TE Lvwg Erkenntnis 2020/12/22 LVwG-2020/42/0203-1

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Veröffentlicht am 22.12.2020
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Entscheidungsdatum

22.12.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §71 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt/fasst durch seinen Richter Mag. Schaber über die Beschwerden der AA, vertreten durch die BB, Adresse 1, **** Z, A) gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 19.12.2019, Zahl ***, betreffend die Nichtbewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und B) gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Z vom 28.03.2019, Zahl ***, in einer Bauangelegenheit,

A)

zu Recht:

1.       Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 19.12.2019, Zahl ***, wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

B)

den Beschluss:

1.       Die Beschwerde gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Z vom 28.03.2019, Zahl ***, wird als verspätet zurückgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gem Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Z vom 28.03.2019, Zl ***, wurde Frau AA, geboren am xx.xx.xxxx, vorgehalten, dass sie das in ihrem Eigentum stehende Gebäude im Anwesen Adresse 2 zumindest vom 03.11.2017 bis zum 16.02.2018 anderen in unzulässiger Weise, ohne eine entsprechende Benützungsbewilligung, überlassen habe, obwohl für die Benützung gemäß § 45 Abs 1 Tiroler Bauordnung 2018 eine Benützungsbewilligung erforderlich sei. Sie habe dadurch die Rechtsvorschrift §§ 67 Abs. 1 lit. k iVm 45 Abs 1 Tiroler Bauordnung 2018 verletzt. Die belangte Behörde verhängte in diesem Zuge gegen die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 4.500,00.

Gegen dieses Straferkenntnis brachte die Beschwerdeführerin über ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist bei der belangten Behörde ein und erhob zugleich Beschwerde. Begründend führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass das gegenständliche Straferkenntnis am 24.04.2019 per E-Mail an den ausgewiesenen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin übermittelt worden sei. CC habe das E-Mail direkt erhalten und das Straferkenntnis samt weiterer Unterlagen ausgedruckt und mit einem Vermerk versehen, welcher beinhaltete, dass ein neuer Akt anzulegen und die Beschwerdefrist im Fristenkalender vorzumerken sei. Anschließend sei das Schreiben in ein hierfür vorgesehenes Ablagefach im Sekretariat des Rechtsvertreters mit anderen E-Mail-Schriftstücken abgelegt worden. Im vorliegenden Fall sei dies jedoch nicht geschehen und seien die gegenständlichen Schriftstücke erst am 10.10.2019 wieder aufgetaucht, nachdem diese bei der Bearbeitung eines anderen Aktes darin aufgefunden worden wären. Dass dieser Akt mit einem anderen zusammengeheftet worden ist, sei der mit dem Anlegen des Aktes betrauten Sekretärin, Frau EE, nicht aufgefallen. Da die Unterlagen des anderen Aktes erst später benötigt worden wären, sei dieser Umstand nicht früher aufgefallen. Der Umstand, dass die von CC weitergeleiteten Unterlagen falsch zugeordnet worden wären, sei auf ein einmaliges Versehen zurückzuführen, wobei dieses eine entschuldbare Fehlleistung darstelle. Die Tätigkeit der Mitarbeiterinnen der Kanzlei des Rechtsvertreters unterlägen einer ständigen Kontrolle, wobei anhand der Vielzahl an Akten ein einmaliges und vor allem derartiges Versehen dieser Art nicht zwingend auffallen müsse. Daher liege im gegenständlichen Fall ein einmaliges Versehen und sohin ein unvorhergesehenes Ereignis vor.

In der Beschwerde gegen das Straferkenntnis führt der Rechtsvertreter zusammenfassend aus, dass das vorliegende Straferkenntnis gegen die Beschwerdeführerin sowohl materielle als auch formelle Rechtsmängel aufweise. Die Beschwerdeführerin sei im gegenständlichen Bauvorhaben von Anfang an von Herrn DD vertreten gewesen, welcher auch für sämtliche damit verbundenen Bauverfahren zuständig gewesen sei. Die Beschwerdeführerin treffe somit keine Schuld daran, dass ohne Vorliegen einer Benützungsbewilligung die gegenständliche Wohnanlage benutzt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe mit der Abwicklung des gegenständlichen Bauvorhabens nichts zu tun gehabt und sämtliche diesbezüglichen Aufgaben an Herrn DD delegiert. Daher treffe sie an der unrechtmäßigen Benützung der gegenständlichen Wohnanlage vor Erteilung der Benützungsbewilligung kein Verschulden.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wies der Bürgermeister der Stadt Z den Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen das Straferkenntnis des Stadtmagistrates Z vom 28.03.2019 zu Zahl ***, als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde vom 16.01.2020, in welcher die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ausführt, dass sie bereits ausführlich dargelegt habe wie es zum gegenständlichen, einmaligen Versehen und sohin zu einem unvorhergesehenen Ereignis gekommen sei. Die notwendigen Vorsorgen, um eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung in der Kanzlei zu gewährleisten, seien getroffen worden. Die Kanzleiorganisation sei selbstverständlich so organisiert, dass Fehler dieser Art nicht vorkommen. Es gäbe wöchentliche Besprechungen, in denen kanzleiinterne Abläufe analysiert und auf mögliche Fehlerquellen durchforstet werden. Diese Bestrebungen würden darauf abzielen, dass fehlerhafte Zuordnungen zu falschen Akten und dergleichen vermieden werden. Im gegenständlichen Fall habe die zuständige Sekretärin trotz entsprechender Aufmerksamkeit übersehen, dass sie nicht ein sehr umfangreiches Aktenstück einer Bearbeitung unterzogen habe, sondern versehentlich zwei verschiedene Aktenstücke. In Anbetracht des Umstandes, dass im Regelfall alltäglich Schriftstücke im Umfang von ca. 700 Seiten bearbeitet werden müssen, sei ein derartiger Fehler trotz aller Vorsicht nicht gänzlich auszuschließen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zahl ***.

II.      Rechtsgrundlagen:

Die hier wesentliche Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG – lautet wie folgt:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

         1.       die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

         2.       die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

Die wesentlichen Bestimmungen des VwGVG, BGB I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 57/2018, lauten:

„Beschwerderecht und Beschwerdefrist

§ 7.

(…)

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1.

in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,

2.

in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG dann, wenn der Bescheid dem zuständigen Bundesminister zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem der zuständige Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat,

3.

in den Fällen des Art. 132 Abs. 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung, und

4.

in den Fällen des Art. 132 Abs. 5 B-VG dann, wenn der Bescheid dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.“

Die wesentlichen Bestimmungen des AVG, BGB Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, lauten:

„Fristen

§ 32.

(…)

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.“

III.     Erwägungen:

Gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach § 71 Abs 2 AVG muss ein solcher Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden.

Um die Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, muss das Ereignis für den Wiedereinsetzungswerber entweder unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein. Der Antragsteller muss an der zeitgerechten Vornahme einer befristeten Prozesshandlung durch ein Ereignis verhindert gewesen sein, das er nicht vorhergesehen hat oder dessen Eintritt er nicht abwenden konnte. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Ob ein Ereignis als unvorhergesehen einzustufen ist, richtet sich auch nach den subjektiven Verhältnissen der Partei.

Ein unabwendbares Ereignis liegt vor, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann. Mit dem Begriff „unabwendbar“ stellt das Gesetz objektiv auf die Möglichkeiten des Durchschnittsmenschen ab, das heißt, es kommt darauf an, dass der Eintritt des Ereignisses objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht abgewendet werden kann, auch wenn er diesen Eintritt voraussah.

Selbst wenn man aber von einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis ausgehen würde, würde dies noch nicht bedeuten, dass schon deshalb dem Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben wäre.

Weitere Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung ist nämlich, dass die Partei kein Verschulden an der Versäumung treffen darf, das über einen minderen Grad des Verschuldens hinausgehen würde. In ständiger Rechtsprechung (vgl das oben zitierte Erkenntnis vom 22.01.2003, 2002/04/0137), judiziert der Verwaltungsgerichtshof, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber den Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muss der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrolle vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft ihn in einem solchen Fall nur dann nicht, wenn dargetan wird, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des entsprechenden Kanzleiangestellten beruht. Die Art und Intensität der über die Kanzlei ausgeübten Kontrolle ist bereits im Wiedereinsetzungsantrag darzutun.

Dazu ist auszuführen, dass unter einem minderen Grad des Versehens nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen ist, die dann vorliegt, wenn dem Wiedereinsetzungswerber ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, das heißt er darf die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben. Nach der umfangreichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine auffallende Sorglosigkeit beispielsweise in dem Fall vor, dass keine hinreichenden organisatorischen Vorkehrungen dahin getroffen sind, dass bei der Bearbeitung von Einlaufstücken die Möglichkeit der Verlegung in anderen Akten (VwGH 22.3.1991, 91/10/0018; 20.1.1993, 93/01/1062; 23.2.1993, 91/08/0170; 26.4. 2013, 2013/07/0045) oder des Verrutschens zu einer nicht (kaum) wahrnehmbaren Stelle (VwGH 30.5.1997, 96/02/0608; vgl auch VwGH 9.7.2002, 2001/01/0216; 31.3.2006, 2006/02/0003) ausgeschlossen ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72, Rz 62 (Stand 1.1.2020, rdb.at)).

Vorliegend ist aus Sicht des Gerichtes das Verlegen des Schriftstückes durch die Kanzleiangestellte EE auf eine mangelhafte Kanzleiorganisation zurückzuführen, die ein Verschulden minderen Grades ausschließt. Wenn der Rechtsvertreter der Wiedereinsetzungswerberin anführt, dass der Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z irrtümlich einem anderen Aktenstück angeschlossen worden wäre, so ist diesem Vorbringen zu entgegnen, dass die zuständige Sekretärin bei der Durchsicht dieses Aktenstückes merken hätte müssen, dass dort ein anderes Schriftstück angeschlossen ist, das nicht in den betreffenden Akt gehört. Das Nichterkennen dieses Umstandes kann nur darauf zurückzuführen sein, dass die zuständige Sekretärin die Akten nicht durchgesehen hat. Ein solches Verhalten kann nicht ein Versehen nur minderen Grades darstellen, sondern ist vielmehr als auffallend sorglos zu bewerten, zumal eine Durchsicht eines Aktes auf eventuelle Unstimmigkeiten ein Mindestmaß an Sorgfalt darstellt.

In einer Rechtsanwaltskanzlei ist durch den richtigen Einsatz entsprechend qualifizierter Mitarbeiter (VwGH 14. 4. 1994, 94/06/0047) und durch hinreichende, wirksame Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens so weit wie möglich ausgeschaltet werden (vgl VwGH 21. 5. 1996, 96/05/0047; 14. 11. 2002, 2001/09/0177; 23. 4. 2015, 2012/07/0222; vgl auch VwSlg 7858 F/2003), (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72, Rz 62 (Stand 1.1.2020, rdb.at)). Wie bereits erwähnt, kann der vorliegende Mangel in der Kanzleiorganisation nicht mehr als ein minderer Grad des Versehens eingestuft werden, da bei gehöriger Aufmerksamkeit der Sekretärin der Akt nicht in einen anderen Akt verlegt worden wäre. Der Rechtsvertreter der Wiedereinsetzungswerberin hätte dafür Sorge tragen müssen, dass für solche Fälle ein geeignetes Kontrollsystem vorhanden ist. Ein solches lag offensichtlich nicht vor. Ein wirksames Kontrollsystem hätte nämlich bewirkt, dass der Akt, bevor er abgelegt wird, auf Auffälligkeiten, wie Verheddern mit anderen Akten überprüft worden wäre.

Wenn der Vertreter der Wiedereinsetzungswerberin darauf verweist, dass aufgrund der Fülle an täglich eingehenden Schriftstücke, die die verantwortliche Sekretärin zu erledigen hat, eine Unachtsamkeit nicht auszuschließen sei, stellt dies ebenfalls einen Fehler in der Kanzleiorganisation dar. Der Rechtsvertreter der Wiedereinsetzungswerberin führt nämlich ausdrücklich aus, dass er bei einer Arbeitsbelastung von täglichen Schriftstücken mit ca 700 Seiten menschliches Versagen jedenfalls nicht ausschließen könne. Wenn dem Rechtsvertreter der Wiedereinsetzungswerberin dies jedoch bewusst ist, hätte er entsprechende organisatorische Vorkehrungen treffen müssen, um solches menschliches Versagen zu verhindern. Die vom Rechtsvertreter getroffenen Vorkehrungen reichen offensichtlich nicht aus.

Für das Gericht ist zusammenfassend nicht erkennbar, dass der Vertreter der Wiedereinsetzungswerberin ohne sein Verschulden bzw aus einem minderen Grad des Versehens nicht übersteigenden Verschulden verhindert war, die Frist zur Erhebung der Beschwerde einzuhalten.

Aus den genannten Gründen war die Beachwerde gegen den nicht stattgegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher abzuweisen.

Somit verblieb dem Gericht die Prüfung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde vom 14.10.2019 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Z vom 28.03.2019, Zl ***.

Das angefochtene Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin am 12.04.2019 nachweislich zugestellt. Die mit 14.10.2019 datierte dagegen erhobene Beschwerde ist bei der belangten Behörde am 23.10.2019 eingegangen.

Aus § 32 Abs 2 AVG ergibt sich, dass nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat, enden. Die in § 7 Abs 4 VwGVG festgelegte Frist für die Einbringung einer Beschwerde von 4 Wochen hat sohin am Freitag, dem 12.04.2019, begonnen und erweist sich damit Freitag, der 10.05.2019, als letzter Tag der Frist.

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde in der Rechtsmittelbelehrung korrekterweise darauf hingewiesen wurde, dass die Rechtsmittelfrist 4 Wochen beträgt. Die Beschwerdeführerin musste sohin wissen, dass ihr zur Einbringung seines Rechtsmittels eine Frist von 4 Wochen zur Verfügung steht.

Das erst am 23.10.2019 übermittelte Rechtsmittel ist sohin verspätet.

Es war damit spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im vorliegenden Verfahren waren ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0050; 30.7.2015, Ra 2015/22/0008).

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Schaber

(Richter)

Schlagworte

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand;
Beschwerde verspätet;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.42.0203.1

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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