TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 W133 2230158-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
BBG §48
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2230158-1/7E

W133 2230159-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von
XXXX , geb. XXXX , gegen

1.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 12.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" in dem Behindertenpass, und

2.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, ebenfalls vom 12.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass,

zu Recht erkannt:

A)

1.) Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.02.2020 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Fahrpreisermäßigung" in dem Behindertenpass wird als unbegründet abgewiesen.

2.) Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.02.2020 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Spruch zu lauten hat wie folgt:

Dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 13.08.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass wird stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist seit 21.03.2007 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.). Die Ausstellung dieses Behindertenpasses erfolgte nach Einholung eines nervenfachärztlichen Sachverständigengutachtens nach der Richtsatzverordnung vom 07.08.2006. Die Funktionseinschränkung wurde der Leidensposition

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Multiple Sklerose

Wahl dieser Positionsnummer mit dem mittleren Rahmensatz, da eine Tetraparese kombiniert mit Wortfindungsstörungen befunddokumentiert - nachvollziehbar ist.

567

50

zugeordnet und nach der Richtsatzverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Am 13.08.2019 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumsservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) online den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und/oder Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis), zusätzlich wurde auch die Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, „Fahrpreisermäßigung“ und „Osteosynthesematerial“ beantragt.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 07.11.2019 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkung

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

1

Multiple Sklerose

festgestellt. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 07.08.2006 sei eine geringgradige Verschlechterung des Neuro-Status vorwiegend an den unteren Extremitäten eingetreten. Die Vornahme der Zusatzeintragung „Osteosynthesematerial“ in dem Behindertenpass sei gerechtfertigt. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben vom 08.11.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 07.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Die Beschwerdeführerin erstattete mit E-Mailnachricht vom 27.11.2019 eine Stellungnahme. Darin führt sie aus, dass der letzte aktive Schub mit notwendiger medizinischer Behandlung im Mai 2019 und nicht 2015 stattgefunden habe. Es habe Monate gedauert, bis sie wieder in der Lage gewesen sei, körperlich halbwegs fit ihrer Berufstätigkeit nachgehen zu können. Sie arbeite ständig am PC und es sei wohl nachvollziehbar, dass Doppelbilder das Arbeiten behindern würden. Um ihrer Vollzeitbeschäftigung nachgehen zu können, müsse sie täglich Aufputschmittel einnehmen, um ihre Arbeitsstelle zu erreichen, den Arbeitstag auch sinnvoll und mit Output zu überstehen und nicht einzuschlafen. Ihr Weg bis zum öffentlichen Verkehrsmittel betrage zwar in etwa 20 Minuten, aber dann müsse sie den vollen Zug besteigen und sich eine ¾ Stunde stehend mit Stock auf den Beinen halten. Sitzplatz gebe es keinen, sie müsse glücklich sein, einen Stehplatz zu erhalten. Die Sturzgefahr beim Gehen und Stehen in der Straßenbahn sei aufgrund ihres körperlichen Zustandes (Gleichgewichtsstörung, fehlende Kraft in den Beinen) beträchtlich erhöht. Sicheres Erreichen ihres Arbeitsplatzes mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei daher keinesfalls gegeben. Eine maßgebliche Beeinträchtigung mit Stock stehend in einer vollen Straßenbahngarnitur liege zweifellos vor. Leider könne sie ihren Arbeitsweg zeitlich nicht anders legen, da sie zu festen Zeiten im Büro anwesend sein müsse. Die Behandlung mit Tecfidera habe aufgrund massiver Nebenwirkungen abgebrochen werden müssen, da die Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben gewesen sei. Das sei nicht das erste Medikament gewesen, das außer Nebenwirkungen keine Wirkungen gehabt habe (Cortison, Aubagio...). Andauernde Konzentrationsfähigkeit sei nur unter Verwendung von Aufputschmitteln aufzubringen. Dieser Umstand sei beim Untersuchungstermin nicht thematisiert worden, da der Sachverständige nicht nach ihrer Konzentrationsfähigkeit gefragt habe. Eine Verschlechterung in der Brustwirbelsäule (Atrophie) sei im bereits vorliegenden Befund vom Sommer dieses Jahres im Vergleich zu den nun übermittelten Befunden aus 2015 und 2016 und dem ebenfalls vorliegenden Erstbefund 2006 objektiviert und nachgewiesen. MS sei eine Erkrankung des Immunsystems. Aufgrund dessen seien auch Impfungen nicht unproblematisch (z.B. Grippe). Jeder Stress und jede Erkrankung könne einen weiteren Schub auslösen. Da sie noch ca. 15 Jahre ihrer Berufstätigkeit nachgehen wolle/müsse, empfinde sie es als Bestrafung einer Arbeitswilligen, wenn eine Maßnahme, die nichts koste, abgelehnt werde: Sie benütze ihr KFZ auf ihre Kosten und keine Taxis oder Transportdienste auf Kosten der Allgemeinheit. Der Stellungnahme wurden zwei MRT-Befunde aus den Jahren 2015 und 2016 beigelegt.

Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des Neurologen, welcher das Gutachten vom 07.11.2019 erstellt hatte, vom 14.01.2020 ein. Darin hielt der Gutachter daran fest, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 12.02.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" vom 13.08.2019 gemäß §§ 42, 45 und 48 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) ab.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid ebenfalls vom 12.02.2020 wies die belangte Behörde auch den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ vom 13.08.2019 unter Hinweis auf das medizinische Beweisverfahren gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Das Gutachten vom 07.11.2019 und die Stellungnahme vom 14.01.2020 wurden der Beschwerdeführerin gemeinsam mit diesem Bescheid übermittelt.

Mit E-Mailnachricht vom 01.04.2020 brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine über weite Teile kaum leserliche Beschwerde gegen beide Bescheide vom 12.02.2020 ein.

Die belangte Behörde legte am 03.04.2020 dem Bundesverwaltungsgericht die kaum leserliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten zur Entscheidung vor.

Mit Verbesserungsauftrag des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2020 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, das Beschwerdeschreiben vom 31.03.2020 vollständig und in leserlicher Form dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen. Außerdem wurde sie ersucht, die Befunde ihrer behandelnden Ärztin aus den Jahren 2019 und 2020 nachzureichen.

Am 29.07.2020 langte die Beschwerde vom 31.03.2020 nunmehr in leserlicher Form beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin führt die Beschwerdeführerin aus, dass eine falsche Einordnung ihrer Erkrankung erfolgt sei. Aufgrund des vorgelegten MRT Befundes vom letzten Sommer sei die Volumsverminderung des Rückenmarks der Brustwirbelsäule eindeutig nachgewiesen. Dieser Umstand beeinflusse sämtliche Funktion ihrer unteren Körperhälfte: Gehen wie Harnlassen. Ihre körperliche Belastbarkeit sei sowohl physisch als auch psychisch eingeschränkt. Als alleinerziehende vollzeitbeschäftigte Mutter könne eine besondere Erschwernis im Zusammenhang mit der Erkrankung wohl nicht verneint werden. Die Entfernung von ihrem Wohnhaus zum öffentlichen Verkehrsmittel könne aus eigener Kraft und ohne Hilfsmittel nicht mehr zurückgelegt werden. Auch das Ein- und Aussteigen sowie die Beförderung seien aus Gründen der mangelnden „Standfestigkeit" und der Gleichgewichtsproblematik nicht mehr sicher gewährleistet. Plötzliche, nicht vorhersehbare Stürze könnten die Folge sein. Des Weiteren wurden dem Bundesverwaltungsgericht eine Honorarnote vom 30.06.2020, fachärztliche Befunde der die Beschwerdeführerin behandelnden Neurologin vom 02.06.2020 und 23.06.2020, eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung, ein Schreiben eines Allgemeinmediziners im Zusammenhang mit COVID-19 vom 03.06.2020 und ein MRT-Befund vom 10.06.2020 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 26.08.2020, der Beschwerdeführerin zugestellt am 31.08.2020, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens mit eingehender Begründung darüber, dass aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf Grundlage der aktuell vorliegenden Ermittlungsergebnisse die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel als der Beschwerdeführerin nicht mehr zumutbar zu erachten sei. Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung der „Fahrpreisermäßigung“ würden hingegen nach wie vor nicht vorliegen. Es wurde den Parteien des Verfahrens in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Weder die Beschwerdeführerin, noch die belangte Behörde erstatteten eine Stellungnahme. Beide Parteien erhoben keine Einwendungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist aufgrund von dauerhaften Funktionseinschränkungen durch eine Multiple-Sklerose-Erkrankung seit 2007 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

Sie brachte am 13.08.2019 die gegenständlichen Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Fahrpreisermäßigung" und "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in dem Behindertenpass bei der belangten Behörde ein.

Sie hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen aufgrund einer Multiple Sklerose-Erkrankung erhebliche Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden.

Die Beschwerdeführerin reichte im Rahmen der Erfüllung des vom erkennenden Gericht erteilten Verbesserungsauftrages am 29.07.2020 aktuelle medizinische Befunde bzw. Bestätigungen nach.

Diese nachgereichten Unterlagen belegen aus heutiger Sicht, dass die Beschwerdeführerin an einer aktiven schubförmigen MS-Erkrankung leidet, welche sich in einer Gangstörung, Schwindelzuständen und einem ausgeprägten Fatiquesyndrom äußert, und weiters bereits regelmäßig mit dem Chemotherapeutikum Cyclophosphamid (Endoxan) in Form von Infusionen behandelt werden muss, welches auch starke immunsuppressive Eigenschaften aufweist.

Aus dem nachgereichten fachärztlichen Befundbericht vom 23.06.2020, der auch die fachärztlichen Befunde aus den Jahren 2019 und 2020 berücksichtigt, ergibt sich zudem, dass der Beschwerdeführerin aus Sicht der sie seit 10 Jahren behandelnden Neurologin wegen der bestehenden Symptome die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zugemutet werden kann. Die Beschwerdeführerin verfügt weiters über ein COVID-19-Risiko-Attest.

In Gesamtwürdigung ist aufgrund der aktuellen Sachverhaltslage davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin – entgegen den Ausführungen im gegenständlich eingeholten Sachverständigengutachten vom 07.11.2019 sowie in der ergänzend eingeholten Stellungnahme vom 14.01.2020 - die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar ist; diesbezüglich wird auch auf die beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung der „Fahrpreisermäßigung“ im Behindertenpass liegen allerdings nach wie vor nicht vor; auch diesbezüglich wird auch auf die beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über die Ausstellung eines Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung der gegenständlichen Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Fahrpreisermäßigung" und „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Das Vorliegen einer Multiple Sklerose-Erkrankung ergibt sich aus dem neurologischen Gutachten vom 07.11.2019 des behördlichen Verfahrens samt Ergänzung durch die vorgelegten neurologischen Fachbefunde. Die Schwere sowie die Auswirkungen der durch die MS-Erkrankung vorliegenden erheblichen Funktionseinschränkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus den am 29.07.2020 nachgereichten aktuellen medizinischen Befunden bzw. Bestätigungen. Diese nachgereichten Unterlagen belegen, dass die Beschwerdeführerin an einer aktiven schubförmigen MS-Erkrankung leidet, welche sich in einer Gangstörung, Schwindelzuständen und einem ausgeprägten Fatiquesyndrom äußert, und weiters bereits regelmäßig mit dem Chemotherapeutikum Cyclophosphamid (Endoxan) in Form von Infusionen behandelt werden muss, welches auch starke immunsuppressive Eigenschaften aufweist. Aus dem nachgereichten fachärztlichen Befundbericht vom 23.06.2020, welcher auch die fachärztlichen Befunde aus den Jahren 2019 und 2020 berücksichtigt, ergibt sich zudem, dass der Beschwerdeführerin aus Sicht der sie seit 10 Jahren behandelnden Neurologin wegen der bestehenden Symptome die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zugemutet werden kann. Dieser Befund wird nicht als Gefälligkeitsbefund gewertet.

In dem von der belangten Behörde eingeholten neurologischen Gutachten vom 07.11.2019 (inklusive Ergänzung vom 14.01.2020) wurde hingegen weder auf die von der Beschwerdeführerin eingewandte schwere Erschöpfung, noch auf die Gleichgewichtsstörungen, noch auf den Umstand eingegangen, dass die Beschwerdeführerin nunmehr bereits mit dem Chemotherapeutikum Cyclophosphamid behandelt werden muss.

In Gesamtbetrachtung erweisen sich daher die genannten Beweismittel, insbesondere der aktuelle neurologische Befund vom 23.06.2020, in Bezug auf die Beurteilung der Auswirkungen der vorliegenden Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel als beweiskräftiger als die diesbezüglichen Beurteilungen des Amtssachverständigen.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Fahrpreisermäßigung“ in dem Behindertenpass sind allerdings nach wie vor nicht gegeben, da die Beschwerdeführerin die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt.

Die belangte Behörde und die Beschwerdeführerin sind dem gegenständlichen Ermittlungsergebnis nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

§ 48. Für folgende Gruppen behinderter Menschen kann im Rahmen der jeweils im Bundesfinanzgesetz für diesen Zweck verfügbaren Mittel mit Verkehrsunternehmen des öffentlichen Verkehrs eine Fahrpreisermäßigung vereinbart werden:

1. Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder die selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen, sofern bei ihnen ein Grad der Behinderung von mindestens 70% oder die voraussichtlich dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit festgestellt wurde;

2. Bezieher von Pflegegeld sowie von anderen vergleichbaren Leistungen auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften;

3. Bezieher von Versehrtenrenten nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70%;

4. Bezieher wiederkehrender Geldleistungen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, BGBl. Nr. 152/1957, dem Opferfürsorgegesetz, BGBl. Nr. 183/1947, dem Heeresversorgungsgesetz, BGBl. Nr. 27/1964, dem Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973, und dem Verbrechensopfergesetz, BGBl. Nr. 288/1972, sowie Personen, denen solche Geldleistungen umgewandelt wurden, jeweils ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70%;

5. begünstigte Behinderte im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, ab einem Grad der Behinderung von 70%.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

㤠1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…

2. …         
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und         
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder         
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder         
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder         
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder         
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) – (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):

„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

…“

Wie oben im Rahmen der Feststellungen und der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, leidet die Beschwerdeführerin an einer aktiven schubförmigen MS-Erkrankung, welche sich in einer Gangstörung, Schwindelzuständen und einem ausgeprägten Fatiquesyndrom äußert, und weiters bereits regelmäßig mit dem Chemotherapeutikum Cyclophosphamid (Endoxan) in Form von Infusionen behandelt werden muss, welches auch starke immunsuppressive Eigenschaften aufweist. Aus dem fachärztlichen Befundbericht vom 23.06.2020, welcher auch die fachärztlichen Befunde aus den Jahren 2019 und 2020 berücksichtigt, ergibt sich, dass der Beschwerdeführerin aus Sicht der sie seit 10 Jahren behandelnden Neurologin wegen der bestehenden Symptome die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zugemutet werden kann.

Unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche etwa von der Voraussetzung einer ununterbrochenen Gehfähigkeit von 300 bis 400 Metern mit einfachem Hilfsmittel ausgeht, sowie insbesondere der bei der Beschwerdeführerin bestehenden erheblichen Funktionseinschränkungen ist somit auf Grundlage der aktuell vorliegenden Ermittlungsergebnisse die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel als der Beschwerdeführerin nicht mehr zumutbar zu erachten (vgl. VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128, und das dort zitierte Erkenntnis vom 20.10.2011, 2009/11/0032).

In Gesamtwürdigung der aktuellen Ermittlungsergebnisse ist der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr zumutbar.

Es war somit betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in dem Behindertenpass spruchgemäß zu entscheiden.

Da die Beschwerdeführerin aktuell keine der in § 48 BBG genannten Voraussetzungen erfüllt, konnte dem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" in dem Behindertenpass nicht stattgegeben werden, es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt in Bezug auf die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in dem Behindertenpass ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere aus den von der Beschwerdeführerin am 29.07.2020 nachgereichten aktuellen medizinischen Befunden bzw. Bestätigungen (und hier besonders aus dem fachärztlichen Befundbericht vom 23.06.2020). Bei der Beurteilung der Voraussetzungen in Bezug auf die ebenfalls beantragte Vornahme der Zusatzeintragung "Fahrpreisermäßigung" in dem Behindertenpass handelt es sich um eine reine Rechtsfrage. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. An dieser Stelle ist nochmals darauf hinzuweisen, dass weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin dem gegenständlichen Ermittlungsergebnis entgegengetreten sind.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Fahrtkosten Voraussetzungen Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2230158.1.00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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