TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 W200 1423095-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W200 1423095-3/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. 01.01. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2019, Zl. 549882304-181114793, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.10.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. – III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

Der Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wird dahingehend abgeändert, als er zu lauten hat:

„Die Frist für Ihre freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Ihrer Enthaftung.“

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 05.04.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid vom 01.12.2011 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.).

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wurde vom Beschwerdeführer in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgezogen, woraufhin das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt I. eingestellt wurde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.09.2016, Zl. W188 1423095-1/30E, wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. als unbegründet abgewiesen. Es wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan unzulässig ist. Begründet wurde die unzulässige Zurückweisung insbesondere damit, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines im Jahr 2015 erlittenen Aneurysmas einer spizalsärztlichen Untersuchung unterzogen worden sei und sich wiederholt zur Kontrolle in Spitälern einzufinden gehabt hätte. Da er in Afghanistan kein hinreichendes soziales Netzwerk gehabt hätte, das ihn bei einer Wiederansiedelung unterstützen hätte können und insbesondere aufgrund seines damaligen Gesundheitszustandes sei eine Rückkehr unzulässig gewesen. Das BVwG legte seiner Entscheidung damals unter anderem zu Grunde, dass eine staatliche Unterstützung nur unzureichend möglich ist. Da die medizinische Versorgung trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal leide, sei zudem mehr als fraglich, ob beim Beschwerdeführer allenalls auftretende gesundheitliche Beschwerden, wie z.B. Paresen, Vigilanzstörungen oder anderweitige neurologische Defizite in Afghanistan adäquat behandelt werden könnten.

Der Beschwerdeführer stellte am 02.02.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, nämlich gemäß § 55 Abs 2 AsylG. Der Beschwerdeführer gab an, bereits vorbestraft zu sein. Er würde sich seit 6 Jahren in Österreich aufhalten und über Freunde und soziale Kontakte verfügen. Er lebe von der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer brachte nach Aufforderung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) zu seinem Antrag am 31.08.2017 eine Stellungnahme ein. Er brachte im Wesentlichen vor, dass er seit 05.04.2011 im Bundesgebiet aufhältig sei. Er habe einen A1 Deutschkurs abgeschlossen und besuche einen Deutschkurs für A2. Seit drei Jahren lebe er in einer Lebensgemeinschaft. Er würde arbeitswillig und arbeitssuchend sein und führe immer wieder ehrenamtliche Tätigkeiten aus. Er beziehe Grundversorgung und habe zahlreiche Freundschaften in Österreich geschlossen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.11.2017 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK vom 02.02.2017 gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs 3 AsylG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 iVm § 50 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. und II. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde und machte Integrationsgründe geltend.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018, Zl. W251 1423095-2/8E, wurde diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer stellte am 21.11.2018 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, nämlich gemäß § 55 Abs 1 AsylG. Er gab an, arbeiten zu wollen. Er lebe in einer Lebensgemeinschaft mit einer serbischen Staatsangehörigen, die einen Daueraufenthalt in der EU bis zum 23.06.2019 hätte. Der gemeinsame Sohn sei am 22.08.2018 geboren worden.

3. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA vom 27.06.2019 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK vom 21.11.2018 gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs 3 AsylG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 iVm § 50 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan verheiratet sei und vier Kinder habe. Mit seiner Lebensgefährtin in Österreich hätte er in Österreich einen Sohn. Seine Identität stehe nicht fest. Er sei in Österreich in psychologischer Betreuung. Ein weiterer Sohn und ein Bruder von ihm würden ebenfalls in Österreich leben. Er werde durchgängig von der Grundversorgung unterstützt. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung hätte er keine Beziehungen zu Österreich gehabt. Die privaten Bindungen seien erst während der Zeit seines Asylverfahrens entstanden.

Er hätte einen Basislehrgang des BFI von 15.10.2012 bis 31.01.2013 besucht und spreche zwar Deutsch, könne aber keine Prüfung positiv ablegen, da er seit einer Gehirnblutung Probleme mit dem Merken habe. Er könne keine Unterstützungsschreiben vorlegen, dass Menschen an seinem Verbleib in Österreich interessiert wären. Zudem sei er in keinem aktiven Verein tätig gewesen und hätte während seines Asylverfahrens auch keine Anzeichen gezeigt, eine soziale Integration zu suchen. Er hätte lediglich angegeben, sich beim Roten Kreuz gemeldet zu haben und in einem Altersheim arbeiten zu wollen.

Im Herkunftsstaat bzw. unmittelbaren Nachbarland Pakistan würden nach wie vor seine Familie, Mutter, Bruder und sonstige Verwandte leben. Laut eigenen Aussagen würde auch ein guter Kontakt per Internet bestehen.

Einen Großteil seines Lebens hätte er in Afghanistan verbracht. Er sei im Alter von 25 Jahren nach Österreich gekommen, spreche die Heimatsprache des Herkunftsstaates und sei mit den Sitten und Gebräuchen des Heimatlandes vertraut.

Er sei strafrechtlich mehrfach in Erscheinung getreten.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 03.12.2013, Zahl: 39 Hv 45/13b, wurde er wegen der Verbrechen des teils versuchten Suchtgifthandels nach den §§ 28a Abs. 1 5. Fall SMG und 15 Abs. 1 StGB und des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 und 130 1. Fall StGB sowie zwei Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die verhängte Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung wurde als mildernd das umfassende und reumütige Geständnis, die Unbescholtenheit und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen berücksichtigt. Schließlich war ein Vorgehen nach den §§ 35 und 37 SMG nicht möglich, weil der Angeklagte bei der Tat nach den §§ 27 Abs. 1 und 2 bzw. 30 SMG aus der entgeltlichen Weitergabe mit Gewinnaufschlag einen Vorteil gezogen hat.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 14.04.2015, Zahl: 18 U 18/15t 8, wurde er wegen zahlreicher Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2 Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung wurden als mildernd das Geständnis, als erschwerend die zahlreichen Tatwiederholungen, eine einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall berücksichtigt. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu LG Linz, Zahl: 39 Hv 45/13b, wurde abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 17.06.2015, Zahl: 18 U 18/15 t-16, wurde ihm gemäß § 39 Abs. 1 SMG hinsichtlich der mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 14.04.2015 verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten ein Aufschub des Vollzugs bis 17.04.2016 unter der Voraussetzung gewährt, dass er sich einer psychosozialen Beratung und Betreuung durch eine Drogenberatungsstelle (z.B. X-DREAM in Steyr) unterziehen und dies dem Gericht alle drei Monate unaufgefordert nachweisen würde.

Faktum sei, dass er seine Integrationsschritte zu einem Zeitpunkt gesetzt habe, nachdem sein Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ beendet worden sei. Während des Asylverfahrens sei er nicht bereit gewesen, entsprechende integrationsrelevante Schritte zu setzen.

Sein Aufenthalt in Österreich sei seit dem 05.10.2016 geduldet.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG lägen nicht vor.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der insbesondere auf das Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich hingewiesen wurde. Zwar seien die Lebensgefährtin und der Sohn des Beschwerdeführers an einer anderen Adresse gemeldet, trotzdem würden sie sich täglich sehen und würde sich der Beschwerdeführer die meiste Zeit in deren Wohnung aufhalten. Darüber hinaus wurden zwei Arbeitsvorverträge vorgelegt. Hierzu führte der Beschwerdeführer aus, dass er bei positiver Entscheidung sofort mit der Arbeit beginnen könne. Er verfüge über viele Freunde in Österreich. Eine Rückkehr sei dem Beschwerdeführer aufgrund der Sicherheitslage in Afghanistan nicht zumutbar. Zudem hätte sich in Bezug auf die Rückkehrsituation des Beschwerdeführers nichts geändert.

Schließlich begehrte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Barauslagen iHv 0,32 €, die er im Zusammenhang mit einer Aktenkopie im Zuge einer Akteneinsicht beim BFA geleistet hätte.

5. Das BVwG holte in weiterer Folge ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ein.

6. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 27.11.2017, Zahl: 020 Hv 155/17w, wurde der Beschwerdeführer wegen Beitragstäterschaft zur Urkundenfälschung nach den § 12 3. Fall iVm §§ 223 Abs. 1, 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten unter 3-jähriger Probezeit verurteilt. Zugleich wurde die Probezeit zu LG Linz 020 Hv 155/17w auf insgesamt 5 Jahre verlängert.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 01.09.2020, Zahl: 33 Hv 30/20p, wurde er wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach den §§ 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z. 3 SMG und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel anch § 28 Abs. 1 1. Satz SMG sowie des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 7. Fall, Abs. 4 Z. 1 SMG und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu 18 U 18/15t BG Linz und zu 20 Hv 155/17w LG Linz abgesehen und die Probezeit auf 5 Jahre verlängert. Bei der Strafbemessung wurde als mildernd das teilweise Geständnis, als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen berücksichtigt.

7. Am 23.10.2020 wurde dem BVwG in einem Telefonat mit der Anstaltsärztin der Justizanstalt Linz mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer seit 2015 ein Implantat im Kopf habe und die derzeitige medizinische Behandlung sich auf die Verarbreichung eines Schlafmittels, nämlich Trittico, 50 mg, 1/3 einer Tablette, beschränke.

8. Mit Schreiben vom 27.10.2020 übermittelte die Justizanstalt dem BVwG eine angeforderte Besuchsliste seit der Einlieferung des Beschwerdeführers in die JA Linz am 17.12.2019.

9. Am 30.10.2020 wurde der Beschwerdeführer mittels Zuschaltung per Video aus der Justizanstalt in Anwesenheit seines Rechtsvertreters von der erkennenden Richterin des BVwG einvernommen. Die belangte Behörde wurde ordentlich geladen, nahm jedoch entschuldigt nicht an der Verhandlung teil. Der Beschwerdeführer wurde im Wesentlichen über ein etwaig vorhandenes Privat- und Familienleben in Österreich befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit 05.04.2011 in Österreich auf. Er führt den im Spruch ausgewiesenen Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitisch-muslimischen Glaubens und spricht Paschtu als Muttersprache. Der Beschwerdeführer spricht zudem gut Deutsch.

Er wurde in der Provinz Nangarhar, in Afghanistan geboren und ist dort aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht. Er hat dort als Landwirt gearbeitet und in Afghanistan mit seiner Mutter, seinem Bruder, seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammengelebt. Der Beschwerdeführer hat eine Tochter und drei Söhne mit seiner in Afghanistan lebenden Ehefrau.

Die Schwiegermutter des Beschwerdeführers lebt in Afghanistan, bei dieser lebt die Ehefrau des Beschwerdeführers sowie zwei seiner Söhne und seine Tochter. Auch zwei Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in Kabul. Zwei Tanten väterlicherseits des Beschwerdeführers leben in Afghanistan.

Der Bruder des Beschwerdeführers und der älteste Sohn des Beschwerdeführers reisten gemeinsam Ende Dezember 2017 illegal in Österreich ein. Dort stellten diese Asylanträge, die vom BFA abgewiesen wurden und es wurden Rückkehrentscheidungen erlassen. Die Verfahren sind beim BVwG anhängig. Der älteste Sohn des Beschwerdeführers wohnte ab 24.04.2018 mit dem Beschwerdeführer im selben Haushalt. Dieser Sohn wurde wegen Mordes und in weiterer Folge auch wegen Nötigung verurteilt und befindet sich aktuell in Strafhaft. Der Bruder wurde wegen Drogendelikten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hatte, als er in Österreich und sein ältester Sohn in Afghanistan bzw. in Pakistan war, zu diesem bzw. zu seiner Familie nur geringen Kontakt.

Der Beschwerdeführer hat seit über 3 Jahren eine Beziehung zu einer in Österreich lebenden serbischen Staatsangehörigen. Mit dieser hatte oder hat er jedoch weder eine gemeinsame Wohnung noch einen gemeinsamen Haushalt, noch besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zu dieser. Der Beschwerdeführer und seine in Österreich aufhältige Partnerin sind nach muslimischen Ritus, nicht jedoch standesamtlich verheiratet. Sie haben einen gemeinsamen Sohn, StA: Serbien, der am 22.08.2018 in Linz geboren wurde. Dieser Sohn lebt alleine mit seiner Mutter in einer Wohnung in Linz. Die Mutter des Kindes kommt für die Kosten der Verpflegung des Kindes auf. Der Beschwerdeführer leistet keinen finanziellen Beitrag für seine Lebensgefährtin und/oder den gemeinsamen Sohn.

Der Beschwerdeführer hat sich nach wie vor nicht von seiner in Afghanistan lebenden Ehefrau geschieden und auch nicht vor, sich wegen dieser Beziehung von seiner in Afghanistan lebenden Ehefrau scheiden zu lassen.

Die Beziehung zu der Partnerin in Österreich wurde eingangen und der gemeinsame Sohn gezeugt, nachdem sowohl das Asylverfahren des Beschwerdeführers mit Erkenntnis des BVwG vom 26.09.2016 in 2. Instanz rechtskräftig negativ beendet wurde. Seither hält sich der Beschwerdeführer insofern rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihm seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem AsylG oder NAG erteilt wurden. Ihm kommt auch kein Aufenthaltsrecht aufgrund einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu und wurde von ihm kein derartiges Vorbringen erstattet. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist lediglich geduldet.

Der Beschwerdeführer hat zwar in Österreich freundschaftliche Kontakte knüpfen können, jedoch bestehen keine engen sozialen Kontakte zu diesen.

Der Beschwerdeführer hat vom 24.04.2012 bis zum 26.06.2012 an einem Alphabetisierungskurs teilgenommen. Er hat vom 15.10.2012 bis 31.01.2013 an einem Basisbildungslehrgang teilgenommen. Der Beschwerdeführer hat am 31.01.2013 einen Kompetenznachweis im Rahmen eines Basisbildungsprogrammes erbracht. Der Beschwerdeführer ist am 17.06.2016 zu einer Deutschprüfung angetreten, die er jedoch mit nur 8 von 100 Punkten nicht bestanden hat. Der Beschwerdeführer hat an einem Kurs „Schriftsprache“ vom 05.09.2017 bis 28.11.2017 teilgenommen. Der Beschwerdeführer hat am 30.01.2018, 06.02.2018, 13.02.2018 und am 27.02.2018 an einem Kurs für Schriftsprache teilgenommen. Der Beschwerdeführer hat vom 05.03.2018 bis 02.05.2018 an einem Deutschkurs A1/1 teilgenommen.

Mit Schreiben vom 22.08.2019 legte er zwei Unterstützungsschreiben von Freunden vor.

Er hat einen Arbeitsvorvertrag der Khan Baba Gastro OG und des Khan Restaurants vorgelegt, die vor seiner Verurteilung zu einer Haftstrafe von 24 Monaten datiert sind.

Der Beschwerdeführer übte, mit Ausnahme von 21 Stunden in einem Pflegeheim im November 2013, keine ehrenamtliche Tätigkeit aus.

Der Beschwerdeführer lebte bisher von der Grundversorgung bzw. von Zuwendungen der Caritas. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig und geht auch keiner regelmäßigen entgeltlichen Beschäftigung nach.

Derzeit befindet er sich in Strafhaft in der Justizanstalt Linz. Seine Lebensgefährtin hat ihn im Zeitraum seit seiner Einlieferung in die JA Linz am 17.12.2019 bis 27.10.2020 lediglich zwei Mal für die Dauer von 30 Minuten (am 13.01.2020 und am 10.02.2020) besucht.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.09.2016, Zl. W188 1423095-1/30E, wurde unter anderem festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan unzulässig sei. Begründet wurde die unzulässige Zurückweisung damals insbesondere damit, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines im Jahr 2015 erlittenen Aneurysmas einer spizalsärztlichen Untersuchung unterzogen worden sei und sich wiederholt zur Kontrolle in Spitälern einzufinden gehabt habe. Da er in Afghanistan kein hinreichendes soziales Netzwerk gehabt hätte, das ihn bei einer Wiederansiedelung unterstützen hätte können und insbesondere aufgrund seines damaligen Gesundheitszustandes sei eine Rückkehr unzulässig gewesen. Das BVwG legte seiner Entscheidung damals unter anderem zu Grunde, dass eine staatliche Unterstützung nur unzureichend möglich sei. Da die medizinische Versorgung trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Aisstenzpersonal gelitten hätte, sei zudem mehr als fraglich gewesen, ob beim Beschwerdeführer allenalls auftretende gesundheitliche Beschwerden, wie z.B. Paresen, Vigilanzstörungen oder anderweitige neurologische Defizite in Afghanistan adäquat behandelt hätten werden können.

Der Beschwerdeführer leidet zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er litt manchmal an Kopfschmerzen und nahm deswegen Novalgintabletten. Seit 2015 hat er ein Implantat im Kopf, da er wegen eines Aneurysmas operiert wurde. Der Beschwerdeführer befand sich im September 2016 in der Kepler Universitätsklinik wegen Kopfschmerzen und Einschlafstörungen. Der Beschwerdeführer befand sich im Jänner 2017 in der Kepler Universitätsklinik wegen depressiven Störungen und einem Suizidversuch. Der Beschwerdeführer befand sich im Juni 2017 in der Kepler Universitätsklinik wegen depressiven Störungen und Cannabisabusus.

Derzeit leidet der Beschwerdeführer lediglich an Einschlafstörungen und nimmt deshalb lediglich 1/3 Tablette Trittico, 50mg. Eine weiterführende Behandlung nimmt der Beschwerdeführer nicht in Anspruch und ist eine solche auch nicht notwendig.

Aus psychiatrischer Sicht leidet der Beschwerdeführer an einer Anpassungsstörung (ICD-IO F43.23). Es handelt es sich um einen Zustand von subjektiven Leiden und emotionaler Beeinträchtigung, der während eines Anpassungsprozesses, nach entscheidenden Lebensveränderungen oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten kann. Beim Beschwerdeführer wurden insbesondere Belastungen durch die derzeitige Migrationssituation, Belastung durch die derzeitige soziale Situation, vor allem die derzeitige Untätigkeit als Belastungsfaktoren angeführt. Der Beschwerdeführer ist jedoch grundsätzlich zeitlich, örtlich, situativ zur Person voll orientiert und es sind keine psychischen Erkrankungen fassbar, die ihn außer Lage setzen würden, schlüssige widerspruchsfreie Angaben zu tätigen.

Insbesondere liegt auch keine psychische Erkrankung vor, die ihn daran hindern würde, einer Beschäftigung nachzugehen bzw. die seine Arbeitsfähigkeit einschränken würde. Seine derzeitige Anpassungsstörung hat keine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zur Folge.

Der Beschwerdeführer wurde am 03.12.2013 vom Landesgericht Linz wegen des Verbrechens des teilweise versuchten und teilweise vollendeten Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs 1 5. Fall SMG iVm § 15 StGB, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs 1 Z 1 1.und 2. Fall SMG, Abs 2 SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß §§ 127, 130 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Der Beschwerdeführer hat vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich zumindest 590 Gramm Cannabiskraut, teils herrührend aus Diebstählen, im Zeitraum von Sommer 2012 bis April 2013 verschiedenen Personen in mehreren Teilverkäufen bzw. kostenlos überlassen. Zudem hat er vorschriftswidrig Suchtgift im Zeitraum von Anfang Mai 2011 bis April 2013 erworben und zum Eigenkonsum besessen und am 13.04.2013 insgesamt 58,6 Gramm Cannabis besessen. Der Beschwerdeführer hat zudem mehrfach Cannabiskraut, zumindest eine 83,6 Gramm übersteigende Menge, sowie ein Mobiltelefon der Marke Samsung an sich genommen und verkauft bzw. behalten.

Der Beschwerdeführer wurde am 14.04.2015 vom Bezirksgericht Linz wegen zahlreicher Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer hat Cannabiskraut erworben und zum Eigenkonsum besessen, nämlich im Zeitraum 21.10.2014 bis 24.11.2014 Cannabiskraut, im Zeitraum 4.12.2013 bis 20.10.2014 Cannabiskraut, am 28.08.2014 0,4 Gramm Cannabiskraut, am 18.10.2014 20,6 Gramm Cannabiskraut und am 20.10.2014 0,3 Gramm Cannabiskraut. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht des Landesgerichts Linz wurde abgesehen und die Probezeit auf 5 Jahr verlängert. Der Beschwerdeführer beantragte gemäß § 39 Abs 1 SMG Strafaufschub um sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs 2 SMG zu unterziehen. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 17.06.2015 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufschub des Vollzuges der Freiheitsstrafe gewährt.

Der Beschwerdeführer wurde am 27.11.2017 vom Landesgericht Linz wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden als Beitragstäter gemäß §§ 12 3. Fall, 223 Abs 1, 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt. Der Beschwerdeführer hat einen total gefälschten griechischen Führerschein als Beitragstäter hergestellt, indem er einer anderen Person Personaldaten zur Verfügung stellte und ein Lichtbild und eine Unterschriftenprobe an den Fälscher weiterleitete, wobei er mit dem Vorsatz handelte die Urkunde im Rechtsverkehr zum Nachweis dafür, dass er ein Fahrzeug im öffentlichen Verkehr lenken dürfe, zu verwenden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 01.09.2020, Zahl: 33 Hv 30/20p, wurde er wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach den §§ 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z. 3 SMG und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel anch § 28 Abs. 1 1. Satz SMG sowie des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 7. Fall, Abs. 4 Z. 1 SMG und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu 18 U 18/15t BG Linz und zu 20 Hv 155/17w LG Linz abgesehen und die Probezeit auf 5 Jahre verlängert. Bei der Strafbemessung wurde als mildernd das teilweise Geständnis, als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer sieht das Unrecht seiner Taten nicht ein und zeigt sich nicht glaubhaft einsichtig. Sein Bruder wurde zeitgleich wegen derselben Delikte („in bewussten und gewollten Zusammenwirken“) in Anwendung des JGG zu 18 Monaten Haft verurteilt.

Dem Beschwerdeführer ist eine Rückkehr nach Afghanistan, konkret etwa in die Stadt Mazar-e Sharif möglich. Er ist jung, bei ausreichender Gesundheit, arbeitsfähig und hat Berufserfahrung.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende Pandemie aufgrund des Corona-Virus kein Rückkehrhindernis darstellt. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

Zu Afghanistan:

COVID-19 (Stand 21.07.2020):

Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan

Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).

Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).

Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).

Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).

Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).

Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).

Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).

Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans

Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).

In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).

In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).

Wirtschaftliche Lage in Afghanistan

Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).

Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).

Einreise und Bewegungsfreiheit

Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).

Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).

Quellen:

-        AnA – Andolu Agency (19.7.2020): Turkey suspends Iran and Afghanistan flights, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/turkey-suspends-iran-and-afghanistan-flights-/1915627, Zugriff 20.7.2020

-        AnA – Andolu Agency (18.7.2020): Afghanistan: Virus cases hit low as testing declines, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-virus-cases-hit-low-as-testing-declines/1914895, Zugriff 20.7.2020

-        Arab News (10.7.2020): Coronavirus-hit Afghanistan gets $200 million World Bank grant, https://www.arabnews.com/node/1702656/world, Zugriff 20.7.2020

-        BBC – News (30.6.2020): Coronavirus overwhelms hospitals in war-ravaged Afghanistan, https://www.bbc.com/news/world-asia-53198785, Zugriff 20.7.2020

-        DS – Daily Sabah (19.7.2020): Turkey suspends flights to Iran, Afghanistan amid COVID-19 outbreak, https://www.dailysabah.com/business/transportation/turkey-suspends-flights-to-iran-afghanistan-amid-covid-19-outbreak, Zugriff 20.7.2020

-        FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (16.7.2020): Afghanistan Revised humanitarian response Coronavirus disease 2019 (COVID-19) May–December 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-revised-humanitarian-response-coronavirus-disease-2019-covid-19-may, Zugriff 20.7.2020

-        JHU - John Hopkins Universität (20.7.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 20.7.2020

-        Mangalorean (19.7.2020): Afghanistan launches new COVID-19 relief package, https://www.mangalorean.com/afghanistan-launches-new-covid-19-relief-package/, Zugriff 20.7.2020

-        OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (16.7.2020): Strategic Situation Report COVID-19, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Afghanistan%20-%20Strategic%20Situation%20Report%20-%20COVID-19%2C%20No.%2062%20%2816%20July%202020%29.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (15.7.2020): COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 15 July 2020, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/operational_sitrep_covid-19_15_july_2020.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (8.7.2020): Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 8 July 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-covid-19-multi-sectoral-response-operational-situation-report-8-july, Zugriff 20.7.2020

-        PT – Pakistan Today (17.9.2020): Trade with Afghanistan increased 25pc despite Covid-19, NA told, https://profit.pakistantoday.com.pk/2020/07/17/trade-with-afghanistan-increased-25pc-despite-covid-19-na-told/, Zugriff 20.7.2020

-        RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (16.7.2020): Antwortschreiben, per Mail

-        TN – Tolonews (19.7.2020): Afghan Goods Enter India Through Wagah Border, https://tolonews.com/business/afghan-goods-enter-india-through-wagah-border, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (18.7.2020a): Afghan Govt Launches New COVID-19 Relief Package, https://tolonews.com/afghanistan/afghan-govt-launches-new-covid-19-relief-package, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (18.7.2020b): Health Ministry’s COVID-19 Strategy Questioned, https://tolonews.com/health/health-ministry%E2%80%99s-covid-19-strategy-questioned, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (12.7.2020): Afghanistan Faces Catastrophe if Health Measures Not Heeded: AIMA, https://tolonews.com/health/afghanistan-faces-catastrophe-if-health-measures-not-heeded-aima, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (14.7.2020): Herat Health Dept Warns of Second Wave of COVID-19, https://tolonews.com/afghanistan/herat-health-dept-warns-second-wave-covid-19, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (20.7.2020): Turkey Suspends Flights to Afghanistan and Iran, https://tolonews.com/business/turkey-suspends-flights-afghanistan-and-iran, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolo News (5.4.2020): 300-Bed Hospital Opened for COVID-19 Patients in Herat, https://tolonews.com/health/300-bed-hospital-opened-covid-19-patients-herat, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolo News (19.3.2020): Govt Builds 100-Bed Hospital in Herat for COVID-19 Patients, https://tolonews.com/health/govt-builds-100-bed-hospital-herat-covid-19-patients, Zugriff 20.7.2020

-        WB – World Bank (10.7.2020): World Bank: $200 Million for Afghanistan to Protect People, Support Businesses Amid COVID-19, https://reliefweb.int/report/afghanistan/world-bank-200-million-afghanistan-protect-people-support-businesses-amid-covid, Zugriff 20.7.2020

-        WFP – World Food Programme (15.7.2020): Afghanistan: Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 9 (Covering 2nd week of July 2020), https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-countrywide-weekly-market-price-bulletin-issue-9-covering-2nd-week, Zugriff 15.7.2020

-        WFP – World Food Programme (5.2020): WFP Afghanistan Country Brief May 2020, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000116792/download/, Zugriff 20.7.2020

-        WHO – World Health Organization (20.7.2020): Coronavirus disease (COVID-19) Dashboard, https://covid19.who.int/?gclid=EAIaIQobChMIjryr5qHb6gIVkakYCh3mbwOQEAAYASABEgIpyPD_BwE, Zugriff 20.7.2020

-        WHO – World Health Organization (o.D.): Afghanistan - Hospital and laboratory services http://www.emro.who.int/afg/programmes/hospital-and-laboratory-services.html, Zugriff 20.7.2020

-        UNICEF (19.4.2020): Female-headed households bear the brunt of Covid-19 as livelihood gaps increase, https://www.unicef.org/afghanistan/stories/female-headed-households-bear-brunt-covid-19-livelihood-gaps-increase, Zugriff 20.7.2020

COVID-19 (Stand 29.06.2020):

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm, bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum anderen schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen (RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wiederaufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Quellen:

-        AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020

-        AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020

-        AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020

-        GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020

-        HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020

-        JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020

-        RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.

-        TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020

-        TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020

-        UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020

-        WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020

-        WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020

-        XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020

COVID-19 (Stand 18.05.2020):

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Besc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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