TE Vwgh Erkenntnis 2020/12/2 Ra 2020/02/0227

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Veröffentlicht am 02.12.2020
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Index

L70309 Buchmacher Totalisateur Wetten Wien
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §9 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §29 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
WettenG Wr 2016 §17 Abs1
WettenG Wr 2016 §17 Abs2
WettenG Wr 2016 §2 Z1
WettenG Wr 2016 §2 Z2
WettenG Wr 2016 §2 Z3
WettenG Wr 2016 §2 Z4
WettenG Wr 2016 §3
WettenG Wr 2016 §6 Abs1 Z1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/02/0228

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision 1. des S Ka in W und 2. der G AG in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 25. Februar 2020, 1. VGW-002/082/15717/2019/E-14 und 2. VGW-002/082/15718/2019/E, betreffend Übertretung des Wiener Wettengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 18. Mai 2018 legte die belangte Behörde dem Erstrevisionswerber zur Last, er habe es als verantwortlicher Beauftragter der G AG (Zweitrevisionswerberin) gemäß § 9 Abs. 2 VStG zu verantworten, dass diese Gesellschaft an der näher genannten Betriebsstätte in W, in der diese Gesellschaft die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich Vermittlerin, ausübe, am 28. März 2017 die Verpflichtung des § 17 Abs. 2 Wiener Wettengesetz nicht eingehalten habe, weil die äußere Bezeichnung der Betriebsstätte einen unmissverständlichen Hinweis auf den Gegenstand der Bewilligung nicht beinhaltet habe. Der Erstrevisionswerber habe dadurch § 17 Abs. 2 Wiener Wettengesetz in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 26/2016 verletzt, weshalb über ihn gemäß § 24 Abs. 1 Z 10 Wiener Wettengesetz iVm § 9 Abs. 1 VStG eine Geldstrafe in Höhe von € 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 23 Stunden) verhängt wurde.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) zunächst mit Erkenntnis vom 31. März 2019 mit näheren Maßgaben ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

3        Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26.11.2019, Ra 2019/02/0174-0175, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

4        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerber nach Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung und nochmaliger Einvernahme des Belastungszeugen mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis bestätigt, dass in der Tatumschreibung die erste Verwendung der Abkürzung „leg. cit.“ durch „Wr. WettenG“ ersetzt werde und § 17 Abs. 2 sowie § 24 Abs. 1 Z 10 Wr. WettenG jeweils „in deren Stammfassung“ anzuführen seien (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. wurde dem Erstrevisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt und die Haftung der Zweitrevisionswerberin hiefür ausgesprochen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht mit Spruchpunkt III. für nicht zulässig.

5        Das Verwaltungsgericht stellte u.a. fest, dass die Zweitrevisionswerberin eine wettunternehmerische Tätigkeit, nämlich jene der Buchmacherin, am Tatort ausgeübt habe.

6        Die Revisionswerber erhoben gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 1150/2020-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurück- in eventu die Abweisung der Revision sowie den Zuspruch von Aufwandersatz.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        Die Revision erweist sich im Hinblick auf ihr Vorbringen, die angefochtene Entscheidung weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Spruch und Begründung einer Entscheidung nicht voneinander abweichen dürften, als zulässig und begründet.

10       Die §§ 2 und 17 Wiener Wettengesetz in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, LGBl. Nr. 26/2016, lauteten auszugsweise:

Begriffsbestimmungen

§ 2. Die in diesem Landesgesetz verwendeten Begriffe sind jeweils im Sinne der nachfolgenden Begriffsdefinitionen zu verstehen:

1.   Buchmacherin oder Buchmacher ist, wer Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen gewerbsmäßig abschließt.

2.   [...]

3.   Vermittlerin oder Vermittler ist, wer Wetten, Wettkundinnen oder Wettkunden persönlich oder durch ihr oder sein Personal oder im Wege von Wettterminals (Z 8) gegen Entrichtung eines Wetteinsatzes zum Abschluss an eine Buchmacherin oder an einen Buchmacher oder andere Personen gewerbsmäßig weiterleitet.

4.   Wettunternehmerin oder Wettunternehmer ist, wer die Tätigkeit als Buchmacherin oder Buchmacher und/oder als Totalisateurin oder Totalisateur und/oder als Vermittlerin oder Vermittler gewerbsmäßig ausübt.

[...]

Äußere Bezeichnung der Betriebsstätte

§ 17. (1) Jede Wettunternehmerin und jeder Wettunternehmer ist verpflichtet, die Betriebsstätte durch eine äußere Bezeichnung deutlich und dauerhaft kenntlich zu machen.

(2) Die äußere Bezeichnung hat in gut sichtbarer Schrift einen unmissverständlichen Hinweis auf den Gegenstand der Bewilligung zu enthalten.“

11       Gemäß § 2 Z 4 Wiener Wettengesetz ist Wettunternehmer, wer die Tätigkeit als Buchmacher und/oder als Totalisateur und/oder als Vermittler gewerbsmäßig ausübt.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass es unterschiedliche Tätigkeiten als Wettunternehmer gibt, und zwar jene des Buchmachers, des Totalisateurs und des Vermittlers von Wettkunden. Deren Ausübung ohne die erforderliche Bewilligung oder Berechtigung aufgrund einer Anzeige stellt jeweils eine unterschiedliche Verwaltungsübertretung dar (vgl. VwGH 20.9.2019, Ra 2019/02/0080, mwN).

13       Wie sich somit aus den gesetzlichen Bestimmungen ergibt, ist zwischen der Tätigkeit als Buchmacher und als Vermittler zu unterscheiden, mögen auch beides Tätigkeiten eines Wettunternehmers sein. Der Terminus „Wettunternehmer“ stellt vielmehr einen Oberbegriff dar, um die verschiedenen Arten der Wettunternehmertätigkeit unter einem zu benennen (§ 2 Z 4 Wiener Wettengesetz), er sagt jedoch nichts über die konkret bewilligte Tätigkeit und damit den „Gegenstand der Bewilligung“ gemäß § 17 Abs. 2 Wiener Wettengesetz aus (vgl. abermals VwGH 20.9.2019, Ra 2019/02/0080, mwN).

14       Dem Erstrevisionswerber wurde als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter der Zweitrevisionswerberin im Spruch des - vom Verwaltungsgericht insofern nicht geänderten - Straferkenntnisses vorgeworfen, dass die Zweitrevisionswerberin die wettunternehmerische Tätigkeit des Vermittelns ausgeübt habe. Zu dieser Tätigkeit trifft das Verwaltungsgericht nun jedoch keine Feststellung, vielmehr stellt es fest, die Zweitrevisionswerberin sei als Buchmacherin tätig geworden.

15       Vor dem Hintergrund der angelasteten Tat, dass die äußere Bezeichnung der Betriebsstätte gemäß § 17 Abs. 2 Wiener Wettengesetz in gut sichtbarer Schrift einen unmissverständlichen Hinweis auf den Gegenstand der Bewilligung zu enthalten hat, ist der Vorwurf, welche wettunternehmerische Tätigkeit ausgeübt worden ist, wesentlich (vgl. zur Auslegung des § 17 Wiener Wettengesetzes erneut VwGH 20.9.2019, Ra 2019/02/0080, mwN).

16       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zudem bereits mit den unterschiedlichen Tätigkeitsarten als Wettunternehmer beschäftigt und dazu ausgeführt, dass etwa ein Wettkundenvermittler nicht unmittelbar eine Wette abschließt, sondern vielmehr den Wettkunden an den Buchmacher oder den Totalisateur vermittelt (vgl. etwa zum Vorarlberger Wettengesetz, VwGH 20.10.2017, Ra 2017/02/0078, mwN). Eine Unterscheidung der jeweiligen Tätigkeitsart für Wettkunden ist von Relevanz (vgl. erneut VwGH 20.9.2019, Ra 2019/02/0080, mwN).

17       Eine Vermittlung der zweitrevisionswerbenden Partei von Wettkunden an sich selbst als Buchmacherin ist dabei ausgeschlossen (vgl. VwGH 11.9.2013, 2012/02/0265).

18       Da sich dieser Widerspruch zwischen Spruch und Begründung nicht bloß als terminologische Abweichung darstellt, deren Wirkung sich im sprachlichen erschöpft, sondern die Wahl unterschiedlicher Begriffe für die Beurteilung des angelasteten Tatbildes in § 17 Abs. 2 Wiener Wettengesetz von Bedeutung ist, haftet dem angefochtenen Erkenntnis nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes inhaltliche Rechtswidrigkeit an (vgl. VwGH 24.6.2019, Ra 2018/02/0049 bis 0050, mwN).

19       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

20       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 2. Dezember 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020227.L00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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