistik, Psychologie und Verkehrsplanung (durch entsprechende Studienabschlüsse bzw. die bisherige praktische Tätigkeit) aufweise.

9        Da in der Ausschreibung bestandfest festgelegt sei, dass die Konzepte mit dem Letztangebot abzugeben seien und (gegenüber der mit dem Erstangebot abgegebenen Fassung) noch abgeändert werden könnten, sei eine Bewertung der Konzepte erst nach Vorliegen der Letztangebote möglich. Dies stelle keine Verletzung vergaberechtlicher Grundsätze dar. Entgegen den diesbezüglichen Zweifeln der Revisionswerberin sei die Bewertung der Angebote - wie sich dem angefertigten Protokoll entnehmen lasse - in der in der Ausschreibung festgelegten Weise und auch einstimmig erfolgt.

10       Zur Rüge der inhaltlich fehlerhaften Bewertung verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass es bloß eine Plausibilitätskontrolle dahingehend vorzunehmen habe, ob die (vorliegend in der Ausschreibung detailliert und transparent) festgelegten Kriterien berücksichtigt und die Verfahrensvorschriften eingehalten worden seien. Die festgelegte Gewichtung der Ziele sei bestandfest festgelegt und nicht mehr abgeändert worden. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin wäre die Bewertungskommission auch nicht gehalten gewesen, die Revisionswerberin vor Abgabe des Letztangebotes auf allfällige Schwachstellen hinzuweisen.

11       Des Weiteren legte das Verwaltungsgericht - unter Bezugnahme auf das Protokoll der Bewertungskommission betreffend die Bewertung der Konzepte der Revisionswerberin - dar, aus welchen Erwägungen es die erfolgten Punkteabzüge als nachvollziehbar und plausibel und das Vorgehen der Bewertungskommission als frei von Willkür erachtete. Selbst wenn man - so das Verwaltungsgericht - den Argumenten der Revisionswerberin hinsichtlich des Standortkonzeptes folgen würde (zu den sonstigen Punkteabzügen habe die Revisionswerberin nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes keine stichhaltigen Argumente geliefert), wäre für sie nichts gewonnen, weil sie auch bei einer vollen Punkteanzahl hinsichtlich dieser beiden Ziele insgesamt weniger Punkte als die zweitmitbeteiligte Partei erzielt hätte.

12       3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13       4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       5.1. Die Revisionswerberin moniert in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zunächst fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine Bewertungskommission zur Gänze aus Fachleuten bestehen müsse. Diese Frage sei vorliegend von besonderer Relevanz, weil der Bewertungskommission kein Verkehrsplaner angehört habe und das Standortkonzept sowie das Planungskonzept ohne verkehrsplanerische Expertise nicht bewertbar seien.

17       5.2. Nach der für den Sektorenbereich geltenden (und vorliegend im Hinblick auf die Einleitung des Vergabeverfahrens am 19. Juli 2018 noch maßgeblichen) Regelung des § 267 Abs. 1 BVergG 2006 erfolgt die Prüfung der Angebote in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien. Grundlage für die Angebotsbewertung ist somit die bestandfeste Ausschreibung (vgl. VwGH 30.1.2019, Ra 2018/04/0001, Rn. 19, mwN).

18       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine unanfechtbar gewordene (bestandfeste) Entscheidung des Auftraggebers im Rahmen der Nachprüfung von auf dieser Entscheidung aufbauenden Entscheidungen des Auftraggebers nicht mehr überprüft werden. Ist eine Ausschreibungsbestimmung mangels rechtzeitiger Anfechtung der Ausschreibung bestandfest geworden, ist sie - unabhängig davon, ob sie bei rechtzeitiger Anfechtung für nichtig zu erklären gewesen wäre - der gegenständlichen Auftragsvergabe zugrunde zu legen (vgl. VwGH 22.3.2019, Ra 2017/04/0038, Rn. 26, mwN).

19       Im vorliegenden Fall wurden die Mitglieder der Bewertungskommission unter Angabe ihrer (beruflichen) Funktion in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gegeben. Die Ausschreibung wurde nicht angefochten. Ausgehend davon stünde einem Aufgreifen der Zusammensetzung der Bewertungskommission (als nicht fachkundig) im Zuge der Nachprüfung der hier angefochtenen (auf die Ausschreibung aufbauenden) Entscheidung die bestandfest gewordene Festlegung der Zusammensetzung der Bewertungskommission entgegen. Dass die vorliegend maßgebliche Festlegung aufgrund von Unklarheiten eine Überprüfung der Fachkunde der Kommission vorab durch die Bewerber ausgeschlossen hätte oder dass diese Festlegung eine Nachvollziehbarkeit bzw. Überprüfbarkeit der Entscheidung der Bewertungskommission durch das Verwaltungsgericht von Vornherein unmöglich machen würde (vgl. zu diesem Aspekt erneut VwGH Ra 2017/04/0038, Rn. 30), wird seitens der Revisionswerberin nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich.

20       Darüber hinaus wird auf Folgendes hingewiesen: Auch wenn im BVergG 2006 für den Sektorenbereich eine dem § 122 BVergG 2006 entsprechende Regelung (wonach die Prüfung und Beurteilung eines Angebotes nur solchen Personen zu übertragen war, welche die fachlichen Voraussetzungen hierfür erfüllen) fehlte, hat der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Beschluss Ra 2018/04/0001 (Rn. 23, mwN) zum Ausdruck gebracht, dass das Erfordernis einer fachkundigen Angebotsprüfung aus Sachlichkeitserwägungen auch im Sektorenbereich zu berücksichtigen ist. Dass das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass eine Bewertungskommission in ihrer Gesamtheit über die gebotene Fachkunde verfügen muss, ist nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht hinsichtlich einzelner Mitglieder festgestellte praktische Erfahrung im Bereich der Erstellung von Fahrplankonzepten (als Geschäftsführer einer der Auftraggeberinnen) bzw. als politischer Verkehrsreferent der hier betroffenen Region wäre zudem mit dem bloßen Hinweis auf das Fehlen eines Verkehrsplaners für sich genommen noch keine fehlende Fachkunde der Bewertungskommission dargetan.

21       6.1. Weiters fehle - so die Revisionswerberin - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob es für eine neutrale Bewertung erforderlich sei, die (Qualitäts)Konzepte bereits zum Zeitpunkt ihrer Vorlage zu bewerten oder ob es zulässig sei, die Konzepte erst nach Vorlage der Letztangebote und damit nach Kenntnis der Angebotspreise zu bewerten. Eine Bewertung der qualitativen Konzepte erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bewertungskommission Kenntnis von den Angebotspreisen habe, widerspreche dem unionsrechtlich grundgelegten Willkürverbot (Verweis auf das Urteil EuGH 14.11.2002, C-411/00, sowie auf das Erkenntnis VwGH 8.10.2010, 2007/04/0188).

22       6.2. Nach den bestandfesten Ausschreibungsunterlagen waren die geforderten Qualitätskonzepte mit dem Letzt-Angebot jedenfalls nochmals vollständig abzugeben, wobei Änderungen gegenüber dem Erst-Angebot nicht ausgeschlossen waren. Eine Bewertung der Qualitätskonzepte bereits zum Zeitpunkt der Vorlage der Erst-Angebote wäre mit der vorgesehenen Möglichkeit, Änderungen vorzunehmen, nicht in Einklang zu bringen.

23       Abgesehen davon vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen (und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich), aus welchen Gründen die dargestellte bestandfest festgelegte Vorgehensweise dem Willkürverbot widersprechen sollte. Weder aus dem ins Treffen geführten Urteil des EuGH vom 14. November 2002 in der Rs. C-411/00 (betreffend die willkürliche Zusammenfassung verschiedener Dienstleistungen) noch aus dem hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 2010, 2007/04/0188 (betreffend eine willkürliche Aufteilung von zusammengehörigen Aufträgen), lässt sich für die von der Revisionswerberin diesbezüglich aufgeworfene Frage etwas ableiten.

24       7.1. Die Revisionswerberin sieht die angefochtene Entscheidung im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der zufolge die Begründungstiefe der Zuschlagsentscheidung es dem Bieter ermöglichen müsse, einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen. Fallbezogen liege eine in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess erzielte Bewertung der gesamten Kommission vor, an die besondere Begründungsanforderungen zu stellen seien (der vorliegende Fall unterscheide sich daher von dem Sachverhalt, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 2014, 2011/04/0133, zugrunde gelegen sei). Ob eine Zuschlagsentscheidung auch dann eine verbale Begründung aufweisen müsse, wenn in der Ausschreibung bestandfest festgelegt worden sei, dass nur eine „ausgedünnte“, von keinem Bieter objektiv nachvollziehbare Begründung erfolgen werde, sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht beantwortet worden. Gleiches gelte für die Frage, ob die notwenige Begründung erst im Laufe des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens nachgeholt werden könne.

25       7.2. Dazu ist erneut auf die - in Rn. 18 dargestellte - hg. Rechtsprechung zur Bestandskraft von unangefochten gebliebenen Ausschreibungsbestimmungen zu verweisen. Vorliegend wurde in der Ausschreibung bestandfest festgelegt, dass nur die Punkte pro Anforderung und Ziel am Ende des Vergabeverfahrens bei Mitteilung der Zuschlagsentscheidung als Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bzw. Gründe für die Ablehnung des Angebotes bekannt gegeben würden. Dem diesbezüglichen Vorbringen der Revisionswerberin ist somit die Bestandskraft der Ausschreibung entgegenzuhalten.

26       Der Vollständigkeit halber sei noch auf folgenden Umstand hingewiesen: Auch wenn in der Ausschreibung von der Zuschlagsentscheidung die Rede ist, handelt es sich bei der hier zugrunde liegenden Auftraggeberentscheidung (da eine Rahmenvereinbarung gegenständlich war, die nicht mittels Zuschlagsentscheidung abgeschlossen wird) nicht um eine Zuschlagsentscheidung, sondern um die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll. Das ändert aber nichts daran, dass die Ausschreibung ausdrücklich auf die Mitteilung am Ende des Vergabeverfahrens abstellt und somit die Begründungstiefe der hier angefochtenen Entscheidung bestandfest festlegt.

27       Auf den seitens der Revisionswerberin ins Treffen geführten Unterschied zu der dem hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2014, 2011/04/0133, zugrunde gelegenen Konstellation, wonach hier (anders als dort) eine in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess erzielte Bewertung der gesamten Kommission vorliege und deshalb besondere Begründungsanforderungen bestünden (und somit eine verbale Begründung geboten gewesen wäre), kommt es im Hinblick auf die dargelegte bestandfeste Festlegung in der Ausschreibung somit nicht an.

28       Darüber hinaus wird zum diesbezüglichen Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerberin ergänzend noch Folgendes angemerkt: Der Verwaltungsgerichtshof hat (ebenfalls im Zusammenhang mit einer Entscheidung, mit welchem Unternehmer eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll) festgehalten, dass die das Verfahren beendende, gesondert anfechtbare Entscheidung im Hinblick auf den unionsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz die betroffenen Bieter anhand ihrer Begründung in die Lage versetzen muss, rechtzeitig eine wirksame Nachprüfung dieser Entscheidung in die Wege zu leiten. Entscheidend ist, ob es dem Bieter auch ohne Kenntnis zusätzlicher, detaillierterer Begründungselemente unschwer möglich ist, gegen die Entscheidung einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen (vgl. zu allem erneut VwGH 2011/04/0133, mwN). Die Revisionswerberin verweist zwar auf diese Anforderungen. Sie tritt aber weder der seitens des Verwaltungsgerichtes vorgenommenen Plausibilitätsprüfung der Angebotsbewertung durch die Bewertungskommission noch dem Hinweis des Verwaltungsgerichtes, wonach sich der begründete Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin ohnehin konkret gegen die Bewertung einzelner Aspekte gerichtet habe, substantiiert entgegen.

29       8.1. Schließlich fehle - so die Revisionswerberin - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche konkreten Maßnahmen zur Beurteilung von Subkriterien den Bietern mitgeteilt werden müssten. Vorliegend seien die Maßnahmen, die in den Konzepten bewertet worden seien, nicht ausreichend klar bekannt gegeben worden. Dies widerspreche dem Grundsatz, dass ein Auftraggeber keine Gewichtungsregeln anwenden dürfe, die er den Bietern nicht vorab zur Kenntnis gebracht habe (Verweis auf EuGH 14.7.2016, C-6/15, TNS Dimarso NV; 24.1.2008, C-532/06, Lianakis; 24.11.2005, C-331/04, ATI EAC Srl). Das angefochtene Erkenntnis stehe zudem in Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2019, Ra 2016/04/0103, dem zufolge nachträglich bekannt gegebene Gewichtungskoeffizienten nichts enthalten dürfen, was die Angebotslegung beeinflussen oder einen Bieter diskriminieren hätte können. Dies sei hier aber der Fall, weil die konkrete Bewertung der Kommission die Konzepte des Bestandunternehmers (gemeint wohl: des bisherigen Erbringers der ausgeschriebenen Verkehrsdienstleistungen), der über ein der Ausschreibung nicht zu entnehmendes Wissen verfügt habe, bevorzugt habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine nachträgliche Verschiebung der Gewichtung der Zuschlagskriterien unzulässig (Verweis auf VwGH 22.4.2009, 2007/04/0065). Wären die tatsächlichen Bewertungsmodalitäten vorab bekannt gewesen, hätte die Revisionswerberin andere, besser bewertete Konzepte erstellen können.

30       8.2. Die bestandfeste - im angefochtenen Erkenntnis insoweit in ihren wesentlichen Teilen wiedergegebene - Ausschreibung enthielt nähere Festlegungen zu den mit den qualitativen Zuschlagskriterien verfolgten Zielen und den daran gestellten Anforderungen. Dass die von der Bewertungskommission vorgenommene Bewertung der Qualitätskonzepte unter Abänderung dieser Festlegungen oder in diskriminierender Weise erfolgt wäre, vermag die Revisionswerberin mit ihrem nicht weiter substantiierten Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen. Ebenso wenig wird dargelegt, dass eine nachvollziehbare und überprüfbare Bestbieterermittlung auf Grund dieser Festlegungen in der Ausschreibung von Vornherein unmöglich gewesen wäre (vgl. dazu wiederum VwGH Ra 2017/04/0038, Rn. 30). Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof bereits anerkannt, dass einer fachkundigen Kommission in der Ausschreibung ein Bewertungsspielraum eingeräumt werden kann (vgl. erneut VwGH Ra 2018/04/0001, Rn. 22, mit Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 14. Juli 2016 in der Rs. C-6/15, Rn. 29).

31       Ein - von der Revisionswerberin behauptetes - Abweichen der angefochtenen Entscheidung vom hg. Erkenntnis Ra 2016/04/0103 bzw. ein Widerspruch zu der ins Treffen geführten Rechtsprechung des EuGH sind nicht ersichtlich. Anders als in der dem hg. Erkenntnis Ra 2016/04/0103 zugrunde gelegenen Konstellation waren vorliegend neben einer verbalen Beschreibung der Anforderungen und der Ziele auch die Gewichtungskoeffizienten für die Subkriterien bereits in der Ausschreibung festgelegt. Ausgehend davon vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen, dass in der Bewertung durch die Kommission eine nachträgliche Festlegung von Gewichtungskoeffizienten für die Subkriterien zu erblicken wäre. Auf das behauptete Nicht-Vorliegen der im hg. Erkenntnis Ra 2016/04/0103 (unter Bezugnahme auf die bereits genannten Urteile des EuGH in der Rs. C-532/06 sowie der Rs. C-331/04) dafür aufgestellten Voraussetzungen kommt es fallbezogen somit nicht an. Ebenso wenig wird mit der nicht weiter substantiierten Behauptung eines Vorteils für den bisherigen „Bestandunternehmer“ eine diskriminierende Vorgehensweise bei der Angebotsbewertung aufgezeigt. Der im hg. Erkenntnis vom 22. April 2009, 2007/04/0065, postulierten Vorgabe, dass sich die Gewichtung der Zuschlagskriterien zueinander eindeutig aus der Ausschreibung ergeben müsse, wurde vorliegend - wie dargestellt - entsprochen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang erneut darauf zu verweisen, dass die Revisionswerberin nicht darlegt, inwiefern die vom Verwaltungsgericht im Nachprüfungsverfahren vorgenommene Plausibilitätsprüfung der Angebotsbewertung durch die Bewertungskommission rechtswidrig erfolgt wäre.

32       9. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

33       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62015CJ0006 TNS Dimarso VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019040091.L00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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