TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/20 W227 2231574-1

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Veröffentlicht am 20.10.2020
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Entscheidungsdatum

20.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchUG §71 Abs2 litf
SchUG §71 Abs4
SchUG §71 Abs6

Spruch

W227 2231574-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 20. April 2020, Zl. 9131.003/0761-Präs3a/2020, zu Recht:

A)

1. Der Beschwerde wird stattgegeben.

2. XXXX , geboren am XXXX , hat die Zulassungsprüfung zur Externistenreifeprüfung aus dem Prüfungsgebiet „Psychologie und Philosophie“ (11. und 12. Schulstufe; 5. bis 8. Semester) nach dem Lehrplan Oberstufenrealgymnasium (BGW) bestanden. Die Beurteilung lautet „Befriedigend“.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der eigenberechtigte Beschwerdeführer legte am 17. Februar 2020 vor der Externistenprüfungskommission des Bundesrealgymnasiums und Realgymnasiums XXXX die 3. Wiederholungsprüfung der Zulassungsprüfung zur Externistenreifeprüfung aus dem Prüfungsgebiet „Psychologie und Philosophie“ (11. bis 12. Schulstufe; 5. bis 8. Semester) nach dem Lehrplan des Oberstufenrealgymnasiums (BGW) mit „Nicht Genügend“ ab.

Die Entscheidung über das Nichtbestehen wurde dem Beschwerdeführer am 17. Februar 2020 mündlich verkündet.

2. Gegen die Entscheidung erhob der Beschwerdeführer frist- und formgerecht Widerspruch. Zusammenfassend brachte er vor, er habe die gestellten Fragen ausreichend beantwortet und sei somit „positiv“ zu beurteilen. Auch würden die Unterlagen nicht zur Feststellung ausreichen, dass die auf „Nicht genügend“ lautende Beurteilung richtig sei.

3. In Folge holte die Bildungsdirektion für Wien ein pädagogisches Gutachten ein. Laut Gutachten vom 28. Februar 2020 (ergänzt durch eine Stellungnahme vom 8. April 2020) habe die Aufgabenstellung den bekannten Listen des Prüfungsstoffes entsprochen und sei im Schwierigkeitsgrad angemessen gewesen; es habe kein formaler oder inhaltlicher Fehler bei der Prüfung festgestellt werden können, weshalb die negative Beurteilung der Zulassungsprüfung zu bestätigen sei.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bildungsdirektion für Wien den Widerspruch gemäß § 42 und § 71 Abs. 2 lit. f Schulunterrichtsgesetz (SchUG) ab.

Begründend führte die Bildungsdirektion zusammengefasst aus:

Das Prüfungsprotokoll und die ergänzenden Stellungnahmen der Prüferinnen reichten aus, um festzustellen, dass der Beschwerdeführer wesentliche Begriffe und Strömungen der ihm gestellten Fragen weder nennen noch erklären habe können. Der Beschwerdeführer habe die an ihn gestellten Anforderungen gemäß dem Lehrplan bzw. dem aktuellen Themenkatalog für die Zulassungsprüfung aus „Psychologie und Philosophie“ der 11. bis 12. Schulstufe nicht einmal in wesentlichen Bereichen überwiegend erfüllt und sei somit mit „Nicht genügend“ zu beurteilen.

5. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der zusammengefasst vorgebracht wird:

Die Externistenprüfungskommission habe die Verfahrensgrundsätze des § 70 Abs. 2 bis 4 SchUG nicht eingehalten. Auch sei dem Beschwerdeführer die negative Note am 17. Februar 2020 mündlich ohne konkrete Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes und Erörterung bekannt gegeben worden. Außerdem erfülle das Prüfungsprotokoll nicht die Anforderungen des § 18 Externistenprüfungsverordnung. Weiters sei die verfahrensgegenständliche Prüfung bereits zum dritten Mal vor bei derselben Prüferin abgelegt worden.

In einer grafischen Darstellung werden zudem die unterschiedlichen Auffassungen über die Leistungserbringung aus Sicht der Prüferinnen und des Beschwerdeführers dargestellt.

6. Am 4. Juni 2020 legte die Bildungsdirektion für Wien die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Mit verfahrensleitenden Beschluss vom 17. Juli 2020 unterbrach das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren gemäß § 71 Abs. 2 lit. f und Abs. 4 SchUG und ließ den Beschwerdeführer zu einer kommissionellen Prüfung im Gegenstand „Psychologie und Philosophie“ zu. Das Bundesverwaltungsgericht wies darauf hin, dass aufgrund der vom Beschwerdeführer mehrfach ins Treffen geführten Befangenheit eines Mitglieds der Externistenprüfungskommission andere Lehrkräfte mit der Durchführung der kommissionellen Prüfung (im Rahmen der Amtshilfe) zu betrauen sind, um eine allenfalls vorliegende Befangenheit auszuschließen.

8. Am 7. Oktober 2020 trat der Beschwerdeführer zur kommissionellen Prüfung an und wurde mit „Befriedigend“ beurteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der am XXXX geborene XXXX trat am 17. Februar 2020 zur Zulassungsprüfung zur Externistenreifeprüfung aus dem Prüfungsfach „Psychologie und Philosophie“ (11. bis 12. Schulstufe) nach dem Lehrplan des Oberstufenrealgymnasiums (BGW) an und wurde mit „Nicht Genügend“ beurteilt.

Die vorhandenen Unterlagen reichen nicht zur Feststellung aus, ob diese Beurteilung richtig oder unrichtig war.

Am 17. Juli 2020 unterbrach das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren gemäß § 71 Abs. 2 lit. f und Abs. 4 SchUG und ließ den Beschwerdeführer zu einer kommissionellen Prüfung im Gegenstand „Psychologie und Philosophie“ zu.

Am 7. Oktober 2020 trat der Beschwerdeführer zur kommissionellen Prüfung an und wurde mit „Befriedigend“ beurteilt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen basieren auf dem Akteninhalt.

Dass die vorhandenen Unterlagen nicht zur Feststellung ausreichen, ob die auf „Nicht Genügend“ lautende Beurteilung der vom Beschwerdeführer am 17. Februar 2020 abgelegten Zulassungsprüfung zur Externistenprüfung im Gegenstand „Psychologie und Philosophie“ richtig oder unrichtig war, ergibt sich insbesondere aus folgenden Gründen:

Zunächst sind dem Prüfungsprotokoll vom 17. Februar 2020 keine Beschreibungen der Leistungen des Beschwerdeführers sowie deren Beurteilung im Einzelnen zu entnehmen, obwohl dies gemäß § 18 Abs. 1 Externistenprüfungsverordnung als zwingender Bestandteil eines ordnungsgemäßen Prüfungsprotokolls vorgesehen ist. Die nachträglich eingeholten Stellungnahmen können dies nicht ersetzen. Damit ist auch das von der Bildungsdirektion für Wien eingeholte pädagogische Gutachten weder schlüssig noch richtig.

Weiters ist eine angemessene Dauer der Externistenprüfung entscheidend, um sich ein sicheres Urteil über die Kenntnisse des Prüfungskandidaten zu verschaffen und eine Kontrolle der Beurteilung der Prüfung im Hinblick auf „Exzesse“ (Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein anderes Ergebnis zu erwarten wäre) zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund, dass der Verordnungsgeber in § 22 Abs. 6 Leistungsbeurteilungsverordnung für mündliche Teilprüfungen eine Mindestdauer von 15 Minuten vorgesehen hat, ist die Prüfungsdauer der Externistenprüfung vom 17. Februar 2020 von 5 Minuten zu gering gewesen. Auch lässt der Umfang der sich aus den Stellungnahmen ergebenden Besprechungsthemen vermuten, dass dem Beschwerdeführer offenbar zu wenig Zeit gegeben worden ist, seine Antworten zu überlegen.

Dass der Beschwerdeführer im Rahmen der kommissionellen Prüfung am 7. Oktober 2020 mit „Befriedigend“ beurteilt wurde, ergibt sich aus dem übermittelten Prüfungsprotokoll vom 7. Oktober 2020 (siehe OZl. 8).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde [Spruchpunkt A)]

3.1.1. Gemäß § 71 Abs. 2 lit. f SchUG ist gegen die Entscheidung, dass eine Reifeprüfung, eine Reife- und Diplomprüfung, eine Diplomprüfung, eine Abschlußprüfung, eine Zusatzprüfung oder eine Externistenprüfung nicht bestanden worden ist (§§ 38, 41, 42), ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig.

Gemäß § 71 Abs. 4 SchUG hat die zuständige Schulbehörde in den Fällen des Abs. 2, insoweit sich der Widerspruch auf behauptete unrichtige Beurteilungen mit „Nicht genügend“ stützt, diese zu überprüfen. Wenn die Unterlagen nicht zur Feststellung, dass eine auf „Nicht genügend“ lautende Beurteilung unrichtig oder richtig war, ausreichen, ist das Verfahren zu unterbrechen und der Widerspruchswerber zu einer kommissionellen Prüfung (Abs. 5) zuzulassen. Die Überprüfung der Beurteilungen bzw. die Zulassung zur kommissionellen Prüfung hat auch dann zu erfolgen, wenn deren Ergebnis keine Grundlage für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung gibt.

Gemäß § 71 Abs. 6 SchUG ist der dem Widerspruch stattgebenden oder diesen abweisenden Entscheidung die Beurteilung zugrunde zu legen, die die Behörde nach der Überprüfung bzw. die Prüfungskommission nach der Durchführung der Prüfung für richtig hält. Sofern diese Beurteilung nicht auf „Nicht genügend“ lautet, ist ein Zeugnis auszustellen, das diese Beurteilung enthält.

3.1.2. Wie festgestellt, reichten im vorliegenden Fall die Unterlagen nicht aus, um nach § 71 Abs. 4 SchUG feststellen zu können, dass die Leistungen des Beschwerdeführers bei der Zulassungsprüfung zur Externistenreifeprüfung aus dem Prüfungsfach „Psychologie und Philosophie“ am 17. Februar 2020 zutreffend mit „Nicht genügend“ beurteilt wurden. Folglich war das Verfahren zu unterbrechen und der Beschwerdeführer zu einer kommissionellen Prüfung zuzulassen (vgl. Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, Anm. 17ff zu § 71 Abs. 4 SchUG mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Da die Leistungen des Beschwerdeführers bei der kommissionellen Prüfung am 7. Oktober 2020 mit „Befriedigend“ beurteilt wurden, ist gemäß § 71 Abs. 6 SchUG diese Beurteilung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde zu legen. Der Beschwerde ist daher stattzugeben.

Dem Beschwerdeführer ist ein Zeugnis auszustellen, das diese Beurteilung enthält (vgl. § 71 Abs. 6 SchUG).

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, m.w.N.).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass hier das Verfahren zu unterbrechen war und der Beschwerdeführer zu einer kommissionellen Prüfung zuzulassen war, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Befangenheit Dauer Externistenprüfung kommissionelle Prüfung negative Beurteilung pädagogisches Gutachten positive Absolvierung einer Prüfung Prüfung Prüfungsablauf Prüfungsbeurteilung Prüfungskommission Prüfungsprotokoll Prüfungswiederholung Stellungnahme Unterbrechung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W227.2231574.1.01

Im RIS seit

29.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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