TE Lvwg Erkenntnis 2020/4/21 VGW-151/086/2971/2020

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Veröffentlicht am 21.04.2020
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Entscheidungsdatum

21.04.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VwGVG §8
VwGVG §16 Abs1
VwGVG §16 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Wostri über die Beschwerde des Herrn A. B. (geb.: 1952, StA: Serbien) gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 10.12.2019, Zl. MA35-..., betreffend 1) Abweisung des Antrages auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte und 2) Einstellung des Säumnisverfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) und Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem Bescheid vom 10.12.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte abgewiesen und das Säumnisverfahren aufgrund der Säumnisbeschwerde vom 6.9.2019 aufgrund der Nachholung des Bescheides eingestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Der Beschwerdeführer stellte am 14.05.2018 bei der Magistratsabteilung 35 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte, welchen er am 12.03.2019 auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte modifizierte.

Die belangte Behörde sprach über den Antrag des Beschwerdeführers vom 14.05.2018 nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 6 Monaten ab. Die Verzögerung des Verfahrens ist auf das überwiegende Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Mit Schriftsatz vom 6.9.2019 erhob der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde, welche am 10.9.2019 bei der belangten Behörde einlangte.

Mit dem Bescheid vom 10.12.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers „vom 14.5.2018 auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte“ abgewiesen und das Säumnisverfahren aufgrund der Nachholung des Bescheides eingestellt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 20.12.2019 zugestellt.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund der unstrittigen Aktenlage.

Rechtlich folgt daraus:

§ 8 VwGVG lautet:

„Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde
§ 8.

(1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1.

die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2.

die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.“

§ 16 VwGVG lautet:

Nachholung des Bescheides
§ 16.

(1) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.

(2) Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) dient dem Rechtsschutz wegen Säumnis der Behörden. Zweck dieses Rechtsbehelfes ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in seiner Sache zu erlangen. Die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde setzt die Säumnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde voraus, deren Entscheidungspflicht geltend gemacht wird, und somit die Verpflichtung dieser Behörde, über den bei ihr eingebrachten Antrag mittels Bescheid zu entscheiden. Fehlt es an der Säumnis der Behörde, so ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen (VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0286).

Die Möglichkeit der Nachholung des Bescheides durch die Behörde baut darauf auf, dass die Säumnisbeschwerde gemäß § 12 VwGVG bei der säumigen Verwaltungsbehörde einzubringen ist, und auch voraussetzt, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung in der zu erledigenden Verwaltungsangelegenheit nicht schon allein aufgrund der Einbringung einer -zulässigen und berechtigten - Säumnisbeschwerde auf das angerufene Verwaltungsgericht übergeht. Demnach bleibt im Fall der Einbringung einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG die Zuständigkeit der säumigen Behörde zur Entscheidung in der Verwaltungsangelegenheit bis zum Ablauf der dreimonatigen Nachholfrist gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG bestehen. Dies gilt mit Ausnahme des Falles, dass die Behörde bereits vor Ablauf dieser Frist die Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht vorlegt. Demnach geht infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über. Gleichzeitig erlischt die Zuständigkeit der Behörde spätestens mit Ablauf der dreimonatigen Nachfrist, die mit dem Einbringungszeitpunkt der - zulässigen und berechtigten - Säumnisbeschwerde zu laufen begonnen hat (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0421).

Tatbestandsvoraussetzung für den Zuständigkeitsübergang ist - ausgenommen im Falle einer Vorlage nach § 16 Abs. 2 VwGVG - nur das ungenützte Verstreichen der Nachholfrist. Der Zuständigkeitsübergang tritt infolge der Einbringung einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde, die die dreimonatige Frist in Gang setzt, unabhängig davon ein, ob die säumige Behörde den Bescheid nach Ablauf der Frist nachholt oder nicht. Da die nachträgliche Erlassung des die Verwaltungssache erledigenden Bescheides keinen Einfluss auf den bereits erfolgten Zuständigkeitsübergang hat, ändert die allfällige Aufhebung eines nach Zuständigkeitsübergang von der Behörde erlassenen Bescheides in einem nachfolgenden Beschwerdeverfahren ebenso nichts an der einmal eingetretenen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für die Entscheidung in der Verwaltungsangelegenheit. Das Verwaltungsgericht ist nach Verstreichen der dreimonatigen Nachfrist zuständig, in der Verwaltungssache (meritorisch) zu entscheiden, ohne dass ein ausdrücklicher Abspruch über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde vorzunehmen ist. Wird der verwaltungsbehördliche Bescheid nach Ablauf der der Behörde gesetzlich eingeräumten Nachfrist erlassen, so ist dieser mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde belastet. Diese Rechtswidrigkeit ist im Falle der Erhebung einer Bescheidbeschwerde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom Verwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG nicht nur über Einwand des Beschwerdeführers, sondern auch amtswegig wahrzunehmen. Weil nur eine im Sinne des § 8 VwGVG zulässige und berechtigte Säumnisbeschwerde die Rechtsfolgen des Zuständigkeitsübergangs nach sich ziehen kann, umfasst die Prüfung der Zuständigkeit im Fall eines Beschwerdeverfahrens in einer Verwaltungsangelegenheit, in deren Zusammenhang eine Säumnisbeschwerde erhoben wurde, die Beurteilung der Zulässigkeit und Berechtigung der erhobenen Säumnisbeschwerde (VwGH vom 19.9.2017, Ro 2017/20/0001).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass auch mit einem nach Ablauf der Nachfrist gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG erlassenen Bescheid die Partei zunächst den von ihr mit ihrer Säumnisbeschwerde verfolgten Anspruch auf Entscheidung durchgesetzt hat, auch wenn dabei eine gesetzliche Bestimmung -nämlich, die zwischenzeitig eingetretene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung in der Sache - verletzt wurde. Diese Gesetzesverletzung geltend zu machen, ist in erster Linie der Disposition der Partei überlassen, als ihr die Entscheidung darüber offensteht, ob sie den Bescheid in Rechtskraft erwachsen lässt oder Beschwerde gegen den nachgeholten Bescheid erhebt. Die Gesetzesverletzung ist in dem allfälligen Beschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht zu klären, während das Säumnisbeschwerdeverfahren als Rechtsschutzziel (nur) die Herbeiführung einer Entscheidung in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit vor Augen hat und nicht die Richtigkeit der Entscheidung (VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019).

Es ist sohin festzuhalten, dass für die belangte Behörde die Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG mit dem Einbringungszeitpunkt der zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde, sohin dem 10.9.2019, zu laufen begann und am 10.12.2019 endete.

Die Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG ist gewahrt, wenn der Bescheid binnen 3 Monaten erlassen (mündlich verkündet oder zugestellt; vgl. § 62 Abs. 1 AVG) wird. Ein Bescheid ist nach ständiger Rechtsprechung als erlassen anzusehen, wenn dieser zumindest einer der am Verfahren beteiligten Person zugestellt worden ist (VwGH 6.9.2018, Ra 2017/17/0456).

Da der Bescheid vom 10.12.2019 jedoch erst am 20.12.2019 zugestellt wurde, ist dieser mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde belastet und ist dieser folglich zu beheben.

Festzuhalten ist, dass über die offene Säumnisbeschwerde vom 6.9.2019 durch das Verwaltungsgericht noch gesondert abzusprechen ist.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Säumnis, Entscheidungspflicht; Nachholung des Bescheides; Nachholfrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.151.086.2971.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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