TE Vwgh Beschluss 2020/12/3 Ra 2019/04/0089

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Veröffentlicht am 03.12.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art133 Abs4
GewO 1994 §29
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision der T Ges.m.b.H in K, vertreten durch Dr. Andreas Huber, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Liechtensteinstraße 12/2/10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. Mai 2019, Zl. VGW-123/074/5617/2019-29, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1.) Stadt Wien, pA. Magistratsabteilung 45, Am Brigittenauer Sporn 7, 1200 Wien; 2.) D GmbH in W, vertreten durch die Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG, Wipplingerstraße 20, 1010 Wien;), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Die Erstmitbeteiligte (im Folgenden Auftraggeberin) führte ein offenes Verfahren zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages im Oberschwellenbereich betreffend „Reinigungsarbeiten WW-Bäche, (2019-2022); 1.-14., 17.-19. und 23. Bezirk, Schwechatfluss und Wienerwaldsee“.

2        Die Revisionswerberin beteiligte sich an der Ausschreibung mit einer Angebotslegung und war nach der Angebotsöffnung an dritter Stelle gereiht.

3        Mit Entscheidung der Auftraggeberin vom 11. April 2019 wurde unter anderem der Revisionswerberin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der Zweitmitbeteiligten (im Folgenden: präsumtive Zuschlagsempfängerin) zu erteilen.

4        Gegen diese Auftraggeberentscheidung richtet sich der Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin mit dem Begehren, die angefochtene Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären.

5        Diesen Nachprüfungsantrag begründete die Revisionswerberin - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - mit der Erforderlichkeit einer - bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht vorhandenen - gewerberechtlichen Genehmigung betreffend das Gewerbe „Sammeln und Behandeln von Abfällen und Abwässern“ als Voraussetzung für die Durchführung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen.

6        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) den Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

7        In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfüge unter anderem über Gewerbeberechtigungen lautend auf „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von öffentlichen und privaten Verkehrsflächen unter Ausschluss jeder einem reglementierten Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeit“ und „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“. Das der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zuzurechnende Subunternehmen verfüge über die Gewerbeberechtigung lautend auf „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“.

8        Der Auftragsgegenstand des Vergabeverfahrens umfasse die Reinigung der gesamten von der Auftraggeberin verwalteten Flächen (Ufer, Rad- und Fußwege, Grillplätze), wobei die Aufträge jeweils ortsbezogen vergeben würden. Im vorliegenden Fall beinhalte die zu betreuende Fläche auch Ufer und Gewässerbereiche, wobei der Schwerpunkt auf der Reinigung der Verkehrsflächen liege. Mäharbeiten seien nicht inkludiert. Die Reinigungen würden nicht ständig stattfinden, sondern zwei- bis dreimal pro Jahr als „Feinreinigung“ durchgeführt werden. Die Betreuung der Mistkübel erfolge regelmäßig ein- bis zweimal wöchentlich. Für Sperrmüll werde ein eigener Auftrag erteilt. Die eingesammelten Abfälle würden von der Auftragnehmerin auf den Sammelplatz der Auftraggeberin gebracht werden, von wo diese letztlich von der MA 48 abgeholt würden. Das Leistungsverzeichnis der gegenständlichen Ausschreibung enthalte drei Leistungsgruppen: Reinigen, Regiearbeiten-Reinigung sowie Verfuhr- und Entsorgungsleistungen. Unter der letzten Leistungsgruppe würde zu den einzelnen Positionen festgelegt, dass Hausmüll bzw. hausmüllähnlicher Gewerbeabfall, Sperrmüll, Laub nach Wahl der Auftragnehmerin zu einer befugten Entsorgungs- bzw. Annahmestelle oder nach den Angaben der Auftraggeberin zu verbringen sei.

9        Die Voraussetzung bestimmter Befugnisse der Bewerber sei in die Ausschreibung nicht aufgenommen worden, um den Bieterkreis möglichst groß zu halten.

10       In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die Befugnisse der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, welcher die ihres Subunternehmers ebenfalls zuzurechnen seien, decken 70 Prozent der ausschreibungsgegenständlichen Leistungsinhalte ab. Überdies stehe dem Gewerbetreibenden als Nebenrecht das Erbringen von Leistungen anderer Gewerbe zu, sofern diese die eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll ergänzen würden. Fallbezogen sei davon auszugehen, dass die Gewerbeberechtigungen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ca. 70 Prozent der Leistungen abdecken würden, der übrige Leistungsumfang könne im Rahmen der Ausübung von Nebenrechten abgedeckt werden, wobei es sich bei sämtlichen zu erbringenden Leistungen um solche freier Gewerbe handle. Die Gewerbeordnung selbst definiere den Begriff „Verkehrsfläche“ nicht. Mit diesem Begriff werde ein Raum beschrieben, in welchem sich Personen bewegen würden und der daher verkehrssicher zu gestalten sei. Dazu würden auch Grillplätze zählen, weil es sich auch hier um Flächen handle, die für die Allgemeinheit nutzbar zu erhalten seien. Insgesamt sei bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung die Befugnis im erforderlichen Umfang gegeben, weshalb die angefochtene Auftraggeberentscheidung zu Recht ergangen sei.

11       3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision.

12       4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       4.1. Die Revision bringt vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Anforderungen an eine Begründung ab, weil dieses keine Feststellungen zu Art und Umfang der ausschreibungsgegenständlichen Teilleistungen und deren prozentuellem Verhältnis zueinander getroffen habe. Insofern sei dieses entgegen den Anforderungen der Rechtsprechung nicht nachvollziehbar begründet.

16       Dem ist zu erwidern, dass der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen zum Leistungsinhalt getroffen, schlicht unrichtig ist, weil das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Erkenntnis - wie sich aus der obigen Zusammenfassung ergibt - festgestellt hat, welche Leistungsgruppen die Ausschreibung beinhalte bzw. welche Arbeiten von der Vergabe erfasst seien. Insofern ist der vorgebrachte Begründungsmangel des angefochtenen Erkenntnissesnicht nachvollziehbar.

17       4.2.1. Ferner bringt die Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage, was unter dem Begriff „Verkehrsfläche“ in Zusammenhang mit dem Gewerbe „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen“ zu verstehen sei.

18       4.2.2. Fallbezogen hatte das Verwaltungsgericht die Frage zu lösen, ob die präsumtive Zuschlagsempfängerin über eine Gewerbeberechtigung verfüge, die sie zur Erbringung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen berechtigt.

19       Betreffend den Umfang der Gewerbeberechtigung ist laut § 29 GewO 1994 primär der Wortlaut der Gewerbeanmeldung im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgeblich. Das Verwaltungsgericht hat diesen Bestimmungen entsprechend fallbezogen den Wortlaut der Gewerbeberechtigung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von öffentlichen und privaten Verkehrsflächen unter Ausschluss jeder einem reglementierten Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeit“ und „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“ interpretiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass deren Umfang unter Berücksichtigung der Nebenrechte die ausschreibungsgegenständlichen Leistungen abdecke. Diese in Hinblick auf die Ausschreibungsbedingungen getroffene Auslegung im Zusammenhang mit dem Umfang der Gewerbeberechtigung stellt eine rechtliche Beurteilung im Einzelfall dar, der entgegen der Ansicht der Revision keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl VwGH 24.2.2015, Ro 2014/05/0097). Dass die fallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichts unvertretbar sei, wird von der Revision nicht vorgebracht.

20       4.3. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 3. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019040089.L00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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